Die Sinne eines Jägers von abgemeldet (Wer hat Angst vorm Haifischmann?) ================================================================================ Kapitel 15: Wahrheiten ---------------------- Kisame wachte in aller Frühe auf. Trotz seiner unempfindlichen Haihaut hatte er schlecht auf dem nassen Laken geschlafen. Immerhin war der Stoff auch mit Tilyas Blut getränkt, und dieser anregende Duft hatte ihn einige Stunden wach gehalten. Oder war doch eher die Sorge um seinen angeschlagenen Schützling dafür verantwortlich? Sein erster Blick galt nämlich an diesem frühen Morgen der schlummernden Alverliekin. Behutsam schlug er die Decke zurück und betrachtete die Wundmale an ihrem schlanken Hals. Zufrieden stellte er fest, dass sich das verletzte Gewebe schon ziemlich gut regeneriert hatte, und sogar die befürchtete Entzündung war ausgeblieben. Vorsichtig zog Kisame das Handtuch von ihrem Körper fort. „Verdammt.“ zischte er betroffen, als er sah, welche weiteren Folgen sein gestriger Temperamentausbruch nach sich gezogen hatte. Die Blutergüsse an ihren Hüften und an ihrem Brustkorb hatten sich über Nacht vergrößert und tiefblau verfärbt. Die Kleine würde unter diesen Voraussetzungen nicht so schnell vergessen können, was er ihr angetan hatte. Kisame tastete vorsichtig über ihre Rippen, doch seine Sorge, ihr einen Knochen gebrochen haben zu können, erwies sich glücklicherweise als unbegründet. Den Umständen entsprechend schien es ihr gut zu gehen. Er hüllte die Alverliekin wieder in die warmen Decken, und begab sich unter die Dusche. Die Tropfen geronnenen Blutes auf den weißen Fliesen erinnerten ihn unangenehm an die Qualen, die er dem Mädchen vor wenigen Stunden zugefügt hatte. Mit höchster Sorgfalt wischte er die dunkelroten Zeugen fort, als hoffte er, damit seine Tat ungeschehen machen zu können. Während er sich vor dem Spiegel die Zähne putzte, drängte sich ihm wieder einmal mit aller Gewalt die Tatsache in den Verstand, was er doch für eine entsetzliche Bestie war. Wie sollte es jemals möglich sein, dass eine Frau etwas anderes in ihm sah, als ein schreckliches Monster? Wahrscheinlich hatte Tilya ihn gestern nur aus reinem Mitleid geküsst, weil sie genau wusste, dass niemand sonst für den Haifischmenschen etwas anderes als Abscheu, Hass und Furcht empfinden konnte. Kisame knallte seinem Spiegelbild frustriert die geballte Faust in die hässliche, blaue Visage. Der Spiegel zerbarst unter dem Hieb, und klirrend fielen unzählige Scherben auf die blanken Fliesen. „Sempai…?“ kam es schlaftrunken aus dem anderen Zimmer. Der Krach hatte die Alverliekin geweckt. „Alles in Ordnung!“ rief der Haifischmann. Nun kam der Moment, in dem er der Kleinen zum ersten Mal nach diesem unschönen Zwischenfall unter die Augen treten musste. Er warf sich eine Handvoll kaltes Wasser ins Gesicht, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, kleidete sich rasch an, beförderte die Spiegelscherben in den Müll und marschierte dann beherzt in Richtung Schlafzimmer. Tilya saß aufrecht auf dem Bett und hatte sich das Badetuch wie eine Toga um den Körper drapiert. Ihre Augen strahlten, und sie lächelte Kisame so unbekümmert an, als wäre all das, was sich gestern ereignet hatte, vergeben und vergessen. Kisame selbst hatte sich seinen Ausbruch aber noch längst nicht verziehen. Er trat dem Mädchen mit unwillkürlicher Befangenheit entgegen, und konnte ihrem offenen, freimütigen Blick kaum standhalten. „Guten Morgen, Sempai. Es hörte sich an, als sei Ihnen im Bad etwas zu Bruch gegangen?“ „Ja, ja. Der Spiegel. Bin versehentlich mit dem Ellenbogen dagegen gekommen.“ „Oh. Haben Sie sich verletzt?“ Das war wohl wieder typisch Tilya. Er hatte sie gestern beinahe massakriert, aber davon war keine Rede, denn für sie stand jetzt sein womöglich zerkratzter Ellenbogen im Vordergrund. Kisame hätte besser damit umgehen können, wenn sie ihn mit ihrer Ablehnung, ihrer Wut oder mit Aufmerksamkeitsentzug gestraft hätte. Aber nun tat sie so, als sei nichts geschehen. Und das war irgendwie viel schlimmer. So hatte es fast schon den Anschein, als ordnete sie den gestrigen Vorfall als unvermeidbaren Ausbruch seiner unkontrollierbaren, animalischen Persönlichkeit ein. Mehr denn je kam sich Kisame wie eine unzurechnungsfähige Bestie vor; wie ein scheinbar gezähmter Wolf, der plötzlich, von seinen Instinkten überwältigt, seinen Herren angefallen hatte. Und der daraufhin gnädigerweise nicht mit Schlägen bestraft, sondern auch noch mit Streicheleinheiten belohnt wurde. „Nein.“ entgegnete Kisame resigniert. „Ich bin nicht verletzt. Komm, mach dich fertig, sicherlich wartet Itachi bereits auf uns.“ Eine Viertelstunde später stand das ungleiche Paar vor Itachis Zimmer auf der Matte. Von dem schwarzhaarigen Akatsuki war noch nichts zu sehen. Kisame klopfte kräftig an der Tür. Das Holz splitterte. Tilya quietschte entsetzt. „Billiges Material…“ kommentierte der Haifischmann trocken. Itachis dunkle Augen blitzten wenige Sekunden später durch das frisch entstandene Guckloch, dann öffnete der jüngere Akatsuki den Rest von dem, was mal eine robuste Massivholztüre gewesen war. „War das nötig, Kisame?“ murrte der Uchiha. „Dir wünsche ich auch einen guten Morgen…“ maulte Kisame beleidigt. „Gut geschlafen?“ „Jedenfalls besser als sonst. Ich hatte ganz vergessen, wie erholsam eine Nacht ohne dein permanentes Geschnarche sein kann.“ „Ich schnarche nicht!“ motzte Kisame mit einem Seitenblick auf die verstohlen grinsende Tilya. „Oder? Zumindest nicht durchgehend!“ Die Alverliekin bekundete ihre Unwissenheit mit einem müden Schulterzucken. „Kann sein.“ gab Itachi nach. „Aber in der Zeit, in der du nicht schnarchst, hält mich dein ununterbrochenes Gequatsche wach. Wie sieht´s aus, gibt´s heute Frühstück, oder habt ihr wieder euer Zimmer verwüstet?“ „Nein, nur der Spiegel ist beschädigt.“ entgegnete der Haifischmann nüchtern. „…und deine Kleine offensichtlich auch.“ bemerkte der Uchiha kühl, nachdem sein Blick an Tilyas verwundetem Hals hängen geblieben war. „Was hast du mit ihr angestellt?“ „Wir haben uns gestritten!“ antwortete Tilya hastig für ihren Sempai. Sie lief rot an, und nestelte nervös an ihrem Kragen herum, um die roten Male zu verdecken. „Ähm…ich habe ihn versehentlich beleidigt. Aber…äh… jetzt ist alles wieder… gut.“ „Streiten nennt man das heutzutage also…“ schnarrte Itachi, und er verzog einen Mundwinkel, was wohl ein amüsiertes Grinsen darstellen sollte. Itachi konnte sich denken, bei welcher Art der körperlichen Auseinandersetzung die verräterischen Wunden entstanden waren. Die Kunst, zu lügen, schien nicht gerade zu den Stärken der Alverliekin zu gehören! Er konnte die zierliche Kleine nur aufrichtig dafür bedauern, dass sie ausgerechnet seinem impulsiven, sadistischen, notgeilen Partner in die ungelenken Hände gefallen war… „Jetzt kommt schon mit, ich könnte ein ganzes Pferd verdrücken!“ unterbrach Kisame seine Leibeigene, die immer noch versuchte, sich eine triftige Erklärung für ihren verwundeten Hals zurecht zu stammeln. Was der Haifischmann nachts mit seinem Mädchen trieb, war immer noch allein seine Angelegenheit! „Wenn wir uns beeilen, erreichen wir vielleicht noch heute Abend das Hauptquartier.“ vermutete Itachi, während er sich seinem Frühstück widmete. „Überleg dir schon mal, wie du dem Leader beibringen willst, dass du dir ab jetzt dieses kleine Vögelchen hier halten möchtest.“ Kisame wuschelte mit seinen Fingern, die eben noch aromatisch riechende Fischhäppchen in seinen Rachen befördert hatten, beruhigend durch Tilyas Federhaar. Fassungslos starrte die angeekelte Alverliekin zu ihrem Sempai hinauf. „Wird schon schief gehen.“ knurrte der nur optimistisch. Er würde sich keinesfalls um seine Sklavin bringen lassen, komme da, was wolle! Der Haifischmann hatte sich bereits einige schlagende Argumente zurechtgelegt, die dafür sprachen, die Kleine zu behalten. Er würde sich so lange den Mund fusselig reden, bis er Pein überzeugt hatte! Wenig später brachen die drei auf. Während sie sich mitten durch ein dichtes Waldstück schlugen, begann Tilya, einige Fragen an Kisame zu stellen. Nicht alle waren dem Haifischmann angenehm. „Was ist das Hauptquartier, Sempai?“ „Der Sitz von Akatsuki. Dort leben seine Mitglieder.“ „Was genau ist Akatsuki eigentlich?“ „Eine Organisation.“ „Und…was macht die so?“ Kisame dachte kurz nach. So manches Mal schon hatte er sich diese Frage schon selbst gestellt, und war dabei nie zu einem wahrhaft zufriedenstellenden Ergebnis gekommen. „Geld zusammentreiben, Aufträge ausführen, Dämonen bannen…“ meinte er nur knapp. „Aha. Okay… Und welches Ziel verfolgt Akatsuki dabei?“ „Das selbe Ziel, das alle bösen Jungs verfolgen, Süße… Natürlich, um Macht, Kontrolle, Ressourcen an sich zu reißen-, ganz allgemein: um die Weltherrschaft zu erlangen…“ knurrte Kisame gelangweilt. „…und um den guten Jungs in den Arsch zu treten.“ Eigentlich war dies ein frustrierendes Lebensziel, wenn man es sich so überlegte… Aber das einzige, was seinem Dasein bisher einen, -wenn auch zweifelhaften-, Sinn gegeben hatte, war nun einmal Akatsuki… „Und warum wollt ihr das alles?“ „DARUM!“ schnauzte Kisame die Kleine an. Mit SOLCHEN Fragen brauchte sie ihm gar nicht erst kommen! „Du hast keine Ahnung, Schätzchen. In eurer kleinen, heilen Welt, in der niemand kämpft, gibt es sicher auch keine Kriege, stimmt´s?“ „Stimmt.“ gab Tilya freimütig zu. „Keine Kriege, keine Waffen, kein Geld, keine Religion, keine Regierung,- nichts von eurem komischen Menschenkram gibt es bei uns. Seit sich mein Volk fernab von der Menschheit auf unserer Insel niedergelassen hat, leben wir in Frieden.“ „Ist ja herrlich…“ Kisame schnaubte verächtlich. Wehe, sie kam ihm jetzt noch mit irgendwelchem weltverbesserndem Gelaber an! Aber Tilya schwieg. Schließlich hatte sie in ihrer Heimat schon so viele Bücher über die Menschen gelesen, dass sie wusste, dass man sie im Grunde alle über einen Kamm scheren konnte. Die Motivationen der Menschen in ihrem meist sinnfrei erscheinenden Treiben hatte sie allerdings noch nie begreifen können. Ihr Volk hatte vor Jahrhunderten bereits versucht, die selbstzerstörerische Natur der Menschheit zu beeinflussen, ihnen die Augen zu öffnen, ihnen nahe zu bringen, dass sie nach den verkehrten Dingen strebten; doch alle Bemühungen waren vergebens gewesen. Der Rest war Geschichte… Und zwar eine katastrophale… Somit verwarf sie gleich jede Hoffnung, etwas an Kisames Weltanschauung ändern zu können. Neugierig war sie trotzdem. „Und was für Aufträge führt Akatsuki aus?“ Kisame deutete wortlos auf Samehada, das auf seinem Rücken festgeschnallt war. Tilya zog verwirrt die Brauen hoch, aber Kisame sparte sich weitere Erklärungen. Vielleicht war es besser, wenn sie fürs Erste nicht zu viel wusste. Allerdings hatte sie Kisames bisherige Antworten mit erstaunlicher Gelassenheit akzeptiert. Wahrscheinlich hatte sie schon mit etwas Ähnlichem gerechnet. Der Haifischmann war jedoch davon ausgegangen, dass ihn das dickköpfige Mädchen mit einer Reihe entwaffnender Argumente davon zu überzeugen versuchte, wie absurd und destruktiv die Verwirklichung von Akatsukis Plänen war. Es enttäuschte ihn, dass sie es nicht einmal probierte. Ihr Bild von ihm schien sich anscheinend schon soweit gefestigt zu haben, dass sie es kommentarlos hinnahm, dass ihr Meister ein krimineller Schurke war. Der klassische, hoffnungslose Bösewicht. Kein Wunder, bisher hatte sie ihn nicht gerade von seiner Schokoladenseite kennengelernt… Den Rest des Tages über wurde nicht mehr viel miteinander geredet. Die Reise durch das Unterholz war anstrengend, besonders für die kleine, angeschlagene Tilya; Kisames Anspannung wuchs im Hinblick auf Peins bevorstehende Reaktion auf seine Alverliekin; und Itachi gab sich wortkarg wie eh und je. Die Sonne versank blutrot hinter den Bergen, als die drei Wanderer im Akatsuki-Hauptquartier eintrafen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)