Abschied von traumherz (Shinichi/Shiho) ================================================================================ Kapitel 1: Abschied ------------------- „Woran denkst du gerade?“ Ein wenig erschrocken fuhr Shinichi hoch und blickte die Wissenschaftlerin an. Er hatte sie nicht kommen hören. War er denn etwa so sehr in seine Gedanken versunken gewesen? Ja, vermutlich. Das sah ihm gar nicht ähnlich. Sicher, er dachte viel nach, doch für gewöhnlich verschlang ihn seine Gedankenwelt nicht so sehr, dass er nichts mehr um sich herum wahrnahm. „Ist nicht so wichtig“, meinte er ausweichend, selbst nicht mehr genau wissend, worüber er eigentlich gerade eben noch so intensiv nachgedacht hatte. Hatte es mit ihr zu tun gehabt? Vielleicht. Doch auch das hätte er ihr wohl kaum einfach so gesagt. „Ahja“, entgegnete sie nur knapp und blickte ihn für einen Moment schweigend an. Man merkte ihr an, dass sie alles andere als überzeugt war. „Ich darf doch kurz?“ Sie deutete auf einen Sessel, der in dem geräumigen Wohnzimmer stand. Er nickte leicht. „Ja, klar.“ „Vielleicht sollten wir verschwinden“, schlug Shiho schließlich vor, „Irgendwohin, wo uns die Organisation nicht finden kann.“ Ein Kopfschütteln. „Nein. Ich bin froh, dass es so ist, wie es jetzt ist.“ „Wie kannst du froh sein? So naiv bist du doch sonst nicht.“ Ihre Stimme hatte nun einen kühlen Klang angenommen. „Irgendwann wird uns die Organisation finden, und dann sind wir tot.“ „Ich werde nicht zulassen, dass es dazu kommt.“ Shiho seufzte leicht. Es überraschte sie nicht, dass er so was sagte, doch sie konnte sich nicht so recht entscheiden, ob ihn für seinen Mut bewundern oder für seine Dummheit verachten sollte. Nicht, dass sie wirklich in der Lage gewesen wäre, ihn zu verachten. Sie hatten so viel miteinander durchgemacht… Vielleicht war auch das einer der Gründe, weshalb sie gerne von hier verschwunden wäre, zusammen mit ihm. Vielleicht hatte sie dann eine Chance, wenn sie weit weg von Ran waren. Doch solange sie hier waren – solange Ran sich in seiner unmittelbaren Nähe befand – würde wohl nichts daraus werden. Er hatte ja doch nur Augen für sie und wahrscheinlich würde sich daran niemals etwas ändern. „Warum verstehst du es nicht? Unsere Wege und die der Organisation haben sich nun schon öfter gekreuzt, du weißt, wozu sie fähig sind! Warum verstehst du nicht, dass du in Gefahr bist, solange du dich hier befindest?“ „Ich kann nicht. Ich bin froh, dass ich wieder ich selbst bin, verstehst du? Ich kann endlich wieder meine Fälle lösen. Richtig lösen, nicht im Namen eines anderen, der den Ruhm einheimst, den ich verdiene. Es kann wieder wie früher werden.“ Wie früher. Diese Aussage war wie ein Schlag in das Gesicht der Wissenschaftlerin. Wie früher, als sie noch nicht in sein Leben getreten war. Genau das war wohl das, was er wollte. Langsam erhob sie sich. Vielleicht war es besser, wenn sie einfach wieder aus seinem Leben verschwinden würde. Sicher, es würde nicht einfach für sie sein. Sie konnte ihn nicht einfach wieder vergessen – doch was sollte es ihr bringen, ihn immer zu sehen und zu wissen, dass er nicht das fühlte, was sie für ihn empfand? Am Ende würde es ihr nur das Herz brechen. Ja, vielleicht war es besser, wenn sie nach Amerika zurückkehrte. „Ich sollte gehen.“ „Du musst nicht gehen, du kannst gerne noch etwas bleiben…“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Es ist besser, wenn ich gehe.“ „Gut, wenn du willst… ich komme nachher vorbei und-“ „Nein“, entgegnete die Rotblonde, „Du verstehst mich nicht. Ich werde ganz weggehen. Ich gehe wieder nach Amerika.“ Nicht ohne leichtes Entsetzen in seinen Augen sah er sie an. Sie wollte gehen? Er wollte nicht, dass sie ging. Doch wenn es das war, was sie wollte, dann würde er sie auch nicht aufhalten. „Wenn du willst…“ Schnell wandte sie sich von ihm ab. Tränen stiegen in ihre Augen, als sie seine Worte hörte. Natürlich bedeutete sie ihm nichts. Er hatte sie gebraucht, um an das Gegengift zu kommen – und jetzt, wo sie ein solches entwickelt hatte, hatte er keinen Platz mehr für sie in seinem Leben. Wahrscheinlich hätte sie das schon immer wissen müssen. Wie hatte in ihr auch nur jemals der kleinste Funken Hoffnung aufkeimen können, dass es vielleicht doch anders sein mochte? Dass er auch etwas für sie empfand? „Haibara…“, setzte er an, korrigierte sich dann jedoch: „Shiho… Jetzt warte doch mal…“ Doch sie wartete nicht, sondern kehrte mit schnellen Schritten in das Haus des Professors, wo sie noch immer lebte, zurück. Shinichi wusste nicht, wie lange er einfach nur da gesessen und über das, was eben geschehen war, nachgedacht hatte. Hatte er ihre Gefühle verletzt? Ja, vermutlich… Eigentlich hatte das nie in seiner Absicht gelegen. Er wollte ihr nicht weh tun. Auch, wenn er noch nicht wirklich bereit war, dies auch nur vor sich selbst zuzugeben, so war sie ihm doch viel zu wichtig als dass er ihr hätte weh tun wollen. Doch er wusste auch, dass sie Angst davor hatte, dass die Organisation sie finden würde – und so war es vielleicht wirklich besser, wenn sie zurückging. Doch was war mit ihm? Er würde sie vermissen, sehr sogar. Es würde ihm das Herz brechen, wenn sie ging. Eigentlich hatte er dies nicht einmal denken wollen. Was war nur los mit ihm? Als er noch Conan Edogawa gewesen war, hatten die Gedanken an Ran ihn regelrecht beherrscht. Oft hatte er kaum noch an etwas anderes denken können als daran, dass er endlich wieder er selbst sein wollte, damit er Ran endlich sagen konnte, was er für sie empfand, damit sie miteinander glücklich werden konnten. Und jetzt? Jetzt dachte er darüber nach, dass es ihm das Herz brechen würde, wenn Shiho gehen würde und alles, was er im Bezug auf Ran spürte, war ein schlechtes Gewissen. Gut, es war nicht so, als hätte er Ran nicht mehr geliebt – denn das tat er. Wahrscheinlich würde er sie immer lieben. Doch die Liebe, die er inzwischen für sie empfand, war eher mit der Liebe eines Bruders für seine Schwester zu vergleichen. Vielleicht lag es einfach daran, dass er als Conan so viel Zeit mit ihr verbracht hatte. Sie hatte ihn behandelt wie einen kleinen Bruder und dementsprechend hatten sich auch seine eigenen Gefühle verändert. Shiho hingegen… sie hatten ebenfalls relativ viel Zeit miteinander verbracht, doch zwischen ihnen war die Chemie ganz anders gewesen. Und als er sie eben durch seine Tür hatte gehen sehen, wissend von ihrem Plan, dass sie gehen wollte, spätestens in dem Moment hatte er gewusst, dass es nicht mehr so war wie früher und dass es auch nie wieder so werden würde. Schließlich stand er auf. Er wollte nicht, dass sie ging. Und vielleicht würde er es auch erreichen können, dass sie blieb. Er musste es zumindest auf einen Versuch ankommen lassen, denn eigentlich konnte er sich schon gar nicht mehr vorstellen, wie es sein würde, wenn sie nicht mehr da war. Er wollte es sich nicht einmal wirklich vorstellen. Mit relativ schnellen Schritten ging er rüber zu Professor Agasas Haus. Er wusste, dass er sie dort finden würde, immerhin war sie eben erst gegangen und wohl kaum schon auf den Weg in die USA. Doch wie sollte er überhaupt anfangen? Wie sollte er ihr deutlich machen, wie wichtig sie ihm geworden war? Was würde sein, wenn sie ihn nicht ernst nehmen würde oder wenn sie ihn abwies? Wahrscheinlich würde sie niemals auch nur etwas Ähnliches für ihn empfinden, auch, wenn seine Mutter ihm mal etwas anderes gesagt hatte. Ja, seine Mutter hatte vermutet, dass die Rotblonde etwas für ihn empfand… Doch er hatte nie geglaubt, dass da etwas dran war. Hätte es ihm nicht auffallen müssen, wenn sie Recht gehabt hätte? Oder hatte er sich einfach blind gestellt, weil er die ganze Zeit über so sehr auf Ran fixiert gewesen war? Für einen kurzen Moment spürte er, wie ihm das Herz nun bis zum Hals schlug. Vielleicht empfand sie ja doch etwas für ihn. Vielleicht bestand die Chance, dass sie das, was er fühlte, erwiderte. „Shiho?“, rief er nun. Es war so ungewohnt, sie bei ihrem richtigen Namen zu nennen. In der Vergangenheit war sie immer nur ‚Ai’ oder ‚Haibara’ für ihn gewesen, doch es wäre falsch gewesen, sie jetzt noch so zu nennen, wo sie ihre alten Körper zurück hatten. Es dauerte nicht lange, bis sie ebenfalls den Raum betrat. Mit einem leichten Stirnrunzeln betrachtete sie ihn. Was tat er hier? War er gekommen, um noch mehr Salz in ihre Wunden zu streuen? Das konnte sie nun wirklich nicht gebrauchen. „Was machst du hier, Kudo?“ Sie gab sich größte Mühe, abweisend zu klingen, doch ausgerechnet jetzt wollte es ihr nicht wirklich gelingen. Ihre Stimme zitterte und sie war kurz davor, sich wieder abzuwenden. Warum fiel es ihr jetzt bloß so schwer, hart zu sein? Sie wollte nicht schwach sein. Sonst war es doch auch nie schwer für sie gewesen, sich kühl und abweisend zu geben. Selbst Gin gegenüber hatte sie es irgendwie geschafft – und jetzt schaffte sie es nicht, diesem verdammten Schülerdetektiv die kalte Schulter zu zeigen? Warum? Was hatte er bloß mit ihr gemacht? „Ich muss mit dir reden…“ Worüber wollte er reden? Was sollte es da schon noch groß geben? Hatte er ihr nicht schon genug wehgetan? Merkte er es nicht oder war es ihm einfach nur völlig gleich? „Na schön. Dann sprich.“ „Es tut mir Leid, wenn ich dich verletzt haben sollte.“ Langsam machte der Detektiv einen Schritt auf die Wissenschaftlerin zu. Überrascht sah sie ihn an. Es war ihm also tatsächlich aufgefallen? Doch warum entschuldigte er sich nun? Es würde am Ende ja doch nichts ändern. „Schon gut.“ Sie leugnete es nicht. Es hätte auch gar keinen Zweck gehabt, es zu leugnen. „War’s das dann jetzt? Ich muss noch packen und-“ „Bitte geh nicht.“ „Was?“ „Ich will nicht, dass du gehst. Bitte geh nicht nach Amerika.“ Für einen Moment erinnerte er Shiho an den kleinen Jungen mit Brille, den er all die Monate über so überzeugend gespielt hatte. Er wirkte in diesem Augenblick einfach mehr wie ein trotziges Kleinkind, das nicht wollte, dass seine Mutter arbeiten ging und ihn allein ließ, oder irgendetwas in der Art. Keine Verhaltensweise, die wirklich zu Shinichi gepasst hätte. „Warum sollte ich nicht gehen? Ich weiß nicht, warum ich hier bleiben sollte. Hier ist es gefährlich für mich und aktuell sehe ich keinen Grund, warum ich hier meinen Hals riskieren sollte.“ Kaum hatte sie diesen Satz ausgesprochen, beugte sich Shinichi vor, um sie zu küssen. Im ersten Moment wollte sie ihn wegstoßen, es erschien ihr am vernünftigsten, doch sie konnte es einfach nicht. Viel zu sehr hatte sie sich danach gesehnt, dass genau dies irgendwann geschehen würde und nun, wo er ihr ein wenig Zuneigung zeigte und nicht nur Ran, konnte sie nicht anders, als diesen Umstand auszunutzen und die Situation zu genießen. Ein wenig war Shinichi über sich selbst überrascht, dass er das gerade getan hatte. Er hatte sie geküsst. Vielleicht wäre die Situation sogar einfacher für ihn gewesen, wenn es ihm nicht gefallen hätte, doch das hatte es, sehr sogar. „Warum tust du das?“, fragte sie schließlich. „Weil ich etwas für dich empfinde.“ Er hatte nicht sagen wollen, dass er sie liebte, denn er wusste nicht, ob es stimmte, doch es war eine Tatsache, dass er zumindest Gefühle für sie hatte. Ihre Augen weiteten sich leicht und Shinichi glaubte, Ungläubigkeit in ihnen entdecken zu können, doch sie sagte nichts dergleichen. Stattdessen lehnte sie sich nun leicht an ihn und drückte nun ihm einen Kuss auf, den er erwiderte. „Lass uns zu mir gehen“, hauchte er zärtlich in ihr Ohr, „Hier stören wir nur den Professor.“ Er wusste selbst nicht mehr genau, was er in diesem Moment sagte und warum er es tat, doch er wusste, dass er ihr nah sein und sie am besten nicht mehr loslassen wollte. Zwei Wochen später waren die beiden gemeinsam Essen gewesen. Es fühlte sich merkwürdig an, mit ihr durch die Straßen zu gehen und nicht mit Ran, doch auf eine Art und Weise, die er sich nach wie vor nicht wirklich erklären konnte, genoss er es auch. Er war gerne mit ihr zusammen, obgleich sie ein sehr ungleiches Paar abgaben. Doch sein schlechtes Gewissen Ran gegenüber konnte er nach wie vor nicht abschütteln. Nach wie vor wollte er nicht mehr mit ihr zusammen sein, zu viel hatte sich in seinem Leben verändert, doch er wusste, dass er ihr sehr wehgetan hatte und dieser Gedanke ging ihm nicht aus dem Kopf. Er hatte ihr nicht weh tun wollen. Doch leider änderte das nichts an seinen Gefühlen. Der Gedanke, dass sie ihn jetzt wahrscheinlich für immer hassen würde, gefiel ihm aber natürlich dennoch nicht. „Ist alles in Ordnung mit dir?“ Schon die ganze Zeit über war er so ungewohnt still gewesen. Beim Essen war ihr bereits aufgefallen, dass er abwesend in die Leere gestarrt hatte und auch jetzt schien er mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein. Woran dachte er? Ging es etwa schon wieder um Ran? Sie wollte nicht eifersüchtig sein, immerhin hatte er ihr gesagt, dass sich seine Gefühle für seine Sandkastenfreundin geändert hätten, doch leider fiel es ihr gar nicht so leicht, das zu glauben, nicht, nachdem es immer nur Ran für ihn gegeben hatte. „Ja, ich habe nur gerade nachgedacht… tut mir Leid.“ Ein leichtes Seufzen löste sich von ihren Lippen. „Vielleicht sollte ich doch nach Amerika zurück gehen.“ „Was? Warum?“ „Das fragst du noch? Du denkst immerzu an sie, nicht wahr?“ Sie wollte nicht, dass ihre Stimme so bitter klang, während sie das sagte, doch sie konnte es nicht verhindern. „Ich sehe es dir an.“ „So ist es nicht. Naja… nicht direkt“, räumte er ein, „Ich denke an sie, ja, aber nur, weil ich ein schlechtes Gewissen habe, weil ich ihr wehgetan habe. Das heißt aber nicht, dass ich nicht gerne mit dir zusammen bin.“ „Und wie lange? So lange, bis dir auffällt, dass du doch lieber mit ihr zusammen sein möchtest? Ich möchte nicht irgendeine nette Abwechslung sein, Shinichi.“ „Das bist du nicht…“ „Vielleicht. Ich gehe nach Hause. Komm meinetwegen vorbei, wenn du dir wirklich sicher bist, was du eigentlich willst.“ Mit diesen Worten beschleunigte sie ihre Schritte und kehrte ging zurück zum Haus des Professors. Shinichi blickte ihr für einen Moment nur nach. Er hatte doch auch ihr nicht wehtun wollen… Shiho war noch nicht einmal über die Schwelle des Hauses getreten, da spürte sie schon, dass irgendetwas voll und ganz nicht in Ordnung war. Es war anders. Für einen Moment spielte sie mit dem Gedanken, umzudrehen, zurück zu Shinichi zu gehen – denn bei ihm fühlte sie sich zumindest einigermaßen sicher – doch dann verwarf sie diesen Gedanken. Nein. Sie würde ihn nicht einfach in Schwierigkeiten bringen. Wenn hier wirklich irgendetwas nicht stimmte, dann war es viel zu gefährlich, ihn womöglich auch hierher zu bringen. Langsam und so leise, wie es ihr möglich war, trat sie ein. Sie spürte die Anwesenheit des Bösen regelrecht. Es hing in der Luft und erschwerte es ihr, sich zu bewegen oder auch nur zu atmen. Für einen Moment schien die Zeit still zu stehen. „Hallo, Sherry.“ Die Rotblonde erstarrte in ihrer Bewegung, als sie diese kalte Stimme hörte. Gin. Sie hatte geahnt, dass er hier war, doch sie hatte so sehr gehofft, dass sie sich irrte. Sie wollte nach dem Professor rufen, musste wissen, ob er hier war, doch sie wusste, dass ihr so oder so niemand antworten würde. Wenn er hier gewesen war, als Gin gekommen war, dann war er ohnehin nicht mehr am Leben. „Möchtest du mir nicht antworten? Wir haben uns lange nicht mehr gesehen.“ Langsam bewegte sich der schwarz gekleidete Mann auf die Wissenschaftlerin zu. Sie wich zurück, dachte gar nicht über ihre Bewegungen nach, ihre Beine bewegten sich automatisch. Es musste irgendein Fluchtinstinkt sein, der jedoch zwangsweise seinen Abbruch fand, als sie die Wand in ihrem Rücken spürte. Sie konnte nicht weiter zurückweichen. „Wie hast du mich gefunden?“, fragte sie schließlich. „Das ist nicht wichtig, Sherry. Wichtig ist, dass ich dich gefunden habe.“ Sie schwieg, wissend, dass das hier ohnehin ihr Tod sein würde. „Und jetzt, wo du mich gefunden hast, bringst du mich um, nicht wahr?“ Ein leichtes Lächeln huschte über ihre Lippen. Natürlich begrüßte sie den Tod nicht, nicht mehr, nicht, seit sie Shinichi kannte, doch sie würde auch nicht um ihr Leben betteln. Sie wusste ohnehin, dass es nichts gebracht hätte. „Du warst noch nie besonders dumm, Sherry. Aber wie wäre es, wenn du mir einen Abschiedskuss gibst?“ „Vergiss es.“ Für einen Moment glaubte sie, etwas wie Erstaunen in seinen grünen Augen zu entdecken. Wahrscheinlich hatte er geglaubt, dass sie um ihr Leben flehen und alles tun würde, was er von ihr verlange, doch da hatte er sich geirrt. Sie würde nicht flehen. Er versuchte, ihr einen Kuss aufzudrücken, doch sie schob ihn weg, was Gin dazu veranlasste, ihr eine Ohrfeige zu geben. „Du verdammte Schlampe… Sag Lebwohl.“ Der Schalldämpfer verhinderte, dass jemand den Schuss hörte. Lautlos wie der Tod verschwand Gin auf dem Wege, auf dem er auch gekommen war. Leicht zögernd betrat Shinichi das Haus des Professors. Eine gespenstische Stille lag in der Luft. „Shiho?“, rief er. Keine Antwort. Ein ungutes Gefühl stieg in ihm auf und schnürte ihm fast die Kehle zu, während er sie suchte. Im Wohnzimmer fand er sie schließlich, blutüberströmt auf dem Boden liegend. „Nein…“ Seine Stimme war kaum mehr als ein heiseres Flüstern. Erinnerungen stiegen in ihm auf, daran, wie er ihre Schwester genauso gefunden hatte, vor einiger Zeit. Auch die Rotblonde atmete noch. Schnell ließ er sich neben ihr auf den Boden fallen. „Shiho… ich rufe einen Krankenwagen, du musst durchhalten…“ „Nein… das bringt nichts… gib dir keine Mühe.“ „Du darfst so was nicht sagen, hörst du?! Du wirst wieder gesund.“ Er griff schon nach seinem Handy, doch sie drückte seine Hand mit der letzten Kraft, die sie noch aufbringen konnte, herunter. „Lass es“, wisperte sie. „Nein. Ich lasse dich hier nicht einfach sterben.“ „Gin würde wiederkommen und dann wärst auch du in Gefahr…“ Gin. Natürlich. Er hatte befürchtet, dass er dahinter steckte. Wenn Shinichi doch nur mit ihr das Land verlassen hätte… es war seine Schuld, dass sie nun hier mit dem Tode ringend auf dem Boden lag. „Shiho…“, sagte er wieder, „Ich liebe dich.“ Er war sich nun sicher, dass es stimmte. Ein erschöpftes Lächeln huschte über ihr schönes Gesicht. „Das ist schön. Ich liebe dich auch…“ Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, schloss sie ihre Augen für immer. Tränen rannen nun über das Gesicht des Schülerdetektivs und er drückte ihre Hand fest in seiner. Er hatte Recht gehabt: Es brach ihm das Herz, dass sie ging. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)