Saga of the Northern Winds von Mizael ================================================================================ Kapitel 1: Begegnung -------------------- Es hatte über Nacht stark geregnet, deshalb befand sich kein Mensch auf den Straßen der Stadt. Die Welt spiegelte sich in der Nässe. Es war sehr ruhig und friedlich, in der Stille konnte man einzelne Tropfen hören, die von Dachrinnen, Blättern und Laternenpfählen fielen. Manjoume Jun lehnte am Fenster der kleinen Wohnung, die er sich vor 2 Monaten gemietet hatte und sah mit leerem Blick dem trägen Schauspiel des Lebens zu. Dieser Traum von gestern Nacht... er ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Der junge Mann hatte schon seit Wochen keinen ruhigen Schlaf mehr gehabt. Immer wieder sah er, wie sein Freund ihm direkt gegenüber stand und monoton 'Es tut mir leid.' flüsterte. Immer wieder spürte er den Schmerz in seinem Arm. All dies musste doch irgendeine Bedeutung haben. Aber welche? Diese Frage blieb ihm unbeantwortet. Jun schleppte sich in die kleine Küche, um sich etwas zu Essen zuzubereiten. Er hatte schon gestern nichts heruntergebracht, trotz seines knurrenden Magens. Lange hielt er das nicht mehr aus. Ich glaube, ich werde noch richtig krank... das hätte mir gerade noch gefehlt... Mühsam knabberte er an dem einfachen Reisbällchen herum, doch so richtig wollte er es einfach nicht essen. Dieser merkwürdige Traum machte ihm zu viele Gedanken. Nach ein paar Minuten legte er das Bällchen wieder auf den Teller zurück, stellte diesen weg und ging zurück zu dem kleinen Bereich den er zum Schlafen nutzte. Dort warf er sich aufs Bett und starrte an die weiße Decke – die ihn wiederum an den vermaledeiten Schnee erinnerte. Er hatte einfach keine Ablenkung: Bücher las er eh nicht gern, einen Fernseher hatte er noch nicht und sein Laptop brachte ihm auch nicht viel ohne Internet-Verbindung. Also schnappte er sich seine schwarze Regenjacke und trat, nach einer Ewigkeit wie es ihm schien, wieder ans Tageslicht. Die Sonne, welche es geschafft hatte den Kampf um den Himmel gegen die Regenwolken zu gewinnen, blendete ihn so sehr, dass er die Hand schützend vor die Augen halten musste. „Schade, dass die Sonne keinen Schalter hat... dann könnte man sie ausschalten, um nicht andauernd geblendet zu werden..“, murrte Jun und versuchte, die Kapuze der Jacke so in sein Gesicht zu ziehen, dass er nicht zu sehr geblendet wurde und zugleich noch etwas zwischen Jacke und rabenschwarzen Haaren sehen konnte. Wie spät war es? Er hatte nicht auf die Zeit geachtet. Er schlenderte durch die leeren Straßen; es kam ihm so vor, als wäre er der einzige Mensch auf diesem Planeten. Es war ihm nicht bewusst wohin ihn seine Füße trugen. Tautropfen vielen von den Blättern der Bäume über seinem Kopf und streiften seine Hand. Wieder erinnerte es ihn an den Schnee. Nach einer gefühlten halben Stunde hatte er sein Ziel erreicht. Er hatte nicht gemerkt, dass er direkt zu dem Hochhaus gegangen war, in dem Yuuki Juudai, seitdem er die Duel Academia verlassen hatte, wohnte. Ihm fiel auf, dass er in letzer Zeit immer wieder in der Nähe dieses Jungen landete, wenn er nicht aufpasste, wo er hin ging. Hat der Typ irgendwie Magnetstaub oder so was in der Art gefuttert oder wie? Bei dem was er alles isst kann das ja vorkommen..., ging es Jun durch den Kopf und musste lächeln. Es war ein ziemlich verkrampftes Lächeln, eher ein Zucken der Mundwinkel - aber immerhin ein Anfang. Jun beschloss, seinen ärgsten Rivalen und gleichzeitigen Freund zu besuchen. Er musste nur kurz warten, als er auch schon hereingebeten wurde. Der etwas größere Juudai bot ihm einen Platz auf dem orangefarbenen Sofa inmitten seines Wohnzimmers an. Als sie sich beide gesetzt hatten, kam der Brünette sofort zur Sache. „Was ist denn los mit dir?“ Jun lehnte sich zurück und sagte erst einmal gar nichts. Dann begann er mit heiserer Stimme zu sprechen. „Also... ich habe seit kurzem so einen... einen Traum. Der geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Das macht mich echt wahnsinnig!“ „Erzähl mir doch einfach mal was du geträumt hast.“ Juudais sonst so schokobraune Augen verfärbten sich; das linke Auge nahm ein kühles blau, das rechte ein grelles Orange an. Nun konnte Jun nicht mehr verheimlichen, dass die Person die in dem Traum bei ihm gewesen war ein und dieselbe wie die auf dem Sofa sei. Er begann zu erzählen. Yuberu-Juudai hörte aufmerksam zu, unterbrach ihn kein einziges Mal. So, wie er es sich nun von der Seele reden konnte wurde ihm leichter ums Herz, dieses drückende, unruhige Gefühl verschwand schleichend. Nun, da er die Geschichte von der Seele hatte, konnte er nun ruhig weiter schlafen? Juudai schloss die Augen. „Es... hört sich ganz nach einer Vision an. Kein Alptraum. Irgendetwas will dir – oder uns – etwas mitteilen. Egal was es ist, wir müssen es herausfinden!“, sagte er mit der Stimme des Duel Monsters welches sich in seiner Seele eingenistet hatte. Jun hätte am liebsten den Kopf auf die Tischplatte gehauen. „Nein! Ich will nichts mit diesem Schwachsinn zu tun haben, Yuuki! Es reicht mir schon, überhaupt so einen Mist in meiner Fantasie zu haben. Lass mich damit in Ruhe...“, antwortete Manjoume aufgebracht und stand auf. „Bitte...“, fügte er leise hinzu, ohne Juudai anzusehen. Der Brünette musterte ihn argwöhnisch. „Aber -“ „Lass mich in Ruhe!“ „Und wieso kommst du dann überhaupt zu mir, wenn ich fragen darf?!“ Der Satz hatte gesessen: Jun lief sofort rot an und wäre am liebsten vor Scham im Boden versunken. Juudai kicherte mit einem gemeinen Unterton. „Gib's doch zu: Du magst mich mehr, als du's dir eingestehen willst, hab ich recht?“, frohlockte er. Jun war peinlich berührt, er brachte kein Wort heraus. „Naja... ähm.. i-ich-“, stotterte er. Juudai genoss den Anblick des sonst so arroganten, Möchtegernreichen Angebers, mit dem er sich tatsächlich irgendwie im Laufe der Zeit angefreundet hatte. „Ach, wie süß~“, säuselte er mit der weiblichen Stimme des Duel Monsters. „Nenn-mich-nicht-süß!“, zischte der Ältere und lief noch röter an, was Juudai erstaunte, dass es tatsächlich noch dunkleres Rot gäbe. „Na gut, ich lass dich ja in Ruhe.“ Juudais Augen wurden wieder normal. „Ich werde die anderen mal informieren. Das hört sich ganz und gar nicht nur nach einem einfachen Alptraum an...“ Den zweiten Teil sagte er mehr zu sich selbst, als zu seinem Freund. „Wenn du meinst.“ Jun setzte zum Gehen an, doch Juudai hielt ihn fest. „Wollen wir nicht zusammen in die Stadt gehen? Vielleicht bringt uns das auf andere Gedanken.“ Das besorgte Gesicht des ehemaligen Osiris wich sofort wieder einem Lächeln. Ohne darüber nachzudenken nickte Jun. Er fühlte sich eh zu diesem Jungen hingezogen, auch wenn er sich nicht eingestehen wollte, warum. Still gingen die Jungen durch die belebte Innenstadt. Es mussten wohl einige Stunden vergangen sein seitdem Jun seine Wohnung verlassen hatte. Passanten schubsten sie unabsichtlich aneinander. Diese Augenblicke nutzte Jun um flüchtig Juudai anzusehen, dieser bemerkte es jedoch (zum Glück) nicht. Sie gingen zu einem kleinen Café, welches eher etwas abgelegen vom städtischen Trubel war. Allgemein war es hier viel lebhafter als in dem Viertel in dem Manjoume lebte. Die Jungen nahmen an einem der hinteren Tische Platz. Während Juudai die Getränkekarte studierte, blickte Manjoume nach draußen. Was ist nur mit mir los? Was passiert hier...? In ewige Dunkelheit gebannt, ewige Stille. Weder Zeit noch Licht existieren in dieser Welt... Diese dunkle, kalte Stimme. Sie gehörte einem Wesen voller Bitterkeit und Hass. Ihre Existenz galt nur dem einen, sie selbst war nur ein Teil dieses Wächters und es wurde nur dieser gesehen, sie selbst galt als das Übel. Den Tag darauf hatte Juudai alle anderen erreicht. Sie trafen sich wieder in dem Café, in welchem er zuvor mit Manjoume gewesen war. Tenjouin Fubuki und Marufuji Ryou warteten bereits auf sie. Die beiden teilten sich derzeit ein Apartement in welchem vorher die beiden Marufuji-Brüder gelebt hatten. Weder Manjoume noch Juudai kannten den Grund, warum Shou Hals über Kopf ausgezogen war und Fubuki, welcher aufgrund Ryous Gesundheitszustand recht häufig vorbei schaute und sich um ihn kümmerte, dessen Platz einnahm. Shou hatte sich allgemein recht zurück gezogen und meldete sich auch eher selten und widerwillig bei Juudai. „Ihr seid mal wieder viel zu pünktlich“, bemerkte Juudai mit seinem typischen Lächeln auf den Lippen und setzte sich auf die Bank gegenüber dem ehemaligen Kaiser. „Wie geht es dir?“, fragte Juudai diesen, doch der junge Mann mit dem dunkelgrünen Haar antwortete mit Schweigen. Fubuki kam gleich zur Sache. „Was ist los?“ Doch bevor Manjoume anfangen konnte zu reden stieß der kleinere Marufuji hinzu. Er war verändert. Dunkle Kleidung, eine Brille mit schmalen eckigen Gläsern und dunklem Rand und das Haar hatte er kürzer geschnitten. Man konnte ihn zwar eindeutig erkennen, aber er entsprach nicht mehr dem Bild, was man von ihm sonst kannte. Shou grüßte nicht, er schwang sich auf den Stuhl am oberen Ende des Cafétisches und musterte die anderen mit einem für ihn nicht gerade üblichen finsteren Blick. Die Jungen musterten ihn argwöhnisch woraufhin der Kleine nur ein genervtes „Was?“ zischte und die Arme verschränkte. Da er immer noch komisch angeschaut wurde, sagte er: „Ich dachte es geht hier um Manjoume-kun und nicht nicht mich. Also sag an.“ Und er begann zu erzählen. „Das klingt wirklich nach einer Art Vision, Manjoume-kun. Wirklich, du solltest das nicht so leicht nehmen.“, meinte Fubuki und trank einen Schluck Kaffee. „Mhm.“, machte Jun. Er wollte einfach nichts mehr davon hören, von dieser blöden 'Vision'. Shou rührte unruhig in seinem Cappuccino herum. „Hm... also ich bin mir nicht so sicher, was ich davon halten soll. Es kann vielleicht auch nur irgendein schwachsinniger Alptraum sein und nichts weiter...“ Ryou sagte nichts. Jun senkte den Blick auf seine Knie, schüttelte den Kopf. „Ich wünschte, es wäre so. Es ist unheimlich.“ „Du, Shou-kun? Seit wann bist du eigentlich so... direkt? Ehrlich, du wirst mir langsam unheimlich.“, sagte Fubuki und rutschte ein Stück von dem kleinen Jungen weg. Dessen Bruder war nun endlich bereit sich zu äußern. „Du hättest ihn sehen sollen, wie er manchmal Leute zusammen scheißt. Aus dem Kleinen hier -“ - Dabei deutete er auf Shou- „- wird endlich mal ein Mann.“ Ryou grinste. „Hahaha“, ließ Shou ein ironisches Lachen ertönen. „Hör auf dich über mich lustig zu machen.“ „Das tue ich doch überhaupt nicht.“, wich dieser aus. „Jetzt sei ehrlich, du tust es eh schon die ganze Zeit!“, kam es von dem Kleineren. „Seid beide doch einfach ruhig!“ Fubuki hielt diese ständigen Auseinandersetzungen der beiden Brüder nicht mehr aus. „Könnt ihr nicht wenigstens einmal so nett sein, und nicht andauernd streiten?! Es nervt bis zum geht nicht mehr!“ Er musste fast schreien um die zankenden Geschwister zu übertönen. „Ich habe es endlich geschafft nicht mehr so ängstlich zu sein wie früher. Aber das passt euch anscheinend auch nicht.“, verteidigte sich Shou. „Nicht mehr so ein Angsthase zu sein heißt aber nicht automatisch dass man anfangen muss durch die Gegend zu brüllen.“, konterte Ryou. „Was ist dein Problem?!“, keifte der Kleinere. „Du“, meinte Ryou und stellte seinen Tee wieder auf den Tisch. Shou sagte nichts mehr und ließ seinen Ärger durch eisige Blicke verpuffen. Juudai musste lächeln. Shou zuzusehen war recht lustig, vor allem seine Wutausbrüche. Die finstere Miene die er vor kurzem noch an den Tag gelegt hatte war plötzlich verschwunden. Nun hatte auch Manjoume seinen Kaffee ausgetrunken. „Ich gehe. Das wird mir hier zu blöd.“, murrte er und machte Anstalten aufzustehen. Shou stand ebenfalls auf. „Ich muss auch los. Hab noch was wichtiges vor.“ „Öh, was denn?“, fragte Juudai. „Ach...“ Shou zupfte an einer seiner Haarsträhnen. „So ganz zufrieden bin ich damit noch nicht wirklich.“ Shou drehte sich um und ging. „Womit ist er denn nicht zufrieden?“, fragte Juudai, den Blick zu Ryou und Fubuki gewandt. Ohne Juudai anzusehen, murmelte Ryou etwas unverständliches, immer noch ein wenig gereizt von dem Auftreten seines kleinen Bruders. „Kaiser, rede doch bitte mal vernünftig mit uns.“, erwiderte Juudai. „Shou geht mir auf den Geist mit seinem Gehabe. Er meinte letztens, er will seine Haare dunkel färben. Ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist. Seitdem er nicht mehr bei uns wohnt ist er völlig durchgedreht.“, sagte Ryou in gereiztem Ton und stellte seine Tasse so hart auf, dass der halbe Inhalt über den Rand schwappte und sich auf dem Tisch verteilte. Fubuki verschluckte sich an seinem Kaffee, hustete und sagte belustigt: „Bitte was? Shou und schwarze Haare. Also das kann ich mir nicht vorstellen.“ „Ja, du hast richtig gehört, er will sich die Haare schwarz färben.“, meinte Ryou mit entnervtem Unterton. „Na, wie soll das denn bitte aussehen?“, meinte Fubuki und schüttelte den Kopf. Juudai kicherte. „Na so wie Manjoume.“ Für dieses Kommentar holte er sich eine Kopfnuss von besagter Person ein. Fubuki brach bei der Vorstellung von Shou-kun mit Manjoumes Frisur in schallendes Gelächter aus. „Nii-san, Klappe!“, keifte Manjoume, doch der junge Mann hörte nicht auf ihn. „Fubuki Tenjouin, jetzt sei ruhig, oder ich mach dir Spiegeleier!“, zischte Jun. Er versuchte, dem Älteren eine Ohrfeige zu verpassen, verfehlte ihn jedoch und warf fast Ryous Tee vom Tisch, den dieser im letzten Moment noch vor dem tobenden Jungen retten konnte. „Vorsicht!“ Jun kochte vor Wut. Die Bedienung sah argwöhnisch zu den Jungen hinüber. Fubuki brauchte noch ein bisschen, um sich von seinem Lachanfall zu erholen, dann war er ruhig. Leider nutzte Juudai die gereizte Stimmung aus, und musste ihn wieder zum Lachen bringen, indem er meinte, wie wohl Ryou mit pinkfarbenen Haaren aussehen würde. „Yuuki-kun!“, kam es von zwei recht genervten schwarzgekleideten Männern, worauf sich der Brünette in Sicherheit bringen musste. „Ich halte ihn fest, und du würgst ihn.“, murmelte Ryou so leise, dass es nur Jun hören konnte. Der grinste und meinte: „Okay.“ Während sich die Jungen weiter kabbelten, hatte jedoch eine andere Person völlig andere – vor allem ihr wichtigere Dinge – zu tun. Das Lachen eines Kindes klang aus der ewigen Stille. Ein Lachen, welches in dieser Einsamkeit in ein klägliches Weinen überging. Blonde wirre Locken umspielten ihr fast noch kindliches Gesicht, traurige leere Augen schauten in die weite Ferne dieser Düsternis. Das Mädchen begann in der Dunkelheit zu tanzen und leise zu singen. Ihre Kleidung war zerfetzt und dreckig, an ihren Armen und Beinen waren tiefe Schrammen zu sehen, ihr linker Arm schien mehrmals gebrochen zu sein, aber es kümmerte sie nicht. Sie sang eine unbekannte traurige Melodie, welche durch ihre helle Stimme einen eigenartigen Klang bekam. Plötzlich blieb sie abrupt stehen und schlug mit der bloßen Hand in die Dunkelheit ein. Das Schwarz bekam Risse und zersprang wie ein Spiegel. Das Mädchen lächelte und griff mit einer Hand in das Loch. „Nun bist du frei.“, flüsterte sie, immer noch mit dem Lächeln auf den Lippen. Die Dunkelheit zerbrach, die Ebene wechselte und sie stand nun in einem ebenso dunklen Raum ohne Boden. Welcher Ort auch immer dies war, sie fiel nicht, als würde eine unsichtbare Kraft sie dort festhalten. Das Mädchen lachte wieder. Es klang nicht nach dem Lachen eines Kindes. Es war boshaft. „Nun...“, sagte sie in die Stille hinein. Ihr Blick war auf etwas in dem dunklen Raum gerichtet. Der Schatten regte sich. Violette Augen blitzten dem Mädchen entgegen. „... ich habe dir deinen Wunsch erfüllt. Und nun wirst du mir helfen.“, sagte das Mädchen gebieterisch. Sie hob eine Hand und eine goldene Lichtkugel erschien darin. „Ich habe ein Geschenk für dich.“ Die Lichtkugel wurde größer und es materialisierte sich ein weiblicher Körper daraus. Es war die Gestalt einer jungen Frau, nicht besonders groß, aber sehr schön. Sie hatte goldenes Haar wie das Licht aus welchem sie entstand, goldgelbe Kleidung einer orientalischen Tänzerin umspielten ihren schlanken Körper. Die junge Frau schien in Trance, sie schien nicht mal im Stande zu sein sich aufrecht zu halten und sank auf den Boden. Das Mädchen ging um sie herum, immer noch auf die violetten Augen ihres Gegenübers gerichtet. Der jungen Frau welche sie gerade durch ihre Energie erschaffen hatte schien sie nicht zu interessieren. „Sie wird dir dabei behilflich sein, das Licht zu finden.“ Wieder hob das Mädchen ihre Hand, deutete damit auf die Gestalt hinter ihrem Rücken und das Bild verzerrte sich. Aus der jungen Frau wurden vier, sie unterschieden sich nur in der Farbe ihrer Kleidung, Haar und Frisur. Das Mädchen schenkte den Gestalten hinter sich nach wie vor keine Beachtung und kam dem Wesen dafür viel näher. Sie betrachtete es immer noch mit einem eigenartigen Lächeln. Schwarzes welliges Haar umrahmte das spitze Gesicht der Frau, der sie gegenüberstand. Sie war leichenblass, auf ihrer Stirn trug sie eine Art silbernes Diadem auf dem ein Opal eingelassen war. Kalte violette Augen waren die einzige erkennbare Farbe die sie auszeichnete, der Rest ihres dünnen Körpers war in tiefes Schwarz gehüllt. „Steh auf!“, befahl das Mädchen. Der Blick ihres Gegenübers verfinsterte sich. „Ich sagte: Steh auf!“, rief das Mädchen und zwang sie mit einer kurzen Bewegung ihrer Finger in eine aufrechte Position. Es war eine negative Energie, die das Mädchen beherrschte. „Na geht doch“, frohlockte sie. Endlich begann die Frau zu sprechen. „Mag sein, dass ich deine Hilfe beansprucht habe um aus diesem Elend zu entfliehen, aber dennoch -“ Sie machte eine ruckartige Bewegung mit ihrem linken Arm um ihrer Haltung wieder Würde zu verleihen - „bedeutet das nicht, dass du mich behandeln kannst wie einen Hund.“ „Tue ich das?“, fragte das Mädchen mit einem naiven Unterton, doch sie beachtete das verärgerte Gesicht der Frau nicht. Sie war sehr groß gewachsen und hatte stark androgyne Züge. Nur anhand ihrer Stimme und ihren langen Fingernägeln konnte man ihr Geschlecht erahnen. Schweigen. „Nun, Narçziss. Ich gebe dir diese Marionetten um auf der Erde das Licht zu finden und es hierher zu bringen. Noch haben wir nicht die Kraft uns selbst dort hin zu begeben, aber sobald Kami sie gefunden hat, wirst du mir helfen können meine unendliche Macht wieder zu erlangen. Und dann...“ Das Mädchen drehte sich und sah auf die vier Gestalten auf dem Boden hinunter. „Dann sind wir endlich frei!“ Das Mädchen verschwand mit einem widerhallenden Lachen. Narçziss ballte die Hände zu Fäusten. „Nur unser Sieg zählt...“, flüsterte sie. „Dann wirst DU mein Schatten für alle Ewigkeit sein.“ Sie hob den Kopf und schaute nach oben gen Himmel. Tatsächlich sah man dort oben einen Himmel, doch nicht denselben den man von der Erde kannte. Es war eine Art Spiegel der sie von oben trennte. Silbrige Wolken durchzogen den Himmel, welcher auf der einen Seite strahlend hell und der anderen in sanfter Dunkelheit verschwand, einer anderen Dunkelheit als wie sie hier herrschte. Es war ein Spiegel welcher diese Ebenen trennte. Man konnte von beiden Seiten zur anderen sehen, doch keine von ihnen beachtete die andere wirklich. Der Spiegel war jedoch nicht vollkommen. Seit einiger Zeit bekam der Spiegel Risse, welche von Tag zu Tag tiefer wurden. Narçziss wusste warum. Ihr Gegenstück fehlte seit eben dieser Zeit. Doch sie wusste nicht warum, wo dieses Gegenstück sich aufhielt noch weshalb es nicht mehr da war. Es existierte, doch es war verschwunden. Ohne Vorwarnung. Und der klägliche Ersatz den man brachte war nicht vollkommen. Auch wenn sie mit ihrem Gegenstück verbunden war, ihre negative Natur ließ sie das Band zwischen ihnen zerbrechen. Auch wenn sie wollen würde, sie würde sich nicht erinnern können wo er war. Es waren nur verschwommene nichts sagende Bilder in ihrem Kopf. Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als sich die Gestalten auf dem Boden vor ihr begannen zu regen. Eine der Kopien, violettes Haar und fliederfarbene Kleidung, erhob sich und fragte mit zitternder Stimme: „H-Herrin... womit kann ich ihnen dienen?“ Sie erhob sich, nahm all ihre Kraft zusammen um aufrecht zu stehen. Narçziss machte eine flinke Bewegung mit ihrer rechten Hand und negative Energie durchflutete den Körper der kleinen Tänzerin. Die Energie stärkte das Mädchen und sie verneigte sich vor Narçziss. „Dancing Warrior Kaname ist mein Name.“ Narçziss war wenig beeindruckt. Diese Marionetten, wie ihre Befreierin sie nannte, waren gar nicht ihr Stil. Doch sie nahm ihre 'Hilfe' an. „Deine Aufgabe ist es, den Menschen zu finden welcher das Licht in sich trägt. Du wirst es anhand seiner unglaublichen Energie finden. Duelliere dich mit diesem Menschen, daran wirst du es erkennen. Bring ihn mir hierher. Lebendig.“ „Natürlich, Herrin.“, sagte Kaname, verbeugte sich abermals und verschwand. Abermals erwachte Jun mit schmerzendem Handgelenk aus seinem immer wiederkehrenden Alptraum. Schweißgebadet und schnell atmend, als wäre er einen Marathon gelaufen, setzte er sich in seinem Bett auf nur um sich dann an die ebenfalls schmerzende Stirn zu fassen. Ihm war schrecklich heiß und kalt zugleich. Habe ich vielleicht bloß Fieber? Er ging ins Bad, um sich ein wenig Wasser ins Gesicht zu spritzen. Erst einmal beruhigen. Irgendwann würden diese Alpträume schon weggehen. Als er mit tropfendem Haar in den Spiegel sah, blieb ihm fast das Herz stehen. In der hintersten Ecke des kleinen Zimmers lehnte sich Juudais Duellgeist und Seelenpartner Yuberu an die Wand und lächelte ihn an. Zwar war das Monster nicht wirklich da, sondern bloß ihre Seele, jedoch sah sie aus, als wäre sie aus Fleisch und Blut. „Na, erschrocken? Manjoume-kun ~“ Ihr Lächeln wurde breiter. „Was willst du von mir?“, fauchte er. „Oh, was werden wir gleich aggressiv... dabei bin ich doch nur hier, um dir Gesellschaft zu leisten.“ „Verschwinde!“ Jun drehte sich abrupt um und sah ihr nun direkt ins Gesicht. Yuberu hatte sich in den letzten Monaten um einiges verändert. Das einst wirre, schulterlange Haar war nun glatt und ging ihr bis zur Taille. Sie sah weiblicher aus – trotz der linken männlichen Seite ihres Körpers. Die einfachen schwarzen verdeckten Teile ihrer Weiblichkeit waren nun verschlungener und sahen nun mehr nach einem Muster als einer „Abgrenzung“ ihrer beiden Geschlechter aus. Yuberu stützte einen Arm an ihre rechte Hüfte und schnaubte. „Wie unfreundlich. Ich erwarte anscheinend zu viel von dir, Manjoume. Höflichkeit gehört nicht unbedingt zu deinen Stärken, hab ich recht?“ Ihr Gegenüber sah zu Boden. Er wollte Yuberu nicht zu sehr reizen. Man wusste schließlich nie, was sie mit einem – auch außerhalb der anderen Dimensionen – anstellen konnte. „Dein Traum, Manjoume.“ Er sah zu ihr auf. Yuberu sah besorgt aus. Sie kam ein wenig näher zu Manjoume und schloss die Hände zusammen vor ihrem Bauch. „Juudai und die anderen haben recht. Das ist wirklich mehr als nur ein Alptraum. Irgendetwas – höchstwahrscheinlich eine neue Gefahr – wird auf uns zukommen. Und es ist ganz in der Nähe.“ „Pah.“ Jun verschränkte die Arme und lehnte sich gegen das Waschbecken. „Juudai ist doch da und wird uns alle wieder retten, so wie immer. Also warum kommst du zu mir?“, murmelte er mit einem ironischen Unterton. Yuberu schloss die Augen. „Weil du derjenige bist mit den Träumen und nicht Juudai. Demnach hat es diesmal vielleicht mehr mit dir zu tun als mit ihm.“ „Mal zur Abwechslung?“ Jun konnte sich das Grinsen nicht verkneifen. Was für ein Schwachsinn! „Ehrlich, ich glaube diesen ganzen Mist nicht. Ich habe wahrscheinlich nur Fieber bekommen von dem ganzen Stress mit der Wohnung und so weiter.“ „Nach alledem, was du bisher mit den anderen durchgemacht hast?“, fragte das Monster. Sie musterte Jun mit ernster Miene. Er wusste worauf sie hinaus wollte. Erst die Sache mit den drei Phantom Ungeheuern, die unter der Duel Academia vergraben waren. Dann Saiou und Hikari no Kessha, Obelisk White. Nur ein Jahr später dann Yuberu selbst, die 12 Dimensionen, die Welt der Duel Monster. Und schließlich Honest und Trueman, das Mysterium um Yuusuke Fujiwara. Ja, sie hatte recht. Es war möglich. „Gut... ja, du hast recht. Aber lass uns das bitte woanders klären, denn ich glaube nicht dass man so etwas in einem hässlichen Badezimmer wie diesem tun sollte.“ Jun lag eine leichte Röte im Gesicht, als er sich in dem Raum umsah, den er als sein Eigentum bezeichnete. Yuberu lächelte. „Na schön. Dann komm.“, sagte sie mit einem leichten Kichern. Jun geleitete seine ungewöhnliche Besucherin in das kleine Wohnzimmer und ließ sich auf dem graugrünen Sofa nieder. Yuberu ließ sich auf dem Sessel gegenüber nieder. „Er sagt immer, dass es ihm Leid täte. Und die Welt steht auf dem Kopf. Der Himmel ist unter und die Erde über mir.. Der Schnee fühlt sich so echt an, genauso wie-“ Jun hob seinen Arm, der ihm bis gerade eben noch so weh getan hatte. Yuberu nickte. „Ich spüre etwas hier ganz in der Nähe. Unser Feind hat eine besondere Aura, ganz anders als unsere bisherigen Gegner.“, sagte sie bestimmt. Jun legte die Hände auf die Knie und richtete sich ein wenig auf. „Aber... hat das jetzt irgend eine besondere Auswirkung darauf, sie zu besiegen?“ „Ich fürchte, ja. Wahrscheinlich werden wir mit einfachen Duellen nicht genug ausrichten können, um sie zu schlagen.“ Neben Jun erschien Ojama Yellow und klammerte sich an dessen Schulter. „Ich habe alles mitgehört. Bruder Manjoume schwebt also in Lebensgefahr?“, quiekte der kleine Duellgeist und fing gleich an zu flennen. „Ach, halt die Klappe.“ Jun schnappte nach dem gelben Ding, sodass es sich zu Yuberu flüchtete. Diese nahm den Ojama auf ihren Schoß um ihn zu beruhigen. „Nicht direkt. Aber es scheint gefährlicher zu sein als alles andere bisher.“, sagte sie und kraulte dem kleinen Kerl den Kopf. Sofort begann dieser wieder zu weinen. „Bruder Manjooo~ume!“, heulte er. „Keine Angst.“ Der Ojama klammerte sich an eine Haarsträhne Yuberus. „Geh bitte nicht mehr allein aus dem Haus. Ich weiß nicht genau wie stark sie sind, aber ich kann auch nicht garantieren, dass sie sich mit einem Duell geschlagen geben. Erstmal werde ich Ausschau nach ihnen halten und dann sehen wir weiter. Am besten solltest du für eine Zeit lang bei Juudai wohnen, denn allein könnten sie dich vielleicht überwältigen.“ „Kommt nicht in Frage!“, erwiderte Jun erzürnt. „Nie im Leben wohne ich mit diesem... diesem Möchtegern-Profiduellanten in einem Haus! Ich musste das schon fast 3 Jahre meines Lebens und es war die Hölle.“ Yuberu lachte. „Ach wirklich? Wieso wirst du dann so rot?“, schmunzelte sie. Jun stotterte: „I-ich... weil ich – ich wütend bin!“ Er knallte eine Hand auf den hölzernen Kaffeetisch vor ihm. Das Monster schüttelte den Kopf. „Geh bitte. Zu deinem eigenen Wohl. Zu zweit seid ihr immer noch stärker als allein.“ Der Schwarzhaarige gab sich geschlagen. „Meinetwegen.“, murrte er. Yuberu nickte und verschwand lautlos in der Dunkelheit. Schleppend suchte Jun die wenigen Habseligkeiten zusammen die er brauchte, packte diese in einen Rucksack und schaltete das Licht in seiner Wohnung aus. Voraussichtlich würde er diese wahrscheinlich für die nächsten paar Monate nicht wieder betreten. Miete umsonst zahlen, super. Oder sollte er - nein. Nie im Leben würde er seine Wohnung aufgeben und mit Yuuki zusammen ziehen. Niemals. Da zahlte er viel lieber die überteuerte Miete für diese hässliche kleine Wohnung.­ Selbst wenn sein Leben davon abhängen würde, er würde sich nicht mit Juudai in eine Wohnung quetschen. Nach kurzer Zeit erschien das Monster wieder. „Ich werde dich begleiten. Juudai ist damit einverstanden dich für die Zeit bei sich wohnen zu lassen.“, sagte sie. Jun nickte wortlos. Yuberu wandelte ihre Gestalt, sodass nur noch Menschen mit der Gabe Duel Monster sehen zu können sie erblicken konnten. Sie blieb dicht hinter Jun, als er auf die immer noch vom Regen feuchte Straße hinaus trat. Bis auf eine streunende Katze begegneten sie niemandem auf dem Weg in Richtung Innenstadt. „Du... Manjoume.“, brach Yuberu die Stille. „Hm?“ Das Monster fiel gleich mit der Tür ins Haus. „Kann es sein, dass du Gefühle für Juudai hast?“ Jun blieb abrupt stehen und schnauzte: „So ein Quatsch! Natürlich nicht! Ich stehe nach wie vor auf Nii-sans kleine Schwester Asuka!“ Yuberu musterte ihn argwöhnisch, wobei ihr drittes Auge auf ihrer Stirn bedrohlich Jun anfunkelte. „Das stimmt nicht. Anlügen kannst du mich nicht, du weißt, dass ich deine Gedanken und Gefühle wahrnehmen kann.“ „Dann liegt dein komisches Auge aber falsch, denn ich kann Juudai überhaupt nicht leiden!“, zeterte Jun. Abermals ließ Yuberu ihr fieses Lachen hören. „Nein, überhaupt nicht. Aber in seiner Nähe wird dir ja immer so warm ums Herz, komisch, nicht wahr? Du kannst mir nichts vormachen, Manjoume-chan.“ „Duuu~!“ Jun versuchte sie festzuhalten, aber sie war erstens deutlich einen Kopf größer als er und zweitens ebenfalls stärker und wand sich geschickt aus seinem Griff heraus. Ein älterer Herr bog um die Straßenecke und sah Jun wie wild in der Luft herumfuchteln und zetern – er konnte das Monster nicht sehen und hielt den jungen Mann letztendlich für bescheuert. Es sah wirklich ursinnig komisch aus, wie Jun dort herumtanzte und etwas anschrie, was man nicht sehen konnte. Als würde er mit der Luft kämpfen und streiten. Der ältere Herr belächelte ihn nur. „Siehst du, jetzt hält man dich auch noch für wahnsinnig.“, grinste Yuberu und Jun wäre am liebsten vor Scham auch unsichtbar gewesen. „Du bist gemein.“, zischte er. „Ich weiß.“, antwortete Yuberu mit einem süßlichen Unterton. Sie setzten ihren Weg schweigend fort. Wie spät war es? Er hatte seine Uhr vergessen, aber es sah aus, als wäre es erst vor einer Stunde dunkel geworden. Noch war es viel zu warm für die Nacht. Unmöglich, dass genau in diesem Moment wieder irgendwelche Leute wieder an bösen Plänen schmiedeten. Es wirkte alles so friedlich. Jun sah die ganze Zeit zu Boden. Seine Begleiterin hatte ihn auf frischer Tat ertappt. Ja, er hatte Gefühle für Juudai – aber so stark nun auch wieder nicht. Und außerdem: Er war doch nicht schwul! Wie konnte das eigentlich sein? Wenn, dann war es wohl eher Zuneigung. Ein starkes Band zwischen befreundeten Rivalen. Mehr sicher nicht. In Gedanken versunken achtete er nicht genau wo er hin trat und prallte mit jemandem zusammen. Er und die Person landeten beide unsanft auf ihren Hintern und sofort begann die andere ihn anzukeifen: „Kannst du nicht aufpassen, wo du hinläufst, du Tölpel!“ „E-entschuldigung, ich war gerade mit den Gedanken ganz woanders.“, versuchte sich Jun zu verteidigen, doch das Ego des wohl sehr jungen Mädchens war weitaus größer als es gut für sie war. „Was fällt dir ein, auf der Straße deinen Träumereien nachzugehen?! Sei froh, dass diese hier keine Autos zulässt, sonst wärest du wahrscheinlich schon längst überfahren worden!“ Was macht ein kleines Mädchen um diese Uhrzeit hier? Sie schnellte hoch und versuchte, den Dreck von ihrer Schuluniform zu klopfen, aber vergebens. Fast wäre sie in einer schlammigen Pfütze gelandet. „Na schönen Dank auch, jetzt darf ich meine Uniform schon wieder waschen.“, zickte sie Jun an. Ihr violetter Zopf schwang während ihres Wutausbruches immer wieder hin und her. „Es tut mir ja leid...“ Jun stand ebenfalls auf, beachtete den Dreck auf seiner Jacke jedoch nicht. Sie war eh schon immer schmutzig und roch nach Thunfisch. Das Mädchen funkelte ihn mit ihren gelben Augen an. Moment mal – gelbe Augen? Erschrocken wich Jun zurück. War sie ein Feind? Sie erkannte ihn. Ohne zu zögern gab sie ihre echte Gestalt preis. Die Schuluniform wich einer violetten Zigeunerkluft verziert mit goldenen Pailletten und Stickereien. Wie eine Krone trug sie einen ebenfalls goldenen Fächer im Haar, zwei weitere hielt sie in ihren Händen. Sie blitzten bedrohlich auf. Das waren definitiv keine normalen Fächer. „Wer bist du?“, war das erste, was Jun einfiel, um noch ein paar Schritte weiter nach hinten zu gehen, worauf das Mädchen ihm jedoch näher kam. „Mein Name ist Dancing Warrior Kaname. Und ich bin hier um dir dein Licht zu nehmen.“, antwortete sie und sprang im gleichen Atemzug auf Jun zu. Doch bevor sie ihn erreichen konnte, erschien Yuberu und hielt Kaname fest. „Vorher musst du jedoch an mir vorbei.“, sagte sie ernst und quetschte die Arme des Zigeunerkindes ein. Kaname machte eine geschickte Drehung und verpasste dem Monster einen Kinnhaken; im gleichen Moment warf sie einen der Fächer auf sie zu um sie zu verletzen. Yuberu wich aus, wurde aber von der rasiermesserscharfen Kante des Fächers gestreift. Ein paar Haarsträhnen fielen zu Boden und Blut tropfte von ihrem linken Arm. „Wenn du schon kämpfen willst, dann wenigstens auf unsere Art!“, sagte sie, gar nicht eingeschüchtert von Kanames Angriff. Dabei bedeutete sie Jun, seine Duel Disk und sein Deck herauszuholen. Kaname seufzte gekünstelt. „Wenn's sein muss – Bitte schön.“ An ihrem rechten Arm erschien eine goldene Duel Disk mit Amthysten besetzt, die ihren Fächern ähnelte. Jun und sie stellten sich in Position. „Duell!“, riefen sie wie aus einem Munde. „Okay, Ladies first! Draw!“ Kaname zog eine Karte. „Als erstes Spiele ich die Karte 'Gemini Elf' und rüste sie mit der Karte 'Mage Power' aus. Für jede Zauber- oder Fallenkarte auf meinem Feld erhalten meine Gemini Elfs nun einen Bonus von 500 Angriffspunkten. Das heißt, dass ich nun ein Monster mit satten 2400 Punkten auf dem Feld habe.“ Kaname grinste. „Aber das ist noch nicht alles: Ich lege zwei Karten verdeckt! Jetzt haben meine hübschen Zwillinge ganze 3400 Angriffspunkte... Na, ob du das überbieten kannst?“ Ihr Grinsen wurde breiter. „Turn End!“ Manjoume lächelte. „Ist das wirklich alles, was du zu bieten hast?“, sagte er selbstsicher. „Na gut. Draw! Okay... Als erstes spiele ich 'Pod of Greed'! Das heißt, dass ich zwei weitere Karten ziehen kann. Na wer sagt's denn: Ich spiele ein Monster im verdeckten Verteidigungsmodus. Dann lege ich diese Karte verdeckt.“ Die wird sich noch wundern , dachte er. Wenn sie meinen Drachen angreift, kann ich mir meinen 'Armed Dragon LV 3' aufs Feld rufen. Da sie ihn dann nicht mehr zerstören kann, wird er in der Standby Phase automatisch zu LV 5 aufsteigen. Da habe ich noch ein paar Asse im Ärmel... „Ich beende meinen Zug!“ „Fein“, erwiderte Kaname und stellte sich wieder in Position. „Draw! Ich spiele 'Dancing Warrior Kaname'.“ Juns Augen weiteten sich. War sein Gegenüber etwa ein...? Anstelle eines Hologrammes ging Kaname selbst aufs Feld. Sie hatte 1800 Angriffs- und 1000 Verteidigungspunkte. „Wenn 'Dancing Warrior Kaname' auf's Feld gerufen wird, erhält sie für jeden anderen Dancing Warrior auf dem Feld 100 zusätzliche Angriffspunkte!“ Die 1800 wichen einer 1900. „Dann spiele ich die Zauberkarte 'Dancing Warriors' Whistle'! Jetzt darf ich mir eine weitere Karte aus meinem Deck holen, die im Namen das Wort 'Dancing Warrior' enthält. Dafür muss ich jedoch eine Karte ablegen... ich wähle diese hier.“ Kaname zeigte Jun ihm eine unbekannte Karte mit dem Namen 'Queen of the Dancing Warriors – Qin Xu'. Nur eine Sekunde später wanderte sie in Kanames Friedhof. „Durch den Effekt der 'Dancing Warriors' Whistle' hole ich mir 'Dancing Warrior Purin'!“ Kaname zeigte ihm die Karte für einen kurzen Moment. Purin sah aus wie Kaname, jedoch war sie ganz in Rot gekleidet. „Durch Purins Effekt darf ich nun eine weitere Karte ziehen.“ Kaname grinste. „Okay. Battle! Ich greife dein verdecktes Monster an!“ Kaname selbst sprang mit den Fächern auf die verdeckte Karte zu und durchtrennte diese in drei Teile. Der 'Masked Dragon' heulte kurz auf, ehe er sich in goldenen Staub auflöste und mit seiner Karte verschwand. „Ha!“ Jun war sich Siegessicher. Trotz seines starken Gegenübers hatte er die Oberhand. „Ich aktiviere den Effekt von 'Masked Dragon'! Jetzt darf ich einen Drachen aus meinem Deck mit 1500 oder weniger Angriffspunkten spielen. Ich wähle 'Armed Dragon LV 3'.“ Der kleine, orangefarbene Drache erhob sich aus dem Nichts und brüllte kurz, ehe er in den offenen Verteidigungsmodus wechselte. „So ein kleines Ding? Na gut. Gemini Elf: Attacke!“, rief Kaname, doch Jun konterte erneut. „Ich aktiviere 'Reactive Armor'. Dein angreifendes Monster wird sofort zerstört!“ Er lachte gemein, als die erschrockene Kaname ihr Monster zerbersten sah. „Das kannst du doch nicht machen!“ „Das kann ich wohl.“, erwiderte Jun und grinste. So stark war die Kleine doch gar nicht. Kaname zitterte ein wenig. Sie war wütend. „Ich beende meinen Zug.“, sagte sie widerwillig. „Draw!“ Jun lächelte. „Heute scheint wohl mein Glückstag zu sein. 'Armed LV 3' wird jetzt zu 'Armed Dragon LV 5'! Der kleine Drache verwandelte sich in seinen großen Bruder. Die orangefarbene Haut wich einer bepanzerten Roten. LV 5 war weitaus größer als LV 3 und um so stärker mit seinen 2400 Angriffs- und 1700 Verteidigungspunkten. „Dann spiele ich die Karte 'Level Up!'. Jetzt wird mein 'Armed Dragon LV 5' zu 'Armed Dragon LV 7'!“ Der eben gerade erschienene LV 5 wich sogleich dem noch größeren LV 7. Er richtete sich hoch über Kaname auf, die im Vergleich etwa so groß war wie eine Maus. „Schön für dich.“, knurrte sie. „Das war noch nicht alles. Ich opfere meinen 'Armed Dragon LV 7' -“ - LV 7 verschwand - „ - Und spiele dafür den 'Armed Dragon LV 10'!“ „Oh Mann... Meine Herrin wird mich umbringen, wenn ich diesen Typen nicht besiege.“, murmelte Kaname und sah zu dem riesigen Drachen auf, der Rauch aus seinen Nüstern blies. „Immer noch die große Klappe, Kleines?“, zog Jun seine Gegnerin auf. „Ist das wirklich alles?“ Ganz so selbstsicher klang Kaname nicht mehr. „Natürlich nicht. Angr-“ Kaname lächelte. Plötzlich hielt Yuberu Jun von seinem Vorhaben ab. „Halt. Sie hat doch noch 2 verdeckte Karten. Es könnte 'Holy Barrier – Mirror Force' sein.“, sagte sie. „Stimmt.“, sagte Jun. Er besah sich nochmals sein Blatt. Er hatte 'Cyclone' auf der Hand. Wenn Kaname jedoch zwei Fallen verdeckt hatte, die seinen Drachen zerstören könnten, hätte er trotz des Zaubers dann ein leeres Feld. Und der 'Ojama Green' auf seiner Hand war nun wirklich keine gute Abwehr. Denn wenn sie auch noch Purin spielen würde, wären seine Lebenspunkte nicht sicher. Dennoch, er musste es wagen. „Ich spiele 'Cyclone' und zerstöre damit deine linke verdeckte Karte!“ Ha, er hatte die Richtige getroffen. Kanames 'Holy Barrier – Mirror Force' war ausgeschaltet. Aber was wäre, wenn sie vielleicht 'Destruction Ring' ebenfalls verdeckt hatte? Sich nicht in Sicherheit fühlen könnend beendete er missmutig seinen Zug. Es würde sich schon herausstellen, ob sie eine weitere Falle für ihn verdeckt hielt. „Draw! Ich spiele 'Dancing Warrior Purin'.“ Die zweite tanzende Kriegerin hatte 1400 Angriffspunkte. „Dann decke ich meine Falle auf: 'Strike of the Dancing Warrior'! Wenn ich mindestens zwei Dancing Warriors auf meinem Feld habe, darf ich einen davon auswählen und ihn direkt angreifen lassen!“ Kaname stürmte auf Jun los und sprang. Ein helles Licht, dann ein Schnitt und schließlich Schmerz. Es tropfte Blut auf den Boden. Jun war geschockt. Das war kein normaler Angriff gewesen. Kaname hatte ihn wirklich verletzt. Das Mädchen landete mit einem Salto wieder auf ihrem Platz. Jun hatte jetzt nur noch die Hälfte seiner Lebenspunkte. „Scheiße“, flüsterte er und wischte sich das Blut vom Ärmel. Kaname hatte ihm eine tiefe Schnittwunde am Oberarm verpasst. Sie grinste ihn böse an. „Oh, tut es sehr weh? Du armer, armer Junge...“ Jun hasste dieses verzogene Gör. Er hasste sie von Anfang an schon. „Ich lege eine weitere Karte verdeckt. Turn End.“ „Manjoume...“ Yuberu legte eine Hand auf seine Schulter. „Sie ist kein Duel Monster. Auch wenn sie eine Karte zu sein scheint, sie ist keines. Dafür ist ihre Aura zu anders.“ „Das ist mir egal. Hauptsache ich kann das hier zu Ende bringen.“, knurrte er, seinen blutenden Arm ignorierend. „Mein Zug. Draw!“ Seinen Körper durchzuckte ein unerträglicher Schmerz, sodass er aufschreien musste. Kaname lachte. Sie hatte wohl Gefallen an anderer Leute Leid. Jun erschrak, als er die Karte erblickte, die er gerade gezogen hatte. Yuberu lächelte. Sie hatte sich in sein Deck eingeschlichen. Er hatte einen 'Ojama Green', 'Creature Swap' und 'Yuberu' auf der Hand. Kein extrem wirkungsvolles Blatt. Er riskierte es, und griff Purin an. Glück gehabt. Kanames Verdeckte Karte war anscheinend nicht für den Kampf gedacht. Sein Gegner hatte jetzt nur noch 2400 Lebenspunkte. Er übergab. „Draw! Hmm... hehehehe. Ich decke meine Karte auf: 'Monster Reborn'! Jetzt darf ich ein Monster aus unserer beiden Friedhöfe wählen und es ohne jeglichen Tribut Spezialbeschwören. Ich spiele 'Queen of the Dancing Warriors – Qin Xu'!“ Das Monster erhob sich. Qin Xu hatte anstelle eines Gesichtes eine Geisha-Maske auf. Ihre Kleidung glich den beiden anderen, war jedoch viel prunkvoller und sie hatte alle erdenklichen Farben. Das Monster hatte 3000 Angriffspunkte. „Der Effekt von Qin Xu erlaubt es mir, für jedes Dancing Warrior Monster in meinem Friedhof eine Dancing Warrior-Spielmarke zu beschwören.“ Ein blasses Abbild eines Dancing Warriors erschien neben Qin Xu und setzte sich in den Verteidungsmodus. 1000 Defensive. „Da unsere beiden Monster gleich stark sind, greife ich nicht an.“ Oh Gott, ist die doof!, dachte Jun. Sie hätte doch mit Qin Xu angreifen können, dann mich direkt angegriffen und somit gesiegt. Zum Glück merkte sie das nicht. Jun musste grinsen. „Mein Zug!“ Abermals durchfuhr ihn ein brennender Schmerz, doch er ignorierte ihn. Kaname hatte noch 2400 Lebenspunkte, ein Monster mit 3000, eines mit 2100 und eines mit 1000 Angriffspunkten. Gar nicht mal so schlecht. Dennoch hatte sie anscheinend keine Ahnung vom Effekt seines Drachens. „Ich aktiviere den Effekt von 'Armed Dragon LV 10'. In dem ich ein Monster mit 3000 Lebenspunkten aus meinem Blatt opfere -“ - Er hatte einen weiteren Armed Dragon LV 10 gezogen - „ - kann ich alle Monster auf deiner Spielfeldseite, die weniger oder gleich so viele Angriffspunkte wie mein abgeworfenes Monster haben PULVERISIERT!“ Kaname schrie auf und versuchte sich mit ihren Fächern zu schützen, als ihre Monster explodierten und die Kartenscherben Schnittwunden in ihre Arme und Beine jagten. Auch sie blutete nun. Nun, da sie nicht mehr auf dem Feld war, ging sie wieder ein paar Schritte zurück. „Aber das war noch nicht alles. 'Armed Dragon LV 10' – Attacke!“, rief Jun siegessicher. Kaname hatte keinen Schutz. Ihr Feld war leer gefegt. Mit schmerzverzerrtem Gesicht schaute sie dem Drachen entgegen, der sich nun vor ihr aufbäumte, um ihr den letzten Stoß zu versetzen. „... Ich komme wieder!“ Bevor der Drache auf sie losgehen konnte, verschwand sie in einem violetten Feuerschein. Die Projektion löste sich auf. Jun fiel auf die Knie. Er war erschöpft. Der Schmerz in seinem Arm machte ihm schwer zu schaffen. Wie viel Blut hatte er schon verloren? Yuberu hielt ihn fest. „Alles in Ordnung?“, keuchte sie. Erst jetzt sah Jun, dass Kaname sie stärker mitgenommen hatte, als er geglaubt hatte. An ihrem Hals war ebenfalls ein tiefer Schnitt, aus dem immer noch Blut quoll. Erstaunlich, dass sie noch lebte. Ein Mensch wäre daran verstorben. „Keine Sorge“, sagte sie, als sie seinen Blick bemerkte. „Es geht schon. Aargh...“ Sie spreizte ihre riesigen Flügel. „Ich trage dich lieber.“ Ohne dass Jun protestieren konnte, hob sie ihn hoch und sprang in die Höhe. Er sah die Stadt unter sich vorbeiziehen. Yuberu sprang von einem Dach zum anderen. Niemand konnte sie sehen. Niemand konnte ihn sehen. Er schloss die Augen. Man hatte ihn überzeugt. Das war kein Traum gewesen. Es war die Zukunft. Tränen fielen zu Boden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)