Die Sinne eines Jägers von abgemeldet (Wer hat Angst vorm Haifischmann?) ================================================================================ Kapitel 65: Eiskalt ------------------- Kisame fand einfach keinen Schlaf. Die mühsam unterdrückte, brennende Wut in seinem Bauch war noch längst nicht verraucht. Und die ganze Zeit starrte er auf den Minutenzeiger der Uhr auf seinem Nachttisch, und wartete. Noch zwei Minuten, und Tilya stand seit einer geschlagenen halben Stunde unter der eiskalten Dusche! Das Wasser, das jetzt durch die Leitungen floss, kam nicht mehr aus dem Boiler, sondern direkt aus dem Gebirge, und zu dieser Uhrzeit war es dermaßen kalt, dass sogar Kisame sich davor gescheut hätte, es zum Duschen zu gebrauchen. Noch eine Minute. Die Kleine hatte ziemlich viel getrunken. Ob sie vielleicht gar nicht merkte, wie ihr Körper unter dem kalten Wasser auskühlte? Das konnte doch nicht mehr gesund sein… Die Uhr schlug vier. Jetzt reichte es! Kisame schwang sich mit einem Ruck aus dem Bett. Entschlossen marschierte er in Richtung Badezimmer. Schon im Flur hörte er das unablässige Prasseln der Dusche. Der Kiri-Nin klopfte beunruhigt an der hölzernen Tür. Hoffentlich ging es dem Mädchen gut. Einen furchtbaren Moment lang drängte sich ihm die entsetzliche Möglichkeit in den Kopf, dass Tilya vielleicht schon längst aus dem Hauptquartier geflohen war. Fort von Akatsuki. Fort von ihm. Er verwarf diesen Gedanken. Die Kleine war eine treue Seele; sie würde ihn nicht so einfach verlassen! „Tilya? Tilya!!! Bist du immer noch da drin? Antworte mir!!“ rief er nachdrücklich. „Ja, ich bin hier...“ erscholl es endlich schwach aus dem Bad. Dem Haifischmann war, als fiele ihm ein ganzer Steinbruch vom Herzen. „Komm raus!“ forderte er jedoch streng. „Aber sofort!“ „Ich bin noch nicht fertig…“ „Du bist sowas von fertig, Alverliekin, das sag ich dir! Und falls doch nicht, dann MACH ich dich fertig,- wenn du nicht sofort die Dusche abstellst, und mir die Tür aufschließt!“ Kisame machte sich langsam ernsthafte Sorgen um Tilya. Sie klang so kraftlos und apathisch. „Ich bin noch schmutzig…“ ließ Tilya kläglich verlauten. „Tilya, du machst mir jetzt sofort die Tür auf, oder ich vergesse mich!“ Kisame legte all die Energie in diese Drohung, die er nach einer schlaflosen Nacht und einigen harten Drinks an diesem Morgen noch aufzubieten vermochte. Endlich wurde die Dusche abgestellt, und das tapsende Geräusch kleiner, nasser Füßchen näherte sich der Badezimmertür. „Ich habe gar kein Handtuch…“ drang es noch traurig durch das Holz, dann drehte sich der Schlüssel im Schloss um, und eine leichenblasse, durchnässte Tilya öffnete ihrem Sempai. Kisame erschrak, als er sie sah. Ihre Lippen waren blau, so auch ihre Fingernägel, und sie zitterte am ganzen Leib. Dass sie sehr viel geweint hatte, verrieten ihre geröteten, müden Augen. Aus einem Impuls heraus zog Kisame sie an sich, und schlang seine Arme fest um ihren klammen Körper. Sie ließ es widerstandslos über sich ergehen. Seine Shorts und sein Hemd sogen sich mit der kühlen Feuchtigkeit voll, doch das war Kisame völlig egal. Tilyas Leib fühlte sich an, wie ein einziger, vibrierender, kleiner Eiszapfen. Dankbar schmiegte sie sich an ihren Sempai, und genoss die Wärme, die sein starker Körper ausstrahlte. „Sie hassen mich jetzt bestimmt, oder?“ Kisame stutzte. War das etwa ihr einziges Problem? Wenn sie noch länger unter der eiskalten Dusche gestanden hätte, hätte sie das Bewusstsein verlieren können, und dann… Der Kiri-nin hätte sich dafür ohrfeigen mögen, dass er nicht früher gekommen war, um sie aus dem Bad zu scheuchen. Und sie selbst hätte natürlich ebenso eine gehörige Backpfeife verdient! „Du bist eiskalt!“ schimpfte er. „Willst du dir mit Gewalt eine Lungenentzündung zulegen, oder was? Bist du so scharf darauf, ein Krankenhaus von innen zu sehen? Was machst du nur für Sachen, du dummes Ding?“ Behutsam trug er das erschöpfte Mädchen auf seinen Armen zurück in sein Zimmer, und packte sie dort gleich in einige trockene Badetücher. Nun saß sie zusammengesunken, und in mehreren Lagen Frottee eingehüllt, auf dem Bett, vor welchem Kisame in unbequemer Position hockte, um vorsichtig ihre Federn abzutrocknen. Er wusste nicht, ob er ihr gerade eine Träne, oder einen Wassertropfen von der Wange tupfte, als er realisierte, wie verletzend die Worte gewesen waren, die ihm vorhin über die Lippen gekommen waren, als er sich vor Hidan keine Blöße hatte geben wollte. Aber dennoch brachte er es nicht fertig, sich bei Tilya für die Kränkungen zu entschuldigen. Und erst recht nicht konnte er ihr erklären, warum er überhaupt so kaltschnäuzig über sie gesprochen hatte. Er wollte sich selbst, allen anderen, und vor allem Tilya bloß nicht eingestehen, dass sie ihm etwas bedeutete. Worauf hatte er sich da nur eingelassen? Kisames Blick blieb unwillkürlich an ihren Lippen haften, Jenen vollen, fein geschwungenen Lippen, die er so gerne küsste. Davon zu träumen, dass sie Tilya eines Tages lieben könnte, so wie eine Frau einen Mann liebt; das war das eine. Aber die Tatsache, dass er selbst tiefer für sie empfinden konnte, versetzte den großen Haifischmann in Angst und Schrecken. Dieses kleine Mädchen durfte nicht zu seiner Schwachstelle werden, er wollte sich nicht in eine emotionale Abhängigkeit begeben, er musste verhindern, dass ihn die Gefühle, die er für sie hatte, verwundbar machten! Oder war es vielleicht schon zu spät? Es war ja auch nicht so, dass Tilya auf Distanz ging, um es ihm in dieser Angelegenheit leichter zu machen. Alleine schon, wie sie ihn jetzt wieder ansah… Mit diesem Blick, der die stille Bitte in sich zu bergen schien, dass er doch endlich sein Herz für sie öffnen mochte! Nein! Er musste unbedingt den Abstand zu ihr wahren! Und keinesfalls durfte er sich in irgendwelchen idealistischen Vorstellungen verrennen! Diese junge Frau kannte ihn doch immer noch überhaupt nicht richtig. Ja, es hatte sich etwas zwischen ihnen entwickelt; eine verfahrene, eigenartige Beziehung… und selbst die würde zerstört werden, sobald Tilya endlich erlebte, wer ihr Sempai tatsächlich war. Kisame konnte ihre Zuneigung nicht wirklich genießen, solange dieser Augenblick noch nicht eingetroffen war. Würde sie ihn noch wollen, wenn sie die Bestie in ihm wirklich kennengelernt hatte? Wollte sie ihn überhaupt? Oder brachte sie ihm vielmehr Mitleid, Faszination, oder furchtsamen Respekt entgegen? All diese Ungewissheiten ließen Kisame keine Ruhe. Beinahe wünschte er sich den Moment der Wahrheit sogar herbei… Ach, er wusste eigentlich überhaupt nicht, was er wirklich wollte! Tilya senkte den Blick zu Boden, und seufzte kaum vernehmbar. Kisame schlug sein Herz bis zum Hals. Welche Ironie des Schicksals… Eine kleine, friedfertige Alverliekin war es, die dem gefürchteten Monster von Kirigakure zeigte, was Angst, Unsicherheit und Demut bedeuten konnten… Chaos herrschte in seinem Herzen, liebevolle Regungen mischten sich mit wildem Jähzorn. Das letzte Mal hatte sich Kisame so gefühlt, als er in die Pubertät gekommen war… Es war, als hätte er sich mit einer ansteckenden Krankheit infiziert, die Tilya von ihrer friedlichen Insel mitgebracht hatte. Es fühlte sich an, wie ein Fieber, das einherging mit Herzrhythmusstörungen, Magenkribbeln, Konzentrationsschwäche, Schlaflosigkeit…und Tollheit! Was für ein jämmerlicher Zustand! „Du wirst mich noch eines Tages in den Wahnsinn treiben, du kleine, wandelnde Katastrophe!“ fluchte er leise, während er behutsam Tilyas trocken gerubbelte Federn hinter ihre spitzen Ohren strich. „Bereuen Sie es, dass Sie ausgerechnet mich, und nicht vielleicht eine andere Frau, zu sich geholt haben, Sempai?“ fragte Tilya leise, ohne ihn dabei anzusehen. „Ja, manchmal…“ log Kisame. „In Momenten wie diesen, zum Beispiel…“ Tilya blickte betroffen zu Boden. „Warum haben Sie sich überhaupt für mich entschieden?“ wollte die Alverliekin dann weiter wissen. Kisame runzelte die Stirn. „Keine Ahnung!“ blaffte er sie unfreundlich an. „Verrate du mir doch im Gegensatz dazu, warum du mich zu deinem Meister gemacht hast, als ich dir die Freiheit bereits auf dem Silbertablett serviert habe!“ Tilya schwieg. „Siehst du? So etwas nennt man nämlich einfach ´pure Idiotie´! Vielleicht haben wir zwei Chaoten uns einfach gegenseitig verdient, und wurden tatsächlich von einem grausamen Schicksal füreinander bestimmt, um uns gegenseitig das Leben schwer zu machen…“ „Aber ich will Ihnen das Leben nicht schwer machen; ich will Sie glücklich machen!“ begehrte Tilya verzweifelt auf, und in ihren Augen schimmerten Tränen. „Es tut mir so leid, dass ich Ihnen so viel Ärger und Kummer bereite! Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll, damit Sie endlich einmal Ihre Freude an mir haben…“ Kisame verschlug es fast die Sprache, angesichts ihrer kindlich naiven Aufrichtigkeit. Er gab ihr eine verbale Ohrfeige, und sie hielt auch noch die andere Wange hin. War dies als Zeichen ihrer Unbelehrbarkeit, oder ihrer Großmütigkeit aufzufassen? Kisame war in diesem Moment viel zu verunsichert, um Tilya erneut vor den Kopf stoßen zu können. „Aber… du brauchst doch überhaupt nichts… zu tun, damit ich meine Freude an dir habe, Tilya…“ stammelte der Nuke-nin befangen. „Es reicht schon, dass du hier, bei mir bist, und dass ich dich ansehen kann… -zum Beispiel, wenn du stolperst, und dir den Kopf anstößt!! Ja, äh… dann lache ich… und freue mich!“ Kisame atmete erleichtert aus. Uff! Da hatte er ja gerade noch mal die Kurve bekommen! Tilya allerdings wirkte immer noch zu Tode betrübt. „Also bereitet es Ihnen Freude, wenn ich leide.“ schlussfolgerte sie geknickt. „Das hätte ich mir ja fast denken können…“ „Hör sofort auf, solch einen Müll zu quasseln, oder ich werde gleich ziemlich ungemütlich!“ fuhr Kisame sie unwirsch an. „Wenn dem tatsächlich so wäre, hätte es mir doch herzlich egal sein können, ob du dir eine Erkältung, eine Lungenentzündung oder gar den Tod unter dem kalten Wasser holst, oder? Und was mache ich stattdessen, du undankbare Göre? Ich schlage mir die Nacht um die Ohren, um mich um ein völlig verrücktes Mädchen zu kümmern, das es anscheinend für vernünftig erachtet, stundenlang unter der eisigen Dusche zu stehen! Warum hast du so etwas Dämliches überhaupt getan? Bist du masochistisch veranlagt, oder was?“ „Ich habe mich so schäbig, und so dreckig gefühlt…“ flüsterte Tilya heiser, und presste die Lippen zu einem blauen Strich zusammen. „Aber wieso? Hidan hat nichts weiter getan, als dich anzufassen, oder?“ „Nichts weiter?!“ „Er hat ja nicht mit dir geschlafen, oder etwa doch?“ Kisame lehnte sich aufmerksam vor, und starrte wie ein angriffsbereiter Raubvogel auf Tilya hinab, und spürte selbst, wie eine dicke Ader an seiner Schläfe verdächtig zu pochen begann. Wenn das nämlich tatsächlich der Fall sein sollte, dann würde gleich im Hauptquartier doch noch die blaue Hölle einkehren! Die Alverliekin schüttelte jedoch heftig den Kopf. „Nein, aber trotzdem! Sie haben ja gar keine Vorstellung davon, wie furchtbar das Ganze für mich war!“ „Diesen Eindruck hatte ich aber gar nicht, als ich euch beide zusammen gesehen habe!“ ätzte Kisame, wobei er es penibel zu vermeiden suchte, sich seine Erleichterung anmerken zu lassen. „Das ist ja eben das Schlimme, Mann!“ rief Tilya, und gestikulierte wild mit ihren kleinen Händen in der Luft herum. „Ich dachte doch die ganze Zeit, Sie wären es gewesen, der da neben mir gelegen hat! Sonst hätte ich mich doch niemals so gehen lassen! Wissen Sie, wie erniedrigend es ist, sich unwissentlich jemandem hinzugeben, für den man eigentlich gar nichts empfindet…außer vielleicht Verachtung? Ich verabscheue Hidan! Er hatte kein Recht dazu, diese Dinge mit mir zu tun! Er ist nicht mein Sempai! Aber ich habe ihm in diesen Momenten etwas entgegengebracht, was nur Ihnen, als meinem Meister, hätte vorbehalten sein sollten. Das ist so demütigend… Und dann kommen Sie herein, und tun auch noch so, als hätte Hidan nichts weiter getan, als sich irgendein wertloses Utensil ungefragt von Ihnen ausgeliehen zu haben!“ „Dir kann man ja auch gar nichts Recht machen!“ unkte Kisame, anstatt auf das einzugehen, was Tilya zwischen den Zeilen hatte verlauten lassen. „Wenn ich ihm zur Strafe die Gliedmaßen abreiße, jammerst du; wenn ich es nicht tu, jammerst du auch…“ „Himmel noch mal, ich will auch nicht, dass Sie irgendjemandem die Gliedmaßen abreißen! Ich verstehe nur nicht, warum Sie so ausflippen, wenn Deidara mir freundschaftlich einen Arm um die Schultern legt; Sie aber so gleichgültig bleiben können, wenn Hidan sich als mein Sempai ausgibt, und mit mir intim wird! Das ist doch bedeutend schlimmer, oder?“ Kisame fletschte die Zähne. Er konnte ihr doch jetzt schlecht erklären, warum er sich letztendlich dazu durchgerungen hatte, nicht die Beherrschung zu verlieren! „Jetzt tu doch nicht so, als hättest du nicht auch deinen Spaß dabei gehabt!“ zischte er stattdessen wütend. „Ich hab doch gesehen, wie sehr du es genossen hast!“ „Dafür hasse ich mich ja auch!“ schrie Tilya. „Denken Sie etwa, ich hätte mich nicht nach Leibeskräften gewehrt, wenn ich von Hidans falschem Spiel gewusst hätte? Niemand, außer Ihnen, darf mich anfassen! Lieber lasse ich mich von Ihnen nehmen, auch wenn Sie grob und ungestüm sind, und mir weh tun, als dass mich ein anderer Mann auch nur berühren dürfte, und sei es noch so sanft und einfühlsam. Sie sind mein Sempai, Kisame, und niemand sonst! Ich gehöre Ihnen, und ich dachte, wenn ich mich Ihnen füge, sorgen Sie dafür, dass kein anderer Hand an mich legen darf… Aber Sie haben mich schon wieder allein gelassen!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)