Abseits des Weges von Flordelis (Erinnerungen sind wie Fragmente) ================================================================================ Trautes Heim, Glück allein -------------------------- Sich in dem längst verlassenen Old Kinging heimisch einzurichten, erwies sich als schwieriger als erwartet. Wie so oft stellte Landis fest, dass er mit völlig falschen Vorstellungen herangegangen war. Allerdings blieb ihm in dieser Stadt nicht viel Zeit, sich darüber zu ärgern, da er quasi ständig jemanden seinen Namen rufen hörte als ob sie nur darauf lauern würden, ihn wieder aus seiner wohlverdienten Freizeit zu reißen. So rechnete er auch diesen Moment jederzeit damit, dass jemand nach ihm verlangte. Erst vor wenigen Minuten war er in das Zimmer zurückgekommen, das er sich ausgesucht und aufgeräumt hatte. Langsam wurde ihm klar, warum Asterea ihn immer angehalten hatte, sein Zimmer zu Hause aufzuräumen; Staub setzte sich überraschend hartnäckig in den kleinsten Winkeln fest, von den Spinnen oder anderen Insekten ganz zu schweigen. So richtig sauber war der Raum immer noch nicht, aber immerhin entstanden keine Staubwolken mehr, wenn er sich auf sein neues Bett fallen ließ. „Landis!“ Grummelnd richtete er sich wieder auf und verließ sein Zimmer, um der Stimme zu folgen, die ihn diesmal zu sich rief. Es stellte sich als Yarah heraus, die auf einem Tisch stand. Ihre Augen waren vor Panik weit aufgerissen, weswegen sie ihn gar nicht zu bemerken schien. „Was ist los?“, frage er genervt. Völlig aufgelöst gestikulierte sie hektisch auf den Boden. Landis suchte die Stelle mit seinen Augen – und seufzte noch einmal. „Das ist nur eine Ratte.“ „Nimm sie weg!“, kreischte Yarah. „Los!“ Du machst ihr mehr Angst als sie dir. Er kniete sich neben das Tier, das sich ohne jeden Widerstand auf seine Hand nehmen ließ. Die Ratte zitterte so heftig, dass Landis befürchtete, sie würde jeden Moment aufhören zu atmen. „Bring sie raus!“ Missmutig sah er zu Yarah hinüber. „Dein Kreischen bringt das arme Wesen noch um.“ Die Puppenspielerin verschränkte die Arme vor der Brust und schob schmollend ihre Unterlippe vor. „Ja, halte nur zu dem Ungeziefer.“ Er verließ den Raum, bevor Yarah möglicherweise noch auf die Idee kam, etwas nach ihm zu werfen. Im Garten setzte er die zitternde Ratte wieder ab, die sofort davonrannte. Die kommt bestimmt nicht wieder – Yarahs Kreischen wird ihr auf ewig in den Knochen hängen. Als er das Tier schließlich aus den Augen verloren hatte, machte er sich auf den Weg in sein Zimmer zurück. Siegessicher wollte er bereits die Tür öffnen, doch – „Landis!“ Mit wachsender Verzweiflung schloss er für einen Moment die Augen. Dann wandte er sich um und folgte der Stimme, die ihn zu Nadia führte. Sie stand am Eingang eines Ganges, den bislang keiner von ihnen erkundet hatte – außer sie anscheinend. „Was ist los?“, fragte er genervt. Plötzlich lächelte sie, aber er kannte ihre Mimik inzwischen gut genug, um zu wissen, dass dies nur ein Teil ihrer Strategie war, um das zu bekommen, was sie wollte. „Du musst mir eine Spinne beseitigen~“ „Kann das nicht Aidan machen?“ Auf der Suche nach diesem ließ Landis seinen Blick schweifen, doch der Bogenschütze war nirgends in der Nähe zu sehen. Das gab dem Braunhaarigen doch zu denken, aber um zu verschwinden war es nun ein wenig zu spät. Ich hätte gar nicht erst auftauchen dürfen. Nadia schüttelte entschieden mit dem Kopf. „Uh-uh, er hat Angst vor Spinnen.“ Auf Landis machte Aidan eher den Eindruck einer Person, die mit Spinnen spielte, statt Angst vor ihnen zu haben, aber Nadia musste es als seine Zwillingsschwester ja besser wissen. Also zuckte er mit den Schultern. „Okay, wo ist sie?“ Er würde auch dieses Insekt noch nach draußen tragen und dann endlich ein wenig schlafen. In der letzten Nacht war er kaum dazu gekommen, weil Aurora ihn auf der Suche nach einem Geist ständig herumgescheucht hatte – am Ende war es allerdings nur ein wilder Waschbär gewesen. An Schlaf war dann nicht mehr zu denken gewesen, da er den ganzen Tag Kleinigkeiten für die anderen erledigt hatte. Äpfel für Kureha, das Ausrollen eines Teppichs für Dawn, Mittagessen kochen für alle und im Anschluss auch das Säubern der Küche. An die restliche Tage der letzten Woche wollte er gar nicht denken. Von wegen, sobald man von zu Hause auszieht, hat man es leichter. Mit der Hand lockte sie ihn, ihr zu folgen und führte ihn in den Gang hinein. Wenige Schritte danach blieb sie stehen. „Geh du vor. Sie sitzt mitten auf dem Boden, du kannst sie also gar nicht verfehlen.“ Ohne sich weiter darüber Gedanken zu machen, folgte er dem Weg, den Blick dabei auf den Boden gerichtet. Ein leises Geräusch ließ ihn schließlich innehalten und erneut den Kopf heben. „Da ist sie~“, verkündete Nadia fröhlicher als sie eigentlich klingen sollte. Landis' rechtes Augenlid zuckte nervös. „DAS ist sie?“ Das Wesen, das da vor ihm stand, sah tatsächlich aus wie eine Spinne – nachdem man sie mit einem haarigen Riesen gekreuzt hatte. Es nahm quasi den gesamten Gang ein, er musste sogar den Kopf in den Nacken legen, um mehr als nur die baumstammartigen Beine sehen zu können, auch wenn der Körper keine sonderliche Augenweide war. Geifer – zumindest hoffte Landis, dass es solcher war – tropfte von der Schnauze der Spinne. Er bezweifelte, dass er sie einfach so nach draußen bringen konnte. Nadia stand bereits mit gezücktem Naginata neben ihm. „Ja, das ist sie~ Hübsches Exemplar, oder?“ „Wenn man auf Mutanten steht...“ Er beschäftigte sich bereits mit der Frage, was hier im Palast wohl dieses Wachstum ausgelöst hatte, weswegen er sich nicht noch extra damit abgeben wollte, ob dieses Wesen als hübsch bezeichnet werden konnte. Als ein lautes Grollen durch den Gang hallte, zog Landis sein Schwert. „Kümmern wir uns lieber darum.“ Es war bereits dunkel, als Landis sich wieder auf den Weg in sein Zimmer machte. Dabei entfernte er sich immer noch Reste von Spinnweben aus seinem Haar und grünes, zähes Spinnenblut aus seinem Gesicht. Der Kampf war schließlich siegreich verlaufen, zumindest in dem Maß, dass das Wesen schließlich auf seinen sieben verbliebenen Beinen weggerannt war – Landis hoffte, es nie wiedersehen zu müssen, sicherheitshalber hatte er sogar die Tür verschlossen und verbarrikadiert, durch die es geflohen war. Er hoffte nur, dass Nadia ihre Neugier nun auch zügeln würde, immerhin war sie kreischend weggerannt, als die Spinne angefangen hatte, ein seltsames Sekret zu verschießen. Mit Sicherheit hatte sie bereits gebadet und ruhte sich nun aus, etwas, was er auch unbedingt tun wollte. Gerade als er eine Hand auf die Klinke seiner Tür legte, hörte er Schritte und hielt inne. Bitte nicht... Ich will nichts mehr tun. „Ah, Landis, da bist du ja~“, sagte Aurora. „Ich habe dich schon gesucht.“ Er hob die Hand, bevor sie weitersprechen konnte. „Ich will nichts mehr hören.“ „Aber –„ „Uh-uh-uh! Ich werde mich jetzt waschen, mich dann umziehen und schlafengehen!“, erwiderte er mit Nachdruck. „Ich will heute nichts, aber auch GAR NICHTS, mehr von euch hören, verstanden?“ Sprachlos konnte Aurora nur nicken. Sie wartete, bis Landis in seinem Zimmer war, dann drehte sie sich um und ging wieder zurück in den Speisesaal, wo die anderen bereits warteten. Kureha war noch damit beschäftigt, das restliche Besteck aufzulegen. „Was ist mit Landis?“, fragte Aidan, als er den Jungen nicht sehen konnte. Aurora hob die Schultern. „Er wollte schlafen. Außerdem war er ziemlich aggressiv, da wollte ich nicht unbedingt weitersprechen. Ich nehme einfach an, er hat keinen Hunger.“ Nadia schnaubte. „Pff, man kann sich auch anstellen.“ „Eben“, bestätigte Yarah. „Was tut er denn schon, außer den ganzen Tag herumzuliegen?“ Die anderen stimmten leise murmelnd zu. Aurora zuckte erneut mit den Schultern. „Was soll's? Lasst uns ohne ihn essen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)