Smoke and Crimson von dadgrin ================================================================================ Kapitel 2 --------- Es war eine Erleichterung als sich in besserem Licht herausstellte das Grell einen Holzkohle und Merlot farbenen Anzug trug. Für einen Moment hatte sich Sebastian nämlich wirklich Sorgen gemacht. Innerhalb kürzester Zeit hatte er ihn in einen ruhigeren, schläfrigeren und sichereren Teil der Stadt gebracht, allerdings hatte er es nicht geschafft weiter als bis hierhin zu denken. So suspekt ziellose Seitenstraßen auch wirken mochten hatten sie nicht das richtige Feng Shui für die schwarzen Künste. Aber diese hier musste jetzt reichen. In einem Anflug von Hast und Sorge platzierte er Grell auf dem Boden und kniete sich über ihn, so dass er auf Grells Hüften saß. Dem Tod rann die Zeit davon. „Wirklich könntest du nicht noch weniger Interesse an deinem Überleben zeigen?“, neckte ihn Sebastian leicht, als er sich über Grells Brust beugte. „Du bettelst ja nicht Mal darum das ich dich rette.“ Hätte ihm ein Passant zugehört wäre er wohl zu dem Schluss gekommen, dass Sebastian sich so oder so Sorgen machte – ganz davon abgesehen, dass der Passant beunruhigt gewesen wäre so wie Sebastians Handflächen in dunklem Höllenfeuer glühten, als er mit selbigen Grells Handgelenke und Schultern unachtsam von seinem verstümmelten Jackett, dem Hemd und der Weste befreite. Sebastian war wie gelähmt von dem Umstand das Grell bereit war so einfach aufzugeben und dem ziemlich realen Erscheinungsbild seiner blutbefleckten Haut und den dunklen Flecken auf dem ehemals weißen Hemd. Das Licht war nicht geeignet für rot; Sebastian sah nur schwarz. Allerdings musste er wohl etwas richtiges gesagt haben, denn Grell rührte sich. Mal davon abgesehen das er sich nur auf die Unterlippe biss – was mit nur noch mehr Blut endete – und das er versuchte Sebastians Hände wegzuschlagen. Nicht aus Resignation, sondern wegen etwas was komischer Weise mehr so etwas wie Angst ähnelte, hätte Sebastian es nicht besser gewusst. „Vertu deine Zeit nicht damit dir Sorgen zu machen“, sagte Sebastian daraufhin. „Ich bin nicht der Dämon der dich angegriffen hat; sei nicht bescheuert. Ich bins. Ich... Sebastian. Sebby“, fügte er hinzu und zuckte dabei empfindlich zusammen. Aber Grell war trotzdem immer noch verwirrt. Vehement schüttelte er seinen Kopf und murmelte mit Nachdruck etwas das eindeutig wie, „weg von mir!“, klang. Sebastian seufzte. „Für sowas haben wir keine Zeit“, entschied er für sich und murmelte leise etwas im lateinischen, während er Grell zwang seine Hände auf dem Gehweg zu lassen. Magie fixierte sie dort. Eine Reihe von konzentrischen Kreisen und Symbolen umgab sie beide. Entgegen dem allgemeinen Glauben konnte man die schwarzen Künste nicht nur für Boshaftigkeiten nutzen wie Kinder in Pilze zu verwandeln oder jemandens Blumenkohl zu verfluchen. Sie konnten auch zur Heilung angewandt werden, nur funktionierte das Ganze eben etwas anders. Funktionierte so, das es eine durchschnittliche Kirchengemeinde dazu gebracht hätte während ihrer Gebete zu erbleichen. Die Knöpfe waren ihm lästig und Sebastian beschloss, dass so zerschnitten und löchrig wie das Material war, Grell sein Hemd später nicht wiederhaben wollen würde. „Wolltest du nicht immer sowas in der Art?“, sinnierte Sebastian als er Grells Haare mit einer Hand aus dem Weg schaffte, hauptsächlich um den Schnitter zu beruhigen, und sich mit der Anderen vorsichtig durch den Stoff des Hemdes brannte. Mit den Fingerspitzen fegte er den Stoff beiseite, ohne dabei die Finger von seiner Haut zu nehmen, während er sich an die Zeit erinnerte zu der er noch nie einen Schnitter berührt hatte und geglaubt hatte ihre Haut wäre so kalt wie der Tod nach allgemeinem Glaube persönlich. Die Begriffe heiß und kalt waren äußerst sonderbar, dachte Sebastian. So glühend heiß man auch erröten konnte, war es nichts im Vergleich zu den Feuern der Hölle. Die kühle einer Nacht, so frostig sie auch war, war beinahe warm im Gegensatz zu einem erfrorenen Herzen. Er beugte sich über ihn und fuhr mit Zunge und Lippen über den gezackten Schnitt, der unter seinem Schlüsselbein entlangging. Das was er vor ein paar Jahren gegessen hatte war gut gewesen, aber trotzdem würde er hiernach ein kleines Nickerchen brauchen. Denn genauso langsam wie ein Schnitter Tod im Vergleich zu einem Engel oder Menschen bluteten, genauso langsam heilten sie auch wieder. Grell gab ein erschrockenes Keuchen von sich, wobei er die spitzen Enden seiner Zähne zeigte und auch wenn er seinen Arm nicht bewegen konnte, krümmten sich seine Finger zu einer angespannten widerspenstigen Faust. „Hör auf“, hauchte er und als Sebastian von ihm abließ konnte er sehen das Grell seine Augen geöffnet hatte, in ihnen flammte ungehaltener Zorn vergleichbar mit dem eines Erzengels auf. Wahrscheinlich war das gerade der ungeeignetste Zeitpunkt den es für Sebastian gab um sich vorzustellen wie es wäre, wenn eben diese Zähne aufreizend sein eigenes Schlüsselbein liebkosen würden. „Du verstehst nicht was passiert, oder...?“, murmelte Sebastian und verbarg dabei wie sehr es ihn verletzte das Grell ihn nicht erkannte. „Bleib liegen und wehr dich nicht. Ist gleich vorbei.“ Die Bestandteile von heiliger Magie waren gleichbedeutend mit Gift für Dämonen, mit all dem prächtigen Licht, der makellosen Reinheit und was sonst eben noch dazugehörte. Dämonenmagie hingegen basierte auf etwas sehr viel praktischerem. Der Schnitt an Grells Schlüsselbein war schon längst wieder verheilt, aber das half ihm nicht viel. Sebastian ließ seine Hände über seine nackten Schultern streichen und musste sich erinnern, das jetzt nicht die Zeit zum träumen war. Er ließ seine Finger weitergleiten bis er dort angelangt war wo er die Rippen des Reapers vermutet hätte, Sebastian hatte den eindeutigen Verdacht das mindestens zwei davon angebrochen, wenn nicht sogar gebrochen waren. Seine Berührungen gaben den Pfad für die Magie vor. Zum selben Zeitpunkt als Sebastians Hände über seinen Rippen stoppte fiel ihm eine dünne silberne Linie auf die trotzig über Grells Wange lief. Sebastian ließ von ihm ab. Er hatte ein ziemlich ungutes Gefühl was die ganze Sache anging. Eines das er nicht hätte haben sollen. Er war dabei Grells Leben zu retten. Oder Existenz; wie auch immer die Schnitter das nennen wollten. Und um ehrlich zu sein, würden einige seiner Brüder dafür töten um den Tod, im übertragenen Sinne oder wortwörtlch, bescheißen zu können. „Grell“, befahl er nachdrücklich, „öffne deinen Mund. Nur ein bisschen... nur ganz kurz.“ Sebastians Lippen schwebten nur einen Hauch über seinem Handgelenk; kurz nachdem Grell schwach den Kopf geschüttelt hatte biss er sich ins eigene Fleisch und konnte Kupfer und Schwefel schmecken. Das er die Spitze seines Daumens gegen seine Lippen drückte half nichts ihn davon zu überzeugen das es eine gute Idee war seine Lippen zu öffnen. Blut lief über Sebastians Hand und Grells Lippen wie eine rotglühende Sünde. „Du willst jetzt nicht sterben, oder Grell?“, neckte ihn Sebastian und zwängte einen obsidianfarbenen Nagel zwischen zwei der rasierklingenscharfen Zähne. Es war besser als ihn wissen zu lassen wie unsicher er sich eigentlich war. „Hmm...?“ Er erinnerte sich nicht Grell gebeten zu haben anzufangen zu zittern, als sich ihm Grells Mund unterwürfig öffnete. Sebastian beobachtete wie sein Blut seine Porzellanhaut herablief auf die Zunge des Reapers, und irgendwie verselbstständigte sich sein Blick dann, beobachtete die Zunge die sich leicht krümmte um das Blut zu erwischen. „Du wirst es auch schlucken wollen“, sagte Sebastian leise. Grells Lippen umschlossen Sebastians Daumen als er nachgab; Sebastian nahm Grells Kinn in seine Hand. „Da“, murmelte Sebastian. „War das jetzt so schwer? Noch ein bisschen mehr. Du kriegst mehr.“ Sebastian zog seinen Daumen zurück und setzte sein Handgelenk an Grells Lippen; die Zunge des Reapers wartete und leckte dann widerwillig das Blut weg. Nachdem Grells Mund sich wieder ein Stückchen geöffnet hatte nahm Sebastian sein Handgelenk weg und küsste die Wunde, worauf sie sich schloss, er stellte sich vor er würde Grell auf seiner Haut kosten. Zu sagen das Grell von seinem Beinahetod benommen und panisch aussah wäre eine Untertreibung. Sebastian fragte sich, warum Grell bisher noch nicht erkannt hatte, das er der Dämon war der das hier für ihn tat. Oder für sich selbst, korrigierte sich Sebastian im stillen. Er fing wieder an etwas auf lateinisch zu murmeln. Eigentlich war es nicht notwendig, es war ein Gebilde was die Menschen nutzten um die Magie zu unterstützen. Aber auch wenn er es nicht brauchte, wollte er die methodische Reinfolge durchziehen. „Du weißt was mit dir geschehen wird, oder?“, fragte Sebastian leise. „Du weißt wie diese Art von Magie funktioniert. Ich habe dir schon etwas mir gegeben – das Blut. Du weißt es hätte kein Blut sein müssen.“ Alles würde gut werden. Grell würde wieder gesund werden, zu Sinnen kommen und dann würde sich Sebastian für den Rest seiner Ewigkeit hassen, weil es später einfach keine Möglichkeit mehr geben würde den Schnitter wieder loszuwerden. Grell würde bis zum Tag des jüngsten Gerichtes bei ihm bleiben. Grells Lippen öffneten sich und erst sehr, sehr, viel später, als Sebastian das Gefühl hatte nichts anderes tun zu können außer zurückzublicken, wurde ihm klar das Grell etwas hatte sagen wollen, etwas das ihn vor dem noch kommenden gewarnt hätte. Aber einige Zeit später als Sebastian verschwitzt und benommen von Erschöpfung von ihm abließ – er hätte die Seele von Gavrilo Princip auch gleich dem Tod überlassen können, so viel Energie hatte er verbraucht um Grells schwachen Körper wieder hinzukriegen – nagte etwas kaum merklich an seinen Gedanken. Er war ein Dämon der davon träumte ein Mensch zu sein, aber er war kein kompletter Idiot. Die silberne Linie die aus Grells Augenwinkel über Wange und Kinn lief war nicht mehr die einzige. Ihr Anblick verletzte Sebastian mit einem Mal zutiefst und er fuhr mit seinem Ärmel über Grells Wangen. Während er das tat fühlte er wie ein ziehen durch seine Glieder fuhr, es fühlte sich wie Scham an. Aber das war nicht das richtige Wort; war es Reue? Kurz darauf hörte er etwas was nicht gerade erfreuliche Klang. Es war ein Kichern das merkwürdiger Weise nach einem Todesröcheln klang. „Hier ist er also gelandet... auch wenn es offensichtlich ist das er es nicht allein geschafft hat...“ Den einzigen Gruß den Sebastian und der Undertaker austauschten war eine lange gefühlslose Stille, während der Sebastian Grell auf den Arm hob und aufstand. Er wäre der letzte der das hier als Konfrontation bezeichnet hätte, aber genau das war es. „Was hab ich getan damit du das hier lustig findest?“, fragte Sebastian mit abgehackter und gekünstelt ausgelassener Stimme. Er wusste nicht wie lange der Undertaker schon dagewesen war. „Nun es ist das erste Mal das du mich zum Lachen gebracht hast ohne mir zu sagen was du suchst; du musst während deiner Abwesenheit in den letzten dreißig Jahren geübt haben. Ich hätte nicht gedacht dich hier wieder zu sehen, muss ich zugeben...“ „Was machst du hier...?“ „Hah. Sollte nicht ich dich das fragen? Ich finde es einfach saukomisch das du hier auftauchst und dann noch unter diesen Umständen. Und du weißt doch ich lebe – oder was auch immer – nur für einen guten Lacher... Ich hab nach ihm gesucht und nun hab ich ihn gefunden. Worauf wartest du?“ Sebastian lächelte leicht. „Ich weiß nicht Undertaker, worauf warte ich?“ „Du hättest besser zur Pointe deines Witzes kommen sollen“, sagte der Undertaker mehr oder weniger in Grells Richtung deutend bevor er davonging. „Trag ihn für mich, dann hast du was gut bei mir...“ Es war ein folge-dem-Anführer Spiel während der Undertaker Sebastian durch einige sehr schmale Gassen führte, einige Schritte in ein vollgerümpeltes und staubiges Foyer, eine Freitreppe hinauf und in einen Raum der tatsächlich gemütlich wirkte, und vorrangig dafür das Sebastian mit Grell eintrat, unbewohnt aber offensichtlich jemandens zu Hause war. Da waren ein Bett, ein unangezündeter Kamin, ein paar Bücherregale und ein Tisch. Ein Spiegel groß genug um sich stehend davor zu betrachten. Nichts allzu ungewöhnliches. Sebastians Plan war es das Grell den Übergriff der Dämonenmagie den er (neben anderen Dingen) hatte ertragen müssen ausschlief, aber da der Undertaker ununterbrochen Gründe fand um nach oben zu kommen und in wahllosen Abständen in gedämpftes Gelächter ausbrach, bekam Sebastian das Gefühl das da etwas unglaublich wichtiges war was der Undertaker wusste ihm aber nicht sagte. Aber schließlich musste er einfach Fragen. „Wieso hilfst du mir?“, wollte Sebastian wissen als der Undertaker Grells Handgelenk anhob und wieder fallen ließ. Er bezweifelte das es sich um einen ordnungsgemäßen Diagnoseweg handelte. „Besser hier als in der Hölle“, antwortete ihm der Undertaker nachdenklich. „Das ist es was du denkst, nicht? Deswegen bist du bei ihm, hm? Er wird schon wieder, du kannst von mir aus sofort zurück in deine Grube, wenn du willst..“ „Eigentlich wollte ich mit ihm über was reden, aber er war am sterben. Da hab ich beschlossen das es warten kann bis es ihm besser geht“, sagte Sebastian mit verengten Augen. Die dreißig Jahre hatten auch ein sehr viel entspannteres Bild von seiner Beziehung zum Undertaker in seinem Gedächtnis hinterlassen, als sie es in Wirklichkeit gewesen war. „Die wird er später wollen, da bin ich mir sicher“, sagte der Undertaker und legte ein Hemd und eine Weste als Ersatz für die zerstörte Kleidung beiseite. „Schau mich nicht so an, es sind ja keine Leichenkleider. Es sind seine. Ich frag mich nur warum er so lange braucht...“ „Ich weiß nicht“, erwiderte Sebastian. „Wieso hast du seine Kleidung?“ Der Undertaker lachte. „Du bezahlst so gut“, kommentierte er das. „Wieso glaubst du eigentlich, du wärst der einzige der das muss?“ Jetzt wo er darüber nachdachte, war ihm eine anständige Sammlung an Shakespearewerken aufgefallen die hier auf einem der Regale Staub ansammelte und auch das Bettzeug mit dem Grell zugedeckt war, war ein bisschen zu farbenfroh um dem Geschmack des Undertakers zu entsprechen. „Es passiert jedem von uns früher oder später“, sagte der Undertaker verwundert ohne jeglichen Hinweis darauf was 'es' eigentlich war. Selbst wenn Sebastian Interesse daran gehabt hätte nachzufragen ob er näher darauf eingehen könnte, er ging bevor er das tun konnte. Während er darauf wartete das der Schnitter aufwachte hatte Sebastian ungemein viel Zeit zum Nachdenken und die meiste Zeit verbrachte er damit sich davon zu überzeugen das es nur natürlich war das Grell länger brauchte um sich zu erholen als im Normalfall. Im Grunde war es nicht sonderlich schlimm, denn er wusste was passieren würde, wenn Grell erst ein Mal aufgewacht war und verstanden hatte was genau Sebastian getan hatte um sicherzustellen das er in der Lage war seine Augen erneut zu öffnen, Sebastian wusste das dann nur noch Spears persönlich Grell wieder von ihm trennen konnte. Falls das überhaupt noch ging beruhigte ihn dieses Wissen. Deswegen fühlte er sich wohl auch verpflichtet sich seine Zukunftsvision in einer Wiederholungsschlaufe vor dem inneren Auge aufzuzeigen. Als die Stille Sebastian beinahe in eine tiefschlafähnliche Abwesenheit eingelullt hatte rührte sich Grell. Grell wachte nicht wie es sich für eine verzauberte Prinzessin geziemt hätte auf, so, wie es Sebastian halbwegs erwartet hatte. Er verzog das Gesicht, krallte seine Hände in das Bettlaken unter sich und gab einen erschrockenen Schrei von sich, als er bemerkte das er woanders war als er es in Erinnerung hatte. Und das war noch bevor er Sebastian an seiner Seite bemerkte. Grell war kein Dornröschen. Zu einem, weil Märchenprinzessinnen keine scharfen Gegenstände nach ihrem Märchenprinzen warfen, wenn sie erwachten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)