Einer Verstummt Nie von mucc_tatsuro (Tsukasa X Hizumi) ================================================================================ Kapitel 1: Silently ------------------- „ER IST TOT.. SELBSTMORD..“ Wie ein endloses Echo halten die Worte seines Gegenübers in seinem Kopf. Immer und immer wieder. Was war passiert, als er nicht da war? Wie konnte so viel passieren, während er weg war?! Er musste sich setzen. Mit zittrigen Knien wankte er auf den Stuhl zu, war dankbar, als dieser ihm von jemandem zugeschoben wurde. Er fiel auf die Sitzfläche und starrte auf den Boden. „Was.. Warum..?“, es war nur ein gebrochenes Flüstern – zu mehr war er nicht fähig. Es kam ihm vor, als vergingen Stunden, bis der Blonde sich räusperte und anfing nervös an seinen Hemdknöpfen zu spielen. „S-Stress.. Der ganze Druck von oben..“, murmelte er und biss sich verzweifelt auf die Unterlippe. Wie nur sollte er dem Anderen die Wahrheit sagen? Der Verstorbene hatte einen Brief hinterlassen. Hatte alles fein säuberlich niedergeschrieben und verlangte nun von ihm, diese Nachricht zu überbringen. Das war nicht fair. Er war einfach weggelaufen. Hatte Angst und wollte dem entkommen. Ein Feigling war er, nichts weiter! Der Blonde ballte die Finger zu Fäusten und atmete tief durch. So durfte er nicht denken. Nicht über ihn.. Sie alle waren schuld. Sie alle hätten es bemerken müssen. Jeder von ihnen hätte sehen können, das er zugrunde ging. Aber alle hatten sie die Augen vor der Realität geschlossen; hatten weggesehen um nicht selbst in den Sog aus Verzweiflung und Selbstmitleid zu geraten. Und was hatte es ihnen gebracht? Noch mehr Verzweiflung. Schuld. Reue. Es tat weh, den Dunkelhaarigen zu beobachten. Wie er nach Antworten auf Fragen suchte, die er sich noch nicht zu stellen traute. Zittrig, nervös. Kurz vor dem Zusammenbruch. Der Blonde ging zu ihm rüber, schlang einen Arm um die schmale Taille und zog ihn hoch. „Komm.. Wir gehen n-nach Hause..“. Der Versuch mit fester Stimme, sicher zu sprechen misslang ihm im Ansatz. Viel zu sehr zerfraß ihn diese Situation. Sie fuhren nach Hause. Zurück in ihre kleine WG. Sie waren nie abgehoben. Hatten sich kein Haus von ihrem Ruhm geleistet. Sie waren in Tokyo geblieben. Lebten in der kleinen 3 Zimmerwohnung. Teilten sogar die Schlafzimmer. Sie waren sich so nah, warum hatte niemand die Verzweiflung gespürt? Waren sie so abgestumpft von ihrer Karriere? Klar, jeder ist sich selbst der Nächste. Das Geld zählte, aber wozu? Wenn sie doch hier blieben? Nichts daraus machte? Die Manager scheuchten sie von einem Termin zum nächsten. Klar, sie waren Goldesel. Jedes Interview, jedes Shooting, jedes Konzert. Alles brachte Geld ein. Aber wozu brauchte man Geld, wenn es einen nur zu Marionetten machte? Nur er hatte es erkannt. Wollte fliehen. Hatte sie im Stich gelassen. Die Wohnung war kalt, still. Der Fernseher lief zwar, aber es war nicht wichtig. Auf der Couch kauerte jemand, die Arme um die Beine geschlungen, weinend. Sie waren kaputt. Alle. Er begleitete den Dunkelhaarigen in sein Schlafzimmer. Ob es richtig war? Immerhin hatte er hier auch geschlafen. Hatte oft hier gesessen und seine Zettel angestarrt, auf ihnen herum gekritzeln. „W-Wer hat.. ihn gefunden..?“, fragte sein Gegenüber plötzlich leise, ließ ihn rasselnd einatmen. Er setzt sich auf das ordentlich zurechtgemachte Bett, fing wieder an, mit zittrigen Fingern an seinen Hemdknöpfen zu spielen. „Der Hausmeister..“, sprach er leise und starrte hin und her, fixierte einen Punkt nie länger als ein paar Sekunden. Er wollte es nicht sehen, nicht noch einmal. Er wollte es nicht erklären müssen. Frag nicht. Bitte Frag nicht. Er fragte. Der Dunkelhaarige fragte alles aus ihm heraus. Wie er gefunden wurde. Was er getan hatte. Warum.. Der Brief. Er musste es ihm sagen, es war sein letzter Wille! Aber wie..? „Kenji..“, er krallte die Finger in die Bettdecke. „Er hat.. Er hat sich..“, es ging nicht. Er würde es dem Anderen nicht erzählen. Er würde es zu seinem Geheimnis machen. Niemand würde es erfahren. Es war besser so. Auch, wenn er ihn hinterging, ihm den letzten Wunsch verwehrte. "BITTE ERZÄHLEN SIE MIR NOCH EINMAL, WIE SIE DEN JUNGEN MANN AUFGEFUNGEN HABEN, MIYAWAKI-SAN!" Seit 2 Stunden saß der ältere Herr nun schon auf dem Polizeirevier. Sie verdächtigen ihn des Mordes, doch er hatte kein Motiv. Leider aber auch kein Alibi. Bis weitere Anhaltspunkte gefunden wurden, würde man ihn hier festhalten. Und sie wollten es noch einmal hören.. Er seufzte laut, rieb mit dem Handrücken den Schweiß von seiner Stirn und sah die Polizeibeamten bedrückt an. „Ich kam gerade von einer Mieterin, mit deren Heizung es Probleme gab.. Ich hab eine kleine Runde durch mein Haus gemacht, nachgeschaut ob alles in Ordnung ist.. Wissen sie, seit diese Kids berühmt geworden sind, ist immer viel los. Fans tummeln sich den ganzen Tag vor dem Haus..“, er seufzte wieder. „Ich bin auf's Dach gestiegen, es war dringend nötig da oben das Laub wegzuschaffen.. Aber ich find kein Laub, nur den Jungen..“, er brach ab. Er kannte die Jungs, sie wohnten bei ihm, seit sie aus der Schule waren. Er hatte viel Ärger mit ihnen gehabt, aber sie waren ihm ans Herz gewachsen. Jeder einzelne. „Was haben sie gesehen, Miyawaki-san? Wie sah der junge Mann aus?“. Ja, diese Beamten mussten alles protokollieren. Und herausfinden, ob der alte Mann die Wahrheit sagte. Sie hatten längst Foto's von der Leiche vorliegen, doch seine Beschreibung musste mit diesen verglichen werden. „Er.. Er saß an einem der Schornsteine..“, der Hausmeister flüsterte nur noch. Die Männer vor ihm waren Monster, dass sie diese Bilder noch einmal in seinen Kopf drängten. Dass sie ihn zwangen, noch einmal an den toten Jungen zu denken. „Blutüberströmt.. E-Er hatte etwas in der Hand.. Neben ihm.. lag ein Messer und.. ein.. Zettel..“, er gab auf. Die Tränen übermannten ihn, brachten ihn dazu, kein Wort mehr zu reden. Er schlug die Hände vor sein Gesicht, wischte die Tränen weg und versuchte sich zu beruhigen. „Vielen Dank, das reicht.“, meinte der Beamte kühl, schlug die Mappe zu und verließ den Raum. Sein Kollege blieb noch sitzen, sah den Hausmeister mitleidig an und reichte ihm ein Taschentuch. „Miyawaki-san.. Der junge Mann.. Laut seinem Abschiedsbrief, hat er Selbstmord begangen.. Aber die Art und Weise wie er dabei vorging.. Lässt eindeutig auf Mord schließen! Kein Mensch kann sich die Stimmbänder rausschneiden, ohne vorher an Blutverlust zu sterben! Hatten sie etwas gegen die Musik seiner Band? Wir wissen, dass sie oft Streit mit den Männern hatten! Haben sie ihn umgebracht, Miyawaki-san?“. „Nein..“. „ER KONNTE ES NICHT MEHR ERTRAGEN..“ Er hielt den Dunkelhaarigen im Arm. Hatte er sich nicht gerade noch vorgenommen, es für sich zu behalten? Es war zwecklos. Er was es ihm schuldig. „Kenji.. Er hat.. dich geliebt..“, murmelte er leise. „Mehr als du denkst.. Mehr als die Musik.. Es hat ihn kaputt gemacht..“, es war so einfach. Wie Wasser, sprudelten die Worte aus ihm heraus. „Er wollte dich beeindrucken, wollte das du ihn hörst.. Seine Stimme.. Seine Gefühle..“, er stockte. Er würde dem Dunkelhaarigen jede Schuld zu weisen, mit dem was er sagte. Das ging nicht, er konnte doch nich.. Nein, es musste sein. „Du.. hast ihm nicht zugehört.. Er hat gewartet, dass.. du ihn verstehst. Aber das hast du nicht.. Er..“, es tat weh. Es taht weh all das zu sagen. Aber es stand in seinem Brief. Er musste es tun. Und er musste auf ihn aufpassen. Der Blonde würde nicht zulassen, das der Kleinere sich etwas antat. „Er hat.. seine Stimme gehasst, weil sie dich nie erreicht hat..“, hauchte er leise und biss sich fest auf die Unterlippe. „Also hat.. Er hat.. Sich die Stimmbänder rausgerissen um.. Um dir.. Seine Stimme zu schenken..“. Der Blonde spürte nur, wie das Gewicht des Kleineren auf ihn fiel. Er hielt ihn fest, schlang beide Arme fest um ihn und hielt ihn. „Du verdammter Idiot.. Hoffentlich bist du jetzt glücklich..“, flüsterte er leise mit belegter Stimme. „Ich pass auf ihn auf, versprochen..“. Er drückte den Dunkelhaarigen etwas fester an sich, strich ihm die Haare aus der Stirn. Am Wochenende darauf fand die Beerdigung statt. Sie waren alle da, schwarze Anzüge, Regenschirme. Ja, der Herbst kam. Seit Tagen regnete es, die Erde war ganz aufgeweicht.. Sicher hatte es die Totengräber gefreut, so viel es viel einfacher, ein Loch auszuheben.. Er schüttelte den Kopf, er wollte nicht an so etwas denken. Heute war sein Tag. Heute würden alle an ihn denken, ihn noch mehr vermissen.. Den Priester hörten sie nicht zu, keiner von ihnen. Sie starrten auf das Foto, welches auf dem kleinen Schrein aufgestellt worden war. Frech lächelte der Schwarzhaarige ihnen entgegen. Die Zeremonie war vorüber. Sie standen vor dem Grabstein ihres Freundes und gingen ihren Gedanken nach. Erst als der Blonde die Kleineren umarmte, wurden sie munter. „Für uns verstummst du nie, Yoshida Hiroshi..“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)