120 Days of horror von DoctorMcCoy ================================================================================ Kapitel 1: Wieder atmen ----------------------- Titel: Wieder atmen Charaktere: Dean Genre: Drama Spoiler: 4x10 Wieder atmen Es war ungewohnt, wieder zu atmen. Dean musste sich immer noch darauf konzentrieren, als ob es eine enorme Kraftanstrengung war. Dabei war es für Menschen doch nur eine Gewohnheit. Etwas, worauf man eigentlich kaum achtete. Doch Dean spürte jeden einzelnen Atemzug, nahm ihn wahr, kostete ihn voll aus. Unten hatte er irgendwann aufgehört zu atmen, zumindest hatte er es versucht. Er wollte diese Qualen, all diese Erlebnisse nicht mit ‚Leben’ in Verbindung bringen. Anwesend sein, reichte vollkommen aus. Das war schon genug gewesen. So hatte er sich irgendwann geweigert, zu atmen, da er ja sowieso tot gewesen war, nur noch seine Strafe bis in alle Ewigkeit abzusitzen hatte. Jetzt, wieder auf der Erde zu sein und wieder zu atmen, war merkwürdig. Dean fühlte sich noch längst nicht so, als ob er wieder leben würde. Die Erinnerungen waren noch immer viel zu real. Es wirkte fast so, als ob das Leben nur ein Traum war, eine Wunschvorstellung, die er sich dort unten in der Hölle zusammenreimte. Dass seine Gedanken ihn einen Streich zu spielen gedachten. Dean fiel es schwer zu glauben und das in jedweder Hinsicht. Denn er glaubte nicht an Engel, hatte es noch nie getan. Und wenn es keine Engel gab, musste er immer noch in der Hölle sitzen. Nur darauf wartend, dass Alistair ihm sein neues Opfer brachte. Dean würde dann der armen Seele in die Augen sehen, die Luft anhalten und mit seiner Arbeit beginnen. Es fühlte sich besser an, wenn er nicht geatmet hatte. Es fühlte sich dann manchmal sogar so an, als ob er gar nicht richtig dort gewesen wäre. Doch Dean wusste selber, dass dies nur ein Trugbild gewesen war. Er war dort gewesen, hatte all diese schlimmen Dinge getan und konnte es auch nicht mehr rückgängig machen. Deshalb fiel es ihm auch so schwer zu glauben, dass er jetzt wieder auf der Erde war, denn er hatte es nicht verdient, gerettet zu werden. Die Seelen, die er gequält hatte, dann schon vielmehr. Diese Menschen hätten es verdient. Aber nicht er. Wie sollte er sich so nun auf dieser Welt zurecht finden? Einer Welt, die gut und böse so vernachlässigte? Mit einem Gott, der einem Folterer die Erlösung brachte. Wenn es überhaupt eine Erlösung war. Hatte er sich unten schon schlecht gefühlt, so ging es ihm hier oben noch tausendmal schlimmer. Er sah in die Augen seinen Bruders, der froh war, dass Dean wieder hier war, nichts ahnend, was Dean dort unten getan hatte. Wenn er es wüsste, was würde er sagen? Er würde es vermutlich verstehen, Dean sagen, dass er keine andere Wahl gehabt hatte. Doch Dean wusste es besser. Er hatte eine Entscheidung getroffen gehabt, die man nicht rückgängig machen konnte. Eine Entscheidung, die er mit jedem weiteren Tag bereut hatte, die er aber nicht ändern wollte, denn foltern war nur halb so schlimm wie gefoltert zu werden. Und diese Erkenntnis war es, die Dean so erschütterte. Dass er lieber andere Menschen leiden sah, als selbst Schmerzen zu ertragen. Er mochte vielleicht jetzt wieder auf der Erde sein, doch die Schuld blieb und somit war die Hölle ständig um ihn herum. Es gab keine Erlösung, es gab keine Wiedergutmachung. Es war so, wie es war. Aber wenn er die Luft in seinen Lungen spürte, die klare, reine Luft, konnte er manchmal daran glauben, dass es anders sein könnte. Dass die Hölle nicht immer präsent sein musste, dass es Situationen gab, in denen er alles vergessen konnte. Dass er frei sein konnte, wenn er wollte. Dass er die Möglichkeit hatte, wieder unbeschwert atmen zu können. Wieder unbeschwert leben zu können. Kapitel 2: Klaustrophobie ------------------------- Charaktere: Sam, Dean Genre: Mystery Spoiler: Keine „Es waren alles Jugendliche?“, versicherte sich Dean noch einmal, wandte sich dabei kurz zu seinem Bruder, bevor er sich wieder auf die Straße konzentrierte. „Ja“, antwortete Sam geistesabwesend, während sein Blick konzentriert auf seinem Laptop gerichtet war. Er las den Zeitungsartikel über das letzte Opfer. „Joanne Miller, 16 Jahre alt, starb in ihrem Kleiderschrank“, las er den ersten Satz laut vor. „Genau wie bei allen anderen Opfern passierte es in einem engen und kleinen Raum, Dean. Das kann kein Zufall sein. Besonders die Todesart an sich. Sie sind vor Angst gestorben.“ „Hört sich stark nach einem Geist an“, warf Dean ein. „Einem Geist, der wohl Spaß daran hat, seine Opfer zu Tode zu erschrecken.“ Er grinste seinen Bruder breit an, was Sam jedoch nicht erwiderte. „Das ist nicht witzig, Dean. Diese Joanne war bereits das dritte Opfer, innerhalb von zwei Wochen. Wir müssen diesen Geist so schnell wie möglich aufhalten.“ Dean drückte das Gaspedal noch fester durch. „Das ist mir klar, Sammy, aber dann kannst du noch ein wenig recherchieren. Warum gerade jetzt? Gab es schon mal solche Todesfälle? Wir brauchen noch mindestens eine Stunde bis nach Davenport, also hast du genügend Zeit.“ Sam beschwerte sich nicht, da er dies sowieso als Nächstes vorgehabt hatte. So wandte er sich wieder stillschweigend seinem Laptop zu. Dean zupfte sich ungeduldig an seinem Hemdsärmel. Er hasste diese Anzüge und fragte sich, warum sie die überhaupt immer anziehen mussten. Er wollte gerade noch mal klingeln, als die Tür vor ihnen geöffnet wurde. Eine Frau mittleren Alters musterte sie beide skeptisch, aber ihr Blick verriet, dass sie Angst hatte. „Ja?“, fragte sie forsch. „Guten Tag, Mrs. Miller“, begrüßte Sam sie, drückte sich in den Vordergrund und schüttelte ihre Hand. Dann holte er einen falschen Ausweis aus seiner Innentasche. „Ich bin Agent Young. Das ist mein Kollege Agent Williams.“ Er deutete auf Dean, der ebenfalls kurz seinen Ausweis zeigte. „Wir hätten ein paar Fragen zu ihrer Tochter.“ Mrs. Miller wurde etwas bleich im Gesicht, nickte jedoch. „Natürlich, treten sie ein“, kam es leise von ihr. „Kann ich ihnen etwas anbieten? Kaffee oder Tee?“, fragte sie, als sie im Wohnzimmer angekommen waren. Sam schüttelte den Kopf. „Nein, danke“, sagte er schnell, bevor Dean auf dumme Ideen kam. Sam lächelte die Frau freundlich an. „Wir wollen nicht lange bleiben.“ „Setzen sie sich“, bot Mrs. Miller ihnen daraufhin die Couch an. Dean ließ sich nicht zweimal bitten und fläzte sich gemütlich auf das Sofa. Sam warf ihm einen warnenden Blick zu, woraufhin sich Dean, sichtlich verärgert, etwas mehr aufrichtete. „Es tut uns sehr leid, was mit ihrer Tochter passiert ist“, fing Sam das Gespräch an. „Aber wir müssen ihnen dennoch ein paar Fragen stellen.“ Mrs. Miller nickte und kramte sich ein Taschentuch aus ihrer Hosentasche. „Was wollen sie wissen?“ „War ihre Tochter mit den anderen Opfern befreundet?“, meldete sich nun auch Dean zu Wort. „Mit Jonathan Frey oder mit Harry Stompkin?“ „Nicht, dass ich wüsste, aber in letzter Zeit hat Jo nicht viel mit mir geredet“, gab Mrs. Miller zu. „Es wäre also durchaus möglich. Falls sie es unbedingt wissen müssen, fragen sie doch ihre beste Freundin Beth Summers. Sie weiß es bestimmt.“ Dean nickte und notierte sich den Namen. Dann schaute er wieder zu Mrs. Miller. „Hat sich ihre Tochter vielleicht vor dem Vorfall merkwürdig verhalten? Hatte sie womöglich vor irgendetwas Angst?“ Mrs. Miller schüttelte den Kopf. „Nein, nein, sie war so wie immer.“ Sie schniefte kurz in ihr Taschentuch. „Und trotzdem ist sie nun tot. Vor Angst gestorben, hat man mir gesagt. Wie ist so was überhaupt möglich?“ Sie blickte die beiden Agents fragend an. „Sie hatte nicht einmal Klaustrophobie. Vor was hätte sie sich in ihrem Kleiderschrank fürchten sollen?“ „Wir wissen es nicht“, log Sam. Manchmal wünschte er sich, dass er den Beteiligten einfach die Wahrheit sagen dürfte. Aber dann fragte er sich, was wohl schlimmer war. Ein Tod, den man nicht hundertprozentig verstehen konnte oder zu wissen, dass es so etwas wie Geister gab. Sam konnte es nicht sagen, da er schon von klein auf die Wahrheit gekannt hatte. „Dürften wir uns vielleicht in ihrem Zimmer umsehen?“, fragte er noch. Mrs. Miller nickte. „Die Treppe hoch, die erste Tür rechts“, meinte sie kurz angebunden. „Ich war seit dem Tag nicht mehr in ihrem Zimmer und ich bin auch noch nicht in der Lage dazu.“ „Natürlich“, kam es verständnisvoll von Sam. „Sie hatte wohl kein besonders aufregendes Leben“, meinte Dean, während er in Joannes Tagebuch blätterte. „Eric ist so süß, bla bla bla. Ein ganz normales Mädchen, wie es scheint.“ „Das wohl von einem Geist getötet worden ist“, sagte Sam, der gerade aus dem Kleiderschrank kam. „Das EMF spielt total verrückt.“ „Habe ich das nicht von Anfang an gesagt?“ Dean warf Sam einen triumphierenden Blick zu, zog dabei noch seine linke Augenbraue hoch. Sam seufzte. „Ja, hast du“, kam es genervt von ihm. „Aber wir mussten doch auf Nummer Sicher gehen. Außerdem wissen wir immer noch nicht, um welchen Geist es sich handelt, also brauchst du gar nicht so schadenfroh zu sein.“ Seine Recherche hatte nicht viel ergeben. Keine weiteren Todesfälle dieser Art oder sonst etwas Auffälliges, das einen Hinweis auf den Täter geben könnte. Dean grinste jedoch nur noch breiter bei Sams Worten. „Denkst du das wirklich?“ Er warf Sam Joannes Tagebuch zu. „Lies dir mal den Eintrag vom 26. Juli 2006 durch.“ Sam fragte sich zwar kurz, wie Dean auf diesen Eintrag gestoßen war, da er bereits ein Jahr zurücklag, aber zuckte dann mit den Schultern und begann zu lesen. Die Tinte war an einigen Stellen so verwischt, dass man Schwierigkeiten hatte, den Text zu entziffern. Vermutlich hatte das Mädchen geweint, als sie diese Zeilen geschrieben hatte. Es ist furchtbar. Wir wollten das nicht … das war doch alles nur ein Unfall. Es sollte doch nur ein blöder Scherz sein … wir haben nur gelacht, als er geschrieen hat. Wir haben nur gelacht. Kyle Rogers ist tot und das ist alles nur unsere Schuld. Harry, John, Beth und ich … wir hätten nie so weit gehen sollen. Aber wie hätten wir denn ahnen können, dass so etwas passiert? Wir haben ihn doch nur aus Spaß in den Schrank eingesperrt. Wie hätte wir es denn ahnen können??? Es ist alles unsere Schuld! „Das sieht Kyle wohl genau wie die kleine Joanne“, sagte Dean, als Sam fassungslos von dem Tagebuch wieder aufblickte. „Er wird sich wohl an allen rächen, die vor einem Jahr bei seinem Tod dabei gewesen waren.“ Sam nickte stumm. „Wir müssen so schnell wie möglich zu dieser Beth“, sagte er schließlich, als er sich wieder einigermaßen gefangen hatte. „Ja, das kannst du machen. Ich werde in der Zwischenzeit seine Knochen verbrennen.“ Er rieb sich freudig die Hände. Sam stand nun vor dem Haus der Summers. Ungeduldig verlagerte er sein Gewicht von einem Fuß auf den Anderen. Dean hatte ihn abgesetzt und war direkt weiter zum Friedhof gefahren, um sich den Überresten von Kyle Rogers anzunehmen. Es dämmerte schon langsam und es würde sicher nicht mehr lange dauern, bis die Sonne unterging. Im Dunkeln machte Buddeln ja auch viel mehr Spaß. Sam fragte sich kurz, warum Dean freiwillig diese Arbeit gewählt hatte, anstatt zu dem jungen Mädchen zu gehen und den Helden zu spielen. Immer noch niemand, der die Tür öffnete. Er klingte noch einmal. Hoffentlich war das Mädchen nicht irgendwo anders. Es war zwar unwahrscheinlich, dass der Geist genau heute Nacht sein nächstes Opfer aufsuchte, aber Sam wollte sicher gehen. Dieses Mädchen war in Gefahr und es könnte ihr genau in der halben Stunde, die Dean noch brauchte, etwas zustoßen. Nun hämmerte er lautstark gegen das alte Holz. „Hallo?“, rief er so laut er konnte. „Hallo? Ist jemand da?“ Niemand antwortete. Es schien keiner zu Hause zu sein, doch Sam hatte irgendwie das Gefühl, dass das nicht stimmte. Es war jemand in diesem Haus, das konnte er irgendwie spüren. Wie, wusste er auch nicht so genau. Ohne noch länger zu überlegen, machte er sich an dem Schloss zu schaffen. Kurze Zeit später sprang es auf. Sam trat in das Haus ein und schaute sich vorsichtig um. „Hallo? Beth, bist du hier?“ Sam wusste, dass es riskant war, so offen ihren Namen zu rufen. Vielleicht hätte sie nur noch mehr Angst. Aber er erhoffte sich auch, irgendeine Reaktion. Auch wenn sie sich nur kurz bewegte und ein ungewolltes Geräusch von sich gab. Und dann hörte er eine Tür zuschlagen. Es kam auf jeden Fall aus der ersten Etage. Sofort rannte Sam die Treppe rauf und stieß jede Tür auf dem Flur auf. Auf den ersten Blick war in keinem der Räume jemand. So machte sich Sam auf, um die Zimmer genauer zu untersuchen. Im Zweiten wurde er fündig, als er ein leises Wimmern vernahm. Er trat leise ein und blickte sich um. Niemand war zu sehen, aber sein Blick fiel direkt auf den Kleiderschrank. Mit drei großen Schritten stand er davor. Er rüttelte am Schloss, aber er war zugeschlossen. Er klopfte dagegen. „Beth? Bist du dadrin?“ Sam legte sein Ohr gegen die Tür, um zu horchen. Darin weinte jemand, da gab es keinen Zweifel. „Beth?“, versuchte er es ein weiteres Mal. „Ich bin Sam. Ich bin hier, um dir zu helfen.“ Er wartete kurz, doch noch immer kam keine Antwort von dem jungen Mädchen. „Mach doch bitte die Tür auf.“ Als wieder keine Reaktion kam, stand er auf und versuchte mit aller Kraft, die Tür aufzustoßen. Er stieß ein paar Mal mit seinem gesamten Körpergewicht dagegen, doch die Türe wollte nicht nachgeben. Sam schaute sich verzweifelt im Zimmer um, hielt Ausschau nach irgendetwas, das ihm helfen konnte. Doch auf den ersten Blick war nichts Sinnvolles dabei. Sein Blick fiel aus dem Fenster. Dort lag der Garten des Hauses und eine kleine Hütte. Vielleicht war dort eine Axt oder etwas Ähnliches. Er wollte gerade das Zimmer verlassen, als Beth im Schrank anfing, panisch zu schreien und der Geist von Kyle Rogers plötzlich zwischen ihm und der Türe stand. Dean kramte nach der Schaufel in seinem Wagen. Vielleicht sollte er doch mal ein wenig Ordnung in seinem Kofferraum bringen, schoss es ihm kurz durch den Kopf, aber da er sie doch relativ schnell in Händen hielt, entschied er, dass es ein dummer Gedanke war. Schnell stopfte er noch das Salz und das Benzin in seine Tasche und machte sich auf den Weg. Er hatte kurz bei Kyles Mutter angerufen und sich als alter Freund ausgegeben. Er hatte ihr erzählt, dass er mal gerne sein Grab besuchen würde. Die Beschreibung von Mrs. Rogers war so genau, dass Dean den Grabstein direkt fand. Er musste überhaupt nicht danach suchen. „Hey, Kyle“, sagte Dean, als er angekommen war. Sofort machte er sich daran, das Grab auszuheben. Eigentlich hasste er diesen Job, deshalb ließ er auch meist Sam die Knochenarbeit machen, aber er liebte es, die Knochen zu verbrennen, deshalb hatte er sich für den Friedhof entschieden. Außerdem war Sam bei dem Mädchen wohl um einiges sicherer. Wie hoch war schon die Chance, dass Kyle genau heute Nacht seine Rache holen wollte? Selbst wenn er es heute vorgehabt hätte, sobald er merken würde, dass Dean sich an seinem Gebeinen zu schaffen machte, würde er sich mit ihm prügeln. Kyle sah nicht gerade begeistert aus, so wie fast jeder Geist, dem Sam über den Weg lief. Sams Blick huschte zu der Schrotflinte, die er auf dem Bett abgelegt hatte und überlegte fieberhaft, ob er es riskieren sollte, sie zu nehmen. Naja, eigentlich gab es da nicht viel zu überlegen, denn sonst hätte Sam nichts in der Hand, um sich zu verteidigen. Beth schrie immer noch wie am Spieß. Vermutlich brachte Kyle sie genau so um, wie er gestorben war. In einem Schrank eingesperrt, panisch vor Angst. Und Beth bekam das gerade am eigenen Leib zu spüren. Sam musste schnell was unternehmen, sonst war das Mädchen tot. Er lief zum Bett und wollte sich die Waffe schnappen, als er durch einen Druck quer durchs Zimmer geschleudert wurde und gegen die gegenüberliegende Wand prallte. Sam liebte es. Stöhnend stand er wieder auf. Kyle befand sich noch immer im Türrahmen, fast so, als ob er Angst hätte, ins Zimmer zu kommen. Aber seine Geisterfähigkeiten reichten ja auch vollkommen aus, um Sam im Schach zu halten. Das wusste der Junge. Sam musste sich also irgendetwas einfallen lassen, um an seine Schrotflinte zu kommen und den Geist für kurze Zeit abzulenken, damit er Beth aus diesem Schrank rausholen konnte. Wieder schaute Sam sich um, diesmal jedoch nach etwas suchend, was einem Geist gefährlich werden konnte. Zum einen seine Waffe auf den Bett, an die er nicht rankam. Er brauchte noch etwas Anderes. Etwas, was Kyle nicht sofort durchschauen würde. Plötzlich bemerkte er eine Skulptur auf Beths Schreibtisch. Sam hoffte nur, dass es nicht nur so aussah, als ob sie aus purem Eisen bestehen würde. Vorsichtig schlich er sich an den Tisch heran. Kyle unternahm nichts, sah wohl keine Gefahr, bei dem, was Sam gerade tat. Er stellte sich genau vor die Statue und fasste hinter seinem Rücken den Gegenstand. Nach der Schwere war er vermutlich doch aus Eisen. Sam seufzte innerlich erleichtert auf. Mit einer Drehung um sich selbst, holte er Schwung und schmiss die Statue nach dem Geist. Kyle schien wohl so überrascht zu sein, dass er nicht mehr die Zeit fand, um auszuweichen. Die Statue flog durch ihn durch und er löste sich auf. Ohne zu zögern, griff Sam nach seiner Schrotflinte und hielt sie auf Anschlag. Beth schrie immer noch, das hieß, dass Kyle noch hier sein musste. Fieberhaft ließ Sam seinen Blick durch das gesamte Zimmer streichen. Nur eine Sekunde der Unachtsamkeit könnte ihm das Leben kosten. Er musste direkt schießen, wenn Kyle wieder erschien. Eine Ladung Steinsalz sollte ihn dann hoffentlich so lange außer Gefecht setzen, dass Sam mit Beth fliehen konnte. Eine Bewegung rechts von ihm, ließ Sam sich umdrehen. Sofort feuerte er, damit Kyle nicht die Gelegenheit hatte, den ersten Schritt zu tun. Das Steinsalz traf ihn direkt in die Brust, woraufhin sich der Geist abermals auflöste. Plötzlich war es totenstill. Beth hatte aufgehört, zu schreien und auch sonst war kein anderes Geräusch zu vernehmen. Sofort lief Sam zu dem Schrank und riss ihn auf. Beth saß verängstigt auf den Boden, Tränen liefen ihr die Wange runter, aber soweit Sam das erkennen konnte, war sie wohl sonst unverletzt. Er zog sie sanft an ihrem Arm hoch. „Komm, wir müssen hier raus“, sagte Sam schnell. Er konnte jetzt nicht großartig auf ihren seelischen Schaden eingehen. Es zählte jede Sekunde. Sie liefen um das Bett herum. Sam schob Beth dabei immer vor sich her. Sie mussten nur nach draußen gelangen, dann wären sie hoffentlich fürs Erste sicher, außer Kyle würde seine Taktik ändern. Aber so weit kamen sie nicht. Sie hatten gerade mal das Zimmer verlassen, als Kyle plötzlich wieder vor ihnen auftauchte. Sam konnte gerade noch „Lauf, Beth“ schreien, bevor er ein weiteres Mal in die Luft gehoben wurde, zurück ins Zimmer geschleudert wurde und schließlich im Schrank ankam. Sam hielt sich schmerzend den Kopf, den er sich beim Aufprall gestoßen hatte. Aber sein Jägerinstinkt suchte bereits nach seiner Waffe, die er im Flug verloren hatte. Er sah sie auf den Boden liegen. Doch bevor er sich überhaupt aufrichten konnte, wurde die Türe zugeknallt und Dunkelheit umfing ihn. Dean steckte die Schaufel in die Erde und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Diese Arbeit ganz alleine zu machen, war überaus anstrengend. Er blickte hoch zum Grabstein. „Ich dachte, du hattest Klaustrophobie“, sagte er zu dem toten Stein. „Das war aber dann ein schlechter Scherz deiner Eltern, dich hier so weit unten zu begraben, findest du nicht auch?“ Sie hätten jetzt gar nicht den Ärger, wenn die Eltern an ihren Jungen gedacht und ihn verbrannt hätten. Naja, Dean konnte jetzt auch nichts mehr daran ändern. Er sah auf die Schaufel und entschied sich dafür, eine ganz kleine Pause einzulegen. Er kramte sein Handy aus seiner Hosentasche. Ein kleiner Kontrollanruf konnte nicht schaden. Hören, wie es Sam ging. Es klingelte zweimal, bevor Sam den Hörer abnahm. „Na, wie läuft das Babysitten, Sammy?“, begrüßte Dean seinen kleinen Bruder. „Dean!“ Sams Stimme klang gehetzt, sodass bei Dean direkt alle Alarmglocken anfingen zu läuten. „Was ist los?“, wollte er sofort wissen. „Rogers ist hier“, erklärte er schnell. „Beth konnte fliehen, glaube ich. Und ich sitze hier in einem verdammten Schrank fest. Also beeil dich gefälligst.“ „Halte durch“, sagte Dean noch, bevor er das Gespräch beendete und sich wieder die Schaufel schnappte. Diesmal arbeitete er um einiges schneller als zuvor, nur noch das Bild von Sam vor Augen, wie er im Schrank eingesperrt war. Sam hielt sich immer noch seinen Kopf. Hoffentlich war es keine Gehirnerschütterung, dachte er. Er blickte sich um, doch konnte in der Finsternis nichts erkennen. Er hatte schon ein paar Mal versucht, die Tür zu öffnen, doch jeder Versuch war vergebens gewesen. Kyle wollte wohl nicht, dass Sam hier rauskam. Sam fragte sich, was der Geist wohl jetzt vor hatte. Bis jetzt war noch nichts Schlimmes passiert. Er saß nur im Dunkeln und wenn Kyle dachte, dass das Sam Angst einjagen würde, lag er da aber völlig falsch. Hier war rein gar nichts, wovor man sich fürchten müsste. Aber Sam hatte irgendwie das Gefühl, dass das noch kommen würde. Und genau in dem Moment geschah es. Es war zwar immer noch dunkel im Schrank, aber Sam konnte plötzlich ein wenig mehr erkennen, gerade so viel, dass er sehen konnte, dass die Wände des Schrankes plötzlich auf ihn zukamen. Und nicht nur die Wände, sonder auch die Decke. Alles schien sich genau auf ihn zuzubewegen und machte den Raum somit immer kleiner. Eine Panik ergriff Sam, die er nie für möglich gehalten hatte. Sein Herz raste. Das ist nur wegen Kyle, versuchte er sich selbst zu beruhigen, aber sein Herz wollte nicht auf ihn hören. Die Wände kamen immer näher und es gab keinen Ausweg. Sam machte sich so klein, wie möglich, doch er konnte sie schon spüren. Von allen Seiten. Nicht mehr lange, dann würde er zerquetscht werden. Sam schloss die Augen, in der Hoffnung, dass er diese Illusion irgendwie umgehen konnte, doch selbst jetzt spürte er die Wände nur zu deutlich und sein Herz fühlte sich an, als ob es gleich aus der Brust springen würde. Dean, beeil dich, dachte er nur noch. Dean spürte eine unglaubliche Erleichterung, als die Schaufel auf etwas Hartes stieß. Er stach einmal feste zu, sodass das morsche Holz zersplitterte. Dann machte er sich daran, den Deckel so weit, wie nötig zu entfernen. Vollkommen konzentriert, damit er bloß keine kostbare Zeit verlor. Als nächstes kletterte er aus dem Grab. Kramte das Benzin und das Salz aus seiner Tasche. Schüttete es über die Knochen. Nur noch anzünden, dachte Dean. Er packte in seine Jackentasche, wühlte darin herum und konnte das Feuerzeug nicht finden. Sofort suchte er auf der anderen Seite, doch da war es auch nicht. „Verdammt“, rief er. Dachte fieberhaft nach, wo es sein könnte. Vor ein paar Tagen noch hatte er es benutzt, um ein süßes Mädchen aufzureißen. Hatte er es womöglich in der Bar liegen lassen? Dean schüttelte den Kopf. Soviel Zeit hatte er nicht, um sich jetzt darüber Gedanken zu machen. Sofort rannte er los, zurück zu seinem Wagen. Dort hatten sie noch Streichhölzer, da war er sich sicher. Schon im Laufen holte er den Schlüssel hervor. Er kam schlitternd zum Stehen, schloss den Kofferraum auf. Wühlte sich durch die ganzen Waffen. „Aufräumen“, schoss es ihm ein weiteres Mal durch den Kopf. „Ich sollte unbedingt mal aufräumen.“ Es fühlte sich an wie Stunden, bis er endlich die ersehnten Streichhölzer in der Hand hielt. Er machte sich nicht mehr die Mühe, seinen Wagen abzuschließen, rannte sofort zurück zu dem offenen Grab. Dean hasste es, Streichhölzer anzuzünden. In solchen Situationen wollten sie nie, wie er wollte. Er brauchte ganze fünf Versuche, bis eines brannte. Vier Versuche zu viel. Zeit, die Sam vielleicht nicht hatte. Eine Sekunde später brannten die Knochen. Dean nahm sich sonst immer Zeit, dieses Schauspiel zu genießen, den Flammen zuzuschauen, aber diesmal holte er direkt sein Handy hervor, drückte auf die Wahlwiederholung. Es klingelte. Einmal. Zweimal. Dreimal. „Verdammt, Sammy, nimm ab“, murmelte Dean vor sich hin. Viermal. Fünfmal. „Sammy, mach schon“, wurde Dean immer ungeduldiger. Sechsmal. Siebenmal. Endlich nahm jemand ab. Ein Stein fiel ihm vom Herzen. „Sam, geht’s dir gut?“, fragte er sofort. Er hörte ein Stöhnen. „Sam?“, wiederholte er. „Das nächste Mal darf ich Buddeln gehen“, ertönte Sams Stimme. Er klang etwas mitgenommen, aber Dean war einfach nur froh, ihn überhaupt zu hören. „Hol mich ab, Dude, ich brauche unbedingt ein Bett.“ Dean lachte laut. „Ich komme sofort, Prinzessin.“ Kapitel 3: Standing Still ------------------------- Charaktere: Castiel, Bobby Genre: Drama Spoiler: 5x03 Widmung: Für , da sie mich erst auf diese Idee gebracht hat und weil sie ein großer Fan von Bobby und Cas ist :D Es war nur einen Moment der Konzentration nötig und schon stand Castiel in Bobbys Wohnzimmer. Wenigstens war ihm diese Fähigkeit erhalten geblieben. Seit er sich für Dean entschieden und gegen den Himmel gewandt hatte, musste er feststellen, dass nichts mehr so war wie früher. Vieles konnte er einfach nicht mehr. Sein Blick fiel auf den alten Jäger, der über ein Buch gebeugt war. Tief in Gedanken versunken. Aber dass er wirklich dieses Buch las, glaubte Castiel nicht. Vielmehr hingen seine Gedanken an den vergangenen Tagen und Wochen fest. Er war zwar vor Kurzem aus dem Krankenhaus entlassen worden, jedoch sah Bobby nicht wirklich besser aus. Er redete noch weniger als früher, soweit der Engel es sagen konnte. Und Castiel konnte förmlich die Hilflosigkeit spüren, die Bobby ausstrahlte. Er fühlte sich nutzlos. Zu nichts mehr fähig. Castiel war nicht in der Lage gewesen, Bobby zu helfen. Diese Fähigkeit war ihm genommen worden. Heilung gehörte nicht mehr zu seinen Stärken. Bobby hatte ihn damals angesehen, als ob seine ganze Welt zusammen gebrochen wäre, als Castiel es ihm mitgeteilt hatte. Die Erkenntnis, dass er wohl für immer in diesem Stuhl festsitzen würde. Dass er den Jungs bei der Jagd nicht mehr helfen könnte. Das alles war ihm in nur einer Sekunde schmerzlich bewusst geworden. Und es zehrte immer noch an seinen Nerven. Selbst jetzt sah man es ihm noch deutlich an. Sein Schmerz stand ihm offensichtlich ins Gesicht geschrieben. Castiel überlegte, ob er ihm irgendwie helfen könnte, doch das lag nicht mehr in seinen Händen. Er konnte es nicht mehr. Seine Entscheidung war gefallen und er hatte den Preis dafür bezahlt. Castiel hätte es auf jeden Fall getan, wenn es noch in seiner Macht gestanden hätte. Denn Bobby war ein guter Mensch, er hätte es verdient. Aber anscheinend sah das Schicksal das nicht so. In vielerlei Hinsicht schien das Schicksal den Winchesters nicht gnädig zu sein. Castiel fand es eigenartig, dass Bobby ihn noch nicht bemerkt hatte. Für den Engel verlief die Zeit vielleicht anders, aber er stand selbst für einen Menschen schon eine Weile an dieser Stelle. Bobby musste wirklich tief in Gedanken versunken sein. „Bobby“, sagte Castiel schließlich, um seine Aufmerksamkeit zu erhaschen. Bobby zuckte sofort zusammen, aber nicht nur ein wenig, er wäre wahrscheinlich sogar vom Stuhl gesprungen, wenn ihm das noch möglich gewesen wäre. Er warf Castiel einen giftigen Blick zu. „Cas, verdammt, willst du etwa, dass ich noch einen Herzinfarkt bekomme?“ Er legte seine Hand auf die Brust und zwang sich, wieder etwas gleichmäßiger zu atmen. Castiel trat einen Schritt näher an den Schreibtisch. „Das war nicht meine Absicht gewesen“, versicherte der Engel dem Jäger. Bobby verdrehte daraufhin die Augen, was Castiel schon oft bei Dean beobachtet hatte. Er zeigte diese Regung häufig, wenn er genervt war. War Bobby etwa von ihm genervt? „Nerve ich dich?“, kam die Frage schneller über Castiels Lippen als eigentlich gewollt. „Huh?“ Bobby schaute fragend auf. „Nein, ich frage mich nur, was du hier willst.“ Sofort kam Castiel sein eigentliches Anliegen wieder in den Sinn, was er bei Bobbys Anblick völlig vergessen hatte. Eigentlich hatte er Bobby nur fragen wollen, wo Dean steckte, da er ihn mittlerweile nicht mehr orten konnte. Castiel brauchte seine Hilfe, er konnte sonst niemanden fragen. Sein Blick fiel wieder auf Bobby. Er wirkte noch immer so angeschlagen … traurig. „Kann ich dir helfen, Bobby?“ Der Jäger schaute ihn verblüfft an, so als ob er nicht glauben könnte, was er da hörte. Castiel hatte eine solche Reaktion nicht erwartet. Eigentlich wusste er nicht, was für eine Reaktion er erwartet hatte. Er kannte die Menschen noch nicht halb so gut, wie er dachte. Manchmal verstand er sie einfach nicht. „Du fragst tatsächlich, ob du mir helfen kannst? Du?“ Seine Stimme wurde lauter, klang eindeutig sauer. Damit hatte Castiel gerechnet. Bobby benutzte Wut, um sein Leid zu überspielen. Vielleicht suchte er auch jemanden, um ihm die Schuld zu geben. Schuld an der Situation, für die niemand etwas konnte. „Ich kann mir vorstellen, dass es nicht-“, fing Castiel an, doch wurde von Bobby unterbrochen. „Du kannst dir gar nichts vorstellen. Du bist ein Engel, Castiel. Du kannst fliegen und du kannst noch so viel mehr.“ Bobby wedelte wild mit den Armen. „Warst du schon mal eingesperrt? Gefangen?“ Castiel nickte und erinnerte sich noch zu gut an dem Tag, wo er zurück in den Himmel geschickt worden war, um seine Lektion zu lernen. Gefangen war ein netter Ausdruck dafür. Er hatte nichts mehr tun können. Bobby durchbohrte ihn mit seinem Blick. „Aber warst du auch schon mal in deinen eigenen Körper gefangen?“ Er machte eine kurze Pause und musterte den Engel intensiv. Castiel wusste, worauf er hinaus wollte. Er wollte auf die Tatsache hinaus, die unumstößlich war. Dass Bobby nie wieder laufen konnte. „Du willst soviel machen, kannst es aber nicht“, fuhr er unbeirrt fort, sich wohl das erste Mal sein Leid von der Seele redend. Castiel hörte zu, denn vielleicht konnte er ihm genau so helfen. „Ich bin ein Jäger, verdammt. Ein Jäger, der nicht mehr laufen kann. Wie soll ich den Jungs denn so noch eine große Hilfe sein?“ Er wirkte erschöpft, als ob er es leid wäre, das alles noch länger durchzumachen. Castiel gefiel es nicht, Bobby so zu sehen. „Bobby, du musst wissen, Gott geht manchmal Wege, die für uns nicht verständlich sind.“ „Gott?“, kam es entrüstet von Bobby. „Cas, sag, wie läuft denn deine Suche nach Gott?“ Den gleichen Tonfall, den Dean so oft benutzte. Sarkasmus, hatte Dean es genannt. „Es läuft-“, fing Castiel an, brach jedoch ab. Er wusste selbst nicht, wie es voranging. Er hatte zwar eine Spur, aber nur zu einem Erzengel, der vielleicht einige Informationen hatte. Vielleicht wollte Gott auch gar nicht gefunden werden. Bobby stieß ein lautes „Ha!“ aus, schob seinen Rollstuhl um den Schreibtisch herum, genau auf Castiel zu, nur um dann strikt an ihm vorbei zu fahren. „Komm wieder, wenn du ein bisschen Hoffnung gefunden hast“, meinte er im Vorbeifahren. Castiel drehte sich um und schaute Bobby nach. Hoffnung. Das bedeutete für Bobby wohl eine Aussicht darauf, wieder aus diesem Stuhl aufstehen zu können. Vielleicht wäre es möglich, wenn er Gott gefunden hatte. Aber Castiel machte sich nichts vor. Gott würde Bobby nicht helfen, er hatte sich nie in die Angelegenheiten der Menschen eingemischt. Nur in besonderen Fällen, zumindest soweit es Castiel bekannt war. Bobby musste wohl damit leben, nie wieder laufen zu können. Den Winchesters nicht mehr in gewohnten Maße helfen zu können. Aber Bobby würde das schaffen. Er war stark … oder nicht? Ein kurzer Gedanke und Castiel stand wieder vor Bobby, diesmal in der Küche. Ein weiters Mal zuckte der alte Jäger zusammen. „Cas, verdammt, die paar Schritte hättest du auch laufen können.“ Das Wort „laufen“ betonte Bobby extra stark. Castiel ließ sich davon jedoch nicht beirren. Er musste ihm noch etwas sagen. Etwas, was keinem Aufschub duldete. Der Engel hatte sich kurz gewagt, in Bobbys Gedanken zu lesen. Er war sich einfach nicht sicher, hatte Bobby nicht genügend einschätzen können. Und was er gesehen hatte, gefiel dem Engel nicht. Bobby gab sich selbst auf, dachte, dass er zu nichts mehr zu gebrauchen wäre. Dass keiner mehr seine Hilfe benötigte, jetzt da er in diesem Zustand war. „Du bist noch hier“, sagte Castiel nur. „Das ist ja auch schließlich mein zu Hause“, spottete Bobby und versuchte irgendwie an Castiel vorbei zu kommen, doch der Engel ließ es nicht zu, dabei bewegte er sich nicht einmal. Er musterte Bobby, der mit jeder Sekunde wütender wurde. Ob er ihn gleich anschreien würde? Bobby schrie selten, er war immer beherrscht, zumindest soweit der Engel das bisher eingeschätzt hatte. Aber jetzt war Castiel sich da nicht mehr so sicher. Bobby hatte sich verändert. „Ich meine, dass du noch hier bist“, wiederholte Castiel, weil Bobby wohl nicht den Sinn verstanden hatte. „Du lebst noch“, betonte der Engel. „Danke für diese Information“, meinte Bobby und war dabei, den Rollstuhl nach hinten zu bewegen. Castiel bemerkte das und hielt ihn auf. „Du lebst noch, Bobby. Es gibt keinen Grund, aufzugeben. Du kannst noch so vielen Menschen helfen. Und erst Recht Dean und Sam.“ Bobby sah den Engel lange an. Er schien zu überlegen, ob er darauf etwas antworten sollte. Er sah immer noch wütend aus und es war nicht zu übersehen, dass ihm diese Worte überhaupt nicht halfen. „Was willst du eigentlich hier?“, fragte Bobby schließlich, bemüht, seine Stimme ruhig klingen zu lassen. „Ich wollte eigentlich nur erfahren, wo Dean sich aufhält.“ Das war die Wahrheit. Castiel sagte nichts weiter, denn es gab nichts mehr zu sagen. Castiel spürte, dass er Bobby so nicht erreichen konnte. Er war nicht die richtige Person für diese Aufgabe. „Soviel ich weiß ist er in Greeley, Pennsylvania.“ Castiel nickte, um zu signalisieren, dass er verstanden hatte, blieb jedoch noch an Ort und Stelle stehen. „Also los, verschwinde endlich“, wurde Bobby nun doch wieder etwas lauter. „Hau endlich ab.“ Castiel musterte Bobby noch kurz, dann, nicht ganz sicher, ob es wirklich richtig war, jetzt zu gehen, verschwand er. Kapitel 4: Puzzle ----------------- Charaktere: Sam, Dean Genre: Alltag Spoiler: keine Puzzle „Nein, Dean, das ist falsch“, gab Sam kindlich unschuldig von sich, was seinen großen Bruder jedoch in keinster Weise milder stimmte. Seit sie hier gemeinsam am Tisch saßen, hatte Sam nichts Anderes getan, als Dean zu verbessern. Er meinte es wahrscheinlich gar nicht böse, aber von einem Fünfjährigen gesagt zu bekommen, was richtig und was falsch war, war doch ein bisschen deprimierend. Besonders ein Dean Winchester konnte diese Art der Niederlage nicht hinnehmen. Trotzig tat Dean was er für richtig hielt und legte den Gegenstand an den Platz, der ihm passend erschien. Sofort griffen die kleinen Hände von Sam dazwischen, versuchten seinen großen Bruder von seiner Tat abzuhalten. „Das ist falsch“, beharrte Sam stur. „Nein, das ist richtig“, meinte Dean beleidigt, drückte Sams Hand sanft zur Seite und fuhr mit seinem Vorhaben fort. „Dean!“ Sams Stimme zitterte und keine zwei Sekunden später flossen die ersten Tränen. Dean seufzte. Sam hatte immer noch einen Trumph im Ärmel. Klein, süß, unschuldig. Ein paar Tränen und um Dean war es geschehen. Sachte streichelte er ihm über den Kopf. „Beruhige dich, Sammy. Du hast ja Recht. Es ist nur unfair, dass du das so viel besser kannst, obwohl du erst fünf bist.“ Nun strahlte Sam wieder über das ganze Gesicht. „Es ist doch ganz einfach, Dean.“ Dean schnaubte hörbar. „Einfach?“, fragte er ungläubig. Aus hundert Meter Entfernung auf eine Dose schießen war einfach. Jemanden etwas vorzuspielen, damit man an Dinge kam, die man benötigte, war einfach. Seinem Vater zu gehorchen war einfach. Aber ein kleines, unscheinbares Puzzle konnte so verdammt schwer sein. Sam nahm das Puzzleteil aus Dean's Hand. „Das ist ein kleines bisschen zu dunkel. Das passt da nicht hin.“ Er legte es zurück auf den Tisch, ließ seinen Blick kurz über die anderen Teile schweifen. Schließlich hatte er eins ausgesucht, nahm es und legte es Dean in die Hand. „Das müsste aber das Richtige sein. Probier es mal aus“, forderte er Dean auf. Dean betrachtete skeptisch das Puzzleteil auf seiner Handinnenfläche und schaute dann verdutzt zu seinem kleinen Bruder. Manchmal war er schon so erwachsen, dass man gar nicht glaubte, dass er erst fünf Jahre alt war. Aber er tat Sam den Gefallen und probierte das Stück an der Stelle, wo er das letzte Teil hatte hinlegen wollen. Mist, es passte wirklich. Warum war Dean nur so schlecht im Puzzlen? Er zeigte seinem Bruder ein verlegenes Lächeln. „Glückstreffer!“ Sams Lächeln wurde noch breiter. „Du bist einfach nicht gut im Puzzlen, Dean“, bemerkte Sam. Dean ballte unwillkürlich seine Faust. „Sam!“, fuhr er ihn scharf an. „Aber das ist nicht schlimm“, machte Sam weiter, ohne auf den kleinen Ausbruch seines Bruders einzugehen. „Es ist lieb von dir, dass du es trotzdem mit mir machst, obwohl du es nicht magst.“ Er schenkte Dean ein freudiges, dankbares Lächeln. Dean hingegen blieb ernst, wuschelte Sam nur einmal kurz durch die Haare. „Dafür spielen wir gleich eine Runde Karten. Und glaub bloß nicht, dass ich dich gewinnen lasse, nur weil du kleiner bist.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)