Saga of the Northern Winds von Mizael ================================================================================ Kapitel 7: Adrenalin -------------------- Die dritte Zigarette. Es hatte immer noch nicht aufgehört zu regnen, der Wind zerzauste die Haare des Jungen und blies ihm mehrmals sein Feuer aus. Genervt drehte er sich um um dem Wind auszuweichen, doch das Wetter meinte es nicht gut mit ihm. Der Hinterhof des Buchladens in welchem er arbeitete bot ihm keinerlei Möglichkeiten sich vor Regen und Kälte zu schützen, aber da musste er jetzt durch. Seine Chefin war eine ältere offenherzige und tolerante Frau, dennoch duldete sie es nicht wenn man in ihrem Laden rauchte. Shou zog einmal tief an der Zigarette und blies den Rauch wieder aus. Seine Finger zitterten. Nicht nur vor Kälte, sondern auch weil er die ganze Nacht wach gelegen hatte, übermüdet war. Und vor Angst. „Marufuji-kun?“, hörte er hinter sich eine liebliche Stimme sagen. Es war Ichinose-san, seine Chefin welche in der Hintertür stand, eine rosa Strickjacke umgeworfen und die Hände darunter versteckt. „Ja, was ist?“, fragte er, drehte sich zu ihr um und klopfte etwas Asche mit dem Finger in den Aschenbecher auf der Fensterbank neben sich. „Ich mache mir Sorgen um dich, mein Lieber. Du bist so ganz anders als sonst.“, bemerkte sie und schaute ihn dabei mit ihren freundlichen braunen Augen an in welchen ihre Sorge deutlich zu erkennen war. Shou schüttelte den Kopf. „N-nein, es ist alles in Ordnung. Soll ich wieder reinkommen?“, fragte er, doch seine Stimme verriet eindeutig, dass dies eben nicht der Fall war. „Ich frage mich sowieso wie du in dieser Schweinekälte hier seit einer Viertelstunde herumstehen kannst. Meinetwegen rauchst du in der Küche auf, aber das ist nur eine einmalige Ausnahme. Ich kann mir das nicht mit angucken wie du hier frierst.“, antwortete Ichinose-san und trat einen Schritt zur Seite, so dass Shou mit dem Aschenbecher in der Hand ihr in den kleinen Raum folgen konnte. Sie schloss die Tür hinter ihnen und gesellte sich kurz darauf zu ihm an den ebenfalls kleinen Holztisch in der Ecke des Raumes. Shou hatte das Fenster auf Kipp gestellt, damit der Rauch wenigstens aus dem Zimmer entfliehen konnte. Bedrückt schaute er auf die dunkle Holzplatte vor sich und versuchte die Muster des Materials zu deuten um sich von seinen Gedanken abzulenken, doch es war eine zu schwere Last auf seinen Schultern die ihn nach und nach zu Boden drückte. Es war bereits nach vierzehn Uhr und er hatte sich bereits immer noch nicht nach Ryou erkundigt. Es waren über 12 Stunden seit Fubukis Anruf vergangen und er hatte versucht es zu verdrängen, aber es gelang ihm absolut nicht. „Ichinose-san, kann ich dich etwas fragen?“, begann er zögernd. Seine Chefin hatte mit ihm gleich am ersten Tag klar gemacht, dass sie darauf bestand sich nicht gegenseitig zu Siezen sondern es viel schöner fand wenn man mit ihr wie mit einem Familienmitglied sprach. In dem Dreivierteljahr das er schon hier arbeitete war sie das auch irgendwie für ihn geworden, dadurch dass er nur noch telefonischen Kontakt zu seiner Mutter pflegte und mit seinem Vater und Bruder den Kontakt abgebrochen hatte. „Natürlich kannst du das, mein Lieber.“, antwortete sie und lächelte. Eigentlich hätte sie schon längst ihre Rente beginnen können, doch sie liebte ihren Beruf und war immer noch fit genug um ihren durchaus beliebten kleinen Laden weiterhin aufrecht zu erhalten. Shou klopfte ein weiteres mal etwas Asche in den Becher hinein, verschränkte die Arme auf dem Tisch und legte sein Kinn darauf, die Zigarette nach wie vor in der linken Hand. „Was würdest du tun, wenn ein naher Verwandter von dir mit dem du dich so sehr zerstritten hast, dass du ihn nie wieder sehen willst plötzlich dem Tode nahe ins Krankenhaus noteingeliefert werden muss... würdest du hingehen? Ich meine... diese Person war mir mal wichtig, aber es ist so vieles Negatives passiert, dass ich alle Erinnerungen und ihre Existenz... am liebsten auslöschen wollen würde. Das endlich beenden will.“, begann Shou zu erzählen. Er hatte Ichinose niemals von dem Zwischenfall mit Ryou erzählt. Sie wusste nur, dass er einen älteren Bruder hatte, doch sie kannte ihr Verhältnis nicht da Shou es immer vermieden hatte über ihn zu sprechen. Ichinose-san seufzte kurz auf. „Also... gerade wenn es jemand aus deiner Familie ist würde ich für diesen Moment diese negativen Dinge zur Seite legen. Immerhin war dieser Mensch für dich jemand sehr Wichtiges und anscheinend ist er dies noch immer, sonst würdest du mich nicht danach fragen, oder?“ Shou hatte mit dieser Antwort nur zur Hälfte gerechnet. Verlegen versuchte er dem Blick Ichinose-sans auszuweichen, doch sie hatte bereits die Tränen in seinen Augen bemerkt. Ohne etwas zu sagen stand sie auf, ging zu dem Schränkchen auf der anderen Seite hinüber und holte zwei Tassen hervor, nur um diese sogleich mit heißem Tee welchen sie zuvor für sich aufgesetzt hatte zu füllen und Shou eine davon hinstellte. Nun setzte sie sich wieder ihm gegenüber hin und nahm sich einen Löffel Zucker aus der Dose welche auf dem Tisch immer bereit stand. „Mach die Zigarette aus, Marufuji-kun. Das ist Gift für deinen Körper, du brauchst etwas Besseres zur Beruhigung als das.“, sagte sie bestimmt und bedeutete ihm den Tee zu trinken. Völlig aufgelöst nickte Shou zum Dank, drückte die Zigarette obwohl er sie gerade mal halb aufgeraucht hatte in dem Aschenbecher aus und nahm den Tee entgegen. Ichinose-san war eine wahrhaftige Teeliebhaberin und hatte eine beachtliche Sammlung an wohl schmeckenden und qualitativ hochwertigen Teesorten im Küchenschrank des Ladens verstaute. Er wärmte seine Hände ein wenig an der Tasse ehe er einen Schluck trank. Sie hatte ihm einen ihrer wohltuenden Beruhigungstees gemacht, die Wärme des Getränks tat ihm gut, wie als würde ihn ein Schutzengel in diesem Moment umarmen. „Ich weiß nicht, ob ich ihm noch wichtig bin.“, sagte Shou, die Hände immer noch um die Tasse geschlossen. „Ich kann es nicht mehr einschätzen.“ „Möchtest du mir erzählen was genau passiert ist, warum das jetzt so ist?“, fragte Ichinose-san freundlich und trank ebenfalls einen Schluck aus ihrer Tasse. Bedrückt schaute Shou auf den Rand des Porzellans. Die Tasse war etwas älter, anscheinend aus Europa, mit handgemalten Verzierungen auf dem Material welche Blumen ähnelten. „Es ist... sehr kompliziert.“, begann Shou. „Er ist sehr krank. Seit Jahren schon und es ist seine eigene Schuld, dass er so krank ist. Er hat sich sehr negativ verändert, es hat sich dann zwar gebessert als er realisiert hatte, dass es mit ihm jeden Moment zu Ende gehen könnte... Wir hatten uns geschworen diesen Streit zu begraben. Wollten zusammen neu anfangen, ich wollte ihm helfen wieder gesund zu werden. Aber... ich glaube, dass ich mit meiner Hilfe alles nur noch schlimmer gemacht habe.“ Er schluckte. Nicht einmal mit Kenzan hatte er bisher darüber gesprochen. Es fiel ihm schwer, aber er konnte nicht mehr schweigen. Ichinose-san stellte ihre Tasse vorsichtig auf den Tisch zurück und faltete die dicken kleinen Hände zusammen um diese dann unter ihr Kinn zu stützen. „Warum denkst du das?“, fragte sie sanft. Shou überlegte kurz, sein Blick fiel auf die halbe Zigarette im Aschenbecher aus welcher immer noch ein wenig Rauch aufstieg. „Ich glaube, weil ich zu sehr an mir selbst zweifele und das auf sein Gemüt geschlagen hat. Er... wurde wütend, sehr wütend. Wir haben uns irgendwann nur noch gestritten und-“ Er brach ab. Die Erinnerungen welche er die letzten Monate mit Zigarettenrauch vernebelt hatte wurden wieder klar. Shou spürte wie ihm übel wurde, eine Träne rollte über seine Wange und sein Blick wurde glasig. „Anstelle ihn aus der Dunkelheit zu holen habe ich ihn direkt in meine eigene hineingezerrt.“, schluchzte er. Jetzt konnte er die Tränen nicht mehr zurück halten. Ichinose-san stand auf und legte ihm eine Hand auf die schmale Schulter. „Ich glaube nicht, dass es deine alleinige Schuld ist. Ihr habt beide Fehler gemacht obwohl ihr euch gegenseitig helfen wolltet, daran ist nichts falsch.“, beschwichtigte sie ihn, doch Shou schüttelte den Kopf. „I-ich kann nicht darüber sprechen, a-aber es ist zu viel passiert. Ich kann ihm das – nein, mir das nicht verzeihen. Es tut mir Leid, dass ich dir solche Sorgen mache.“, stammelte er und vergrub das Gesicht in seinem roten Pullover. „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Weißt du, mach für heute Feierabend. Ich schaffe die zweite Schicht schon alleine.“, sagte sie und lächelte ihn an. „Aber das geht doch nicht.“, murmelte Shou und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Ich mache-“ „Ich bestehe darauf.“, unterbrach Ichinose-san ihn und lächelte. Langsam nickte er und flüsterte ein leises „Danke“, trank den Tee aus ehe er sich aufrichtete und zur Garderobe flüchtete um seine Regenjacke zu holen. „Nimm dir ruhig etwas von dem Beruhigungstee mit, Marufuji-kun.“, sagte sie und kramte ein paar Päckchen aus dem Schrank hervor als er sich die Jacke überwarf und zum Gehen ansetzen wollte. Ichinose-san folgte ihm zurück in das Geschäft, zog eine Tüte unter der Theke hervor und packte ihm die Teebeutel sorgfältig ein. „Ich wünsche dir viel Glück.“, verabschiedete sie ihn freundlich, woraufhin er sich leicht verbeugte und mit leicht geröteten Wangen verabschiedete. Als Shou aus dem kleinen Laden trat hatte der Regen aufgehört, die dicke Wolkendecke war aufgerissen und Sonnenstrahlen kämpften sich langsam aber sicher in ihren Weg zur Erde. Er seufzte erleichtert auf. Vielleicht war dies ein Zeichen der Hoffnung. Nun war es bereits später Nachmittag und Fubuki war immer noch nicht aufgetaucht. Die beiden Jungen saßen auf der Couch, Juns Laptop lag vor ihnen auf dem Tisch und sie hatten sowohl dessen Ojama-Karten als auch Hane Kuribou und Yuberu von Juudai daneben liegen. Die Duellgeister hatten sich ebenfalls zu ihnen begeben um die Lage zu besprechen. „Also sehe ich das richtig, dass wir es mit einem Gegner zu tun haben welcher Träume manipulieren kann.“, schloss Yuberu, das Kinn auf der einen Hand aufgestützt und die beiden Jungen musternd. Juudai schüttelte leicht den Kopf. „Ich glaube eher unser Bewusstsein. Er tut es zwar bisher nur wenn wir schlafen, aber diese Art von Traum in welcher wir Rayne begegnet sind, das sind einfach keine Träume. Ich weiß nicht wie ich es ausdrücken soll.“ „Vielleicht greift er genau deswegen dann an, weil wir so verwundbarer sind?“, stellte Jun in den Raum, ebenfalls grübelnd. Die drei Ojama-Brüder klammerten sich aneinander und wussten nicht so recht, warum ausgerechnet sie in die Diskussion mit eingebunden wurden. Yuberu richtete sich etwas im Sitzen auf. „Wäre es dann nicht sinnvoller von euren Gegnern euch... sozusagen im Schlaf zu töten? Ich meine, wenn dieser Gegner in euer Bewusstsein eingreifen kann und gleichzeitig seine Schergen herschickt um euch ausfindig zu machen, könnte er euch doch in einen wehrlosen Zustand versetzen und mithilfe der anderen die in dieser Dimension agieren euch so körperlich zerstören.“, sponn das Monster ihre Theorie weiter. „Du machst mir echt immer mehr Angst, Yuberu!“, heulte der Gelbe Ojama los und versteckte sich hinter dem Schwarzen. „Ich gehe nur die Möglichkeiten durch.“, erwiderte sie emotionslos. „Das würde ja die ganze Sache noch schlimmer machen.“, sagte Jun und richtete sich ebenfalls etwas auf. „Ich meine, es wäre viel zu einfach für sie. Warum tun sie es dann nicht?“, fragte er das großgewachsene Monster. „Frag mich etwas leichteres. Was mich auch sehr wurmt ist, dass ich seine Gedanken nicht lesen konnte. Immerhin war ich, wenn auch in einer anderen Form, die ganze Zeit dabei und habe es miterlebt. Dieser Gegner ist sehr eigenartig. Kaname und dieses Wesen waren ganz anders.“ Juudai nickte. „Er wollte Rayne. Zwar hat er uns ebenfalls angegriffen, hat uns aber gehen lassen. Warum auch immer. Und er hat gesagt, beim nächsten Mal würde er uns nicht verschonen.“, murmelte er. „War das nicht 'ne Frau?“, erwiderte Jun und schnaubte. „Mag vielleicht sein, dass die Stimme weiblich war aber Yuberu ist auch keine Frau nur weil er eine weibliche Stimme hat.“, gab Juudai zurück und faltete die Hände. „Eben, ich bin ein Hermaphrodit, ein Neutrum.“, stimmte sie ihm zu. „Kuri~“ Hane Kuribou wedelte mit seinen kleinen Ärmchen, sodass Juudai zu ihm hoch sah. „Was ist, Kleiner?“, fragte er verwundert. „Kuri Kuri~“ „Du denkst, dass uns Saiou vielleicht helfen könnte?“, fragte Juudai, woraufhin der Kuribou zustimmend auf und ab hüpfte. „Hmm...“ „Was soll uns Saiou-sama bitte dabei helfen können? Er weiß doch selbst nichts hiervon. Ich dachte wir wollten so wenigen wie möglich davon erzählen.“, bemerkte Jun, lehnte sich nach hinten und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Unterschätze ihn da mal nicht, Manjoume.“, erwiderte Juudai. „Wenn Kuribou sagt, dass wir zu ihm gehen sollen, dann wird er uns wahrscheinlich wirklich in irgendeiner Weise eine Hilfe sein können.“ „Als ob die Flauschkugel alles wissen würde...“, brummte Jun, doch Juudai ging darauf nicht weiter ein. „Wir sollten so schnell wie möglich zu ihm gehen.“ Juudai stand auf. „Sollten wir nicht lieber warten bis Fubuki-san zurück ist?“, fragte der Schwarzhaarige, immer noch auf dem Sofa sitzend. Juudai trat von einem Fuß auf den anderen und überlegte kurz. „Einerseits ja... andererseits müssen wir endlich weiter kommen, denn unsere Gegner sind im klaren Vorteil.“ „Dann rufe ich ihn wenigstens vorher an.“ In diesem Moment hörten sie wie jemand die Haustür aufschloss und besagter junge Mann den Flur betrat. „Manjoume-kun? Juudai-kun?“, hörten sie ihn fragen und kurz darauf stand Fubuki verwundert im Eingang des Wohnzimmers. Er sah völlig fertig aus. Anscheinend hatte er die gesamte Nacht kein Auge zugetan und er bestätigte diese Annahme mit einem herzhaften Gähnen. „Alles in Ordnung bei euch?“, fragte er und schlurfte auf den Sessel zu auf welchem Yuberu saß welche er natürlich nicht wahrnahm. Das Monster musterte ihn argwöhnisch, machte ihm jedoch Platz und gesellte sich dafür zu Jun auf die Couch. Fubuki ließ sich – immer noch im Mantel – auf den Sessel fallen und gab einen erleichterten Laut von sich, anscheinend tat ihm schon der Rücken vom warten auf den harten Krankenhausstühlen weh. „Wie geht es Kaiser?“, fragte Juudai gleich. Fubuki war halb in den Sessel eingesunken und musste sich anscheinend dazu zwingen nicht sofort einzuschlafen; er streckte sich kurz und richtete sich dann wieder etwas auf. „Es geht ihm besser. Ryou ist erst vor etwa... 3 Stunden aufgewacht, aber seine Werte sind wieder stabil. Er wird dennoch wohl 'ne Woche dableiben müssen.“, berichtete Fubuki und begann langsam seinen Mantel aufzuknöpfen. „Hast du etwas aus ihm rausbekommen können?“, fiel Jun gleich mit der Tür ins Haus. „Was- Ahh, äh. Ja, also-“ Fubuki schien durch die Müdigkeit sehr verpeilt zu sein. Er räusperte sich kurz, zog nun endlich den Mantel aus und warf ihn achtlos auf den Boden. Sein Blick wurde ernst, die leichten Augenringe unterstrichen dies nur zu gut. „Dein Verdacht auf einen gegnerischen Angriff hat sich bestätigt, Manjoume-kun.“ Die Augen der beiden Jungen weiteten sich. Yuberus Blick blieb finster, jedoch wachsam. Sie hatte die Beine übereinander geschlagen und auch wenn Fubuki sie nicht sehen konnte schien ihre Mimik und Gestik diesen aufzufordern weiter zu sprechen. „Er hat mir gesagt, dass eine kalte Stimme in seine Psyche eindringt und versucht seinen Willen zu brechen. Sie kommuniziert... über Spiegel.“, begann der Brünette zu erzählen. Die erste Parallele. „Sie manipuliert seine Gedanken, Gefühle und Erinnerungen. Er hat mir erzählt, dass sie ihm besonders... schmerzhafte Dinge zeigt, welche er jahrelang möglichst verdrängt hat. Ryou wollte mir nicht einmal genau sagen was für Erinnerungen das waren, er ist da selbst sogar mir gegenüber sehr verschlossen. Fakt ist aber, dass sie ihn damit so sehr strapaziert hat, dass es zu der Herzattacke gekommen ist.“ Schweigen. Juudai setzte sich ganz langsam auf die Sofalehne und sah zu Jun, welcher ihn ebenfalls unentschlossen anschaute. Doch es musste gesagt werden. „Spiegel, hm? Dann wissen wir jetzt wenigstens mit was für einer Art Gegner wir uns hier auseinandersetzen müssen. Um es kurz zu machen, anscheinend hat genau dieses Wesen uns ebenfalls angegriffen.“, sagte Juudai direkt. Fubuki war schlagartig wach. „Was?!“, kam es von ihm geschockt, doch Jun erklärte gleich weiter. „Als wir uns vorhin schlafen gelegt haben sind wir zu zweit in dieser 'Traumebene' oder wie auch immer man es nennen mag auf Rayne getroffen, welche uns weiter vorbereiten wollte. Diese Ebene ist plötzlich stehen geblieben und von einer zweiten überlagert worden, anscheinend der Ebene aus welcher dieses Wesen stammt welches Marufuji attackiert hat. Wenn ich das richtig sehe, kann er, sie oder meinetwegen es Träume manipulieren.“ Fubuki war etwas bleich um die Nase, jedoch fing er sich gleich wieder und antwortete: „Ich habe mitbekommen, wie die Stimme zu ihm gesprochen hat. Selbst habe ich sie nicht gehört, aber er scheint sie selbst im Wachzustand wahrzunehmen.“ „Also spielt es keine Rolle, ob wir wach sind oder schlafen.“, schlussfolgerte Juudai. „Ganz ehrlich, wenn ich es nicht besser wüsste klingt das, als wäre Marufuji völlig verrückt.“, fügte Jun beiläufig hinzu, woraufhin er einen tödlichen Blick von Fubuki erhielt. „Bei Ryou wurden zwar Depressionen festgestellt, aber er ist auf keinen Fall paranoid oder sonst irgendwie geistig gestört, klar?“, sagte er mit bedrohlich ruhiger Stimme. „Leute, das ist jetzt kein guter Zeitpunkt um einen Streit anzufangen.“, versuchte Juudai die beiden zu beschwichtigen, woraufhin sich Fubuki wieder zurück sinken ließ. „Ich bin auch ganz ehrlich viel zu müde gerade um mich mit so einem Kinderkram zu befassen.“, murmelte Fubuki, streckte sich und gähnte. Er machte Anstalten aufzustehen, doch Juudai stellte sich ihm in den Weg als er in Richtung seines Schlafzimmers verschwinden wollte. „Eine Sache noch.“, sagte er. „Was ist?“, fragte Fubuki, die Müdigkeit kam wohl wieder schlagartig zurück. „Du solltest dein Amulett bei dir haben, egal wohin du gehst. Um den Hals oder am Handgelenk tragen, das hat uns Rayne eingebläut und bei dem Ernst der Lage wäre es töricht ohne diese Dinger auch nur einen Schritt zu tun.“, erklärte der Kleinere. Fubuki blinzelte, drehte sich langsam wieder um und kniete sich auf den Boden um aus seiner Manteltasche das silberne Ding hervorzuholen. Er stand auf, nahm es an einer Ecke zwischen die Zähne, sodass er mit beiden Händen hinten an seinen Nacken greifen konnte und anscheinend etwas öffnete – eine Halskette. Juudai und Jun war diese bisher gar nicht aufgefallen. Fubuki nahm das schwarze Band der Kette in die Hand, an ihr hing ein kleiner silberner Anhänger. Als Fubuki den fragenden Blick der beiden Jungen bemerkte nahm er das Amulett und die Kette wieder in die Hand, setzte sich auf die Sessellehne und öffnete mit einem Fingerschnippen den kleinen Anhänger an der Kette. Darin waren zwei Portraits eingearbeitet – er selbst und seine Schwester Asuka. „Asuka-chan hat mir das kurz vor ihrem Studienbeginn in Amerika geschenkt.“, erklärte er gleich, während er sein Amulett daran befestigte. „Ich denke, so wird es sicher sein.“ Juudai und Jun nickten. „Wenn du angegriffen wirst-“, begann Juudai und setzte sich vor ihm auf den Boden. „- musst du den Ruf ausführen. Du kennst den Spruch?“ Fubuki nickte. „In meinem Fall wäre es doch »Ich rufe dich, Raviel – Lord of Phantasms. Stehe mir bei auf meinem Wege«, oder?“ „Ja. Ich weiß, dass dir das Training fehlt, aber ich kann dir kurz erklären wie es funktioniert: Um deinen Gegner anzugreifen musst du dir erstens vorstellen, wie du angreifst beziehungsweise blockierst. Zweitens wird diese Kraft von unseren Emotionen aus gesteuert – je stärker die Emotion, desto stärker die Attacke.“ „Würde es nicht mehr Sinn machen, wenn wir es lieber... ausprobieren?“, fragte Fubuki und legte sich die Kette wieder um den Hals. „Es wäre mir auch lieber. Aber denkst du, dass du das so übermüdet hinbekommst?“, fragte Juudai vorsichtshalber. Fubuki senkte den Blick und starrte auf seine Füße. „Hmm... ja. Wäre nicht das erste Mal, ich meine ich habe oft trotz durchgemachter Nächte 12 Stunden arbeiten müssen.“, sagte er. „Aber ob das so eine gute Idee ist?“, bemerkte Jun. „Ich meine, wir haben auch wenn es hoch kommt nur etwa 3 Stunden geschlafen wenn überhaupt. Es könnte so viel schief gehen...“ „Das ist egal.“ Fubuki stand wieder auf und umklammerte mit der linken Hand das Amulett welches nun um seinen Hals hing. „Je eher wir diese Fähigkeiten beherrschen umso bessere Chancen haben wir. Scheiß auf Schönheitsschlaf, ich komme erst zur Ruhe wenn ich mich wehren kann.“ Sein Blick war sehr entschlossen. „Sein Element ist Wasser, nicht wahr?“, fragte Yuberu, welche sich ebenfalls erhoben hatte und zu Juudai hinüber schritt. „Fubuki-san, kennst du einen abgelegenen Teich oder Fluss oder ähnliches? Irgendetwas wo wir ungestört sind wo du lernst das Wasser zu kontrollieren?“, fragte Juudai und richtete sich auf. Fubuki schüttelte den Kopf. „Leider nein...“ Er überlegte kurz. „Du sagtest, ich würde starke Emotionen benötigen um effektive Angriffe ausführen zu können, ja?“ Seine Frage war eher rhetorisch. Juudai nickte. Fubuki hob den Mantel vom Boden auf, zog ihn sogleich wieder an und schritt in Richtung Flur. „Dann weiß ich, wo wir hinfahren.“ Saiou musste warten. Fragend schauten sich Juudai und Jun an, folgten jedoch dem Älteren sogleich. Bevor sie das Haus verließen holte Fubuki noch 3 Dosen an Energy-Drink aus dem Kühlschrank und reichte 2 davon den beiden, nur um sich die letzte zu öffnen und einen großen Schluck daraus zu nehmen. „Durchmachen ja, aber nicht ohne das Zeug.“, sagte er und grinste. „Dann pack lieber ein paar mehr davon ein.“, bemerkte Jun und musste ebenfalls leicht grinsen. „Da hast du recht.“, sagte Fubuki und verschwand bereits fertig angezogen noch einmal in der Küche um ein wenig Essen und weitere zuckerhaltige Getränke zusammen zu packen ehe sie sich auf den Weg machten. „Dann können wir ja gleich auf dem Weg frühstücken, wir sind eh eine Weile unterwegs.“ „Fubuki-san, es ist bereits 17 Uhr durch.“, antwortete Juudai und hob eine Augenbraue an. Fubuki schmollte. „Ich habe heute noch nichts gegessen, also ist das mein Frühstück.“ Das Regenwetter hatte sich endlich verzogen, doch die Sonne war bereits dabei langsam aber sicher wieder zu verschwinden. Es war eisig kalt und die Straßen waren noch nass von den letzten Tagen. Fröstelnd folgten die beiden Jungen Fubuki, welcher sie zu ihrer Überraschung nicht in Richtung der U-Bahnstation sondern die Straße in Richtung stadtauswärts entlang geleitete. Autos fuhren an ihnen vorbei, ansonsten war kaum jemand auf den Straßen zu sehen. Es war wirklich ein sehr ruhiger Stadtteil in welchem Fubuki mit Ryou zusammen wohnte. Nach einer Weile bogen sie in eine Seitenstraße welche weiter bergauf ging. „Sagmal, ist die Ecke hier nicht sehr teuer?“, fragte Jun nach einer Weile. Die Gegend zeigte eindeutig, dass es sich hierbei um etwas wohlhabendere Menschen handelte die hier wohnten. Die Häuser waren groß, schlicht und europäisch inspiriert. Fubuki drehte sich im Gehen zu ihm um. „Ja, ist sie. Zwar ist das hier noch kein Bonzenviertel, aber schon etwas gehobener.“, antwortete er. „Ich frage mich nur, wie ihr euch das leisten könnt. Ich komme aus einer reichen Familie, aber selbst ich wohne nicht in so einer Gegend.“ Fubuki zuckte die Schultern. „Shou hat die Wohnung mit Ryou ausgesucht, er meinte es gäbe kaum ruhige Orte hier die nicht zu überteuerte Wohnungen haben in welchen Ryou nicht eingeschränkt wäre. Damals haben sie alle Kosten von Shous guten Einnahmen durch die Pro League bezahlt, weshalb die Einrichtung auch etwas üppiger ist. Aber seitdem er weg ist, reicht das Geld was Ryou noch gesponsert bekommt von den wenigen Agenturen die noch hinter ihm stehen gerade mal für die Warmmiete und Essen. Deswegen arbeite ich so viel, weil die Medikamente die er braucht wirklich nicht billig sind.“, erklärte er. „Und warum zieht ihr dann nicht da weg?“, fragte Juudai skeptisch. Fubuki seufzte und schloss die Augen für einen kurzen Moment. „Tja, das ist ja das Problem: Wir können uns nicht einmal einen Fachmann leisten der das Türschloss von Shous Zimmer auswechselt und solange der Junge sich quer stellt sitzen wir da fest. Ryou hat leider nicht den nettesten Vermieter muss ich dazu sagen.“ „Das klingt so unwirklich.“, murmelte Jun und steckte seine Hände welche langsam kalt wurden in die Jackentaschen. „Es ist leider die Realität.“, antwortete Fubuki. „Und ich habe keine Macht darüber. Der Mietvertrag läuft nach wie vor auf die beiden, ich zahle nur Shous eigentlichen Beitrag. Offiziell wohne ich ja nicht einmal da.“ „Das ist dezent...“, begann Juudai, brach jedoch sofort wieder ab. „Beschissen, ja. So, wenn wir Glück haben müssen wir nicht lange auf den Bus warten.“, wechselte Fubuki das Thema und eilte zu der Bushaltestelle welche gleich am Ende der Seitenstraße auftauchte. Sie waren an einer Kreuzung angelangt welche fast genauso aussah wie die in der Nähe der Straße in welcher Ryou und Fubuki wohnten. Lediglich die Aussicht sah anders aus: Von hier aus konnte man fast den gesamten Stadtteil überblicken, die Straße welche sie zuvor hoch gegangen waren war sehr steil gewesen. Es war eine sehr schöne Gegend, Häuser mit kleinen Gärten in welchen Ginko- und Kirschbäume standen erstreckten sich über den Hang bis hinunter zum Meer an welchem sich die Stadt angesiedelt hatte. Sehnsüchtig schaute Fubuki dort hinüber. „Ich hasse diesen kalten Herbst.“, meckerte er und zog die Schultern etwas höher um sich vor der Kälte zu schützen. „Wo fahren wir eigentlich genau hin?“, fragte Juudai und stellte sich neben ihn. Fubuki zeigte mit dem Finger in Richtung des Ufers. „Siehst du wo der Fluss mündet?“, fragte er. Juudai versuchte seinem Blick zu folgen und tatsächlich konnte er vom weiten sehen, wie sich der große Fluss welcher die Stadt förmlich in Ost und West unterteilte ins Landesinnere bewegte. „Kinogawa.“, sagte Fubuki. „Kinogawa?“, kam es von Jun, welcher sich nun ebenfalls neben ihn stellte. „Ist das nicht diese sozial schwache Ecke wo die ganzen Studenten und billigen Arbeitskräfte wohnen?“ „Ich habe noch nie was von der Ecke gehört.“, meinte Juudai und zuckte die Schultern. Fubuki seufzte und schaute auf sein Handy um nach der Uhrzeit zu sehen. „Der Bus kommt gleich, ich erkläre euch dann warum es ausgerechnet Kinogawa ist.“ Schweigend setzten sie sich noch für einen Moment auf die kühlen Sitze der Haltestelle bis besagtes öffentliches Verkehrsmittel auftauchte. Es war zum Glück ein Schnellbus, denn Kinogawa schien nicht wirklich in der Nähe zu sein. Sie setzten sich möglichst in die hinterste Reihe um ungestört reden zu können. Fubuki schnappte sich ein O-Nigiri aus der Tasche welche er mitgenommen hatte und biss einmal herzhaft hinein. „Diese doofen Tickets werden auch immer teurer.“, murrte Jun und steckte seine Fahrtkarte zurück in die Jackentasche. Fubuki schluckte den Bissen hinunter und sagte: „Ach sei froh, dass du kein Auto hast. Die sind zwar praktisch, aber Benzin und die Versicherung dafür sind teurer als die Monatskarte, glaub mir.“ Mit ein paar weiteren Happen hatte er das O-Nigiri aufgegessen und packte den Müll zurück in die Tasche. „Mag noch wer?“ Jun verneinte, doch Juudai nahm das Angebot sehr gern entgegen. „Also, was willst du in Kinogawa?“, fragte Jun und lehnte sich im Sitz etwas zurück. „Wenn ich starke Emotionen spontan benötige, dann werde ich sie dort definitiv auslösen können.“, erklärte Fubuki knapp. Er befreite ein weiteres O-Nigiri aus seiner Plastikverpackung und biss hinein. „Wisst ihr, Kinogawa hat seinen schlechten Ruf erst in den paar Jahren bekommen. Es war zwar vorher schon nicht die schönste Ecke der Stadt, aber es war damals kein Auffanglager für Arme.“ Er biss wieder ein Stück von dem Reisball im Norimantel ab und sprach weiter: „Ryou und ich kennen uns jetzt schon seit 12 Jahren. Als ich ihn das erste Mal getroffen habe saß er allein und orientierungslos an der Bushaltestelle bei mir um die Ecke, also als ich natürlich noch meinen Eltern im Tamamura-Bezirk gewohnt habe. Es war ein genauso dreckiger und kalter Tag wie heute und er hatte nicht einmal eine Jacke dabei, also habe ich ihn mit nach Hause genommen weil er sich wahrscheinlich sonst was geholt hätte.“ Noch ein Bissen Reis. Juudai und Jun hörten aufmerksam zu. „Ich weiß bis heute nicht, was genau mit ihm an dem Tag los war. Nur, dass es mit seinem Vater zusammenhängt und seine Familie damals in Kinogawa gelebt hat. Wir haben ihn an dem Abend bei mir übernachten lassen, er hat kaum ein Wort geredet weil er anscheinend total verängstigt war. Meine Mutter und ich haben ihn am nächsten Tag zurück nach Hause gebracht und... das werde ich nie vergessen.“ Fubuki zerdrückte das O-Nigiri fast in seiner Hand. Man sah ihm an, dass ihn diese Erinnerung wütend machte. „Dein Ernst?“, fragte Jun skeptisch und hob eine Augenbraue an. „Marufuji 'Kaiser' Ryou kommt aus Kinogawa?“ „Nein.“, antwortete ihm Juudai zu seiner Verwirrung. „Sie sind zugezogen. Er hat mir das in der Nacht nachdem Fubuki und ich angegriffen worden sind erzählt, dass seine Familie vom Land kommt. Also, er hat es zumindest angedeutet.“ „Ihr habt euch unterhalten?“, fragte Fubuki ebenfalls verwirrt. „So mehr oder weniger, ja. Wir konnten in der Nacht beide nicht schlafen.“, antwortete Juudai und starrte auf sein O-Nigiri, welches er immer noch nicht aufgegessen hatte. „Hm...“ Fubuki aß den Rest seines O-Nigiris auf und starrte zu Boden. „Ich kann mir... ich kann mir den Typen immer noch nicht so vorstellen wie du ihn beschreibst, Nii-san.“, murmelte Jun und stützte den Kopf auf seiner rechten Hand auf. „Er war als Kind auch ganz anders als jetzt.“, antwortete Fubuki. „Leider.“ „Wie meinst du das?“, fragte Juudai, packte das O-Nigiri zurück in die Verpackung und verstaute es vorsichtig in seiner Jackentasche. „Ryou war fröhlicher. Er war zwar nie jemand der viel geredet hat, aber er ging offener mit seinen Emotionen um. Jedenfalls...“ Fubuki schaute aus dem Fenster. „... ist Kinogawa ein Ort der mich an diese Zeit erinnert.“ Sie fuhren noch eine Weile bis sie ihr Ziel erreicht hatten. Es hatte wieder zu nieseln angefangen. Schweigend folgten Jun und Juudai dem Älteren die Straße entlang. Eigentlich war Kinogawa eine Aneinanderreihung von kleinen, grauen Mehrfamilienhäusern welche auf einem großen Deich gebaut wurden. Direkt auf der linken Seite der Straße fiel der Rasen ab und ging in graubraunen Kiesstrand über. Der Wind wehte kühl vom Wasser in ihre Richtung und ließ die Jungen noch mehr frieren als sie es schon vorher getan hatten. „Also Wasser hätten wir hier definitiv genug.“, bemerkte Juudai. „Ja, aber hier würde man uns sehen.“, entgegnete ihm Fubuki. Er sah kurz nach ob ein Auto vorbei fahren könnte und bedeutete den beiden ihm über die Straße zu folgen. Der Beton war rissig und voller Schlaglöcher. Jun wollte einen abfälligen Kommentar loslassen, doch die Blicke der beiden anderen ließen ihn sofort verstummen. Kinogawa war nicht schön. Es war dreckig, die Häuser waren klein, gedrungen und wirkten nicht sehr einladend, der Rasen war voller Unkraut, zu hoch, vergilbt und matschig vom Regen der letzten Tage. „Die Gegend ist wirklich nicht schön.“, murmelte Juudai und schaute mit traurigen Augen zu den Häusern, als sie über den Rasen liefen in Richtung des Wassers. „War sie nie. Aber sie ist hässlicher und dreckiger geworden. Es wurde das meiste in den letzten Jahren eh abgerissen und neu gebaut um die Wohnungen hier noch billiger zu machen, es sieht mittlerweile nicht mehr so aus wie früher.“, sagte Fubuki ohne ihn dabei anzusehen. „Wo willst du eigentlich hin?“, fragte Jun und umklammerte seine Jacke weil ihm der Wind durch seine viel zu dünnen Kleider zog. Fubuki führte sie hinter der letzten Häuserreihe vor dem Deich entlang, man konnte einen kleinen Trampelpfad erkennen welcher weiter in Richtung Wasser führte. „Hier in der Nähe gibt es eine leer stehende Pension deren Vordereingang versperrt ist. Wenn wir Pech haben sind irgendwelche Jugendlichen da drin, aber ich glaube bei der Kälte sind wir allein.“, erklärte Fubuki. Tatsächlich führte der kleine Weg zu einem heruntergekommenen Gebäude, welches völlig unpassend zwischen den Reihenhäusern wirkte. Zerrissenes Absperrband flatterte im Wind und ein rostiges Schild deutete darauf hin, dass der Zutritt verboten sei. Baustellen-Zäune welche einen am Betreten des Geländes hindern sollten waren bereits zu Boden gestoßen und von den vielen Füßen die darauf gestiegen waren schon völlig verbogen. Fubuki kletterte über den Zaun und winkte Jun und Juudai zu sich herüber. Auf der einen Seite konnte man sehen, dass das Dach des Gebäudes bereits bessere Tage gesehen hatte. Die Wände waren mit Graffity mehrmals beschmiert worden, Fenster waren eingeschlagen und Türen aus den Angeln gerissen. „Sehr einladend.“, murmelte Jun mit deutlich ironischem Klang und folgte Juudai und Fubuki in das verfallene Gebäude hinein. Es war dunkel und staubig, man hörte wie Wasser durch das kaputte Dach auf den Boden tropfte. Möbel waren kaum noch welche da, stattdessen hatte sich allerhand Müll nebst all dem Schutt und ein paar kaputte Matratzen und Decken, wahrscheinlich die Habseligkeiten von Obdachlosen, angesammelt. „Ich weiß, ist nicht der gemütlichste Ort hier, aber hier haben wir unsere Ruhe.“, sagte Fubuki und legte seine Tasche zur Seite. „Was ist das nur für ein Ort...“ Man konnte dem Schwarzhaarigen ansehen, dass er sich ekelte. „Ich würde mich ja lieber erhängen als hier jemals leben zu müssen.“ „Wie gesagt, Kinogawa war mal schöner. Bevor Ryou und ich zur Duel Academia gegangen sind war das hier noch eine gemütliche Pension mit einem kleinen chinesischen Restaurant nebenan.“, erwiderte Fubuki. „Warum steht das überhaupt noch?“, fragte Jun und sah sich mit angeekeltem Blick um. „Keine Ahnung... ist jetzt auch egal. Lasst uns endlich anfangen.“, sagte Fubuki und rieb sich die Hände. Juudai schaute nach oben um die Deckenhöhe einschätzen zu können, ging etwas mehr in die Mitte des Raumes und holte sein Amulett aus der Tasche. Leise flüsterte er den Ruf. Wieder spürte er wie dunkle Energie seinen Körper durchflutete, Yuberus Flügel sich auf seinem Rücken manifestierten und sich seine Sinne verschärften. Juudai sah sich um. Die Umgebung wirkte viel heller auf ihn, er hatte das Gefühl jedes einzelne Staubkorn erkennen zu können welches durch die Luft flog. „Oh Mann, ich glaube daran werde ich mich wohl nie gewöhnen.“, meinte Jun und deutete mit seinem Blick auf die schwarzen Flügel auf Juudais Rücken. Fubuki kam ein paar Schritte auf Juudai zu und musterte dessen Erscheinungsbild. „Ich habe es zwar schon mal gesehen, aber ich muss Manjoume-kun da recht geben...“, sagte er und lächelte. „Leute, ihr sollt mich nicht bewundern sondern machen. Los!“, sagte Juudai und lachte. „Jaja.“, schnaubte Jun und versuchte sein Grinsen zu unterdrücken. Er holte ebenfalls sein Amulett aus der Jackentasche, gesellte sich zu Fubuki und sah zwischen ihm und Juudai hin und her. „Bereit?“, fragte er ihn. Fubuki öffnete seinen Mantel und zog den Anhänger unter seinem Pullover hervor. „Ja.“ Fubuki umschloss das Amulett mit der Hand, atmete einmal tief ein und aus, ehe er die Worte sprach. »Ich rufe dich, Raviel – Lord of Phantasms. Stehe mir bei auf meinem Wege.« Ein hellblaues Licht strahlte aus dem Amulett hervor, die Energie formte einen Ring auf dem Boden um Fubuki und zog sich an seinem Körper hoch. „Wow.“, kam es überrascht von ihm und er blinzelte. „Oh Mann, was ist das? Das fühlt sich ja wahnsinnig an.“ Er schaute an sich hinunter, schaute nach links und rechts, nur um dann aufzustöhnen und die Jacke endgültig auszuziehen. „Wah, das ist eklig warm in dem Ding.“, maulte er und machte Anstalten das Kleidungsstück zur Seite zu legen, als er plötzlich innehielt. „Blau?“ Fubuki zupfte mit der freien Hand an einer seiner Haarsträhnen. Sie waren nach wie vor dunkelbraun, nur die Spitzen hatten sich aus einem ihm nicht ersichtlichen Grund in ein kräftiges Cyanblau verfärbt. „Nicht nur deine Haare.“, bemerkte Jun und bot ihm sein Handydisplay als Spiegel an. Fubuki nahm das Telefon entgegen und begutachtete sich genauer. Seine Augen waren blau. Strahlend hellblau. „Hmmm... ich weiß nicht, stehen mir blaue Augen?“, fragte er den Schwarzhaarigen, woraufhin dieser nur genervt ihm sein Handy wieder wegnahm. „Das tut jetzt nichts zur Sache, Nii-san. Konzentrier dich gefälligst!“, zischte er. „Also ich finde das echt cool.“, erwiderte Fubuki und kicherte. „Und ich finde es arschkalt.“, meckerte Jun und nahm ihm die Jacke an. „Warum frierst du nicht?“ Fubuki zupfte immer noch an einer der blauen Haarsträhnen und überlegte. Dann wurde er wieder ernst. „Also ich glaube, das hat was mit dem Element zu tun. Vielleicht schwächt es mein Kälteempfinden ab.“, sagte er. „Das denke ich auch. Unsere Sinne sind verschärft, aber andere Dinge nehmen wir nicht mehr so stark war. Schmerzempfinden zum Beispiel, ich habe in dieser Form zwar etwas gespürt als mich dieses Splitterwesen angegriffen hat... aber es war anders als Kanames Angriff.“, fügte Juudai hinzu. Fubukis Blick wurde schlagartig leer. Er versteckte sein Gesicht hinter einer Hand, schüttelte sich kurz und atmete tief aus. „Satoshi.“, flüsterte er. „Das Kind hieß Satoshi.“ Schlagartig wurde ihnen wieder bewusst, wofür die Kräfte welche sie in diesem Moment trainieren wollten eigentlich gedacht waren. Die Drei blickten zu Boden. „Es kam in den Nachrichten. Wir werden wohl nicht nur töten müssen. Nein, wir... wir werden perfekte Verbrechen begehen müssen. Sonst haben wir nicht nur einen Feind, der Staat, vielleicht sogar die ganze Welt wird sich gegen uns richten können.“ Fubukis Hände ballten sich zu Fäusten. „Oh Gott, wo sind wir hier reingeraten?“, fluchte er und Tränen der Verzweiflung traten in seine Augen. Für eine Weile war nur leises Schluchzen in zu hören. „Fubuki-san.“ Juudai legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Fubuki... denk jetzt nicht daran. Ich weiß, wir sind alle müde und hypersensibel dadurch, aber wir müssen uns jetzt darauf konzentrieren, dass du lernst diese Kräfte zu kontrollieren.“ Fubuki nickte. Jun legte den Mantel des Älteren zu der Tasche, holte sein Amulett und rief seinen Drachen in sich hervor. Die transparenten Flügel aus dem Traum zuvor waren nicht da, aber er spürte die Veränderung an seiner Sicht und dem Energieimpuls welcher seinen Körper durchflutete. Die anstrengende Müdigkeit wurde in den Hintergrund gedrängt, dennoch fühlte er sich nicht ganz so kraftvoll wie bei seinem ersten Ruf. „Also“, begann Juudai. „Konzentrieren wir uns. Zuallererst müssen wir herausfinden, inwieweit du in der Lage bist überhaupt das Wasser zu kontrollieren. Ich habe festgestellt, dass es während dieses Traum-Trainings viel einfacher ist sein Element zu benutzen als in der realen Welt, aber wir können wie gesagt nicht warten bis Rayne es dir erklärt wie du es benutzt.“ „Verstanden.“ Fubukis Stimme klang immer noch zittrig, aber er schien sich wieder gefangen zu haben. Offensichtlich hatte er seinen Nullpunkt bereits überschritten und schien deswegen anfällig für plötzliche Stimmungsschwankungen zu sein. Sie sahen sich in dem Raum um und fanden eine eingebrochene Regenrinne aus welcher durch den wieder aufkommenden Regen Wasser hinein tröpfelte. Fubuki und Juudai traten etwas näher zu dem nach Moder riechenden Schutthaufen auf welchen munter das Wasser hinunter plätscherte. „Du weißt: Stell dir vor was das Wasser tun soll. Beuge seinen Willen mit deinen Emotionen.“, murmelte Juudai. Fubuki sah kurz zu ihm, dann wieder zu der Regenrinne. Jun beobachtete sie ihm Hintergrund. Fubuki atmete tief ein und aus um sich zu fangen, dann richtete er seinen Blick genau auf das Wasser und streckte seine Hand danach aus. „Gefriere.“, flüsterte er und tatsächlich erstarrten die Wassertropfen in ihrer Bewegung und fielen als kleine Eisstückchen zu Boden. Überrascht darüber, dass es ihm gelang entkam Fubuki ein freudiger Laut, doch die Eisstückchen wurden sofort wieder flüssig und versickertem im Boden. Dennoch probierte Fubuki das Gleiche noch einmal von vorn. Doch auch beim zweiten, dritten, vierten Mal blieb das Wasser nicht in der Form wie er es sich wünschte. Juudai trat einen Schritt zurück, Jun gesellte sich neben ihn und beide beobachteten wie Fubuki verbissen versuchte Kontrolle über sein Element zu erlangen. Nach dem gefühlt hundertsten gescheiterten Versuch ließ Fubuki die Schultern hängen und seufzte. „Ich krieg's nicht hin.“ „Du bist nicht ganz bei der Sache. Sagtest du nicht, dass dieser Ort starke Emotionen bei dir auslösen würde?“, fiel Jun ihm ins Wort. „Ja, das tut er schon, aber-“ „Nichts aber.“, Jun packte Fubuki am Arm und zog ihn zu sich, sodass er ihm direkt in die Augen sehen konnte. „Irgendwas in deinem Kopf blockiert diese Emotionen.“, stellte er fest. Fubuki versuchte seinem mahnenden Blick auszuweichen. „Rayne hat mir erklärt, dass man ohne einen triftigen Grund diese Kräfte zu benutzen nichts mit ihnen ausrichten kann. Vielleicht reicht es nicht aus sich nur auf das Wasser zu konzentrieren. Du musst das Wasser benutzen um jemanden etwas auszuwischen. Jemanden fertig machen, bestrafen. So wie wir es mit diesen kleinen Viechern gemacht haben.“, führte Jun seine Theorie fort. „Juudai-kun!“ Der ehemalige Osiris schaute perplex auf als Jun seinen Namen appellierte. Jun schubste Fubuki mit sanfter Gewalt in dessen Richtung. „Ich denke Tenjouin-san braucht einen richtigen Gegner.“ „W-was- Du meinst ich soll ihn angreifen?!“, entgegnete ihm Juudai empört und wich ein paar Schritte zurück. „Natürlich, du Blitzmerker. Das ist doch genauso wie beim Schießtraining. Auf Pappschilder zu zielen wird auf Dauer langweilig, da kommt kein Adrenalin zustande, zumindest nicht genug. Was wir brauchen ist direkte Konfrontation, kein auswendig lernen wie in der Grundschule.“, erklärte Jun abfällig und trat in die Mitte des Raumes. „Wenn du ihn direkt angreifst, wird er kontern müssen. Das ist wie bei einem Duell, nur direkter. Wir sind jetzt die Agierenden auf dem Feld, nicht die Duellanten die hinter ihren Hologrammen stehen und Befehle erteilen. Warum glotzt ihr mich jetzt so schockiert an, hm?“ Er hatte sich wieder gefunden. Die letzten Wochen waren die Hölle für ihn gewesen, doch die Verbindung mit dem Drachen gab ihm neue Kraft. Herausfordernd funkelte er die beiden zur Salzsäule erstarrten jungen Männer an. „Na los, oder seid ihr zu feige dazu? Leute, begreift ihr es denn nicht. Wir können in so einer Situation wie dieser hier nicht kneifen, kapiert? Wir stehen erst am Anfang der Bedrohung und ihr scheitert schon an so einem Kleinscheiß.“ Juudai erwiderte Juns eiskalten Blick mit Verärgerung, doch er wusste, dass sein Gegenüber recht damit hatte. Fubuki schaute verunsichert zwischen den beiden Jungen hin und her, trat einen Schritt vorsichtig aus der Ecke hinaus, sodass sie in ein Dreieck mit ihren Positionen bildeten. „A-aber, Manjoume-kun. Wenn ich ihn verletze-“, begann er, doch Jun gab ihm mit einer Geste seiner Hand zu schweigen. „Wenn es stimmt, was Rayne gesagt hat ist mein Element dazu fähig zu heilen. Sollte also einer von euch ernsthaft verletzt werden, werde ich einschreiten.“, sagte Jun ruhig. Verunsichert schaute Fubuki noch einmal zu Juudai welcher ihm zunickte. „Ich werde erst einmal in die Defensive gehen, das ist glaube ich sicherer.“, fügte er hinzu. Die Stimmung war sehr angespannt. Juudai versetzte sich bereits in eine defensive Haltung, während Fubuki sich zum Angriff bereitmachte. Er schloss die Augen, machte eine sanfte fließende Bewegung mit der rechten Hand als würde er versuchen sich genau vorzustellen wie das Wasser fließen sollte. „Vergiss nicht, die Gefühle müssen echt sein.“, bläute ihm Jun ein. „Echte Gefühle...“, murmelte Fubuki. Wut, Hass, Trauer, Verzweiflung. Und er musste sie auf Juudai beziehen, auch wenn er es nicht wollte. Obwohl... Der Name des kleinen Jungen. Er brannte sich in Fubukis Gedächtnis ein und die negativen Gefühle gegenüber Juudai die er dabei hatte kochten hoch. Mit einer blitzschnellen Bewegung formte er gleichzeitig mit seinen Gedanken aus dem Wasser hinter sich ein Geschoss aus spitzen Eiszacken und schleuderte diese mit einer zweiten fließend schnellen Bewegung auf den ehemaligen Osiris zu. Überrascht wich dieser aus und wurde dabei von einem der Eisgeschosse gestreift. Ein kleiner Schnitt war auf seiner linken Wange zu sehen, doch es kümmerte ihn nicht, denn ehe Fubuki sich versah reagierte Juudai mit einem Netz aus schwarzen Dornen die nach ihm zu greifen versuchten. Fubuki stellte sich eine Wand aus Eis vor und genau diese erschien als er seine Arme rechtzeitig schützend vor sich hielt. Die Dornen prallten an der Eismauer ab und sie zerbrach sogleich zu kleinen Eissplittern. Doch ehe sie auf dem Boden aufkamen hatte rief Fubuki eine neue Form aus dem Wasser hervor, dieses Mal in flüssiger Form. Juudai versuchte wieder mit den Dornen anzugreifen, Fubuki jedoch schloss diese im Wasser ein und drängte sie zurück, drängte Juudai gegen die Wand. Er wollte zum finalen Schlag ansetzen, ließ das Wasser zurück gleiten – Juudai nutzte diesen Fehler aus und schlug zurück. Schwarze Dornen umschlagen Fubukis Arme, das Wasser welches er soeben noch manipulieren konnte glitt ihm wortwörtlich aus den Fingern und überschwemmte den hölzernen Boden unter ihren Füßen. Die Dornen kratzten an Fubukis Haut, er spürte wie sie sich im Stoff seines Pullovers verfingen und sich immer fester um seine Arme wickeln. „J-Juudai, lass los. Ich hab es ja schon kapiert – Argh!“ Ein höllischer Schmerz durchfuhr seine Arme als die Dornen sich in seine Haut bohrten. Mit schmerzverzerrtem Gesicht sah zu Juudai, wessen Blick sehr finster war – viel zu finster. Er war nicht mehr er selbst. Panisch versuchte sich Fubuki sich aus dem Griff der Dornen zu befreien, doch es machte die Schmerzen nur noch schlimmer. Er konnte aus dem Augenwinkel erkennen wie langsam Blut zwischen den schwarzen Dornen hervortrat und auf den Boden tropfte. „Juudai!“ Jun war auf den Jungen zugeeilt, sah nur dessen verzerrten Gesichtsausdruck, zögerte daraufhin nicht lange und jagte ihm eine Faust in den Magen. Juudai japste nach Luft, die Dornen zerfielen zu schwarzem Staub und der Junge fiel unsanft zu Boden. Fubuki brach im gleichen Moment zusammen, vor Schmerz wimmernd. Seine Arme. Sie waren voller Blut. Aufgerissen von scharfen Dornenranken, tief ins Fleisch. Er wollte sich nicht ausmalen wie sehr es weh tun sollte wenn er nicht durch den Ruf geschützt wurde. „Bist du bescheuert?!“, brüllte Manjoume seinen ehemaligen Klassenkameraden an und gab ihm eine Ohrfeige. Schnell wendete er sich dem wimmernden Häufchen Elend auf dem Boden zu, welcher versuchte seine geschundenen Arme zu verstecken. „Tenjouin-san... Fubuki.“, sprach er ihn vorsichtig an. Blut bedeckte den Boden, doch Jun kümmerte es nicht, dass er inmitten einer Lache hockte. „Zeig mir deine Arme.“, forderte er ihn auf. Fubuki hob leicht den Kopf, sein Gesicht war völlig nass voller Blut und Tränen. „I-ich kann n-nicht... es tut so weh!“, heulte er leise auf, doch Jun ignorierte dies. Er griff nach Fubukis linken Arm, sodass dieser nur noch lauter aufheulte. Es war kein schöner Anblick. Die Dornen hatten teilweise so tief geschnitten, dass die Muskulatur angegriffen war. Es blutete und blutete und wollte nicht aufhören zu bluten. Jun konzentrierte sich. Er strich mit der flachen Hand von Fubukis Oberarm langsam und sanft hinunter, befahl dem Licht zu heilen. Es war sehr mühsam, doch die Wunden begannen sich zu schließen. Fubuki wimmerte immer noch, doch es wurde weniger je mehr die Verletzungen verschwanden. Der ehemalige Obelisk stöhnte auf, als Jun den rechten Arm langsam begann zu heilen. Juudai kauerte immer noch in der Ecke. „Es tut immer noch weh.“, wimmerte Fubuki als er versuchte den bereits geheilten Arm zu bewegen. Man konnte durch leichte Verfärbungen erkennen, wo die Haut aufgerissen gewesen war. „Ich weiß. Aber das geht weg, glaube mir.“, beschwichtigte ihn Jun. „Hoffentlich... Narben davon wären ziemlich unschön.“, sagte Fubuki und versuchte dabei zu lächeln, doch es gelang ihm nicht. Der Schock saß zu tief. „Wenigstens wissen wir jetzt, wer sein Element kontrollieren kann und wer nicht.“, antwortete Jun, wobei er bei dem letzten Teil des Satzes zu Juudai hinüber schaute. Er nahm Fubukis Hände in seine und half ihm aufstehen. Das Blut war mitsamt der Verletzungen an seinen Armen verschwunden. „Hey Vollidiot, steh auf.“, blaffte Jun seinen Rivalen an und baute sich vor ihm auf. Juudai schaute langsam nach oben. Seine Augen waren wieder normal, die Flügel an seinem Rücken lösten sich auf. Anscheinend war die Finsternis gewichen. „Was ist passiert...?“, fragte Juudai, sein Hals war trocken. „Steh auf!“ Jun war mehr als wütend, er zerrte ihn unsanft hoch und gab ihm eine zweite Ohrfeige. „Du hast gerade Tenjouin-san fast die Arme abgerissen, Arschloch. Frag nicht so dumm was los ist!“, keifte er ihn an. Juudais Augen weiteten sich als er dies hörte. „Ich habe was...?“, fragte er ungläubig. „Das wollte ich nicht, ehrlich! Ich weiß nicht, was-“ „Ist schon gut, Juudai-kun.“, unterbrach ihn Fubuki mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen. „Du-“, wollte Jun erwidern, doch Fubuki gab ihm zu schweigen. „Wir sollten gehen. Jetzt.“, sagte er ernst, eilte zitternd zu seiner Jacke und warf sie sich über. „Ich nehme die Tasche.“, flüsterte Juudai betrübt ehe Fubuki ihm zuvor kommen konnte und verließ als Erster das Gebäude. Stumm folgten Jun und Fubuki ihm. Kurz bevor sie wieder auf der Straße waren verflog auch Fubukis Ruf und stolperte entkräftet gegen Jun, welcher ihn noch rechtzeitig auffing. „Danke, Manjoume-kun. Aber ich kann alleine laufen.“, sagte er sanft als der Schwarzhaarige ihm stumm anbot ihn zu stützen. Er lief ein paar Meter, blieb dann jedoch wieder stehen und hielt sich den Bauch. „Alles in Ordnung?“, fragten Juudai und Jun gleichzeitig und eilten zu ihm. „Mir ist kotzübel.“, brachte Fubuki hervor. Er war wirklich bleich um die Nase. Jun legte eine Hand auf die Stirn des Älteren, sie war glühend heiß. „Ruf einen Arzt, Juudai.“, sagte er leise, doch Fubuki verneinte. „Keinen Arzt. Wie wollen wir dem denn bitte erklären was passiert ist. Ich muss mich einfach nur zu Hause hinlegen und schlafen, bitte.“, flehte er förmlich. „Dann fahren wir aber garantiert nicht mit dem Bus.“, antwortete Juudai, holte sein Handy aus der Hosentasche und wählte die Nummer eines Taxiunternehmens. Jun legte eine Hand um Fubukis Hüfte und dessen Arm um seine Schulter und half ihm den Weg hinauf zurück zur Straße. Es war bereits stockdunkel, nur die dreckigen Straßenlaternen und die Lichter aus den Fenstern der Mehrfamilienhäuser spendeten etwas Helligkeit. Sie setzten sich in die Bushaltestelle und warteten auf das Taxi, Fubuki lehnte dabei mit geschlossenen Augen an Juns Schulter. „Du bist immer noch in der Rufform.“, bemerkte er nach einer Weile der Stille. „Ja. Man sieht sie mir zum Glück nicht an und anscheinend hält sie bei mir länger als bei euch.“, antwortete Jun. „Aber ich bleibe sicherheitshalber erst einmal so, falls doch noch etwas passiert kann ich schneller handeln.“ „Glaubst du nicht, dass unsere Gegner uns so leichter aufspüren könnten?“, fragte Juudai. „Die Gefahr würde so oder so bestehen.“, war Juns trockene Antwort. „Erst einmal bringen wir Tenjouin-san in Sicherheit.“ Schweigen. Ein paar Minuten später hatte das Taxi die genannte Haltestelle erreicht und sie fuhren zurück. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, doch in Realität dauerte die Fahrt dank der guten Kenntnisse des Taxifahrers nur zwanzig Minuten. Als sie endlich die Wohnung erreichten brach Juudai die Stille: „Ich möchte mich noch einmal entschuldigen dafür, Fubuki-san. Ich versuche mich so schnell wie möglich in den Griff zu bekommen-“ „Nein, Juudai. Es war meine Schuld. Ich hatte die dumme Idee euch gegeneinander kämpfen zu lassen, es war ein Fehler.“, unterbrach ihn Jun mit reuevoller Stimme. „Ach, seit doch beide leise.“, murmelte Fubuki, welcher zittrig nach dem Hausschlüssel in seiner Jackentasche suchte. Während er aufschloss fügte er hinzu: „Es ist ganz allein meine Schuld wenn wir schon damit anfangen, denn ich hatte die Idee das unbedingt ausprobieren zu müssen und den Preis habe ich dafür gezahlt.“ Pharaoh wartete bereits auf die drei Jungen im Flur. „Hey Pharaoh“, begrüßte Juudai den Kater, zog seine Schuhe aus und ging sogleich in die Küche um dem Tier sein Abendessen zu geben. Jun half Fubuki dabei seine Jacke auszuziehen, da dessen Arme nach wie vor geschwächt waren. Völlig übermüdet stützte sich Fubuki an der Wand ab und schlurfte langsam in Richtung seines Zimmers und wollte ein „Gute Nacht“ noch aussprechen, als er hörte wie etwas Großes auf dem Flurboden aufkam. Er wirbelte herum. „Manjoume!“ Der Schwarzgekleidete war direkt hinter Fubuki zusammengebrochen. Juudai kam sofort aus der Küche zurück gestolpert. „Was ist passiert? Was-“ Er brach ab. Geschockt starrte er auf die dunkle Blutlache welche sich langsam über den Boden lief und alles um sich herum in tiefes Rot verfärbte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)