Sing to me von Sahm ================================================================================ Kapitel 6: Tag 7 ---------------- Danke für die Reviews Ich hab mich sehr darüber gefreut. Ich brauch immer ewig, um hier mal was hochzuladen. Das tut mir echt leid! http://www.youtube.com/watch?v=_wSoR8p3eeQ&playnext_from=TL&videos=RdUac-d1hPY Das ist übrigens das Lied, dessen Namen ich geklaut habe ;) Nur so. Ähm, ja. Viel Spaß mit diesem Kapitel. ___________________________________________ Tag 7 Das erste, was Sam beim Aufwachen dachte, war: Nie. Wieder. Playstation.[i/] Seine Hand tat so dermaßen weh, dass er sich am liebsten umbringen würde. Gestern hatte wohl das Adrenalin, das er während des Spieles ausgeschüttet hatte, dafür gesorgt, dass er seine Schmerzen vergaß. Nun aber kehrten sie mit voller Wucht zurück. „Aaaah.“ Selbst zum Fluchen war er zu schwach und ließ sich erschöpft in seine Kissen zurücksinken. Dann begann er zu niesen. Konnte man sich in Spanien bei dreißig Grad im Schatten erkälten? Konnte man. Laut Miguels Mamá zumindest – und soweit Sam das verstanden hatte, natürlich. Er seufzte und genoss das erste Essen seit beinahe einer Woche, das nichts mit Paella zu tun hatte. Miguels Mamá, die scheinbar keinen Vornamen hatte, hatte ihm einen Schokopudding gegeben, da auch sein Hals angefangen hatte zu kratzen. Dies hatte er ihr via Zeichensprache mitgeteilt. „Pobre hombre“, sagte sie mitfühlend und reichte ihm ein Taschentuch, in das er gleich einmal hineinnieste. „¡Jesús!“, rief Miguel aus, der gerade das Zimmer betrat. Sam stöhnte. „Noch bin ich nicht an ein Kreuz genagelt worden, also kannst du das ja auch lassen und mir lieber ein Aspirin bringen.“ Miguel setzte sich fröhlich aufs Bett und scheute seine Mamá hinaus. „María está embarazada“, murmelte er aufgeregt und kicherte vor sich hin. „¡El padre es Pedro!“ Der Deutsche im Bett verdrehte die Augen. „Ich versteh dich nicht, weißt du noch? No entiendo.“ Miguel seufzte. Dann wiederholte er alles, diesmal in beschissen klingendem, aber wenigstens grammatikalisch richtigem, Englisch: „María is pregnant. The father is Pedro.“ Er schaute stolz drein; offensichtlich hatte er die zwei Sätze einige Zeit lang vor dem Spiegel geübt. „Toll“, sagte Sam emotionslos. „Arme María. Pech, dass Pedro schon tot ist, was? Aspirin?“ Er lächelte Miguel an und zeigte auf seine Hand. „¿Jugamos charada? Sí. Empiezo.“ „Aspirin, Mann.“ „Euh... a bird?“ „Bring mir bitte eine Schmerztablette.“ Sam überlegte, was es auf Spanisch heißen könnte, während Miguel noch überlegte, welche Scharadefigur Sam darzustellen versuchte. „¿Ah, un león. A... lion?“ „Ähm... una tabletta anti Schmerza?“ „¿Qué?“ Sam deutete auf den PC. Miguel schien nicht so ganz zu verstehen. „Es un ordenador y no tabletta. Y... ¿qué es una tabletta?“ „Mach den PC an, Spast“, fauchte Sam und nieste noch einmal, woraufhin er schon wieder als Jesus bezeichnet wurde. Sorgen hatte der Junge. Musste der nicht in der Schule sein? An Sams Tonfall hatte Miguel wohl erkannt, was war, denn er spurtete zum PC. Doch statt dass er ihn anmachte, machte er kehrt und raste aus dem Zimmer hinaus. Hatte den ein Floh gebissen, der auf einem Affen wohnte? Zwei Minuten später kam Miguel wieder zurück, unterm Arm ein Notebook. „Der Himmel muss dich gesandt haben“, lobte Sam ihn strahlend und Miguel strahlte ebenfalls, bevor er sich neben Sam aufs Bett quetschte. Miguel öffnete die spanische Wordversion und schrieb einen Satz auf. Dann schob er das Notebook in Sams Richtung, der den Satz anstarrte und daraufhin Leo.org öffnete, was Miguel auch vorgesehen hatte. Stück für Stück übersetzte er den Satz und am Ende kam heraus, dass Miguel fragte, ob es denn nun ein Bär sei bei der Scharade. Sam zeigte auf die spanische Übersetzung des Wortes für Schmerztablette und Miguel spurtete noch einmal los. Nach fünf Minuten hörte der Schmerz in Sams Hand auf und er lehnte sich bequem zurück. Doch irgendwas war anders. Er fühlte sich so locker, leicht und frei. So hatte er sich erst einmal gefühlt, nämlich, nachdem er versehentlich in den Genuss eines Joints gekommen war – high. Was hatte Miguel ihm denn da gegeben? „Hee, Tom, ich bin krank. Und Miguel bleibt auch zu Hause, weil er auch krank tut. Dann kann er die Wiederholungen der Soaps von gestern anschauen.“ „Du bist krank? Wie geht das, wenn es dreißig Grad im Schatten hat?“ Tom klang ehrlich überrascht. „Ich weiß es auch nicht. Ich niese total rum und meine Hand tut so sehr weh, als hätte man sie mir noch ein drittes Mal gebrochen. Miguels Mamá sagt, ich muss zu Hause bleiben.“ „Miguels Mamá? Verstehst du die überhaupt? Sie hätte dir auch gesagt haben können, dass du für sie strippen sollst und du hättest noch gelächelt.“ Sam schüttelte sich. „Uäh. Ich glaub nicht, dass die noch an Sex denkt. Kann man, wenn man so fett wie die ist, überhaupt noch Sex haben? Ich glaub ja nicht...“ Tom lachte. „Wer weiß? Wie lief es übrigens gestern noch?“ „Echt super. Wir haben rumgeflirtet, Kosenamen erfunden, Playstation gespielt – weshalb meine Hand jetzt auch wehtut –, geknutscht und so weiter.“ „Äh“, sagte Tom irritiert, „ich meinte eigentlich in der Soap. Was ist mit María? Aber wenn das mit Juan so gut lief, ist es auch gut.“ Er war inzwischen ein glühender Fan von María. „María sei schwanger von Pedro, meinte Miguel vorhin. Weiß auch nicht. Frag ihn doch nachher selbst. Was war bei dir gestern noch?“ Nach einem kurzen Aussetzer wegen María klang Tom selbstzufrieden, als er ihm schnell von seinem Abenteuer mit Eva aus der Paraklasse erzählte, die er gestern Abend bezirzt hatte. Nach einer Weile jedoch musste er unterbrechen, da er am Schultor angekommen war und ab dort Handys verboten waren. „Bis morgen dann hoffentlich. Gute Besserung. Du hast Glück, dass du die Führung heute nicht mitbekommst.“ Oh ja. Er war kein Fan der Milchproduktion Spaniens. Da Sam keine Lust hatte, im Bett rumzuliegen, gesellte er sich irgendwann zu Miguel aufs Sofa, der ebenfalls zum ersten Mal keine Paella aß. Wahrscheinlich schmeckte sie einfach nicht morgens. Sam setzte sich und sah sich mit Miguel eine Telenovela an, die er bis jetzt noch nicht kannte. Das war aber auch nicht schwer, weil Miguel jeden Tag gefühlte neun neue Serien entdeckte. Allerdings war diese anders als andere. Irgendwie... aufregend. Und... was anderes. Einfach... wow. Mit angehaltenem Atem verfolgte Sam die Handlung, sah zu, wie der miese, fiese Betrüger Pedro (nicht zu verwechseln mit Marías Pedro) einfach so seine Sue abservierte, um anschließend sofort mit Sofia zu schlafen. Danach wurde ihm zwar von seinem Vater, einem Priester, die Hölle heiß gemacht, doch Pedro zwei schien das nicht zu interessieren. Im Gegenteil, er lachte ihn aus und fickte anschließend heimlich in der Kirche mit der Haushälterin. Was für eine überaus tolle Serie. Und das, obwohl Sam kein Wort verstand. Vielleicht konnte er ja so sein Spanisch verbessern? Immerhin wusste er nun, was ficken auf Spanisch hieß. Er gähnte, dann nieste er. Miguel bezeichnete ihn daraufhin schon zum sechsunddreißigsten Mal heute als den Heiland und so langsam begann Sam zu glauben, dass diese Jesússache irgendetwas mit dem deutschen Ausruf „Gesundheit!“ zu tun hatte. Unauffällig googelte er es während der Werbepause von „¡Eres mi vida, hombre!“ und stellte fest, dass es tatsächlich so war. Außerdem wusste er nun, was der Titel der Sendung bedeutete. Seufzend zog Sam sein Handy aus der Tasche und starrte sehnsüchtig darauf. Er wusste, dass Juan im Unterricht nicht auf sein Handy schauen konnte, da seine Lehrer es sofort merken würden. Dennoch wäre es schön gewesen, wenn Juan einfach auf die Toilette abhauen könnte, damit er ihm zurückschreiben konnte. Geliebter Juan, dein Sam vermisst dich und will, dass du ihn heute noch besuchen kommst. Dahinter ein schönes Herzchen. Zufrieden starrte er die SMS an, dann löschte er alles wieder, was er geschrieben hatte und fing von vorne an. He, Juan, kommst du heute zur Krankenpflege? Sam. Nein, auch nicht. Das klang zu wenig verliebt. Mein Juan, schrieb er, kannst du heute bitte mal vorbeikommen und mich gesundpflegen? Ich bleib doch nicht mehr lange hier... Sam. Perfekt. Jetzt senden und alles war gut. Der Scheiß war nur, dass er null Cent auf dem Handy hatte... also musste Juan wohl oder übel noch warten müssen, bis er seine Eltern angerufen und um Geld angebettelt hatte. „Miguel, kann ich ein Telefon haben?“ Miguel zeigte nur wortlos irgendwohin und starrte dann weiterhin seine Serie an, in der gerade jemand live (!) ein Kind bekam. Das war wohl dann eher eine Art Realitysoap, oder wie? „Miguels Mamá, kann ich ein Telefon haben?“ Sam stand in der Küche und sah ihr beim Paellamachen zu. Schon wieder... „Ángel, no entiendo.“ Sie lächelte. Ich dich auch nicht, dumme Kuh, ergänzte Sam stumm und drehte sich mit einem gequälten Lächeln weg, um das Telefon auf eigene Faust in diesem Haushalt zu suchen. Dabei entdeckte er interessante Dinge. Zuerst mal das Schlafzimmer von Miguels Mamá. Kein Kommentar. Dann ein großes Bad, das tausendmal größer war, als das, das sie Sam zugewiesen hatten. Dieses hatte sogar eine Badewanne und – was tausendmal wichtiger war – einen Schrank mit Medikamenten drin!!! Sam konnte die Engel voller Freude singen hören, als er nach kurzem Suchen drei Schachteln Aspirin fand, die er gleich einsteckte. Als nächstes fand er Miguels Schlafzimmer, in dem er bisher nicht einmal gewesen war. Sams Kinnlade klappte nach unten. Als er sie wieder befestigt hatte, verzog er das Gesicht. Miguels Tapete bestand aus Fotos von María, gemischt mit Posh Spice. Unter Marías Gesichtern stand wieder einmal der Spruch, den Sam schon von Miguels T-Shirt kannte. Posh Spice sagte nur, dass sie David für immer lieben, aber für Miguel gerne eine Ausnahme machen würde. Miguels Bett war komplett... grün. Grün. Seltsamerweise. Der Rest des Zimmers war nämlich pink. Ja, pink. Knallpink. Ultrapink. Pinkpink. Gab es noch eine Steigerungsform? Seine Bettwäsche bestand aus Fotos von Brian und Justin aus Queer as folk (wenn da mal nicht einer absolut schwul war...) und seine Kopfkissen waren mehrere Herzchen. Würde Sam mehr als zwei Minuten in diesem Raum verbringen müssen, würde er sofort eine Allergie auf pinke Dinge bekommen. Denn hier war man vor nichts sicher. Sogar sein Schreibtisch war pink angemalt. Sams Nase kribbelte und er kniff die Augen leicht zusammen. Irgendwo in diesem Durcheinander von pinken Dingen musste doch ein... „Ah!“ Da war es. Ein Telefon. Und es war... schwarz. Wie die Nacht. Aufatmend zog Sam es heraus und verschwand schnell aus diesem todbringenden Raum. „Hi, Mama.“ „Wer ist da?“, fragte eine keifende Stimme zurück. „Öh, Sam“, antwortete der verdutzt. „Dein Sohn.“ „Samuel. Du bist es... hmm... wo bist du denn? Irgendwie türmt sich hier im Kühlschrank das Essen und keiner isst es. Bist du bei einem deiner Freunde?“ Sam runzelte die Stirn. „Neeein. Ich bin seit sechseinhalb Tagen in Spanien, das weißt du doch.“ „In Spanien?“ Jetzt klang seine Mutter wirklich verwundert. „Was machst du denn da? Zivildienst?“ Er stöhnte auf. „Machst du das mit Absicht? In meinem Alter macht man noch keinen Zivildienst. Ich bin auf einer Klassenfahrt, weil Tom mich überredet hat.“ „Klassenfahrt, ach soooo.“ Es klang kein bisschen so, als könnte sie sich daran erinnern. „Ähm... und wer ist Tom?“ Sam kniff die Augen zusammen und zählte auf zehn. Dann erst sprach er weiter: „Mein bester Freund seit ungefähr sechzehn Jahren. Er ist so ziemlich jeden zweiten Tag bei mir und an den anderen Tagen bin ich bei ihm. Der, den du dann immer mit durchfüttern musst. Erinnerst du dich?“ „Tom, ach sooooooo.“ Da sie das „so“ noch länger zog als vorhin, wusste Sam, dass sie sich nicht erinnerte. „Mama, ich ruf aus einem bestimmten Grund an.“ „Sollen wir dich aus Neuseeland abholen? Das wird aber ein wenig teuer, oder?“ Sie klang abwesend. „Erstens bin ich nur in Spanien, zweitens will ich garantiert noch nicht weg und drittens brauch ich nur ein wenig mehr Handyguthaben.“ „Das lässt sich einrichten“, sagte seine Mutter auf einmal konzentriert. Sobald irgendetwas mit Geld auftauchte, war sie wieder voll dabei. Ging ja gar nicht anders als Buchhalterin. „Ich überweise das Geld jetzt gleich, dann hast du in weniger als einer halben Stunde alles drauf.“ „Danke.“ Er zögerte einige Sekunden. „Richte Grüße aus. An die Kleine und an Papa, ja?“ „Mache ich“, sagte seine Mutter, nun wieder etwas abweisender. „Ruf noch mal an, wenn es dir in Papua-Neuguinea zu schlecht gehen sollte.“ „Spanien“, korrigierte Sam. Doch da hatte seine Mutter schon aufgelegt. Eine Viertelstunde später hatte er wieder Geld auf dem Handy und konnte endlich die SMS an Juan abschicken. In der Mittagspause erhielt er endlich eine Antwort. Zuerst einmal eine SMS von Tom, der ihn anflehte, in übers Telefon anzustecken, weil die Führung so furchtbar war. Dann eine von Unbekannt, die ihm mitteilte, dass Sex mit ihm/ihr nur noch die Hälfte kostete (Sam hatte einmal den Fehler gemacht, seine Handynummer irgendwo anzugeben und seitdem erhielt er oft so was) und eine von Juan. Ich kann auch die letzten Stunden schwänzen und zu dir kommen. Dann können wir noch mal spielen und eventuell ziehe ich ein Krankenschwesternoutfit an. Sam quietschte. Ja, schwänzen! Mach :) Spielen geht hier nicht (Miguel), aber auf das Outfit kommen wir noch mal zurück, ja? Eine halbe Stunde später stand Juan vor der Tür. „¡Hola! Quiero visitar a Sam“, hörte Sam irgendwann Juans Stimme und begann glücklich zu strahlen. Dann wurde er sich seines Outfits bewusst und sprang auf, um seinen Bärenschlafanzug gegen etwas Cooleres zu tauschen und seine Haare noch schnell zu kämmen. „Samuél está en su habitación“, hörte er Miguel murmeln. „Un momento, por favor.“ „¿Sí?“ Juan und Miguel entfernten sich von der Tür und somit auch von Sams Zimmer und der konnte jetzt nicht mehr hören, was gesprochen wurde. Da er aber auch schon davor nichts verstanden hatte, war es nicht weiter schlimm und er konnte sich weiterhin seiner Schönheitspflege widmen. „Ich bin schön“, hauchte er irgendwann seinem Spiegelbild entgegen; dann drehte er sich weg und überraschte Juan und Miguel, die sich im Wohnzimmer lautstark... stritten? „Was ist denn hier los?“, fragte Sam aufgebracht und ließ Juan mitten im Wort erstarren. „Sam. Was machst du denn hier?“, fragte er lahm. „Was soll ich hier schon machen? Wohnen im Moment. Was macht ihr hier? Wieso streitet ihr euch?“ Und warum sah Miguel äußerst zufrieden und Juan äußerst unglücklich aus? „Dein Mitbewohner hier“, Juan fuchtelte mit den Armen, „hat mir gerade gesagt, dass ich nicht gut genug für dich bin und ich mich verpissen soll!“ Sams Augen wurden so groß, dass jeder Amateurschütze sie aus tausend Metern Entfernung getroffen hätte. „Er hat was?“ Ungläubig starrte Sam vom einen zum anderen. „Er hat mir gesagt, ich bin nicht gut genug für dich und ich soll mich verpissen“, wiederholte Juan geduldig. „Ich weiß, was er gesagt hat!“, fauchte Sam. „Aber warum?“ „Weiß ich doch nicht“, fauchte Juan zurück und starrte jetzt wieder Miguel an. „¿Por qué?, war alles, was er sagte. Und dann noch: ¿Quieres a Sam?“ Sam verfolgte verwirrt, die Miguels Augen erst tellergroß wurden und er dann heftig den Kopf schüttelte. „¡¡¡NO!!!“ Juan schüttelte den Kopf. „Ich glaube dir nicht“, sagte er beinahe tonlos auf Englisch. „Was ist los?“ „Juan, ¡no me lo quiero!“ „Síííí“, sagte Juan mit spöttischem Unterton. Und im Nu waren sie schon wieder in einen Streit vertieft. Hätte Sam Spanisch gekonnte, wäre er sicher entsetzt gewesen wegen der vielen Schimpfwörter, die Juan und Miguel füreinander übrig hatten. So aber war er nur entsetzt, weil er nicht wusste, was genau war. „Hey“, versuchte er es irgendwann. Keiner hörte ihn. „Hey, Jungs... Jungs... hee... sagt mal... halllloooo?... Juhungs... hallo... ihr... hey, hört ihr mich?... ich glaub, ihr... hey... Mann, hört doch mal zu... hmm, okay, dann nicht... äh?... haaallloo??... JUNGS!!! HEY!!!!!!!“ Er hatte so laut gebrüllt, dass die Fensterscheiben anfingen zu klirren und Miguels Mamá erschrocken den Kopf ins Zimmer steckte. „Was ist denn?“, fragte Juan verblüfft. Sam ließ sich mürrisch aufs Sofa fallen. „Worum geht’s, warum taucht mein Name in euren Streitereien auf und wieso heult Miguel gleich?“ „Es geht um dich, weil Miguel nicht mehr will, dass ich dich sehe. Dein Name taucht auf, weil ich glaube, dass er in dich verliebt ist und er heult gleich, weil er seine Serie verpasst und mir außerdem klarmachen will, dass er dich nicht liebt“, stellte Juan klar und Sam nickte. „Ahhh, okay. Dann ist ja jetzt alles klar. Und... äh... was sagt Miguel?“ Juan seufzte und verzog das Gesicht. „Dass María auf ihn wartet, dass er mich nicht versteht und dass er unter keinen Umständen in dich verliebt sein kann. Ich glaube ihm nicht“, fügte er grimmig hinzu. Sam zog die Augenbrauen hoch. „Ich schon.“ „Wie bitte?“ Juan klang ehrlich sauer. „Komm mal mit.“ Sam nahm Juan bei der Hand und zog ihn vor Miguels Zimmer. Dann stieß er die Tür auf und Juan hinein, verschloss die Tür und hielt sie fest, damit Juan nicht rauskonnte. Er hörte einen erstickten Schrei und schon nach wenigen Sekunden versuchte Juan, aus dem Zimmer freizukommen. „Bitte, Sam, bitte, bitte, bitte, por favor, prego, s’il te plaît, pleaase!!!!! LASS MICH RAUS! Bihihihihitte! Es tötet mich, Sam.“ Doch so sehr es ihn auch schmerzte, er blieb hart. Mindestens zwei Minuten. Das war seine Bedingung gewesen, die er heimlich im Kopf abgeschlossen hatte. Nach eineinhalb Minuten hielt er es nicht mehr aus und öffnete die Tür für Juan, der sofort mit dem Ruf nach „HILFFEE!!!“ herausstolperte. „Ich bin bliind!“ schrie er. „Hilf mir, Sam. Bitte.“ „Ich bin doch hier“, erwiderte Sam gelassen und mit einer heftigen Brise von Mitleid. „Tut mir leid, das musste sein.“ Juan nickte und hatte die Augen immer noch geschlossen. „Ich glaube dir jetzt. Miguel ist garantiert nicht verliebt in dich. Never ever! Tut mir leid.“ Dasselbe wiederholte er auch noch für Miguel, der es nickend zur Kenntnis nahm und dann schnell zum Fernseher verschwand. Juan musterte Sam. „Sag mal, bist du nicht krank?“ Sam nickte. „Ja, bin ich. Aber für dich hab ich mich aufgetackelt. Wie bist du aus der Schule rausgekommen?“ „Bin hinten beim Basketballplatz über den Zaun geklettert. Hoffe nur, es kommt nicht raus.“ Juan umarmte Sam und gab ihm das, was er sich schon seit einer Weile gewünscht hatte: Einen Kuss. Endlich. Sahm seufzte. Er hoffte nur, dass er Juan jetzt nicht anstecken würde. Juan löste sich sanft von seinem Freund und lächelte. „Kann ich jetzt Krankenpflege machen? Nur deshalb schwänz ich grade die Schule.“ Sam lächelte; hingerissen von Juans Tollheit – falls das ein positives Wort war. „Du darfst alles tun, was du willst“, sagte er mit einem verqueren Lächeln. Juan nickte und legte den Kopf schief. „Alles?“, fragte er mit hoher Stimme. Ein wenig quietschig sogar. Bevor Sam antworten konnte, dass er es nicht ganz genau so gemeint hatte, wie Juan dachte, kam Miguel angestürmt, stieß Juan ungeduldig weg und zerrte Sam am Arm mit ins Wohnzimmer. „Miguel, was soll das?“, versuchte der, sich loszureißen. Doch er hielt ihn eisern fest, schmiss ihn auf die Couch und deutete auf den Fernseher. Sam starrte ausdruckslos darauf und ebenso tat es Juan, der Sam und Miguel gefolgt war. Der einzige Deutsche im Raum – Sam, um seinen Namen nicht tausendmal zu verwenden – starrte immer noch ohne jegliche Regung nach vorne, um nicht zu verraten, dass er Miguel jetzt am liebsten erwürgen, wiederbeleben und dann aufknüpfen würde, nur um ihn wieder auferstehen zu lassen und ihm dann endgültig ein Messer ins Herz zu rammen. Er überlegte, wie er das am besten anstellen könnte, bis ihm klar wurde, was da gerade auf dem Bildschirm geschah. Miguel war so ausgeflippt, weil... „Ich dachte, er sei...?“, fragte Sam mit offenem Mund und bei Juan, der eben nähergekommen war, klappte ebenfalls die Kinnlade herunter. „Ich auch!“, sagte er dann komplett verwirrt. Immerhin hatte es dank Miguel inzwischen jeder mitbekommen, was im spanischen GZSZ so passierte. „¡¡¡No entiendo!!!“, schrie Miguel den Fernseher an. Dann brach er weinend in Sams Armen zusammen, der die Schultern zuckte und zu Juan hinsah. Der sah ebenfalls so aus, als würde er gleich losheulen, doch er riss sich gerade noch so zusammen. „Saaaaaahm, was soll das? Wieso machen die das?“, klagte sein Freund und verzog das Gesicht. Damit hatte er sich eindeutig als ein Fan geoutet und Sam verdrehte die Augen, während er gleichzeitig Miguels Kopf tätschelte und dem auferstandenen Pedro im TV wütende Blicke zuwarf. Da würde sich María aber freuen... „Wollen wir nicht in mein Zimmer gehen? Ich bin immer noch ein wenig krank und meine Hand tut auch echt weh.“ Juan schüttelte den Kopf. „Nein. Ich muss erst über Pedro hinwegkommen. Ich dachte, María sei den Mistkerl endgültig los!“ „Seit wann stehst du denn darauf?“, fragte Sam leise und verblüfft. Da dachte man, alles sei normal und dann so was... Juan schniefte und überlegte nicht lange. „Seit acht Jahren. Seit dem ersten Tag, an dem es gesendet wurde. Ich erzähl nur keinem davon. Zu peinlich. Obwohl es einem echten Fan eigentlich nicht peinlich sein sollte.“ Sam stöhnte. Diese Idioten um ihn rum brachten ihn noch um. Zum Glück war er selbst keiner. Miguel, der natürlich kein Wort verstanden hatte davon, was sie gerade geredet hatten, kam langsam wieder von Sams Schoß hoch und zog die Nase hoch. Dann fragte er Juan irgendetwas, in dem die Worte María und Pedro vorkamen. Juan nickte, antwortete und dann geschah etwas höchst Eigenartiges: Miguel, der Juan bis gerade eben noch gehasst hatte – warum auch immer – stand auf, ging um Sam herum und... umarmte Juan! Sam sprang auf. „Das ist mein Typ, du Arsch! Lass ihn los!!“, brüllte er, doch weder Sam noch Juan störten sich daran. Ja, sie hielten sich sogar noch fester. „Ich zähle jetzt auf drei, dann hört ihr auf“, befahl Sam. „Eins.“ Miguel begann, dem schluchzenden Juan über den Rücken zu streicheln. „Zwei.“ Juan vergrub sein Gesicht in Miguels Haaren und murmelte dabei „¡Pehehehehedrooo, no!“. „Dreeeeeiiiii......“ Nichts geschah, außer dass Miguel in Juans Jammern einstimmte. Da Sam konfliktscheu war, blieb ihm nichts anderes übrig, als heulend in sein Zimmer zu rennen und dabei „ihr seid so scheiße!“ zu rufen. „Sam, das war doch nicht böse gemeint.“ Juan stand in der Tür und sah Sam liebevoll an. Der blies nur die Wangen auf und drehte sich wieder zum PC und seinem ICQ-Gespräch – oder eher Geheule – mit Tom zurück. „Sam, ich hab dich trotzdem total lieb. Nur hat Miguel eben grade entdeckt, dass uns doch irgendetwas verbindet. Das heißt aber nichts.“ „Ach, und du wusstest das schon vorher?“, fauchte Sam und tippte wütend ein paar Worte an Tom ein. „Ja, natürlich“, sagte Juan selbstüberzeugt. „Ich hab doch schon öfters mal was mit ihm zu tun gehabt und jeder weiß von seinem Faible für diese Serien. Ich hab mich nur nie vor ihm geoutet, dass ich sie ebenfalls liebe.“ Der verletzte Sam drehte sich nicht um, als er weitertippte. „Ich find’s jetzt nicht gerade toll, dass du mich grade so ignoriert hast.“ Er tippte inzwischen nur noch mit einer Hand weiter, da seine andere so sehr schmerzte, dass er erst wieder Schmerzmittel einwerfen musste. Gott sei Dank hatte er jetzt welche parat! Juan schlich sich von hinten an ihn heran und umarmte ihn einfach. Sam machte sich steif. So lange, bis Juan sagte: „Saaaahm, ich schwänz nur wegen dir gerade die Schule. Ich hatte sicher nicht vor, dich einfach so zu ignorieren, ja? Also mach den PC jetzt aus und leg dich ins Bett, damit ich dich endlich gesundpflegen kann.“ Was blieb Sam anderes übrig, als zu gehorchen? Er hätte auch gar nicht anders reagieren wollen. Seufzend kuschelte Juan sich an Sam, der ihm übers Haar strich. „Du bist die geborene Krankenschwester“, flüsterte er dabei. Juan nickte. „Das war auch mein Traumberuf, als ich klein war, muss ich dir gestehen. Ich wollte zwar nie eine Frau sein, aber dafür eine Krankenschwester. Ich weiß auch nicht genau, warum. Ich glaub, mir gefielen die Klamotten.“ Sam lachte. „Also, ich wollte immer Dressurreiter werden. Das war, bevor ich meine angeborene Abneigung gegen Pferde entdeckt habe.“ „Wie denn das?“, fragte Juan und legte sich auf die Seite, damit er Sam besser ansehen konnte. „Oh, als ich sechs war, hatte ich meine Eltern soweit, dass ich Reitstunden nehmen durfte. Gleich in der ersten Stunde hat ein Pferd mir so sehr in den Magen getreten, dass ich ins Krankenhaus musste. Den Hufabdruck konnte man drei Jahre sehen und noch heute sind die Umrisse leicht zu erkennen. Wie eine Art Narbe. Danach hab ich jedenfalls nie wieder ein Pferd angefasst und esse mit Vorliebe Pferdesalami. Da stell ich mir immer vor, es ist das Pferd, das mir damals so wehgetan hat.“ Juans Gesicht verzog sich zu einem mitleidigen Grinsen. „Das Pferd hat eben gespürt, dass du was Besonderes bist. Zeigst du mir mal den Abdruck?“ Sam nickte und zog sein T-Shirt hoch – was übrigens auch beantwortete, was die beiden getrieben hatten (obwohl getrieben das falsche Wort war): Nämlich nichts. Wenn man Geknutsche und Gefummel als nichts ansah zumindest. „Siehst du den Ring da? Da war es.“ Juan nickte und strich mit seinem Finger über den Abdruck. „Da hat es dich ganz schön erwischt“, sagte er mitfühlend und Sam nickte. „Ja. Einen Zentimeter weiter und irgendwas wär geplatzt. Was weiß ich, ich bin in Bio nicht so gut, aber ich hatte höllisches Glück. Ich musste auch nur eine Woche im Krankenhaus bleiben.“ Er zögerte kurz, dann grinste er. „Da hätte ich so jemanden wie dich gut gebrauchen können.“ Juan küsste ihn kurz, aber leidenschaftlich, wobei er nicht aufhörte, über die Narbe zu streichen. „Damals wusstest du bestimmt nicht, dass du schwul bist, oder?“, vermutete er. Sam nickte. „Sí. Da hab ich noch Mädchen gemocht. Es kam erst vor ein paar Jahren, dass ich gemerkt habe, dass Mädchen mir nicht so viel geben können wie Jungs.“ Juan nickte. „Bei mir auch. Aber ich hab das nie ausgelebt bis jetzt. Mit meiner Beliebtheit wäre es hier leider vorbei, wenn ich mich outen würde. Die sind ziemlich katholisch hier und so.“ Sein Freund strich ihm tröstend über die Wange. „Du musst es ja nicht tun. Meine Eltern wissen zum Beispiel bis heute nicht, dass ich schwul bin. Gut, sie hören mir auch nie zu, aber es hat sich noch keine perfekte Gelegenheit dazu ergeben. Die gibt es nämlich nie. Dass es meine Klassenkameraden erfahren haben, war auch ein totaler Zufall.“ „Erzähl“, forderte Juan ihn auf. Sam kratzte sich am Kopf und überlegte. „Öh... da war ein Typ aus meiner Klasse, der mich zu Hause besucht hat, damit wir ein Projekt zusammen fertigmachen. Irgendwie hat er mich angemacht. Zumindest kam es mir so vor. Dann hab ich ihn dummerweise total begeistert gefragt, ob er auch schwul sei. Im ersten Moment fing er an zu lachen. Dann fiel ihm das auch auf und er fragte mich aus. Es stellte sich raus, dass er mich garantiert nicht angemacht hatte. Am nächsten Tag wusste die ganze Schule, dass ich schwul war.“ Juans Augen wurden groß. „Mierda“ kommentierte er trocken. „Und dann?“ Sam zuckte die Schultern. „Erst machten sie Witze, dann wurde ich gemieden und danach war wieder alles okay. Es kommen zwar hin und wieder noch doofe Kommentare und einige Leute kommen immer noch nicht damit klar, dass ich schwul bin, aber sonst ist alles okay. Ich war bis dahin ein Mädchenschwarm, aber damit hörte es zum Glück auf. Freunde hatte ich leider nie, aber kurz darauf kam Tom, mein Nachbar und bester Freund, seitdem ich lebe, von der Nachbarschule zu uns, weil er dort nicht mehr zurechtkam von den Leuten her und so, und dann wurde alles besser.“ Er sagte nicht direkt die ganze Wahrheit, aber da Juan so erleichtert aussah, konnte er ihm nicht mehr erzählen. „Gesegnet sei Tom“, lächelte Juan. Dann drückte er Sam fest an sich. „Schön, dass es bei dir so gut verlaufen ist. Ich hab deine Klassenkameraden beobachtet. Die scheinen dich echt zu mögen.“ „Echt?“, fragte Sam überrascht nach. Juan nickte. „Ja. Die reden echt gut über dich. Ich hab mit... ähm... genau, Lena und Simone über dich geredet und die sagen beide richtig nette Dinge über dich. Und ein paar andere auch.“ Sams Gesicht lief rot an. „Wirklich?“, fragte er gerührt nach. „Sogar Simone? Ich dachte immer, sie mag mich überhaupt gar nicht.“ Sein Freund schüttelte den Kopf. „Nein, sie findet dich echt nett. Und witzig. Ich auch“, fügte er hinzu und küsste Sam. Der schaute zuerst, als würde sein ganzes Leben nun einen Sinn machen und dann verwirrt. „Du redest mit anderen über mich?“ Er grinste. Juan ebenfalls. Um einer Antwort zu entgehen, küsste er ihn noch einmal heftig. Sam wiederholte die Frage einige Minuten später noch einmal und Juan schmunzelte leicht. „Ich musste doch wissen, wie du drauf bist und so“, gestand er dann. „Ich wollte wissen, ob du so toll bist, wie ich dachte. Du bist mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen, seitdem ich dich das erste Mal gesehen habe. Nur deshalb habe ich euch gefragt, ob ihr mit uns Basketball spielen wollt.“ „Das hast du schnell bereut“, sagte Sam lachend und Juan nickte schmunzelnd. „Ja. Aber es war niedlich, wie dir dann der Ball an den Kopf geknallt ist.“ „Wahnsinnig niedlich“, maulte Sam und berührte die Beule, die er immer noch am Kopf hatte und Juan nutzte die Gelegenheit, um diese zu küssen. „Autsch“, beschwerte sich Sam und zog einen gespielten Flunsch. Juan seufzte und kuschelte sich dich an Sam hin. „Ich wünschte, das hier würde nie enden“, sagte er nach einigen Momenten der Stille und riss Sam somit aus einem angenehmen Dahinschlummern, in das er eben gefallen war. „Was?“ Er sah Juan aus großen Augen an, der seufzte. „Na, das hier. Dieses Daliegen und sich einfach festzuhalten. Das geht vorbei. In drei Tagen spätestens ist das hier alles nur noch Erinnerung.“ Sam strich ihm sanft über die Wange. „Bist nicht du derjenige, der normalerweise jede einzelne Sekunde des Tages ausnutzt und sich darüber freut, dass er am Ende noch Zeit hat, einfach so dazuliegen und über all das nachzudenken, was er so getan hat?“ Juan seufzte. „Könnte sein. Aber ich will trotzdem nicht, dass du gehst.“ „Ich doch auch nicht. Kannst du nicht einfach mitkommen? Meine Eltern würden...“ „Es sicherlich doch noch irgendwann merken, dass da einer mehr im Haus ist, selbst, wenn sie normalerweise nicht ganz so schnell sind, so was zu checken“, sagte Juan und seine Stimme hatte einen wütenden Unterton bekommen. Sam seufzte. „Ich weiß. Lass es uns doch einfach genießen, ja?“ Juan nickte. Was sollte er auch sonst tun? Sam starrte an die Decke. Nachdem Juan gegangen war, waren auch seine Schmerzen zurückgekehrt und jetzt versuchte er, nicht daran zu denken, dass sein Handgelenk zweimal gebrochen, er so dumm gewesen war, damit Playstation zu spielen und am PC rumzutippen. Außerdem fing er jetzt wieder an zu niesen, was er gar nicht gebrauchen konnte. Miguel rannte ins Zimmer rein. „¿Dónde está Juan? María... María está loca.“ Sam starrte weiterhin nach oben und versuchte, Miguel zu ignorieren. Was hatte er diesmal? Er beobachtete, wie er im Zimmer rumhüpfte und dabei krampfhaft etwas mitteilen wollte. Ob Sam auch so zugenommen hatte wie Miguel dick war? Guut, er war nicht fett, sondern nur etwas rundlicher, aber wenn er weiterhin so viel Paella aß, hatte das sicherlich keine guten Folgen. Außerdem brauchte Miguel dringend einen Haarschnitt, vielleicht sah er damit dann nicht ganz so nach Pilzkopf aus. Während Sam überlegte, was Miguel alles an sich ändern könnte, überlegte Miguel, wie er Sam dazu bringen konnte, ihm zuzuhören. Sterben erschien ihm am besten, also warf er sich röchelnd auf den Boden und schrie die einzigen Worte, die er brav auswendiggelernt hatte, falls er im Urlaub mal draufgehen sollte: „Help me! I’m dying!“ Dann beobachtete er stolz, wie Sam aufsprang und weniger stolz, wie Sam anfing, ihm eine Mund-zu-Mund-Beatmung zu verpassen und dabei beinahe kotzte. „Ist alles wieder okay?“, fragte Sam angewidert und spuckte die letzten Paellareste aus, die er im Mund hatte – Miguel hatte gerade einen Paellateller in der Hand gehabt, bevor ihm der Trick mit dem Sterben einfiel. Miguel nickte und sagte erneut röchelnd: „¿Televisión?“ Sam überlegte. Wenn man den Begriff ein wenig dehnte, konnte man daraus das englische Wort television ableiten, also Fernsehen. Wollte Miguel fernsehen? Sam nickte, zog Miguel an den Achseln hoch und ins Wohnzimmer hinein. Dann organisierte er ihm einen erneuten Teller Paella, sich ein Müsli, und er sah sich zusammen mit Miguel an, wie María Pedro erneut abstechen wollte, allerdings erst, nachdem sie ihm gesagt hatte, dass er Vater werden würde. Pedro schaffte es noch zu entkommen, und drohte María damit, das alleinige Sorgerecht für das Baby zu bekommen. Komisch, dass Sam hierbei alles verstand. Aber Serien wie GZSZ verstand auch jeder, der kein Deutsch konnte. Obwohl es seltsam war, dass er die Worte für „alleiniges Sorgerecht“ kannte, aber nicht wusste, wie man jemanden darum bat, dass man aufs Klo gehen konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)