Besessen! von Noctifer ================================================================================ Kapitel 2: Flexibilität, Individualität und alternative Beschwörungsmedien -------------------------------------------------------------------------- Autors Note: Vielen lieben Dank für das Feedback, sechs Favoriteneinträge und Arenja für ihre Beta-Arbeit :) Viel Spaß mit der teuflischen Handtasche! Das soll ein Pentagramm sein? „Haben wir das jetzt richtig gemacht?“ Skeptisch besah sich Chrissy ihr künstlerisches Werk, für das mir nur ein einziges Wort in den Sinn kam: Verkehrt! Du musst das Pentagramm umdrehen, du Hohlbratze! „Das sieht irgendwie anders aus.“ Zumindest Juliane kam auf die Idee, in ihrem teuflischen Büchlein nachzusehen, auf dem noch immer der grellorangefarbene Aufkleber mit 'Sonderpreis 3,- Euro' prangte. Zu meiner Zeit lasen Hexer und Totenbeschwörer noch aus dem Necronomicon und nicht aus 'Die satanische Bibel'. Was ist das überhaupt für ein Vieh auf dem Einband? Hellboy? „Umdrehen vielleicht?“ Ding, Ding, Ding! Herzlichen Glückwunsch! „Ja, ich glaube so isses richtig.“ Ich bin kein Experte auf dem Gebiet der Teufelsbeschwörung. Schließlich suchte ich Menschen heim, egal ob gerufen oder nicht, aber ich glaube, dass ernstzunehmende Satanisten andere Arbeitsmittel verwenden. Zumindest keine alte Ostertischdecke von Mutter als Unterlage. Und Lippenstift zum Zeichnen. Das krakelige zart rosé-farbene Pentagramm, in dessen Mitte ein blasser Osterhase vom Druck auf der Vorderseite durch schien, war meines Erachtens nach, nicht unbedingt geeignet, um den Teufel aus der Hölle heraus zu locken. Doch wie gesagt: Ich bin kein Experte. „Okay“, murmelte Juliane und biss sich auf die Lippen. Wenn sie noch etwas fester zubeißen würde, hätten sie zumindest ein klassisches Beschwörungsmedium. „Hier steht: Für Beschwörungen ist die Nacht von Montag auf Dienstag, oder von Freitag auf Samstag am Besten geeignet.“ „Warum?“, wollte Franziska wissen und runzelte die Stirn; Erneut wies sie eine frappierende Ähnlichkeit mit fliegenden Ratten auf. „Das steht hier so“, sagte Juliane und zuckte mit den Schultern. Ernsthaft, Mädels: Ihr erwartet von einer Drei-Euro-Sonderpreisausgabe vom 'Satanismus für Anfänger', wie es kleingedruckt unter dem reißerischen Titel steht, Erklärungen für ein Ritual, das ihr via zartrosa Lippenstift und Ostertischdecke ausführen wollt? Die übrigen beiden schwarz gekleideten Grazien seufzten und sahen sich an. „Wird schon richtig sein“, schlussfolgerte Chrissy. „Wir haben ja Freitag.“ „Freitag, der dreizehnte, wäre viel cooler“, merkte Franziska an und seufzte erneut. Da hätte ich zumindest die Hoffnung, dass ihr versehentlich Jason einladet und mich von eurer Existenz befreit. „Aber wir haben keinen unheiligen Ort“, sagte Juliane und las vor: [style type="bold"]„Als Ort wählt man einen möglichst einsamen und unheimlichen Ort, beispielsweise eine Ruine, einen alten Friedhof, einen Keller oder einen Platz, an dem jemand gewaltsam ums Leben kam.“ „Wir haben einen Keller“, sagte Chrissy nach kurzem Zögern. „Heizungsraum, Waschküche und so. Meinst du das geht?“ „Ja?“, erwiderte Juliane gedehnt und auch Franziska nickte zustimmend. „Das muss gehen.“ Teufelsbeschwörung in der Waschküche. Weiter so, Mädels, ihr werdet in die Geschichte eingehen als diejenigen, die der Teufel in der Waschmaschine ersäuft hat. Grob packte der Panda mein Gefäß und schleppte mich, die Tischdecke, einige Kerzen und ein paar Räucherstäbchen von Mutter, in den Keller. Ob sich Chrissys Mutter bewusst war, dass sie alle Utensilien für eine Teufelsbeschwörung im Haus hatte? War das Absicht? Vielleicht war das alles ein ausgeklügelter Plan, um ihre missratene Brut los zu werden. In der Waschküche angekommen bot sich ein dürftig unheiliger Eindruck: Waschmaschine, Trockner, ein Spülbecken, nebst Garten- und Reinigungsgeräten wie einem Staubsauger und einem Schrubber. Kein Besen. Ich war beruhigt. Nun, was soll ich sagen? Positiv anzumerken war, dass sie sich zumindest bemüht hatten. Würden sie, oder eine von ihnen zumindest, von Tapete zu Wand denken, dann würde ihnen klar werden: es gab geeignetere Utensilien für Teufelsbeschwörung, als bunte Kerzen und 'Indian Romance'-Räucherstäbchen. Aber ich werde ja nicht gefragt, sondern nur von einer Ecke in die andere getreten. „Reicht ein Räucherstäbchen?“, fragte die Geiernase und rümpfte selbige. Es war das erste Mal, dass ich Verständnis in dieser Runde aufbringen konnte: Die Räucherstäbchen stanken bestialisch. „Mehr!“, verlangte Chrissy herrisch und zündete die fünfte Kerze an. Fällt nur mir auf, dass Engelbilder auf weißen Kerzen bei einer Teufelsbeschwörung fehl am Platz sind? Der Panda sah auf und erneut stellte sich mir unwillkürlich die Frage: Ist das noch Lidschatten, oder bereits Gehirnfäulnis? „Also wir haben Kerzen, äh, steht da was von 'ner Zahl?“ Juliane schüttelte den Kopf und schien kurz über die Frage nachzudenken. „Ist das wichtig?“ Verzeihung, ich habe mich wohl geirrt: Der Gesichtsausdruck, den ich als 'denkend' eingestuft hatte, war wohl plötzlichen Flatulenzen zu zuordnen gewesen. Die expandierte Fledermaus wedelte mit der Hand. „Vielleicht Dreizehn?“ Dreizehn? Wen wollt ihr beschwören? Den Teufel oder die Templer? „Oder … Sechs. Also Sechs-Sechs-Sechs“, sagte Juliane mit einem Blick auf den Einband des Buches und der obligatorisch abgebildeten Teufelszahl. „Muss man das multiplizieren?“, wollte Franziska wissen und erntete einen zweifelnden Blick der beiden anderen Mädchen. „Wir haben keine Zweihundert Kerzen“, maulte Chrissy und überhörte Juliane, die sie leise auf 216 korrigierte, „wir haben nur zwanzig!“ „Dann verteilen wir die halt auf drei Mal sechs!“, schlug die Fledermaus vor und begann nach einem Zeichen von der selbst ernannten Chef-Satanistin Chrissy damit die Kerzen zu verteilen. Vier gelbe Stumpen 'Limone' wurden zusammen mit zwei blauen 'Meeresbrise' Duftkerzen auf der Waschmaschine platziert. Die beiden gerollten Bienenwachskerzen standen neben vier weißen Kerzen, die den Erzengeln gewidmet und dementsprechend auch mit ihrem Bild verziert waren, auf dem Trockner. Die drei grünen Weihnachtskerzen, bedruckt mit Rentieren, dem heiligen Nikolaus und einem Weihnachtsbaum, fanden neben einer blaßrosa Glücksschwein-Kerze und Chrissys Tauf- und Kommunionskerze am Rande des Spülbeckens ihren Platz. Unsanft wurde mein Gefäß in eine Ecke getreten, während das teuflische Trio eifrig damit beschäftigt war Stumpen und Räucherstäbchen nach einem mir nicht nachvollziehbaren System zu platzieren. Glücklicherweise waren Dämonen auch nach Jahrhunderten gefeit vor Kurzsichtigkeit und anderen Altersbeschwerden, so konnte ich die Bemühungen der intelligenzabstinenten Grazien eingehend verfolgen. „Als Kleidung ist alles in schwarz passend“, referierte Juliane und sah ihre satanischen Schwestern an. „Meinst du unsere Shirts sind okay?“ Wäre es Alice Cooper gewesen, Iron Maiden oder ACDC, vielleicht hätte ich noch Verständnis aufbringen können, aber wer zur Hölle war Eminem? Außerdem: Würde bitte irgendwer die Fledermaus darauf hinweisen, dass quergestreifter, hauteng anliegender Stoff nicht unbedingt ihrer reichlich vorhandenen Figur schmeichelt? „Denke schon.“ Juliane, meine Liebe: Würdest du von A nach B denken können, würdest du kein Che Guevara-Shirt zu einem Beschwörungsritual tragen. Stockend las Juliane weiter. „Die Beschwörung sollte nicht unterbrochen werden, außer man wird durch ein Unglück daran gehindert, daher muss vorher der Ablauf genau durchdacht werden, man darf nicht gestört werden und alle erforderlichen Geräte müssen bereit liegen.“ Ein Unglück, wie: Ein pissiger Teufel? „Wer nicht die feste Absicht hat, es bis zum Ende durchzuführen, der sollte es auch nicht beginnen.“ Der Teufel wird angefressen sein, darauf verwette ich den blaßroten Totenkopfdruck und sämtliche Glöckchen, die an meinem Gefäß befestigt sind! Aus der kuscheligen Hölle heraus gerissen werden und sich in einem feuchten Keller wiederfinden, inmitten von Haushaltsgeräten, bunten Kerzen, 'Indian Romance'-Rauchschwaden und drei sternchenäugenlnden Chromosomenscherzen – wer würde da nicht pissig werden? „Es muss vorher genau überlegt werden, welcher Geist gerufen werden soll. Es ist unnötig, einen Geist hohen Ranges zu beschwören, wenn ein Geist von geringerem Rang ausreicht, die Wünsche zu erfüllen.“ Juliane sah auf. „Lucifer, oder?“ „Jaah“, seufzte die Fledermaus – ich wage es gar nicht diesen Begriff zu verwenden – erregt. Hätte ich einen Magen, würde ich mich spätestens jetzt erbrechen. Leider lag der Inhalt meines Gefäßes sowieso über den Boden verteilt. Nicht einmal diese Genugtuung war mir vergönnt. Chrissy sah nicht weniger entrückt drein. „Wie meint ihr ist er?“ Er ist meistens nicht amüsiert. „Bestimmt sieht er aus wie... wie... Viggo Mortensen!“, quietschte Franziska und geriet ins Schwärmen. „Groß und dunkelhaarig! Mit dunklen Augen und sanfter Stimme!“ Gehörnt und Bocksbeinig ist er. Etwas derart hässliches und abstoßendes habt ihr im Leben noch nicht gesehen. „Bestimmt hat er ein wunderschönes Gesicht. Wie ein Elb!“ „Das war aber Orlando Bloom“, warf Juliane ein und erntete einen bösen Blick seitens der Fledermaus: „Mir doch egal!“ „Bestimmt duftet er gut“, sinnierte der Panda weiter, „nach Rosen oder so.“ Sein Atem stinkt nach Schwefel und wenn er furzt, rafft der Geruch Völker dahin... „Wir sind noch nicht fertig!“ Juliane steckte erneut ihre Nase in 'Rituale für Dummies': „Nachdem man alle notwendigen Utensilien Kerzen, Schwert, Räucherung – Wir haben kein Schwert.“ „Egal“, konterte Chrissy und zeigte auf eine Heckenschere, welche in der Ecke bei einigen Gartengeräten lehnte. „Das geht schon.“ Entweder nennt man das, was ihr seid 'entschlossen', 'flexibel' oder 'strohdoof'. Juliane trat von einem Fuß auf den anderen. „Aber wir müssen mit dem Schwert einen Kreis ziehen.“ Kurzerhand griff sich der Panda die Heckenschere und zog diese über den Boden. Entfernt erinnerte die Rostspur auf den Fliesen an einen Kreis, mehr aber an ein missgebildetes Ei. „Oh, wir hätten das auch mit Kreide machen können“, gestand Juliane, „aber wir haben keine Kreide. Edding vielleicht?“ „Meine Mama bringt mich um, wenn wir mit Edding auf die Fliesen zeichnen.“ „Nehmen wir halt den Lippenstift!“, schlug Franziska vor und zeichnete unter Ächzen und Stöhnen die ovale Missbildung am Boden nach. „Außerhalb des Kreises zeichnet man ein Dreieck, in dem der Geist erscheinen soll“, instruierte Juliane weiter und stockte anschließend. „Wir brauchen eine Schale Blut.“ „Blut?“ Franziska erbleichte. „Ich kann kein Blut sehen!“ Vielleicht solltest du nochmal deine Einstellung überdenken und statt Satanist ein Parzifist werden. „Wir haben flüssiges Waschmittel“, erklärte Chrissy nach kurzer Suche. „Ist auch irgendwie rot.“ „Naja, das wird schon gehen“, meinte Juliane, „ist ja nur symbolisch.“ Symbolisch für: Weichgespülte Satanisten. „Teelichter brauchen wir nicht, wir haben Kerzen“, murmelte Juliane und runzelte die Stirn. „Ist ja auch nur zur Beleuchtung, schätze ich. Stell' mal die restlichen zwei Kerzen auf die Tischdecke!“ „Das Pentagramm!“, fauchte Chrissy und breitete das individuell gestaltete Pentagramm vor der Waschmaschine aus. „Was ist Storax?“ „Was macht man damit?“, wollte Franziska wissen. „Verbrennen.“ „Dafür haben wir Räucherstäbchen!“ „Okay, dann brauchen wir noch ein Siegel und, äh, einen Zauberstab.“ „Siegel?“, fragte Chrissy gedehnt, „Was ist das?“ „Naja, so ein Symbol“, antwortete Juliane unsicher, „sowas wie ein Pentagramm, nur halt anders.“ „Aha.“ „Aha.“ Aha. „Wir können ja das Buch nehmen“, entschloss der Panda kurzerhand und zog einen Staubwedel unter einem Berg Putzlappen hervor. „Und das als Zauberstab!“ Da bekommt der Begriff 'Putzteufel' eine ganz neue Bedeutung... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)