Judas von abgemeldet (Ein Verrat) ================================================================================ Kapitel 3: Kopfunter im Kaninchenbau ------------------------------------ Der Saal war düster. Mikhail stellte sich neben die Ausgangstür. Wie ein persönlicher Bodyguart Hyoris ruhte sein Blick auf ihm. Die Sache mit der Flucht würde schwierig werden. Etwas klirrte. Hyori blinzelte. Er stand am Ende eines großen, rechteckigen Tisches der sich weit in den Saal erstreckte. Über ihm strahlte ein einziger Kronleuchter, obwohl die Schatten um ihn Herum noch weitere enttarnten. Hier mochte Jemand kein Licht. Darunter saß die Teeparty aus Alice im Wunderland. Kyoaku Kanrei am äußersten Ende der Tafel hatte seine Tasse fallen lassen. Sie war auf dem Unterteller zerbrochen und ihr Inhalt lief, wie bei einem dieser Zierbrunnen, über die Porzellanränder. Er hatte zwar keinen Hut auf, sah in diesem Moment aber eindeutig verrückt aus. Sein vornehmes, scharfkantiges Gesicht wirkte grauer, als Hyori es von Vorhin in Erinnerung hatte. Irgendetwas schien mit ihm nicht zu stimmen. Kanrei war kein Mann, der einfach so eine Tasse fallen ließ. Er hatte breite Schultern, einen Schwarzen Anzug mit schwarzem Hemd und schien durch und durch skrupellos zu sein. Ein perfekter Yakuza. Vergleichsweise jung, gut aussehend mit glatten, ungefärbtem, mittelkurzem Haar, das er sauber zurückgekemmt hatte, und großen, schlanken Händen. Er hatte sich schnell wieder gesammelt und sein Blick durchdrang Hyori bis in die Substanz. Irgendetwas war hier falsch.. Ein Mann saß zu seiner Rechten. Der Märzhase. Unter Umständen hätte er sehr attraktiv sein können. Ihm fielen schulterlange, fettige Haare ins Gesicht. Seine Lippen waren eingerissen und in seinen Augen funkelte etwas, dass Hyori verriet, dass er sich vor ihm in Acht nehmen sollte. Sie waren schwarz und leer. Umrahmt von grauen Ringen. Er hatte den Blick gehoben. Sein Mund verzerrte sich. Hyori war sich nicht sicher ob es ein Grinsen oder ein Zähneblecken war. Auch er hatte einen Anzug an. Er war grau und geknittert. Das Hemd darunter war falsch geknöpft. Seine Lippen schienen Worte zu formen, als wolle er ihm etwas sagen, aber das Sprechen sei ihm Verboten worden. War es wohl wirklich, denn Kanrei steifte ihn nach einiger Zeit mit einem kurzen warnenden Blick. Die Haselmaus schien seinen Besuch am gelassensten hinzunehmen und blinzelte müde auf ihren Teller. Als hätte sie überhaupt nicht wahrgenommen, dass Jemand den Saal betreten hatte. Oder eine Tasse fallen lassen. Es war ein junger Mann. Vielleicht zwanzig, oder einundzwanzig Jahre alt. Er hatte zwar keinen Anzug an, war aber steif gekleidet. Er wirkte wie ein Kellner. Nur edler. Sein weißes Hemd war zwar nicht so traditionell wie das von Hyori, war jedoch am Kragen und den Ärmeln grau verziert. Man konnte einen kleinen Teil seines Nackens sehen und den Verschluss einer wahrscheinlich sehr teuren Halskette oder eines Collies. Um seine Hände wand sich aufwändiger Schmuck. Ein Ring um seinem Zeigefinger war mit zwei ketten an einem zugehörigen Armband verbunden. An beiden Händen. Seine Fingernägel waren lang und gepflegt, aber nicht zu weiblich. Unter dem Hemd war ein schlanker, aber muskulöser Körper zu vermuten. Das Blonde Haar fiel ihm lose in die Augen. Es wirkte nicht, als kümmere ihn das. Seine Schwarze, westliche Hose hatte Bügelfalten. Neben ihm war ein weiteres, leeres Gedeck. Es mochte in seiner Situation recht überraschend sein... aber er hatte Hunger. Er merkte erst jetzt wie hungrig er war. Kein wunder. Seit heute Morgen hatte er nichts mehr gegessen. Und das, von dem er die letzten Monate gelebt hatte, hatte bloß zum atmen gereicht. Auf dem Tisch vor ihm standen verschiedene Speisen und jetzt fiel ihm erst auf, wie gut es roch. Der Duft von Curry und gebratenem Geflügel stieg ihm in die Nase. Für einen Moment vergaß er sogar die Zwangslage, in der er sich befand. Er ging einen zögerlichen Schritt auf den Tisch zu. Kanrei hatte scheinbar zu seiner alten Form zurückgefunden. Ohne eine Regung im Gesicht machte er eine einladende Geste und wies ihm den freien Platz. Das Ganze wurde immer... es wurde immer verstörender. Er fühlte sich wirklich wie Alice. Eine Alice mit drei Tagen Lebensspanne. Dass Kanrei ihm seine letzten Stunden mit reichen Henkersmahlzeiten versüßen wollte passte nicht. Trotzdem zögerte Hyori nur kurz, bevor er näher kam und sich setzte. Er gehorchte. Er würde immer gehorchen. So war er nun einmal. Manche nannten es feige. Er nannte es Überleben. Welcher Narr hätte in seiner Situation anders gehandelt? Hyori hielt es nicht lange aus. Er schaffte es, für ein oder zwei Minuten still auf seinen Stuhl zu sitzen. Alle schwiegen. Die Haselmaus neben ihm pickte mit den Stäbchen lustlos auf seinem Teller herum und schien noch immer nicht wahrzunehmen, dass Tee ihren Ärmel tränkte. Kanrei nahm keine Notiz mehr von ihm. Er aß ungerührt. Einmal stieß einer seiner Ringe klirrend gegen Porzellan. Alle außer ihm fuhren zusammen. Der Märzhase hörte nicht auf ihn durch seine fettigen Haarsträhnen hindurch anzustarren. Er hatte zwar die Zähne nicht mehr gebleckt, aber begonnen, mit ihnen zu knirschen. Er aß nicht. Obwohl er vor einem vollen Teller saß. Hyori versuchte Merzhases Blick zu ignorieren und griff nach einer Schüssel mit Hühnerfleisch. Es kostete ihn Überwindung, all das Essen stand direkt vor Kanrei. Aber sein Hunger zwang ihn. Kaum hatte Hyori die Schüssel angehoben, legte Kanrei die Hand an sie und drückte sie wieder hinunter auf die Tischplatte, ohne auch nur ein einziges Mal aufgesehen zu haben. Hyoiri erstarrte und zog die Finger zurück. Wieder vergingen Minuten, in denen Hyoris Magen knurrte. Schließlich griff er nach einer Schüssel mit Gemüse. Das Gleiche nochmal. Kanrei nahm sie ihm aus der Hand und stellte sie wieder ab ohne aufzusehen. War das ein neues Spiel von ihm? Ein Teerinnsal kletterte um seinen Teller. Und Hyori hatte Hunger. Der Märzhase starrte ihn an. Die Haselmaus stocherte in seinem Teller herum. Kanrei aß. Als er nach einigen Minuten wieder die Hand ausstreckte, sah Kanrei auf. Hyori erstarrte mitten in der Bewegung. Langsam zog Kanrei die Schüssel unter seinen Fingern weg. Er griff nach einer anderen und stellte sie an ihre Stelle. „Iss das. Es hat Anis. Es ist so, wie du es magst.“ Er widmete sich wieder seinem Essen. Hyori gehorchte. Er nahm die Schüssel langsam zu sich, obwohl Kanreis Worte ihn verwirrt hatten. Er kannte das Gericht nicht einmal. Er war auch kein übermäßiger Freund des Anis-Geschmacks. Schweigend beugte er sich über die Schüssel und begann zu hastig zu essen. Es war besser als er geglaubt hatte. Schweigend stopfte er den Reis in sich hinein und war dabei auf seinen Stuhl ein wenig zusammengesunken. Er wollte nicht auffallen. Aber allein durch seine gedrückte Haltung hob er sich von den anderen ab. Hyori hielt den Blick gesenkt und ignorierte den des Märzmärzhasen. Es wurde eine Viertelstunde geschwiegen. Als Hyori die Schüssel geleert hatte, blieb er still sitzen und wartete ab. Irgendwann musste doch Irgendjemand etwas sagen? „Zieh dein Hemd aus.“ Beide sahen auf. Hyori und die Haselmaus. Kanrei sah ihn an. Die Haselmaus widmete sich wieder seinem Teller. Wie konnte man nur so gelassen sein? Hyori jedenfalls war zusammengezuckt. Er starrte Kanrei an. Dieser sah zurück. „Möchtest du, dass ich mich wiederhole?“ Hyoris Herz begann zu rasen. Plötzlich wurde ihm kalt. Sein Blick huschte erst zur Haselmaus, die keine Notiz von ihm nahm, dann zu dem Märzhasen, der plötzlich nicht mehr ganz so verrückt wirkte. Als sich ihre Blicke begegneten, schüttelte er kaum merklich den Kopf. Wollte er ihm etwas sagen? Hyori gruselte sich vor dem Mann. Noch mehr, als er sich vor Kanrei gruselte. Kanrei sah ihn an. Er wartete. Hyoris Hände begannen zu zittern. So stark, dass er kaum den ersten, gewobenen Knopf seines Oberteils aus der Schlaufe bekam. Ihm entglitt in diesem Moment etwas, was ihm bisher noch nie entglitten war. Er brauchte ewig, bis er er aus dem Hemd schlüpfte.Er legte es auf den Tisch. „Das andere auch, steh auf.“ Kanrei klang gereizt. Vielleicht, weil Hyori so lange brauchte. Er zog sich das zweite Hemd über den Kopf. Wieder legte er es neben sich. Kanrei musterte ihn ungeniert, es gab keine Regung in seinem Gesicht. „Du hast keinen Stolz.“ Hyori merkte, wie seine Selbstbeherrschung zu entgleisen begann. Er musste sich zusammenreißen, um nicht in Tränen auszubrechen. Das glaubte Kanrei denn? Dass er das hier zum Spaß tat?! „Ich...“ Kanrei warf eine Schüssel nach ihm. Sie streifte sein linkes Ohr. Reis flog. Wieder war es, als hätte Kanrei zwei Gesichter. Der Blick mit dem er ihn jetzt maß, war hasserfüllt. Hass, den Hyori sich nicht erklären konnte. Der Märzhase begann zu lachen. Kein gesundes Lachen. Geschirr klirrte, als er aufsprang. „DU!“ er hatte seinen Arm ausgestreckt und wies mit zitterndem Zeigefinger auf Kanrei, der genau in diesem Moment wieder zu Besinnung kam. Sein Gesicht wurde wieder starr und geschäftlich. „Reiß dich zusammen Dasuro.“. Jetzt sah auch die Haselmaus beteiligt aus. Wahrscheinlich hatte sie sich erschreckt, als die Schüssel nach Hyori geflogen war. Und Mikhail war wieder auf der Bildfläche erschienen. Er griff vorsichtig nach dem Märzhasen Dasuro. Mit sanfter Gewalt zog er ihn weg vom Tisch. Dasuro konnte kein einfacher Angestellter sein, so vorsichtig, wie Mikhail ihn aus der Tür führte. Er sprach beruhigend auf ihn ein, während Dasuro unartikuliert zu keuchen begonnen hatte. Hinter ihnen Schlug die Tür zu. Eine Zeit lang war es still. Hyori stand noch immer und hatte den Blick gesenkt. Sein Herz flatterte ihm in der Brust vor Angst. Ob es öfter Mal passierte, dass die Menschen hier so ausrasteten? Waren die Mächtigen so? Ein Moment der Stille. Dann schob Jemand seinen Stuhl zurück und stand auf. Kanrei trat um den Tisch herum zu ihm herüber. Auch sein Stuhl wurde weg gestellt. Hyori rührte sich um keinen Millimeter. „Judas, sag mir, was mit dir nicht stimmt.“ Kanrei stand dicht hinter ihm, und legte seine Hände auf Hyoris Hüften. Sie waren kalt. Langsam ging ihm ein Licht auf. Benimm' dich nicht wie eine Frau. Hatte Kanrei Sex mit Männern? Oder wollte er ihn nur verunsichern? „Ich... weiß nicht.“ erwiderte er leise. Eigentlich bekam er eher den Eindruck, dass er hier der Einzige Mensch war, der alle Sinne beisammen hatte. Kanrei löste eine Hand von seiner Hüfte, um sie ihm ins Kreuz zu legen. Er übte Druck darauf aus und beugte sich gleichzeitig immer näher zu ihm. Hyori bückte sich ganz automatisch weiter über die Tischplatte. „Otoshi.“ Es kam Bewegung in die Haselmaus. Sie beugte sich vor und schob das Geschirr auf der Tischplatte unter Hyori weg. Sie tat das völlig unbeteiligt. Streifte Hyori nur mit einem kurzen Blick, wischte dann ein letztes Reiskorn vom Tisch und setzte sich wieder auf seinen Platz. Otoshi hieß er also. Der Name passte irgendwie nicht zu ihm. Überhaupt nicht. Er wirkte beinahe ein wenig Europäisch. Vielleicht war er eine Mischung. Kanreis Atem in seinem Nacken riss ihn aus den Gedanken. Hyori presste die nackten Schultern auf die Tischplatte und starrte auf die Gedecke in seinem Blickfeld. Seine Gedanken verwandelten sich in eine Zähe Masse, die sich in die Länge zogen wie Kaugummi. Er bekam keinen mehr von ihnen zu greifen, obwohl er sie in diesem Moment wohl am dringendsten brauchte. Kanrei fuhr mit der Hand seine Hüfte hinunter und über Hyoris Hintern, bevor er zwischen seine Pobacken fuhr. Zwischen seinen Fingern und Hyoris Haut war der Stoff der Hose, trotzdem spürte er, dass Kanrei mit leichtem Druck über seinen Muskelring streichelte. Er fuhr zusammen. Für einen kurzen Moment zuckten seine Hände leicht. Alles in ihm wollte hinter sich greifen und Kanrei von dem abhalten, was er gerade tat. Stattdessen ließ er die Finger auf der Tischplatte und bewegte sich keinen Millimeter. Sein Atem war unregelmäßig geworden, während Kanreis Hand noch weiter an ihm herunter glitt. Sie fuhr mit sanftem Druck über Hyoris Glied, bevor sie es so grob packte, dass der Junge aufkeuchte. „In einer Stunde bei mir, kleine Schlampe.“ Kanrei sprach ganz dicht an seinem Ohr. Dann richtete er sich auf. Hyori hörte, wie sich die Schritte Kanreis entfernten. Er selbst blieb liegen wo er war. Erst als er die Tür klappen hörte, sank er von der Tischplatte zurück auf seinen Stuhl. Er vergrub das Gesicht in den Händen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)