Abseits des Weges von Flordelis (Erinnerungen sind wie Fragmente) ================================================================================ Aufgeklärt ---------- Richard liebte diese Tage, an denen es nichts zu tun gab, er frei hatte und seine ganze Zeit damit verbringen konnte, Zeitung zu lesen. Auch wenn lesen der falsche Ausdruck war. Ungewohnt lässig saß er auf dem Sofa, die Beine hochgelegt und den Blick in die Zeitung vertieft, als Schutzschild vor den Ansprüchen seiner Ehefrau oder seines Sohnes – auch wenn erstere derzeit in der Küche beschäftigt war, das Mittagessen zuzubereiten und letzterer gemeinsam mit seinem besten Freund unterwegs war. Richard genoss diese ungewohnte Stille im Haus, doch gerade als er sich wieder einmal darüber freute, flog die Tür auf und jemand kam lautstark hereingetrampelt. Er musste nicht erst lange überlegen, wer das sein könnte, besonders da die beiden durcheinander plappernden Stimmen ihm sehr wohl bekannt vorkamen. Es war auch zu schön, um wahr zu sein. Dennoch hoffte er für einen Moment, dass die beiden schnurstracks entweder in die Küche oder in Landis' Zimmer verschwinden würden – tatsächlich aber spürte er schon kurz darauf, wie jemand ihn durch seine Zeitung hindurch anstarrte und egal wie sehr er es zu ignorieren versuchte, er wusste genau, dass sie nicht einfach weggehen würden. Also ließ er seufzend die Zeitung sinken und sah die beiden Jungen an, die vor ihm standen. „Was wollt ihr?“ Beide warfen sich einen Blick zu, allerdings nicht aus Verlegenheit, sondern nur weil sie sich stumm darauf einigen wollten, wer von ihnen das Wort ergreifen sollte, um ihn mit ihrem synchronen Geplapper nicht zu verwirren – dass er so etwas allein anhand ihrer Blicke sagen konnte, machte selbst ihm Angst. Schließlich einigten sich beide darauf, dass Landis das Gesuch vorbringen sollte: „No und ich waren grad unterwegs und da haben wir ein paar der Mädchen aus der Mädchenschule getroffen.“ Richard spürte bereits, dass ihm der Verlauf des Gesprächs gar nicht gefallen würde, doch er unterbrach seinen Sohn nicht, sondern wartete bemüht geduldig darauf, dass er weitersprach. „Die haben sich darüber unterhalten, dass irgendeines der anderen Mädchen mit irgendeinem der Kavalleristenschüler geschlafen hat.“ Nach diesem Satz wusste Richard ganz bestimmt, dass ihm dieses Gespräch nicht gefallen würde und Landis bestätigte ihm das auch bereits sofort, als er den Kopf neigte, das Gesicht in vollkommener Verwirrung aufgelöst. „Aber was ist so schlimm daran? No und ich schlafen ganz oft miteinander, da ist doch nichts dabei.“ Kalter Schweiß lief Richard über den Rücken, sein Hals wurde schlagartig staubtrocken. „N-nein, das ist so nicht ganz richtig...“ Wieder warfen die beiden Jungen sich einen Blick zu, so dass er sich bemüht fühlte, ausgiebiger zu antworten, ohne zuviel zu sagen: „Die Mädchen meinten damit nicht, dass die beiden im selben Bett geschlafen haben, so wie ihr.“ Doch dass es damit nicht gegeben war, wusste er sofort, als Nolan die Stirn runzelte. „Was meinten sie denn damit? Welche Bedeutung kann es noch haben?“ „Warum habt ihr die Mädchen nicht gefragt?“ Zwar wäre das auch nicht ideal gewesen, denn wer wusste schon, was ein paar heranwachsende Mädchen den beiden erzählen würden, doch wäre er damit immerhin um dieses Gespräch herumgekommen. „Das haben wir!“, ereiferte Landis sich sofort. „Aber sie haben nur gekichert und gesagt, dass wir unsere Eltern fragen sollen. Sollen wir lieber mit Mama reden?“ Richard fluchte innerlich. Mit Asterea konnte er die beiden auch nicht sprechen lassen, er traute seiner Frau zu, dass sie zu viel plaudern würde, auch wenn die beiden Jungen erst acht und neun Jahre alt waren. „Nein, nein, Asterea hat keine Zeit.“ Landis sah wieder Nolan an. „Wollen wir dann mit deinen Eltern reden?“ „Nah, es ist schon kurz vor elf, da haben sie keine Zeit mehr.“ Wieder lief ein Schauer über Richards Rücken. Kieran kannte er bereits seit seiner eigenen Jugend – und dem traute er noch so einiges mehr zu. Würden die Jungen mit einer solchen Frage zu ihm kommen, würde er sie bestimmt ins nächstbeste Bordell schleppen und sie einer der Angestellten dort überlassen, nur um nicht selbst mit ihnen sprechen zu müssen. Wenn er genau darüber nachdachte, konnte er niemandem in Cherrygrove guten Gewissens die Aufklärung dieser beiden überlassen, schon allein weil einer von ihnen sein eigener Sohn war, der ihn alsbald zum Großvater machen könnte, wenn er von der falschen Person aufgeklärt wurde. Nein, er musste das selbst in die Hand nehmen... irgendwie. Er schwang die Beine vom Sofa, legte die Zeitung fein säuberlich beiseite und gab den beiden zu verstehen, dass sie sich hinsetzen sollten, was sie auch sofort taten. Ihre Neugier war offenbar größer als ihr Bewegungsdrang, immerhin saßen sie sonst nicht einmal beim Essen still. „Ich werde euch das erklären, gut, dass ihr zu mir gekommen seid.“ Nolan warf Landis einen Blick zu, der Richard verriet, dass es offenbar die Idee des Schwarzhaarigen gewesen war, zu ihm zu gehen, während Landis wohl nicht sonderlich begeistert davon gewesen war – die Erkenntnis, dass sein eigener Sohn anscheinend nicht viel Vertrauen in ihn hatte, war ein wenig befremdlich, aber Richard ignorierte das vorerst. „Gut, wie fange ich am besten an?“, murmelte er leise, worauf Nolan sich bereits wieder strahlend zu Wort meldete: „Immer am Anfang, Onkel Richard. Das ist am Besten.“ Das half ihm nicht wirklich weiter, dennoch lächelte er dem Jungen knapp zu und holte noch einmal Luft. „Wenn Ältere, Erwachsene vornehmlich, davon sprechen, dass zwei Personen miteinander schlafen, dann meinen sie nicht, dass die zwei wirklich schlafen.“ Verständnislos neigte Nolan den Kopf, es war ihm regelrecht anzusehen, dass er überlegte, was man sonst nachts tun könnte. „Aber was machen sie denn dann? Und warum haben die Mädchen deswegen so gekichert?“ Richard verzog sein Gesicht und verwünschte die Idee des Bürgermeisters, aus dem ehemaligen Waisenhaus eine Mädchenschule zu machen. Gleich darauf überlegte er, ob er das Gespräch mit der Ausrede beenden sollte, dass sie beide noch nicht alt genug für dieses Thema wären, doch er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie einfach die nächstbeste Person aufsuchen würden, um es sich von dieser erklären zu lassen und wie er bereits festgestellt hatte, konnte er das nicht zulassen. „Okay... mhm...“ Erneut zögerte er, während er in seinem Gedächtnis danach kramte, wie er damals aufgeklärt worden war – nur um enttäuscht festzustellen, dass er sein Wissen darüber damals nicht von seinen Eltern, sondern erst viel später im Waisenhaus bekommen hatte. Er erinnerte sich noch gut daran, wie amüsiert seine Zimmernachbarn von ihm als Spätzünder gewesen waren. Aber eine solch schonungslose Aufklärung, wie er sie bekommen hatte, konnte er den beiden Jungen, die noch nicht einmal zehn waren, nicht zumuten. Also musste er sich doch selbst etwas einfallen lassen und das war normalerweise nicht gerade seine Stärke. „Ich gehe mal davon aus, dass ihr mit den Unterschieden zwischen Jungs und Mädchen vertraut seid, ja?“ Nolan runzelte seine Stirn. „Mädchen kommandieren einen herum und Jungs machen, was sie sagen? Also, so ist es zumindest bei Ria und Lan immer.“ Landis nickte zustimmend und sah seinen Vater neugierig an. Richard lächelte wieder. „Nein, das meinte ich nicht. Ich meinte körperliche Unterschiede.“ „Ach so~“, entfuhr es beiden synchron, dieses Mal nickten sie beide, worauf er erleichtert durchatmete; immerhin eine Hürde, um die er sich nicht kümmern müsste. „Und ihr wisst auch, wo Babys herkommen?“, fragte Richard weiter. Dieses Mal war es Landis, der das Wort ergriff. „Natürlich~ Kens Mama hat doch vor kurzem erst eines bekommen. Es war in ihrem Bauch, ja?“ Bevor Richard zustimmend konnte, hakte sich bereits Nolan ins Gespräch: „Muss sie das Baby dann nicht vorher erst gegessen haben?“ Er wirkte plötzlich ein wenig besorgt, doch Richard hob bereits beschwichtigend die Hände. „Nein, natürlich hat sie das nicht. Wenn ein Mann und eine Frau nämlich auf diese Art miteinander schlafen... machen sie das Baby erst.“ Im selben Moment hätte er sich am Liebsten auf die Zunge gebissen, Landis und Nolan zogen skeptisch ihre Augenbrauen zusammen. „Wie soll das denn funktionieren?“ Es schien ihm als würde er sich immer tiefer in die Misere reiten, statt so schnell wie möglich wieder aus dieser herauszukommen. Wieder entfuhr ihm ein tiefes Seufzen, in der geringen Hoffnung, dass die beiden Jungen beschließen würden, dass das Thema offenbar zu schwer für sie war und sie nicht weiter nachfragen würden. Doch die neugierigen und gleichzeitig skeptischen Blicke, die nach einer Erklärung für seine vorige Aussage verlangten, verrieten ihm eindeutig, dass er bereits bis zum Hals im Morast steckte und nicht mehr aus eigener Kraft hinausfinden würde. „Also... wenn ein Mann und eine Frau sich sehr lieben, dann... kann es vorkommen, dass...“ Er hielt wieder inne und wünschte sich in diesem Moment, er hätte irgend etwas zu tun, um sich selbst abzulenken und die beiden Jungen mit ihren vor Neugier geweiteten Augen nicht dauernd ansehen zu müssen – der Blick in Richtung Küche half ihm auch nicht sonderlich, war von dort doch nur das eifrige Geschirrklappern zu hören, das verriet, dass Asterea noch immer beschäftigt war. „Also... ihr seid dafür noch zu jung, aber in ein paar Jahren werdet ihr es auch merken, dass es bei Männern manchmal vorkommt, dass sie... an einer bestimmten Stelle ihres Körpers sehr... erregt sein können.“ Überraschend synchron neigten beide die Köpfe auf die jeweils entgegengesetzte Seite des anderen. Richard konnte sich gut vorstellen, dass sie sich fragten, was um aller Welt er damit meinte, doch beließen sie es offenbar dabei, dass sie es in ein paar Jahren selbst merken würden, wofür er spontan allen Naturgeistern dankte, die er kannte. Das Niesen, das aus der Küche erklang, ignorierte er allerdings und konzentrierte sich wieder auf das vor ihm liegende Gespräch. Es war überdeutlich, dass er so etwas sonst mit nie jemandem besprach. Dabei würde er sich selbst nicht einmal als prüde einschätzen – seiner Meinung nach gab es nur keinen Grund, über so etwas mit irgendjemandem außer vielleicht dem eigenen Partner zu sprechen... aber wenn er so zurückdachte, hatte er auch mit Asterea nie wirklich darüber gesprochen. „Und dann?“, hakte Landis nach. „Das kann nicht alles sein, oder?“ „N-nein, natürlich nicht.“ Richard atmete noch einmal tief durch, nun kam der schwierige Teil. „Wenn ein solcher Zustand dann auch bei Frauen eintritt und sie den Mann sehr mag, dann...“ Er überlegte noch einmal, wie er das am besten sagen sollte, ohne gleich zu ordinär zu werden. „... dann kann es sein, dass sie dem Mann erlaubt... nun...“ In seiner Verzweiflung beschloss er einfach, ein Fremdwort zu benutzen, von dem garantiert keiner von beiden je etwas etwas gehört hatte: „Sie erlaubt es dem Mann, sie zu penetrieren.“ Zufrieden über Landis' verwirrten Gesichtsausdruck lehnte er sich zurück – doch die angewiderte Mimik von Nolan sagte ihm, dass dieser überraschenderweise verstanden hatte. „Das ist ja widerlich“, ließ er sich gleich vernehmen. „Und fies. Warum sollte ein Mann eine Frau, die ihn mag, verletzen?“ „Verletzen?“, hakte Landis nach und auch Richard blickte Nolan nun neugierig an. Der Junge setzte eine altkluge Miene auf und hob belehrend den Zeigefinger. „Penetrieren ist ein Fremdwort, das eindringen oder durchdringen bedeutet. Es wird im militärischen Sinne benutzt, wenn man zum Beispiel von einem Pfeil oder Armbrust-Bolzen durchbohrt wurde.“ Stolz warf er sich in die Brust und sonnte sich in der Bewunderung von Landis, während Richard ihn nur verwirrt anstarren konnte. „Woher weißt du das denn?“ „Meine Großmutter zwingt mich, neue Wörter zu lernen“, erklärte Nolan gelangweilt. „Ein paar kann ich mir sogar merken. So wie das. Also, warum sollte ein Mann so etwas tun?“ Sofort richtete sich Landis' Blick wieder auf seinen Vater, der spüren konnte, wie ihm die Röte den Nacken hinaufkroch und er wieder in Schweiß ausbrach. „N-nein, du verstehst da was falsch. Natürlich tut der Mann so etwas nicht. Er... er... dringt anders in die Frau ein. Nicht mit einer Waffe, sondern mit einem Teil seines Körpers. Aber keine Sorge“– er hob sofort beschwichtigend die Hand, als er merkte, dass Nolan bereits wieder so angeekelt wie zuvor aussah – „er tut ihr dafür nicht weh.“ Nolans Zweifel war deutlich auf seinem Gesicht zu sehen. „Aber er muss ihr doch erst einmal eine Wunde zufügen, um das zu schaffen, oder?“ Richard schüttelte mit dem Kopf. „Ganz und gar nicht. Weißt du, Frauen und Männer ergänzen sich körperlich gesehen gut. Frauen sind also von Natur aus... darauf vorbereitet...“ Es war Landis' Gesicht, das sich bei diesen Worten aufhellte. „Wie ein Schlüssel-Schloss-Prinzip!“ „Genau, so ähnlich“, entfuhr es Richard erleichtert. Er entspannte sich wieder ein wenig – bis ihm siedendheiß einfiel, dass er nun noch erklären müsste, was das mit dem Machen von Babys zu tun hätte. Die Jungen dagegen hatten es erst gar nicht vergessen und sahen ihn immer noch erwartungsvoll an. Inzwischen wünschte er sich bereits eine eigene Insel, auf die niemand außer ihm übersetzen dürfte, aber da er eine solche nicht besaß, müsste er weiterhin Rede und Antwort stehen. „Für die genauen Einzelheiten seid ihr noch zu jung“, fuhr er ein wenig schroff fort. „Aber diese Aktion sorgt dafür, dass eine Frau nun... schwanger wird.“ Er verzichtete darauf, sie darüber aufzuklären, dass dies nicht jedes Mal geschah, sollten sie nur glauben, dass es so einfach war, dann würden sie sich vielleicht ein wenig mehr Zeit lassen. „Ooooh~“ Landis neigte den Kopf bereits auf die andere Seite. „Dann wollte diese Schülerin schwanger werden?“ „Nein, daran hat sie mit Sicherheit nicht gedacht“, erwiderte Richard, dankbar dafür, dass weder dieses Mädchen noch ihr Partner eines seiner Kinder war. „Die meisten Leute denken nicht an die Konsequenzen, sondern nur daran, dass es sich... gut anfühlt.“ „Ich finde immer noch, dass es sich widerlich anhört“, erwiderte Nolan mit gerunzelter Stirn. Richard hätte ihm dafür am Liebsten auf die Schulter geklopft, allerdings war er sich auch sicher, dass der Junge in ein paar Jahren schon wieder ganz anders darüber denken würde. Landis nickte bedächtig. „Ich werde das bestimmt nie tun.“ Richard schmunzelte ein wenig. „Nun, irgendwann bestimmt – aber lass dir am Besten noch viele, viele Jahre Zeit damit. Man sollte auch in der Lage sein, die Konsequenzen für sein Handeln zu tragen – und in diesem Fall wären sie sehr weitreichend.“ „Ja, Sir!“, erwiderte beide gleichzeitig und hoben die Hand an ihre Stirn als wollten sie im Sitzen salutieren. Zufrieden betrachtete er die beiden, die ihn nun freudestrahlend ansahen. Er hatte ziemlich gute Arbeit geleistet, fand er selbst zumindest. Die Neugier der Jungen war gestillt, dabei war er keineswegs zu ordinär geworden und er war auch nicht vor Scham gestorben. Sie standen wieder auf und verbeugten sich knapp vor ihm. „Vielen Dank für die Antworten.“ Richard, mit sich selbst und der Welt vollkommen im Reinen, lachte leise. „Keine Ursache. Falls ihr wieder Fragen habt, kommt einfach wieder zu mir.“ In diesem Moment des emotionalen Höhenflugs kam es ihm vor als würde es keine Frage geben, die er den beiden nicht zur allgemeinen Zufriedenheit beantworten könnte. Er wusste noch nicht, wie sehr er sich in dieser Annahme irrte. Früh am Morgen war die Welt für Kieran meist noch in Ordnung. Alkohol gab es aufgrund von Aydeens neuerlichen Bestimmungen erst kurz nach dem Mittagessen und um aufzupassen, dass er das ja einhielt, musste er den ganzen Vormittag gemeinsam mit ihr in der Küche verbringen. Während er seine Zeitung las, ging sie dabei der Hausarbeit nach, einer Tätigkeit, die ihr offensichtlich derart viel Vergnügen bereitete, dass sie ihn bereits einmal böse angesehen hatte, als er nur zu fragen gewagt hatte, ob er mithelfen dürfe. Seitdem beschränkte er sich darauf, seine Zeitung zu lesen und ungeduldig darauf zu warten, dass die von ihr auferlegte Alkoholsperre endlich aufgehoben wurde. An diesem einen Tag aber, war das Ganze doch ein wenig anders. Kurz vor dem Mittagessen spürte er plötzlich, wie sich neugierige Blicke in seine Seite bohrten, die nicht von der Zeitung geschützt war. Neugierig ließ er diese sinken und sah Nolan und Landis vor sich, beide offenbar erpicht darauf, ihn etwas zu fragen. „Was wollt ihr?“, fragte er unfreundlicher als ursprünglich beabsichtigt. Doch keiner der beiden ließ sich davon abschrecken. Stattdessen neigte Nolan den Kopf. „Wir haben eine Frage. Also, eigentlich haben wir die Frage Onkel Richard gestellt, aber er wurde ziemlich blass und meinte, wir sollten – um Gotteswillen – dich fragen und ihn am besten nie wieder auch nur ansprechen.“ Kieran hob eine Augenbraue. Ein solches Verhalten kannte er bei seinem besten Freund gar nicht – was konnte es für eine Frage sein, die ihn so durcheinanderbrachte? „Fein, worum geht es denn?“ Überzeugt davon, dass er über mehr Lebenserfahrung als Richard verfügte, zweifelte er daran, dass es eine Frage war, die er nicht würde beantworten können. „Also“, holte Nolan aus, „wir kamen heute an der Ausbildungsstätte der Kavalleristen vorbei und die haben sich gerade über Bordelle unterhalten. Aber... was ist ein Bordell, Papa?“ Obwohl er nicht hinsah, wusste Kieran genau, dass Aydeens Gesicht gerade sämtliche Farbe verloren hatte, während er nur unbeeindruckt eine Augenbraue hob. „Dafür seid ihr noch zu jung.“ Nolan seufzte enttäuscht. „Ja, das haben die Auszubildenden auch gesagt... Ist es denn etwas Schlimmes?“ Kieran warf einen kurzen Blick zu Aydeen, die demonstrativ die Arbeiten am bevorstehenden Mittagessen wieder aufgenommen hatte, dann beugte er sich verschwörerisch zu den beiden Jungen hinunter und flüsterte: „Hört zu. Wenn ihr aufhört, darüber Fragen zu stellen, bringe ich euch mal in eines, wenn ihr alt genug seid. Verstanden?“ Wie üblich warfen die beiden Jungen sich einen Blick zu als müssten sie sich diesbezüglich erst absprechen, doch wie von ihm erwartet nickten sie beide einstimmig. „Verstanden.“ „Gut. Dann geht wieder spielen.“ Zufrieden mit sich selbst, setzte Kieran sich wieder aufrecht hin und las die Zeitung weiter, während die beiden Jungen wieder davongingen. Erst als eine Weile Ruhe in der Küche geherrscht hatte, schaltete sich Aydeen ein. „Kieran... du hast nicht wirklich vor, die beiden in ein Bordell zu bringen, oder?“ Ihre Stimme verriet, dass sie nicht sicher war, ob sie es glauben oder als lächerlich abtun sollte. Kieran senkte die Zeitung ein wenig, um sie über den Rand hinweg ansehen zu können. „Natürlich nicht – aber ich konnte ihnen in dem Alter auch schlecht erklären, was das eigentlich ist. Die werden das eben Gesagte ohnehin bald wieder vergessen haben, keine Sorge.“ Während Aydeen sich beruhigt erneut dem Mittagessen zuwandte, konzentrierte Kieran sich wieder auf seine Zeitung – aber nicht ohne sich selbst daran zu erinnern, dass er Richard bei nächster Gelegenheit bitten würde, die Kinder mit solchen Fragen nicht mehr zu ihm zu schicken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)