Akasuna de Seiryû von Bambusbesen (Sasori X Deidara) ================================================================================ Kapitel 1: Akasuna de Seiryû I ------------------------------ Nervös zuckte der warme Schimmer Kerzenlichts über die schmutziggrauen Höhlenwände. In den Winkeln verfing sich das Heulen des Sandsturmes zu einem kläglichen Hilferuf vor dem unabwendbaren Verlöschen. Hin und wieder taumelten Sandkörner um die Ecke, getrieben vom hartnäckigen Sturm. Müde bedeckten sie den steinernen Boden mit einer feuerfarbenen Schicht. Nach der ungewöhnlichen Farbe des Sandes war diese Wüste benannt, Akasuna. Sasori saß auf dem Boden seiner geräumigen Höhle, unter sich lediglich ein dickes Sitzkissen und arbeitete an einem Puppenarm. Da die Höhle hinter dem Eingang scharf abknickte, war er hier sicher und konnte die Einsamkeit genießen. Niemand, auf den er warten musste oder der auf ihn wartete. Er war allein mit sich und seinen Puppen. Noch nie hatte sich ein Mensch hierher verirrt. Sollte es dennoch jemand wagen und diese Höhle betreten, so würde ihm eine wahre Armee an gut verborgenen Fallen eine tödliche Willkommensparty geben. Allein Sasori oblag es, diese zu aktivieren oder schlafen zu schicken. Nachdenklich prüfte der kleine Rotschopf die Gelenke des Armes und der Finger auf ihre Beweglichkeit. Seine Hand strich über das glattgeschliffene Holz. Irgendwas fehlte. Der Arm war nicht perfekt. Mehr als zehn Jahre arbeitete er nun schon an dem perfekten Puppenkörper für sich selbst. Er übte an den Holzstücken, da er seinen eigenen Körper nur einmalig in eine Puppe umgestalten konnte und da wollte er keinen Fehler begehen. Sobald dies endlich vollbracht wäre, müsste er sich nicht mehr mit den Gefühlen eines Menschen herumärgern. Sie machten nur schwach und zerstörten die Seele von innen wie Motten alte Kleider im Schrank zerfraßen. Das Wesentliche ging darin völlig unter und für ihn war Kunst das Wichtigste. Sasori wollte sich selbst zur Kunst machen. Eine ewige Puppe zu sein bedeutete, ein unvergängliches Kunstwerk darzustellen. Er würde sich selbst ganz im Sinne seiner Kunst zu einem Meisterwerk umbauen. Sehnsüchtig seufzte er. Wenn es doch nur schon so weit wäre… Seine Augenlider hoben sich und ein ärgerlicher Blick stach unter den wohlgeformten Wimpern hervor, als wolle er die feinen Sandkörner auf der anderen Seite der Höhle seinen Willen aufzwingen. Doch diese wirbelten nur matt über den Boden und legten sich zu ihren Brüdern und Schwestern zur Ruh. Sasori mühte sich schon viel zu lange mit seinem perfekten Körper ab… immer wieder fand er Schwachpunkte, die verbesserungswürdig waren. Der Sturm jaulte auf und der Boden erbebte unter der gewaltigen Kraft der Urgewalten, die um die einsame Felsformation tobte, in der Sasori sein Heim eingerichtet hatte. Es beruhigte den Rothaarigen. Der Sturm drückte aus, was sich in seinem Inneren abspielte. Er war nicht allein mit seinen Gefühlen. Der Sturm empfand mit ihm… Er biss sich auf die Unterlippe. Verdammte Gefühle! Nach Stunden versiegten allmählich die Kräfte des Sturmes im roten Sand und Stille senkte sich über die Felsformation. Die letzten Sandkörner krochen sterbend über den Boden und verharrten schlussendlich gezwungen. Sasori hob den Kopf und starrte zum Eingang. Ein Teppich aus warmem Rot begrüßte ihn stumm. Seine Hände hielten in ihrer Arbeit inne. Ganz schwach spürte er eine fremde Präsenz, die der heimtückische Sturm zuvor verborgen hatte. Wachsam lauschte er auf den Fremden, während er sich dem Ausgang näherte. Das Chakra brannte nur sehr schwach. Also stellte der Fremde keine Gefahr für ihn dar, sodass er seine Fallen deaktivierte, damit sie ihrem Erschaffer nicht zum Verhängnis wurden. Der Rotschopf trat um die Ecke und hielt inne, überblickte den geräumigen Höhlenausgang. Ein großzügiger Blick auf die Wüste wurde ihm gewährt. Vor ihm streckte sich eine Zunge aus feinen Sandkörnern nach seiner Behausung aus. Die einzige Unregelmäßigkeit in dem satten Rot sprang ihm sofort ins Auge wie ein Stuhl in einem völlig leeren Raum. Honigblonde Strähnen wanden sich wie staubbedeckte Schlangen durch den Sand. Bis auf ein paar wenige schwarze Stofffetzen erkannte er nicht mehr. Sasori war klar, wieso keine Falle ausgelöst worden war. Der Fremde war knapp vor dem ersten Auslöser zusammengebrochen. Sein Glück… oder Pech. Sasori trat näher an den Unbekannten. Nachlässig fegte er die kleinen Sandhügel von dem Körper. Es musste sich um eine Frau handeln… nein, für eine Frau hatte er zu wenig Kurven. Er drehte ihn um und betrachtete seinen Fund. Der Bengel war garantiert minderjährig. Sein Gesicht wies noch letzte kindliche Rundungen auf und sein Körperbau war eher schmal. Die helle Haut war teilweise vom scharfen Sand des Sturmes aufgerissen und die winzigen Körner hatten sich hartnäckig in den Wunden festgesetzt und würden sich auch nicht so einfach entfernen lassen. An einigen Stellen war der Jinbei eingerissen oder zerschrammt. Der Wind hatte gute Arbeit geleistet. Der Sand, den er mit sich trieb, wurde zu einer gefährlichen Waffe. Hätte der Blonde sich länger im Sturm aufgehalten, wäre er wohl gestorben. Aber so bestand noch die Chance, zu überleben. Nun hielt Sasori die Fäden in der Hand, ob der Junge starb oder nicht. Er würde eine hübsche Puppe abgeben… Warum Sasori nun hier saß und dem Bengel die Wunden auswusch, war ihm schleierhaft. Er verdrängte seinen nicht vorhandenen Grund damit, dass er mit dieser aufgerissenen Haut keine gute Puppe abgeben würde. Er hatte ihn auf das dicke Bärenfell, sein Bett, gelegt und ihm zuallererst seiner Kleider beraubt, um sich das Ausmaß der Wunden anzusehen. Über den gesamten Körper zogen sich kleinere und größere Schürfwunden, in denen blutige Sandkörner klebten, die er nun vorsichtig auswusch. Die Wunden begannen wieder zu bluten, sodass er sie eilig verband, damit er nicht zu viel von dem kostbaren Lebenselixier verlor. Seufzend setzte Sasori sich wieder zurück und fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. Dann tunkte er seine Hände in die Holzschüssel mit Wasser. Das klare Wasser der Quelle tief aus dem Inneren der Höhle hatte bereits die Farbe des mahnenden Rotes angenommen. Während seine Hände sich am Handtuch trocken rieben, betrachtete er den Jüngeren zum ersten Mal eingehend, seit er ihn auf sein Fell gebettet hatte. Er war gut gebaut, schlank, aber die Muskeln schimmerten gut sichtbar unter der hellen Haut durch. Vermutlich zählte er fünfzehn oder sechszehn Jahre. Langsam streifte sein Blick über die teilweise verbundene Brust über seinen Hals hinauf zum Gesicht. Wenn er die aufgeschrammten Stellen an Wangen und Kinn außer Acht ließ, hatte er hübsche Züge. Länger verweilte er bei seinen geschlossenen Augen. Verschmierte schwarze Farbe umrahmte diese. Der Bengel schminkte sich. Hatte der nichts besseres zu tun? Der zerzauste Zopf deutete ebenfalls darauf hin, dass er sich wohl sehr um sein Äußeres kümmerte. Und wieso war er überhaupt in die Wüste gekommen? Es war nicht ungefährlich wie er nun erfahren haben dürfte und niemand wusste, dass er hier lebte, geschweige denn, dass jemand den Weg kannte. Wenige Stunden später drang ein mattes Keuchen an Sasoris Ohren. Er seufzte genervt und wandte sich von seinem noch immer mangelhaftem Arm ab. Missmutig linste er über die Schulter zu dem blonden Bengel. Das lebendige Licht der Kerze offenbarte ihm, was er bereits vermutete. Feine Schweißperlen glitzerten auf der Haut in Gesicht, am Hals und dem unverbundenem Teil der Brust. Sein restlicher Körper wurde von einer dünnen Decke verborgen. Sasori stemmte sich vom Kissen hoch und kniete sich neben das Bärenfell. Seine vom Holz rauen Finger strichen über die Stirn des Jüngeren. Sie glühte wie ein Klumpen erkaltender Lava. Leise knurrte Sasori und nahm die Schüssel, welche er zuvor ausgeschüttet hatte, um in die Tiefen der Höhle zu verschwinden und die kleine Quelle um ein paar Liter Wasser zu erleichtern. Wieder zurück in seinem Wohnbereich schüttete er das kühle Wasser zur Hälfte in eine Kanne um und suchte nach einem Glas und einem Lappen. Mit Beidem kam er zu dem Blonden zurück, füllte das Glas halb mit dem frischen Nass. Erstaunlich behutsam schob er seinen Arm unter die Schultern des anderen und richtete ihn ein Stück weit auf. Sein Arm umfasste den fremden Körper so weit, dass er seinen Kiefer runter drücken und ihm ein paar Schluck einflößen konnte. Diese Nähe war ihm unangenehm. Sasori spürte die fiebrige Haut auf seiner und den flatternden Herzschlag so deutlich, dass es ihn zu erdrücken drohte. Er war noch immer zu menschlich. Sasori musste endlich den perfekten Puppenkörper für sich vollenden, sonst würden diese lästigen Gefühle ihm bis zu seinem Tod anhängen und einkesseln in leiblicher Unfähigkeit. Der Rothaarige zuckte leicht, als der Jüngere sich kraftlos aufbäumte und ein ersticktes Husten seine Kehle verließ. Er stellte das Glas beiseite und ließ ihn zurück aufs Lager sinken. Den Lappen titschte er in das durchsichtige Quellwasser. Ein leises Plätschern erklang beim Auswringen, ehe er ihn auf der erhitzten Stirn platzierte, um ihm Kühlung zu verschaffen. Mit einem harten Blick starrte er auf die geschlossenen Augen, deren Lider ab und an gequält bebten. Der Bengel sollte ja schnell wieder auf die Beine kommen. Er hasste es, zu warten. Viel zu lange hatte er damals auf die Rückkehr seiner Eltern gewartet, nur um erfahren zu müssen, dass sie niemals wiederkehren würden. Seine Großmutter hatte es ihm verheimlicht und anstatt wenigstens zu versuchen, ihm die Liebe seiner Eltern zu ersetzen, hatte sie ihn nur beobachtet und ihm das Kämpfen beigebracht. Irgendwann hatte er begriffen, dass es gesünder war, allein zu sein und wie die Puppen nichts zu fühlen. Ihnen blieb der Schmerz der Lebenden erspart. Was war ein Menschenleben denn wert? Es zerbrach viel zu leicht wie eine schön verzierte Glaskaraffe, die man aus Versehen fallen ließ. Wieso half er diesem Bengel, der dumm genug war, ohne Proviant und nur mit ein paar Lehmklumpen in einer kleinen Tasche in die Wüste zu rennen? Diese Gedankenlosigkeit sollte mit dem Tod bestraft werden. Sasori setzte seine Arbeit schließlich direkt neben dem Fremden fort, da er alle paar Minuten das Tuch in die Wasserschüssel tauchen musste. Ansonsten half die Kühlung ja nicht. Seine Ohren lauschten eher unwillig auf die leisen Worte, die ihm manchmal nuschelnd über die aufgeplatzten Lippen kamen. Zusammenhanglose Fetzen reihten sich zu einer Geschichte aneinander, die ihm erklärte, wieso der Blonde wohl in die Wüste geflohen war. Zumindest annehmen konnte er es. Er schien Probleme in seinem Heimatdorf gehabt zu haben – nach dem Stirnband, welches er ihm vorhin abgenommen hatte, kam er aus Iwa – und seine Eltern waren wohl in einem Streit ums Leben gekommen. Sicher war Sasori sich nicht, aber das scheinbar sinnlose Gebrabbel ließ sich so interpretieren. Die tiefe Stimme des Jüngeren überraschte ihn allerdings. Bei dem Aussehen hätte er ihm eine solch männliche Stimme nicht zugetraut. Aber die Natur war eben eigenwillig. Erleichtert seufzte der Rotschopf auf. Nach weiteren Stunden senkte sich die Körpertemperatur des Jüngeren allmählich und er wurde ruhiger. Der Bengel würde wohl überleben. Und was machte er mit ihm, wenn er aufwachte? Sofort vor die ‚Tür‘ setzen konnte er ihn nicht. Dafür wäre er zu geschwächt. Er könnte an seinem Gedanken, ihn zu einer Puppe zu machen, festhalten. Aber vorher wollte er wissen, was der Kleine draufhatte. Unbewusst sanken Sasoris Hände mit dem hölzernen Arm in seinen Schoß. Seine rötlich braunen Augen ruhten auf dem Gesicht, welches sich allmählich zu entspannen schien. Seine Gedanken drifteten ab. Wie der Blonde wohl war…? Das flackernde Licht der Kerze malte weiche Muster auf das honigblonde Haar, welches sich anmutig auf dem dunklen Fell ausbreitete und förmlich dazu einlud, seine Finger darin zu vergraben. Sasori widerstand diesem Drang nur schwer. Wie lange Sasori den Fremden einfach nur anstarrte und darauf wartete, dass er erwachte, konnte er nicht sagen. Aber er wurde schlagartig in die Gegenwart zurückgerissen, als dessen vom Schwarz der Schminke verschmierte Lider flatterten und seine Augenbrauen sich leicht zusammenzogen. Ein unterdrücktes schmerzvolles Keuchen erklang. Sasori sah, wie sich die Muskeln unter der hellen Haut anspannten und wieder lockerten. Stoisch beugte er sich über den Jüngeren und musterte ihn regungslos. Abgespannt hoben sich die Augenlider. Wie schwer ihm das fallen musste, durchschaute der Rothaarige schnell. Was sich ihm nun allerdings enthüllte, traf ihn unvorbereitet. Wolfsaugen blickten zu ihm hoch. Der Rand der Iris tauchte sich in ein fast schwarzes Graublau und spielte mit den helleren Blaugrautönen in verschlungenen Bildern, je näher man den Pupillen kam. Zuerst zeigte sich lediglich Verwirrung wie ein matter Glanz in diesen berauschenden Augen. Nach und Nach schimmerten Fragen hindurch. Sasori konnte förmlich ablesen, was dem anderen auf der Seele brannte. Wie ausdrucksstark… wie …fesselnd. Trotz der körperlichen Schwäche schienen diese Augen zu strahlen wie die unermessliche Macht eines Drachen. Dem Rothaarigen wurde sein Grund, weshalb er ihn gepflegt hatte, unwichtig. Seine Lippen öffneten sich und formten eine Frage, die er dem Blonden nie hatte stellen wollen. „Wie heißt du?“ Sein Blick wanderte über die gerade Nase zu den rissigen Lippen. Sie bewegten sich kaum und die tiefe Stimme des Jüngern glich nur dem Krächzen eines Raben, dennoch verstand er ihn. „Dei…dar…a.“ Das Sprechen bereitete ihm wohl Schmerzen. Der Blonde wirkte verkrampft. Ein kaum noch hörbares „hm“ schloss sich dem halb auseinander gerissenen Namen an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)