Abseits des Weges von Flordelis (Erinnerungen sind wie Fragmente) ================================================================================ Unangenehm... für dich oder für mich? ------------------------------------- Landis war oft nervös, das wusste jeder inzwischen. Aber das änderte nichts daran, dass er an diesem Tag ganz besonders nervös schien. Immer wieder tippte er mit den Füßen auf den Boden oder lief einige Schritte, nur um dann wieder an seinen Ausgangspunkt zurückzukehren und wenn er mal still stand, dann wippte er mit dem Oberkörper in alle möglichen Richtungen. Nur seine Arme, die er an seinen Körper gepresst hielt, waren wirklich still. „Was ist eigentlich los mit dir?“, fragte Nolan schließlich, als er es nicht mehr aushielt. „Hat Tante Asti dir zu viel Zucker zum Frühstück gegeben?“ Landis zuckte zusammen und sah zu ihm hinüber, ihm war noch nicht einmal aufgefallen, dass Nolan bei ihm stand. „Was? Nein, kein Zucker. Ich habe nur etwas beschlossen und das muss ich heute umsetzen.“ Auch wenn die Sache sehr ungewöhnlich war, jedenfalls wusste er bislang noch von niemandem, der so etwas schon einmal getan hatte, aber er glaubte geradewegs, zu platzen, wenn er es noch länger mit sich herumtragen würde. Also musste er das Risiko in Kauf nehmen, getötet zu werden, nur um endlich sein Gewissen zu erleichtern. Er konnte nur hoffen, dass die Person, für die seine Worte gedacht waren, ein wenig vernünftig war... nur ein wenig. Im Koma lebte es sich mit Sicherheit besser, als... nun ja, tot. „Auf wen wartest du denn?“, fragte Nolan. „Du weißt schon, dass du hier nicht vor der Mädchenschule stehst, sondern vor unserer Ausbildungsstätte?“ „Ja, genau da wollte ich auch hin“, antwortete Landis, dem man die Ungeduld über Nolans Fragerei inzwischen deutlich anmerkte, ein weiteres Indiz dafür, wie nervös er war, denn normalerweise störte er sich nicht daran. Sein Freund sagte nichts mehr und entschied sich stattdessen, darauf zu warten, dass sich zeigen würde, weswegen Landis derart unruhig war. Allzu lange konnte es immerhin nicht mehr dauern, wie er glaubte. Tatsächlich trat Frediano wenig später aus dem Gebäude. Er war stets der erste, der dort ankam und der letzte, der es verließ, da er als Kommandantensohn am meisten zu beweisen und gleichzeitig auch zu verlieren hatte. Als er sich eine schneeweiße Strähne aus der Stirn wischte, nahm Landis' Nervosität noch einmal zu, aber es gab kein Zurück mehr. Er atmete tief durch und ging dann entschlossen auf Frediano zu, auch wenn dessen blaue Augen, die ihn natürlich längst erblickt hatten, ihm zu raten schienen, sich bloß von ihm fernzuhalten. „Was willst du?“, fragte er genervt, als er erkannte, dass er Landis nicht würde ausweichen können. Dieser atmete erneut tief durch und legte eine Hand auf sein Herz. „Ich bin hier, weil ich dir etwas ganz Wichtiges sagen muss. Etwas, das einfach nicht mehr warten kann.“ „Ach ja?“ Frediano klang derart lustlos, dass er nicht einmal selbst verstand, warum er nicht einfach weiterging. „Sag bloß, es ist etwas, das du mir gestern nicht gesagt hast, als du mich wieder einmal als letzten Volltrottel bezeichnet hast, der es nicht einmal wert wäre, sich in deiner Nähe aufzuhalten?“ Landis presste die Lippen aufeinander, allerdings nur für einen kurzen Moment, dann neigte er ein wenig verlegen den Kopf. „Das meinte ich doch nicht so... also, ich denke immer noch, dass du ein Volltrottel bist, aber das ist okay, denn ich bin auch einer!“ Frediano kniff die Augen zusammen. „Es ist schön, dass du eine Selbsterkenntnis hattest, aber was willst du jetzt eigentlich von mir? Oder bist du nur gekommen, um mich zu nerven? Das wäre ja nichts Neues.“ Landis knurrte leise, aber mehr aus Frustration als aus richtiger Wut. „Wenn du mir mal zuhören würdest, könnte ich es dir sagen!“ Frediano seufzte ergeben und wartete schweigend darauf, dass sein Gegenüber ihm eine weitere Beleidigung gegen den Kopf knallen würde – aber mit dem, was dann wirklich kam, hatte er nicht gerechnet. „Ich bin inzwischen ganz oft in mich gegangen – im übertragenen Sinne, ist ja klar – und da habe ich eines ganz deutlich erkannt.“ Er machte eine kurze Pause, verschränkte dabei die Arme vor dem Körper und nickte wissend. „Ich hasse dich nicht, uh-uh.“ Das erstaunte ihn nun doch, weswegen Frediano eine Augenbraue hob, allerdings sagte er nichts, genausowenig wie Nolan, der nur wenige Schritte entfernt stand und genauso ratlos über Sinn und Zweck von Landis' Ansprache schien. Dieser atmete noch einmal tief durch, ehe er schließlich mit etwas Unglaublichem herausplatzte: „Ich liebe dich!“ Frediano war sich ziemlich sicher, dass er sich verhört hatte. „Wie bitte?“ „Ich bin mir ganz sicher“, bestätigte Landis und nahm sogar Fredianos Hände in seine, während sich sein erhitztes Gesicht dem seines Gegenübers näherte, was dieser damit erwiderte, dass er den Oberkörper ein wenig zurückbeugte. „Immer, wenn ich an dich denke, bin ich ganz aufgeregt und ich will dauernd dein Haar berühren und ich kann es nicht ausstehen, wenn du mit irgendwem außer mir sprichst. Wahrscheinlich verwickele ich dich deswegen dauernd in diese Auseinandersetzungen, damit du mir Beachtung schenkst!“ Frediano warf einen überraschten Blick zu Nolan hinüber, der so geschockt wirkte, wie er sich selbst fühlte. Dann sah er wieder Landis an und schüttelte leicht den Kopf. „Du veralberst mich gerade, oder? Das ist ein neuer Streich von dir.“ Innerlich flehte er Landis an, ihm genau das zu bestätigen, aber er erntete eine Enttäuschung, als dieser, immer noch vollkommen ernst, den Kopf schüttelte. „Ich meine es so, wie ich sage. Ich liebe dich, Frediano Caulfield.“ Nolan sog hörbar die Luft ein und auch für den Angesprochenen war die Nennung seines vollen Namens ein Zeichen dafür, dass Landis es wirklich und wahrhaftig und vollkommen ernst meinte. Aber ihm fiel absolut keine passende Erwiderung auf dieses ungeheuerliche Geständnis ein. „Also?“, fragte sein Gegenüber lächelnd, der offenbar auf eine Erwiderung bestand – und so wie er strahlte, wünschte er sich eine positive. „Was sagst du?“ „Du willst darauf wirklich eine Antwort?“ Landis nickte und blickte ihn erwartungsvoll an, seine grünen Augen glitzerten regelrecht. „Gut, ich werde dir sagen, was ich davon halte“, sagte Frediano lächelnd. Ehe der andere reagieren konnte, löste er eine seiner Hände von ihm – und verpasste ihm einen heftigen Faustschlag ins Gesicht. Mit einem dumpfen Schmerzensschrei ließ Landis ihn wieder los, taumelte rückwärts und stürzte dann zu Boden, während er sich die blutende Nase hielt. Den leisen Schmerz in seiner eigenen Hand ignorierte er für diesen Anblick nur allzu gern. „Lass dir das eine Lehre sein, derart eigenartige Dinge zu Leuten zu sagen, du Idiot.“ Mit diesen Worten fuhr er herum und ging davon, ohne sich noch einmal umzudrehen – immerhin war er davon überzeugt, dass Nolan sich schon um den Verletzten kümmern würde. Am Abend, nachdem er den Spott von Nolan („Du kannst ja noch froh sein, dass er dich nicht verprügelt hat“), Yuina („Kinder sollten endlich lernen, nicht alles auszusprechen, was sie als fixen Gedanken haben“) und sogar seines eigenen Vaters („Das hast du nun davon, dass du auf deine Mutter hörtest“) ertragen hatte, beschloss Landis, nach dem Abendessen noch einmal hinauszugehen, um in der Kühle der Abenddämmerung darüber nachzudenken, was er wohl falsch gemacht hatte. Die ganze Sache musste Frediano überrascht haben, das verstand er gut. Er selbst war immerhin auch erst vor kurzem zu dieser Erkenntnis gekommen, nachdem seine Mutter ihm nach einem erneuten Eifersuchtsanfall scherzhaft mitgeteilt hatte, dass er vielleicht nicht auf Frediano, sondern auf Oriana eifersüchtig wäre. Nach kurzem Nachdenken war ihm bewusst geworden, dass er diesen seltsamen Stich auch spürte, wann immer Frediano mit jemandem sprach, der nicht Oriana war. Dazu kamen noch die blauen Augen, die er so sehr mochte, weil sie so unglaublich intensiv waren und das schneeweiße Haar, das er unbedingt anfassen wollte – obwohl er wusste, dass es keineswegs kalt war, wie er früher vielleicht aufgrund der Farbe geglaubt hätte. Alles in allem und je länger er seine Gefühle analysierte, kam er einfach zu dem Schluss, dass er nicht wollte, dass Frediano jemanden außer ihm beachtete – und da war ihm auch negative Beachtung durchaus recht, Hauptsache, er bekam sie – und dass er bei ihm sein wollte, nein, dass er bei ihm sein musste und ihm dies auch vor langer Zeit einmal versprochen hatte. Doch damals waren seine Gefühle unschuldig gewesen, das wusste er ganz sicher, inzwischen war daraus aber mehr geworden. Er wollte ihm so nah wie möglich sein, so nah wie er bislang nur Oriana gekommen war, unter allen Umständen. Damit, davon war er überzeugt, würde er es schaffen, aus Frediano wieder die Person zu machen, die er in seinen Gedanken einmal gewesen war und auch eigentlich sein sollte. Aber wie könnte er Frediano davon überzeugen? Gerade, als er sich diese Frage stellte, konnte er dessen Stimme hören, laut und deutlich: „Ich hab dich ziemlich erwischt, was?“ Im ersten Augenblick glaubte Landis, sich das wegen seiner Gedanken nur eingebildet zu haben, doch als er sich umsah, entdeckte er tatsächlich Frediano, der mit dem Rücken gegen einen Kirschbaum lehnte. Das letzte Licht des Tages fiel dabei auf ihn und gab seinem Haar einen rötlichen Schimmer, was ihn für einen kurzen Moment derart faszinierte, dass er nichts sagen und es einfach nur anstarren konnte. Doch als er sich wieder ins Gedächtnis rief, dass er bereits angesprochen worden war, kehrte seine Konzentration zum Thema zurück. Automatisch griff Landis sich an die Nase, auf der Yuina einen Gipsverband angebracht hatte, dann wanderten seine Finger zu seinen Augen weiter, die begonnen hatten, sich blau zu verfärben. Eine vollkommen normale Reaktion, wie die Ärztin ihm versichert hatte, aber das half ihm nicht gegen die damit einhergehenden Schmerzen. „Du hast mir nur die Nase gebrochen“, erwiderte Landis, als wäre es gar nichts. „Das wird schneller heilen, als du denkst. Losgeworden bist du mich damit jedenfalls nicht.“ „Das dachte ich mir schon. Du warst ja schon immer recht dickköpfig und noch dazu unzerstörbar.“ „Was willst du denn?“, fragte Landis. „Willst du dich über mich lustig machen? Oder mich noch einmal schlagen? Ich hab noch mehr Knochen, die du mir brechen kannst.“ „Nein, deswegen bin ich nicht hier.“ Frediano löste sich von dem Baum und lief einige Schritte, ohne Landis anzusehen, dabei blickte er nachdenklich auf den Boden. „Etwas, was du vorhin gesagt hast, hat mir zu denken gegeben.“ Während er eine Pause machte, horchte Landis neugierig auf. Er hatte ihn mit seinen Worten erreicht – das war schon ein Erfolg für sich – und nun interessierte ihn, wie genau. Was, von dem, was er erwähnt hatte, war bei Frediano angekommen, um etwas in seinem Inneren anzusprechen? „Du sagtest, du willst mein Haar anfassen“, sagte Frediano nachdenklich. „Aus irgendeinem Grund, den ich selbst nicht verstehe, habe ich das Gefühl, dass du das schon einmal getan hast... vor vielen Jahren. Ich kann mich nicht entsinnen, wann oder warum... aber ich habe den Eindruck, dass es da... Dinge in meinem Inneren gibt, die ich selbst nicht verstehe.“ „Ich weiß jedenfalls, dass es nicht kalt ist“, bekräftigte Landis, was ihm von Frediano allerdings nur einen verwirrten Blick einbrachte, da dieser den Zusammenhang nicht verstand. „Aber das ist auch nebensächlich“, sagte er dann seufzend, da keine weitere Erklärung folgte und der andere ihn nur strahlend ansah. „Ich glaube irgendwie auch, mich zu erinnern, dass ich irgendwann einmal sehr viel von dir gehalten und dich sehr gemocht habe.“ Freudig erregt griff Landis noch einmal nach seinen Händen. „Genau so geht es mir auch! Dasselbe Gefühl habe ich auch! Genau wie jenes, dass wir zusammen sein müssen! Für immer und ewig!“ Diesmal versuchte Frediano gar nicht, sich aus dem Griff zu befreien. „So weit würde ich nicht gehen... aber vielleicht... ist wirklich etwas dran. Nur vielleicht.“ Offenbar hatte er sich wirklich Gedanken um diese ganze Sache gemacht, es hatte nur einen Anstoß gebraucht, genau wie für Landis, aber er wirkte noch genauso verwirrt wie dieser zu Beginn. „Vielleicht hasse ich dich ja nur so sehr, weil ich das Gefühl habe, dass du mich irgendwann einmal enttäuscht hast... zumindest scheint es für mich so...“ Frediano runzelte die Stirn, während er all das sagte und am Liebsten hätte Landis ihm durch das Haar gestrichen und ihn dann umarmt, nur damit er nicht mehr so blickte und stattdessen ebenfalls lächelte. „Ich werde dich ab sofort nie mehr enttäuschen“, versicherte er Frediano hastig und mit allem Enthusiasmus, den er aufbringen konnte – was reichlich viel war. „Nie, nie, nie wieder! Wir werden bestimmt ein ganz tolles Paar sein!“ „Mach dich nicht lächerlich!“, erwiderte der andere unwirsch, ohne sich aus dem Griff zu befreien. „Wir können nicht zusammen sein.“ Landis blinzelte überrascht. „Was? Aber...“ Er war noch nicht in vielen Beziehungen gewesen – und wenn, dann nur mit Oriana – aber bislang hatte er noch nie davon gehört, dass es zu solchen Problemen kommen könnte. Möglicherweise wäre es doch eine gute Idee, mehr kitschige Liebesromane zu lesen. „Ich bin der Sohn des Kommandanten der Kavallerie“, erklärte Frediano weiter. „Mein Vater wird mich umbringen, wenn ich auch nur in Erwägung ziehen würde, mit einem Jungen zusammen zu sein.“ „Also meine Eltern sagen immer, ich soll meinem Herzen folgen“, erwiderte Landis fast schon schmollend, als ihm aber auch gleich schon eine Idee kam: „Vielleicht sollten meine Eltern mal mit deinen reden?“ In seinen Augen war das immer noch ein Allheilmittel, die Eltern sprachen mit anderen Eltern und alles wurde gut, weil sie sich untereinander verstanden und logisch denken konnten. Aber Frediano schien das anders zu sehen. Schnaubend löste er sich ruckartig aus Landis' Griff. „Lass das endlich. Ich habe auch nie gesagt, dass ich mit dir zusammen sein will, oder? Hör zu, ich habe einige Verpflichtungen, die ein einfacher Junge von dem Land wohl nicht einmal kennt, aber ich bin der einzige Caulfield-Erbe, man erwartet von mir Kinder.“ „Wir könnten welche adoptieren!“, brach es aus Landis hervor, das Glitzern seiner Augen intensivierte sich in einer Art und Weise, die an Fanatismus grenzte. Er wollte erneut nach Frediano Handgelenken greifen, doch sein Gegenüber wich einen Schritt zurück, um dem zu entgehen. „Langsam wirst du mir wirklich unheimlich...“ Landis seufzte leise, das Glitzern schwand augenblicklich. „Dasselbe hat Ria auch schon mal zu mir gesagt. Ich glaube, ich liebe einfach zu heftig... oder so. Das muss ich von meiner Mutter haben.“ Manchmal wirkte Richard immerhin ebenfalls sehr schockiert, wenn er sich Astereas Liebesbekundungen ausgesetzt sah. Doch gleichzeitig schien es auch diese Leidenschaft zu sein, die ihn erst von seiner Ehefrau überzeugt hatte. Für ihn selbst war das vielleicht aber wirklich nur hinderlich. Verlegen kratzte Landis sich am Hinterkopf. „Tut mir Leid, ich bin echt seltsam manchmal.“ „Das hast du gut erkannt“, stimmte Frediano mit einem Schmunzeln zu, dann legte er seine Hand auf seine Stirn. „Dass du dein Geständnis vorhin vor Nolan gemacht hast, wird auch noch sehr unangenehm werden.“ „Unangenehm...“, wiederholte Landis gedehnt. „Für dich oder für mich?“ „Für uns beide, du Idiot.“ Trotz der Worte klang er nicht sonderlich wütend, eher tadelnd, als würde er nur das Beste für seinen Gesprächspartner wollen. „Aber für mich vermutlich mehr als für dich. Ich denke, du solltest vielleicht noch einmal mehr darüber nachdenken... was ich auch tun werde.“ „Ich habe schon lange genug darüber nachgedacht“, brachte er wieder schmollend hervor, beruhigte sich aber direkt wieder, als Frediano ihm, entgegen seiner sonstigen Art, durch das Haar strich. „Nun sei nicht so ungeduldig“, sagte er dabei. „Keiner von uns sollte etwas Unbedachtes tun, egal wie verliebt wir sind... was nicht heißen soll, dass ich verliebt bin.“ Allerdings wurde er tatsächlich rot, als er das hinzufügte, weswegen Landis ihm das nicht so ganz glauben konnte. Aber er sagte auch nichts mehr, um Frediano nicht weiter zu verärgern. Es würde immerhin nichts bringen, wenn er das tat. „Wenn wir beide uns sicher sind, dann können wir auch zusammen sein – und wenn mein Vater endlich mal tot ist.“ Den letzten Halbsatz sagte er schmunzelnd, um – wie Landis glaubte – den Eindruck zu erwecken, dass er es nicht ernst meinte, obwohl er das durchaus tat. Landis schnaubte unzufrieden, da es keinesfalls die Antwort war, die er erwartet hatte. In Gedanken war er viele Reaktionen durchgegangen, angefangen von einem humorlosen Lachen, über bewusstlos-prügeln und direkt-totschlagen, bis zu einem tränenreichen Geständnis vor dem Sonnenuntergang an dessen Ende sie sich ewige Liebe schwören würden. So wie es allerdings bisher lief, hätte er vielleicht doch eher Nolan Gefühle gestehen sollen, dieser hätte sicherlich eher wie gewünscht reagiert. Aber zumindest den Sonnenuntergang hatte er nun schon einmal. „Fein, wenn du meinst“, sagte Landis resignierend, „aber bevor wir einfach so auseinandergehen...“ Er ging einen Schritt auf Frediano zu, zog sein Gesicht vorsichtig zu seinem herunter – und küsste ihn. Nach diesem Ereignis zogen fast zehn Jahre ins Land, in denen die Ereignisse sich sehr zu Landis' Unzufriedenheit entwickelten. Frediano heiratete Oriana, so wie sein Vater es sich zuletzt gewünscht hatte, und er bekam sogar eine Tochter mit ihr, ehe Dario Caulfield plötzlich einer unbekannten Krankheit erlag. Die letzten beiden Nachrichten bekam Landis allerdings nur über Umwege mit, denn zu diesem Zeitpunkt hatte er Cherrygrove und all seine Freunde schon längst verlassen. Doch egal wie lange er seiner Vergangenheit fernblieb, nie veränderte sich etwas an seinen Gefühlen, nie ließ der brennende Schmerz in seiner Brust nach, der sich nach Orianas Verkündung der Verlobung dort eingenistet hatte. Es war nicht Oriana, um die er trauerte, auch wenn sie und alle anderen es glaubten, es war vielmehr Frediano, der ihn dermaßen enttäuscht hatte und nicht einmal Mann genug gewesen war, um ihm persönlich zu sagen, dass er nicht mit ihm zusammen sein wollte oder konnte, egal wie viel Zeit da gewesen war, um sich über Gefühle klar zu werden. Nein, stattdessen hatte er einfach die Hintertür gewählt, Oriana einen Antrag gemacht und kein Wort diesbezüglich mit ihm gewechselt. Dieser Gedanke war es, der Landis' Wut anfachte, seine Liebe in Hass zu verwandeln versuchte und dabei nicht sonderlich erfolgreich war. Er konnte seine Gefühle nicht einfach verleugnen und mehr als alles andere, wünschte er sich, Frediano wiederzusehen, nur einmal. Er wollte mit ihm sprechen, ihn fragen, warum er derart gehandelt hatte – und ob sich seit dem Tod seines Vaters nun vielleicht doch etwas zu seinen Gunsten geändert hatte. Nach diesen zehn Jahren erfüllte sich sein Wunsch endlich, denn sein Weg führte ihn nach New Kinging, wo Frediano den Posten als Kommandant angetreten hatte. Vielleicht war es eine dumme Idee, ausgerechnet jemanden mit Rang und Namen eine unmoralische Beziehung aufzudrängen – so fühlte er sich jedenfalls – aber seine Gefühle waren stärker als jede Vernunft oder Logik. Mit wild schlagendem Herzen, das ihm die Brust zu zerreißen drohte, stand er gemeinsam mit Dawn vor der Tür der Kommandantur. Nolan stand im offenen Türrahmen und bedeutete ihm, hineinzugehen, in den Raum, der von Fredianos Geruch und seiner ganzen Anwesenheit erfüllt war, weil er seit Jahren jeden einzelnen Tag darin verbrachte. Allein der Geruch war schon fast genug, um ihn direkt um den Verstand zu bringen. Dennoch schaffte er es, sich zusammenzureißen und einzutreten. Er spürte, dass Frediano wütend war und ihn eigentlich nicht an diesem Ort sehen wollte, doch in den blauen Augen sah er etwas anderes; ein erleichtertes helles Glitzern, das ihm verriet, dass auch Frediano ihn vermisst hatte. Es war kaum wahrnehmbar und vielleicht bildete er es sich auch nur ein, weil er sich wünschte, dass der andere an ihn gedacht und selbst seine Rückkehr ersehnt hatte. Aber keiner von ihnen sagte etwas, ehe Nolan die Tür schloss. Kaum war er draußen, schien die Wut zu schwinden und den Raum zu verlassen, als wäre sie auf Nolan konzentriert gewesen und auf niemanden sonst, so dass er sie mit sich nahm, als er ging. Frediano seufzte leise, es klang fast schon erleichtert und ließ Landis wieder tief durchatmen. Möglicherweise war es doch keine Einbildung und der andere freute sich genauso sehr wie er selbst. „Dir ist bewusst, dass die ganze Situation ziemlich unangenehm ist, oder?“, fragte Frediano, während ein Lächeln seine Mundwinkel umspielte. Landis lächelte ebenfalls. „Unangenehm... für dich oder für mich?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)