Rushhour - Sieh mich an von Lyssky ================================================================================ Kapitel 1: I ------------ a/n: Was sagt ihr zur Optik? Kann man das so lassen, oder soll ich lieber Leerzeilen zwischen die Absätze machen? Sieht das aus wie ein riesiger Block Text, den man dann eh nicht liest? ?_? Rushhour Sieh mich an und sage mir, dass ich am Leben bin. Mehr als 3 Millionen Menschen fahren mit der Yamanote-Bahn, die mit ihren 29 Stationen ringförmig die wichtigsten Bahnhöfe Tokios miteinander verbindet, um zur Arbeit, zur Schule, zur Universität oder zum Einkaufen zu kommen – jeden Tag. Während die Linie zu entspannteren Tageszeiten durchaus auch für den Freizeitverkehr nutzbar ist, gehört sie zu den Stoßzeiten morgens und abends ganz den Pendlern. Besser gesagt, wären die Wagen mit ihrer charakteristischen grünen Lackierung nicht aus widerstandsfähigen Materialien wie Eisen, Stahl und Hartplastik gefertigt, würden sie ob der schieren Massen, die sich wie Sardinen in der Büchse in sie hineinquetschen, förmlich aus allen Nähten platzen. Naruto war auf dem Weg zur Arbeit und seufzte innerlich, als er sich unter die Wartenden am Bahnhof Shinagawa einreihte. Der letzte Zug war erst vor einer halben Minute abgefahren, doch der Bahnsteig war schon wieder so voll, dass er dennoch mehr als eine weitere Minute gebraucht hatte, um sich unter unzähligen Entschuldigungen bis zum Ende seiner Schlange vorzuarbeiten. An dieser Stelle würde die Tür zu genau dem Wagen halten, der ihn in Shinjuku am nächsten zu seinem Ausgang bringen würde. Die wenigsten Leute machten von sich aus Platz, wenn sie ihn hörten. So wichtig Höflichkeit und Respekt in allen anderen Bereichen des Alltags auch waren, so überflüssig schienen ein paar freundliche Worte im täglichen Wahnsinn des Nahverkehrs in Tokio. Wer nicht zumindest ein bisschen grob war, wer ständig anderen auswich und zuvorkommend wartete, kam nicht weit, und sicher nicht dorthin, wohin er wollte. Dem eigenen Vorwärtskommen Vorrang zu geben war geradezu lebensnotwendig. Naruto hatte kein Problem damit, die Leute energisch mit der Schulter aus dem Weg zu schieben, aber er brachte es irgendwie nicht übers Herz, dabei überhaupt nichts zu sagen. Gomen. Gomen. Sumimasen. Er sagte es laut und deutlich. Vielleicht war es eine Art Trotz gegen die harsche Realität, aber er konnte schlecht so tun, als bemerkte er die Anwesenheit der fünfhundert anderen auf dem Bahnsteig nicht. Sie waren ja auch kaum zu übersehen. Die wohlbekannte Melodie für den einfahrenden Zug des äußeren Rings ertönte, eine Flut von Fahrgästen wurde ausgespült und seine eigene Reihe setzte sich langsam in Bewegung, um in den Zug zu kommen. Wie üblich gaben ihm die fehlenden Reaktionen auf seine Worte auch heute das Gefühl, auf eine Gemeinheit, die erklärbar und verständlich war, nämlich das rücksichtslose Sich-Hindurchquetschen, noch eins draufzusetzen, indem er die Leute auch noch damit belästigte, sich ehrlich entschuldigen zu wollen. Dieses alltägliche Ritual hatte er inzwischen oft genug wiederholt, um bemerkt zu haben, dass er mit seinem Verhalten ein wenig aus er Reihe tanzte. Nachdem ein Bahnhofsangestellter mit seinen peinlich sauberen weißen Handschuhen kräftig nachgeholfen und die Leute, die direkt an der Tür standen, noch weiter in den Zug hineingedrückt hatte, rollte die Bahn los. Naruto war so weit hineingeschoben worden, dass er zumindest nicht mehr im Eingangsbereich stand, sondern schräg vor einer der Sitzbänke, die parallel zur Wand angebracht waren. Wenn er sich noch ein bisschen drehte – so –, konnte er über die Köpfe der wenigen glücklichen Sitzenden hinweg aus dem Fenster sehen. Er ergatterte sogar eine der grauen Plastikschlaufen, um sich festzuhalten. Vielleicht wurde der Tag ja gar nicht so übel! Automatisch fuhr Narutos freie Hand in die Tasche seiner Jeans, um nach seinem MP3-Player zu greifen, doch dann hielt er inne. Ach stimmt ja. Etwas grummelig zog er die Hand wieder zurück. Dass der Akku leer war, hatte er vorhin schon feststellen müssen, bevor er umgestiegen war. Er hatte es bemerkt, sich geärgert und es dann wieder vergessen. Also keine Musik. Naruto schaute sich um. Der Mann rechts neben ihm hatte sein Handgelenk durch die Halteschlaufe gesteckt, seine Stirn auf den ausgestreckten Arm gelegt und die Augen geschlossen. Ohne Zweifel konnte er in dieser Position tatsächlich schlafen. Auf den Sitzen vor Naruto bot sich ein ähnliches Bild: Der Mann um die vierzig, der direkt vor ihm saß, hatte den Kopf in den Nacken gelegt und schnarchte mit offenem Mund, während der Kopf der schlafenden jungen Frau, die neben ihm saß, auf seine Schulter gefallen war. Was nicht heißen musste, dass die beiden zusammengehörten. Vermutlich taten sie es nicht. Ungeduldig wippte Naruto auf den Fußballen auf und ab. Weil er aus Yokohama kam, war er jetzt schon fast eine Stunde unterwegs und langweilte sich schrecklich. Schlafen kam für ihn nicht in Frage, um die Zeit in der Bahn totzuschlagen. Erstens schlief er wie ein Stein und fühlte sich morgens, wenn er es erst ins Bad, unter die Dusche und zum Frühstück geschafft hatte – wenn es ihm also erst gelang, im frühmorgendlichen Tran das Haus zu verlassen –, so ausgeruht und hellwach, dass er unmöglich noch einmal einschlafen konnte. Bahnfahren machte ihn nicht müde, sondern zappelig. Und zweitens war er sich nicht sicher, ob er das Automaten-Gen besaß. Das war in Narutos eigenen Worten die Fähigkeit tief schlafender Passagiere, trotz völliger geistiger Abwesenheit bei der Durchsage ihrer Station rechtzeitig aufzuwachen und auszusteigen, als wäre genau im richtigen Moment irgendein Schalter im Hirn umgelegt worden, der sie zuverlässig nach draußen steuerte. Wenn er wirklich in der Bahn einschlief, würde Naruto vermutlich als einziger Idiot bleiben, wo er war, und bis zur Endstation weiterfahren. Aber haha, wenn die Ringbahn überhaupt eine Endstation hätte! Unbewusst zog Naruto eine Schnute bei der Vorstellung, dreimal im Kreis um ganz Tokio zu fahren, ohne dass ihn jemand weckte, und dadurch so phänomenal spät zur Arbeit zu kommen, dass er sofort gefeuert wurde. Schließlich war er bloß ein armer Temp, kein Festangestellter, und mit denen konnte man es bekanntlich ja machen. Er würde seinen Job verlieren, könnte seine Wohnung nicht mehr bezahlen und würde auf der Straße landen, und irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft würde er in einer dunklen Gasse jämmerlich verenden, ausgeraubt und mit dreckverschmiertem Gesicht. Und alles nur, weil er das Automaten-Gen nicht hatte! So weit würde er es bestimmt nicht kommen lassen! Langsam wanderte Narutos Blick von der Aussicht vorbeiziehender Hochhäuser draußen zu dem Mann, der vor ihm saß und schnarchte.Ich könnte versuchen, ihm Papierkügelchen in den Rachen zu schnipsen und meine Treffer zählen, überlegte er. Wieder fuhr seine Hand in die Tasche, doch er hatte leider keine Papierkügelchen parat. Da war nur sein nutzloser MP3-Player. Öhm... nein. „Tsugi wa, Gotanda“, sagte die freundliche Frauenstimme aus den Lautsprechern. Noch sieben Stationen, die sich ziehen würden wie Kaugummi. Naruto schaute sich weiter um. Links neben ihm surfte eine Frau mit ihrem Handy im Internet. Der Schüler neben dem schnarchenden Mann, der unschwer an seiner dunkelgrauen Uniform zu erkennen war, tippte ebenfalls irgendetwas auf seinem lila Telefon. In Ermangelung einer interessanteren Alternative zählte Naruto alle Leute mit Handy und kam zu dem Schluss, dass ungefähr jeder Zweite im Abteil damit beschäftigt war, scheinbar völlig unberührt von dem Gedränge. In einer Situation, wo 70 Prozent der eigenen Körperoberfläche gegen irgendwelche fremden Leute gepresst waren, schaffte es wohl eine Illusion von Privatsphäre, so intensiv auf das Display zu schauen. Es war eigentlich einleuchtend. Auch Naruto fand die Enge unangenehm. Weil er sich irgendwie ablenken wollte, begann er, nach seinem Telefon zu suchen. Doch dann – dann sah er ihn. Naruto musste unwillkürlich schlucken, der Gedanke an Ablenkung war wie ausradiert. Wie er dieses kühn geschnittene, beispiellos blasse Gesicht, das von kinnlangen, seitlich herabfallenden schwarzen Haarsträhnen eingerahmt wurde, bis jetzt hatte übersehen können, war ihm ein Rätsel. Vielleicht, weil er bloß Leute mit Handys gezählt hatte, und dieser Typ hatte keins. Stattdessen trug er ein Paar riesiger metallicfarbener Kopfhörer, die zu dem schwarzen Anzug und den eleganten Schuhen wie ein Stilbruch wirkten. Ein gewollter Stilbruch, der ihn ziemlich lässig aussehen ließ, um nicht zu sagen verdammt cool. Der junge Mann, der ungefähr in Narutos Alter sein musste – vielleicht 24, 25 –, saß gleich links neben dem Nachrichten tippenden Schüler, keine fünf Schritte entfernt, und schaute teilnahmslos geradeaus, als ginge ihn nichts von dem Gequetsche im Abteil irgendetwas an. Fasziniert blieb Narutos Blick an ihm hängen, einen guten Augenblick länger, als es höflich gewesen wäre. Er merkte selbst, dass er starrte, und dennoch konnte er den Blick nicht von dem ahnungslosen Mann nehmen. Warum war er so fasziniert? Es musste etwas damit zu tun haben, wie alles um ihn herum einfach von ihm abzuperlen schien wie Wassertropfen von der Lotuspflanze. Seine Art, an seinem Platz zu sitzen und mit der Atmosphäre von Stress, Hektik, Bedrängnis und Ergebenheit in die Situation umzugehen, war mit niemand anderem zu vergleichen. Manche Leute schwitzten, weil es trotz der kühlen Temperaturen draußen sehr warm im Zug war, so wie die Frau in den Dreißigern, die in der Nähe der Türen stand und sich dezent die Stirn abtupfte. Aber nicht dieser Typ. Er schaute sich auch nicht verstohlen um wie der supermodische Junge, der vermutlich gerade die Schule abgeschlossen hatte und sich nun ständig vergewissern wollte, wie die Wahl seiner Kleidung bei anderen ankam, jetzt wo er endlich keine Schuluniform mehr tragen musste. Genauso wenig war er mit den Angestellten vergleichbar, die nervös an ihren Krawatten zupften und aussahen, als müssten sie gleich ersticken. Denen die Anspannung vor dem langen Arbeitstag förmlich ins Gesicht geschrieben stand, denen es anzusehen war, wie sie im Kopf die Tagesordnung durchgingen, sich innerlich für die Besprechung mit Kollegen wappneten, sich bereits den späten Feierabend vor Augen hielten wie ein Mantra. All das traf nicht auf den Mann zu, den Naruto so unhöflich anstarrte. Er wirkte nicht einmal, als bekäme er von den anderen Fahrgästen auf jene übereifrige Art und Weise nichts mit, die man sofort als gewollt und erzwungen identifizieren konnte, wie es bei so vielen anderen hier der Fall war. Dieser Typ sah aus, als könnte nichts zu ihm durchdringen, so als trüge er einen unsichtbaren Schutzschild um sich herum, der nicht nur dafür sorgte, dass man automatisch Abstand zu ihm hielt, sondern der auch seine eigene Wahrnehmung vor allem Unangenehmen abschirmte. Er besaß die perfekte abweisende Oberfläche. Naruto sah es ihm an, am unberührten Ausdruck seines Gesichts und an seiner indifferenten Haltung. Wieder schluckte Naruto, seine Kehle fühlte sich plötzlich ganz trocken an. Dieser Mann war... anziehend. Die ebenmäßige, weiße Haut, die hohen Wangenknochen, diese fein geschwungene Linie seiner Augenbrauen. Der eigenwillige, beinahe schon exzentrische Haarstil, vorne glatt und lang, hinten wild. Wenn es jemals jemanden gegeben hatte, den Naruto 'genau mein Typ' hätte nennen wollen, musste er so aussehen. Warum muss er so verdammt gut aussehen?, dachte Naruto. Warum muss hier jemand sein, der so perfekt ist? Er fühlte sich, als hätte man ihm einen Stich versetzt. Denn unter all den verführerischen Äußerlichkeiten war er die Inkarnation von alledem, was Naruto bis zur Weißglut ärgerte, weil er sich durch seine zur Schau gestellte Gleichgültigkeit überflüssig und abgelehnt vorkam. Naruto konnte nichts dagegen machen, dass er sich unter den anderen Pendlern ein wenig wie ein Außenseiter vorkam. Und das lag nur zum Teil an seiner heißgeliebten knallbunten Kleidung, die sich unter den schwarzen und grauen Anzügen der Bürohengste deutlich abhob. Mit seinen hellen Augen, dem blonden Haar und einem Gesicht, das dem seines kanadischen Vaters sehr ähnlich war und in Japan als „westlich“ bezeichnet wurde, wurde er immer als Ausländer angesehen, obwohl er in diesem Land aufgewachsen war, Japanisch ebenso fließend sprach wie Englisch und durch seine Mutter, die der Abstammung nach Halbjapanerin gewesen war, sogar die japanische Staatsbürgerschaft innehatte. Aber darum ging es eigentlich gar nicht. Es ging darum, wie sich hier jeder isoliert in seiner eigenen Luftblase bewegte. Niemand war daran interessiert, auf dem Weg durch die Stadt Kontakt zu Außenwelt aufzunehmen. Naruto hatte einmal gelesen, dass es als aufdringlich empfunden wird, wenn man jemanden länger als ein, zwei Sekunden ansieht. Aber hier schaute man überhaupt nicht. Und wenn er doch einmal unerwartet den Blick eines anderen traf, streiften ihn die Augen nur kurz und ließen ihn dann wieder los. Dadurch fühlte er sich wie ein Stück zweiter Ware, das als nicht gut genug befunden und wieder ins Regal gestellt wird. Seine eigenen, offenen und neugierigen Blicke schienen die Menschen eher abzuschrecken, als dass sie einen Kontakt herstellten. Immer zogen sie sich zurück, nie hielten sie an seinem Blick fest, und sei es nur für einen kurzen Moment. Dadurch gaben sie ihm das Gefühl, gar nicht wirklich da zu sein. Er existierte gar nicht. Wenn Naruto irgendwann nachgäbe, wenn er sich so verhielte wie alle anderen und aufhörte, neugierig, laut und ein bisschen indiskret zu sein, dann würde er sich vielleicht schon irgendwann als echtes Mitglied dieser zufällig zusammengewürfelten Menge fühlen – aber es war eine Menge, deren Teile einander nicht sahen und nicht sehen wollten. So kam es ihm zumindest vor, und es gefiel ihm ganz und gar nicht. Manchmal wusste Naruto selbst nicht, ob er dazugehören wollte oder sie alle hasste. Vielleicht war es ein Stück von beidem. Und jetzt hatte er also diesen faszinierenden Mann mit dem passiven Gesichtsausdruck entdeckt. Wenn die anderen Gesichter verschlossen waren, war seines eine Festung mit sieben schweren Eisentoren davor. Das privateste, am strengsten bewachte Gemach des Kaisers in der Verbotenen Stadt, dessen Betreten mit dem Tode bestraft wurde. Keiner der anderen Fahrgäste trug seine Maske, seine Verteidigung gegen die Invasion der persönlichen Distanzzone meisterhafter als dieser Typ. Er hatte nichts, worauf er starren konnte, keine Zeitung, keinen Manga, kein Handy in der Hand, nur die Kopfhörer. Seine Augen waren unbeschäftigt, sein Kern lag offen da, doch er war so eiskalt und unerreichbar, als befände er sich auf einem anderen Planeten, in einem fernen Sonnensystem. Dieser Mann auf der Bank war wie alle anderen, die Naruto das Gefühl gaben, in eine Einzelzelle gesperrt zu sein, nur noch schlimmer: Er saß da wie der Inbegriff dieser Kälte, er trug die gleiche Maske, spielte das gleiche Spiel, nur noch besser, noch geschickter – er spielte perfekt. Na und? Dann ist er eben ein Eisblock, dachte Naruto plötzlich trotzig. Warum sollte es ihn eigentlich stören, dass er wieder nur einer von denen war, die höchstens verstohlen schauten und dann sofort wieder ihre indifferente Maske aufsetzten? Naruto wollte das alles doch sowieso nicht. Warum sollte er sich wünschen, mit so jemandem mehr zu tun zu haben? Der Typ war doch definitiv das, was Naruto an vielen anderen so störte und was ihm den Spaß am Zugfahren gründlich verdorben hatte. So lächerlich es klingen mochte: Als Naruto noch jünger war, hatte er es spannend gefunden, mit öffentlichen Verkehrsmitteln herum zu fahren. Sein neues Hobby hatte er entdeckt, als er von der Grundschule auf die Junior High wechselte, eine Schule, die nicht mit dem Fahrrad erreichbar war, noch zu Hause in seinem kleinen Heimatort im Süden des Landes. Die Leute, die er dort zufällig im Bus traf, kamen ihm alle unglaublich interessant vor. Jeder von ihnen war aufregend, trug tausend Geschichten mit sich herum, jeder hätte ja möglicherweise sein Freund werden können. Jeden Tag sah er andere Gesichter, neue Möglichkeiten, jemanden kennenzulernen. Egal, ob es Mitschüler waren oder die alte Frau, die zu einem Strandspaziergang fuhr. Oder der Busfahrer mit dem wettergegerbten Gesicht. Narutos flippige Erscheinung fiel auf, die Leute reagierten auf ihn, und er war mehr als willig, darauf einzugehen und fröhlich drauf loszuquatschen. Für den jüngeren Naruto waren Situationen wie Bus fahren, ins Onsen gehen oder Einkaufen, wo es dem Zufall überlassen ist, mit welchen Leuten man zusammentrifft, wie jeden Tag Geschenke auspacken. Aber Tokio, die summende, verrückte Millionenstadt, war anders. Obwohl es hier viel mehr Menschen und viel mehr Möglichkeiten gab, jemanden kennenzulernen, war es hier tatsächlich unglaublich schwierig, jemanden zum Reden zu finden. Die Situation in der Bahn war nur ein konzentriertes Beispiel dessen, was auf den Ballungsraum als Ganzes zutraf. Schon seit ein paar Jahren fuhr Naruto nun sechsmal die Woche in diesem wimmelnden Gedränge, zuerst zur Uni und dann später zur Arbeit, immer zur Rushhour hin und zurück. Niemand reagierte auf ihn. Und irgendwann wurde ihm klar, dass all die Menschen ihn deprimierten, wenn da kein einziger war, dem er wirklich nahe sein konnte. Je mehr Menschen um ihn herum waren, je mehr ein- und ausstiegen und so taten, als wären die anderen gar nicht da, desto mehr fühlte er sich allein. Dabei war es ja seine eigene Entscheidung. Naruto wollte ja in Tokio leben, er liebte diese abgedrehte, pulsierende, niemals stillstehende Stadt! Aber dennoch fraß sie ihn langsam von innen auf. Auf schleichende Weise war er immun gegen die Enge und gegen die ganzen unbekannten Menschen um ihn herum geworden, ob er wollte oder nicht. Sein Kopf schwirrte vor Gesprächsfetzen, Lautsprecherdurchsagen, einer Kakophonie von kurzen Signal- und Werbemelodien und dem Knallen der Türen. Er hatte versucht nicht hinzuhören, und irgendwann nach einigen Monaten in der Hauptstadt hörte er tatsächlich nichts mehr. Genau wie alle anderen hängte er sich an die runde Schlaufe, um nicht umzufallen, wurde eingelullt von dem monotonen Geräusch der Bahn auf den Gleisen. Stationen zogen vorbei und anonyme Menschenmassen, überall unzugängliche Gesichter, Anzüge und Krawatten, ein Aktenkoffer kommt, ein anderer geht. Ein paar Schüler, die mit ihrer Gruppe herumalbern. Aufgestylte junge Frauen, die ihr Make-up kontrollieren. Naruto kannte das alles, und er hatte sich daran gewöhnt, dass alle versuchten, der zu großen körperlichen Nähe auf ihre Weise zu entkommen. Alle versteckten sich. Alle liefen zwischen den Scheuklappen ihres Arbeitsalltags stur geradeaus. Sie schlossen die Umgebung aus, sie schalteten sich ab, sie taten so, als wären sie gar nicht da. Die Menschen zogen sich komplett in ihr Inneres zurück. Als ihm irgendwann klar geworden war, was ihn so frustrierte, hatte er sich gedacht, dass wenigstens er selbst niemals so werden wollte. Aber wenn er ganz ehrlich war - war er denn nicht auch schon ein bisschen so? Mit seinen Kopfhörern im Ohr hätte doch auch er den anderen Passagieren keine Aufmerksamkeit geschenkt und sich in sein Schneckenhaus zurückgezogen, genau wie dieser unverschämt gutaussehende Typ da. Deswegen nahm er doch immer Musik mit: Damit er wenigstens so tun konnte, als machte es ihm nichts aus, mit sechs anderen Leuten einen Quadratmeter Fußboden zu teilen und sich dennoch so isoliert vorzukommen. Früher hatte Naruto immer Augenkontakt zu den anderen Pendlern gesucht, aber jetzt schaute er nicht mehr, zumindest nicht mehr richtig. Sicher, er war immer noch neugierig, aber er konnte die unüberwindlichen Mauern, die alle um sich herum aufbauten, irgendwie nicht länger ertragen. Die Gesichter, denen er begegnete, gaben keine Antworten, sie sagten ihm nichts, und in ihnen nichts zu finden war irgendwie schlimmer, als wenn sie gar nicht da gewesen wären. Aus diesem Grund hatte auch Naruto angefangen, sie zu übersehen, hatte sich dazu bringen müssen, sie zu übersehen. Schließlich glitt sein Blick von dem anderen ab, dessen Anblick so widersprüchliche Gefühle in ihm auslöste, und fand das Spiegelbild seines orangefarbenen Kapuzenpullis im Fenster. Der Tag fängt ja gut an, wenn ich auf einmal wieder über diese Sachen nachdenke... Er hatte doch längst gelernt hier zu leben und dieses Gedränge auszuhalten, also was war los mit ihm? Es war eben einfach ein erforderlicher Transportweg, ein notwendiges Übel, eine leere, tote Zeit, die man jeden Tag aufs Neue durchschreiten musste, ohne etwas daraus mitzunehmen. Gab es denn überhaupt einen Grund, auf einmal so niedergeschlagen zu sein? Naruto hatte doch einen Job, er hatte auch ein paar gute Freunde, die er nur zu selten sah, weil sie so weit auseinander wohnten, und ein kleines Apartment für sich. Es lief doch alles ganz gut. Sicher, er sollte vermutlich mehr auf sich achten. In letzter Zeit schaffte er meistens nur den Gang zum nächsten Lawson. Seine Miniküche war verwaist, er lebte von Instantramen und seinem Wasserkocher. Die Abende verbrachte er im Fitnessstudio in der Nähe des Büros. Nun, es gab sowieso niemanden, der zu Hause auf ihn wartete. Aber alles in allem war Narutos Leben doch okay. Er war okay. Und an Tagen wie diesen musste man eben einfach versuchen, die endlose Bahnfahrt irgendwie hinter sich zu bringen. Naruto warf seinem Spiegelbild im Fenster einen entschlossenen Blick zu. Was auch immer es war, das ihn heute so irritierte – er würde sich nicht unterkriegen lassen. Er war bestimmt keiner, der so einfach klein beigab und sich fertigmachen ließ, auch nicht und schon gar nicht von jemandem, bei dem er sich nicht entscheiden konnte, ob er ihn anmachen oder ihm für seine Arroganz eine reinhauen wollte! Hatte er etwa ein Problem damit, dass sich alle hier so kunstvoll ignorierten? Nein, ganz bestimmt nicht. Sollten sie doch aneinander vorbeischauen, so viel sie wollten! Dann würde er es eben genauso machen. Pah, das habt ihr euch so gedacht! Ihr könnt mich alle mal! Da ging plötzlich der Vibrationsalarm seines Handys in der hinteren Hosentasche los. * ~ * ~ * ~ * ~ * Kapitel 2: II ------------- Der Empfang war gut, schließlich war es keine U-Bahn. Naruto stand dem Verbotsschild direkt gegenüber, doch er quetschte seine Hand zu seinem Hintern durch und ging trotzdem ran. Natürlich wusste er, dass allgemein Anstoß daran genommen wurde, wenn jemand die Regeln nicht einhielt, aber auch, dass niemand etwas sagen würde. Die Leute würden weghören, wenn er sprach, so tun, als gäbe es keine Störung, und er selbst würde unhöflich genug sein, die dezenten Seitenblicke zu ignorieren. Es würde ihn ein wenig von der Monotonie hier drin ablenken, denn telefonieren war besser als sich langweilen. Außer vielleicht, es war sein Chef. Naruto klappte das Handy auf, und es war sein Chef. Nicht gerade sein Favorit für das erste Telefongespräch am Morgen... Das musste wieder einer dieser sinnlosen Kontrollanrufe sein, so als ob sein Leben nur der Firma gehörte! „Hallo“, sagte er, ohne gleich zu misstrauisch klingen zu wollen. Vielleicht war es ja doch mal etwas Nettes? „Un. Aber es tut mir leid, ich bin noch in der Bahn.“ Das kümmerte seinen Chef anscheinend wenig, denn er entschuldigte sich nicht für den Anruf, der Naruto jetzt in die Klemme gebracht hätte, wenn ihm das Telefonierverbot nicht sowieso egal gewesen wäre. „Un.“ Wäre er nicht so auf das Gespräch konzentriert gewesen, hätte er bestimmt ein leichtes Prickeln im Nacken verspürt. Naruto wurde beobachtet. „Un, kann ich machen.“ Oh Mann, er hätte es wissen müssen! Der Chef wollte wieder, dass er ihm einen Kaffee mitbrachte. Den Naruto schon wieder von seinem eigenen Geld bezahlen musste. Naruto zog die Augenbrauen zusammen. Diese Sonderwünsche waren echt ziemlich irritierend. Und jetzt musste er ihm auch noch nachsprechen, damit er es auch ja richtig machte. „Mit Sojamilch, zweieinhalb Päckchen Zucker, Größe XL. Der Strohhalm darf grün oder blau sein, aber auf keinen Fall rot. Verstanden.“ Doch, er hätte es gefühlt. Spätestens jetzt hätte er das Gefühl gehabt, dass jemand ihn beobachtete. Nur wurde es im Moment von dem Ärger über seinen Chef und dessen Auftrag überdeckt. „Ja, natürlich.“ „Bestimmt.“ Okay, Naruto war genervt, aber er versuchte, sich seine Irritation nicht anhören zu lassen. Er musste schließlich von irgendwas leben. Dafür brauchte man eben einen Job, selbst wenn man sich hinquälen musste und für den Boss den Laufburschen spielen. Mehr gab es dazu nicht zu sagen. Bis er irgendwann im Lotto gewann! Dennoch rollte er mit den Augen, das konnte sein Chef schließlich nicht sehen. Und als seine Augen so die Runde machten, streiften sie wieder den Typ auf der Bank. Den mit den großen Kopfhörern. So wie Naruto jetzt stand, gerade dem Fenster zugewandt, konnte er seine Gestalt nur aus den Augenwinkeln wahrnehmen, doch ihm war... ihm war, als hätte er ihn angesehen. Die Millisekunde, die Naruto brauchte, um sich in Bewegung zu setzen und erstaunt den Kopf zu drehen, genügte dem anderen, den Blick abzuwenden. Seine Haltung änderte sich nicht. Es waren nur die Augen, die sich bewegt hatten, und Naruto meinte, es nur ganz knapp verpasst zu haben, dass sie sich ansahen. Fast war ihm, als könnte er dabei zusehen, wie die Augen des anderen zurück an ihren Platz glitten und ihr gerades Starren wieder aufnahmen. Für einen Augenblick glaubte Naruto, der Mann hätte ihn direkt angeschaut. Nicht mit einem dieser vorsichtigen, schwachen Blicke, die sofort leer werden, wenn man ihnen aus Versehen begegnet. Es musste mehr gewesen sein, viel mehr. Denn jetzt spürte er endlich das Prickeln in seinem Nacken, und es war so stark, dass er das Handy an seinem Ohr völlig vergaß. All dies geschah in Sekundenbruchteilen. Mit dem nächsten Wimpernschlag war die Ordnung wieder hergestellt. Die Gewissheit, etwas Außergewöhnliches gesehen zu haben, verkam zu einem flüchtigen Eindruck. Der Typ hatte ihn nicht angeschaut, er trug schließlich eine perfekte Maske der Unberührbarkeit, wie er so dasaß, mit den Händen in den Hosentaschen und völlig in sich gekehrt. Wer so ein Gesicht machte, als sei er nicht von dieser Welt, konnte wohl kaum vor einer Sekunde ein ungeschriebenes Gesetz gebrochen und einen anderen Fahrgast so intensiv angestarrt haben, dass dieser ein Prickeln im Nacken verspürte. Es gab immer eine Übergangsphase, die Zeit, die es brauchte, die Gesichtszüge zu glätten, den Herzschlag zu beruhigen, sich auf etwas anderes zu konzentrieren, oder einfach gar nichts mehr zu denken. In der langen Zeit, in der Blicke schon an ihm abglitten und wieder zu Leere wurden, hatte Naruto gelernt, die Menschen zu beobachten, diesen Rückzug in sich selbst zu erkennen. Es war unmöglich. Er musste sich getäuscht haben. Naruto fühlte eine Art dumpfe Enttäuschung, die er sich selbst nicht recht erklären konnte. Was hatte er denn erwartet? Zerstreut fiel ihm das Handy wieder ein, das er noch immer in der Hand hielt, und klappte es zu. Die letzten Worte seines Chefs waren ihm wohl entgangen. Und da wusste er plötzlich ziemlich genau, was er erwartet hatte. Selbst ein böser Blick für sein unverschämtes Telefongespräch wäre ihm lieber gewesen als die totale Abschottung um ihn herum, nicht nur von diesem blassen Menschen auf der Bank, sondern von allen! Naruto ballte die Faust um sein Mobiltelefon. Bewusst ließ er jetzt seinen Blick auf dem anderen hängen, obwohl er sich klar war, dass die Leute es nicht mochten, so direkt angesehen zu werden. Dieser da vermutlich besonders wenig. Bis vor wenigen Augenblicken hatte Naruto noch gedacht, dass er gelernt hätte, das zu akzeptieren. Aber jetzt wurde er plötzlich richtig sauer, und er hatte keine Lust mehr, irgendwas zu akzeptieren. Er wollte eine verdammte Reaktion! Und er wollte sie nicht von irgendwem, sondern von diesem da, diesem betont coolen Mann mit seiner stylischen Frisur und dieser „du kannst mich mal“-Aura. Weil er dieses feige Spiel perfekter beherrschte als alle, denen Naruto jemals begegnet war. Weil seine Missachtung war wie ein Schlag ins Gesicht. Weil er all das war, was Naruto haben wollte, und nicht haben konnte. Naruto bohrte seinen Blick in den Fremden. Er tat es, um ihn provozieren, und dabei wurde ihm auf einmal etwas klar. Dieser Typ wirkte so anders, weil er völlig entspannt aussah. War seine Maske vielleicht gar keine Maske im eigentlichen Sinne? Es schien mehr so, dass er einfach so war. Die Coolness, die Unberührbarkeit, nichts davon war erzwungen. Ja, das musste es sein. Ihn berührte einfach wirklich nichts von dem, was um ihn herum geschah, nichts in diesem Abteil, nichts auf seinem Weg wer weiß wohin, vielleicht einfach nichts auf dieser Welt. Wie ein Wesen aus der Geisterwelt, das in der Welt der Menschen nur auf der Durchreise ist. Das war natürlich völliger Quatsch. Naruto hatte eine Heidenangst vor Geistern, und dieser Kerl war bestimmt keiner. Naruto wollte ihn irgendwie wachrütteln. Was bräuchte es wohl, um jemanden wie ihn dazu zu bringen, seine Verbindung zur Außenwelt einzuräumen? Einzugestehen, dass es auch noch andere Menschen auf diesem Planeten gab? Dreißig Millionen Menschen allein in diesem Großraum, täglich zwei Millionen, die in Shinjuku umsteigen. Hundertzwanzig andere in diesem Abteil. Da war etwas an seiner Art, das Naruto grenzenlos provozierte, so wie er starr geradeaus sah und ihn ignorierte. Zehn andere, die so nahe standen, dass er sie berühren könnte. Naruto war einer von diesen zehn. Nur einem Einzigen anderen Relevanz zuzugestehen– „Meguro, Meguro desu.“ Ein Ellenbogen, der sich plötzlich schmerzhaft in seinen Rücken bohrte, lenkte Naruto ab. Er hatte gar nicht mitbekommen, dass sie wieder in einen Bahnhof eingefahren waren und das Gedränge wieder losging. Etwas ärgerlich drehte er sich um und sah erstaunt einen schmächtigen älteren Mann, der sich verzweifelt an einen riesigen quietschbunten Koffer mit Hello-Kitty-Aufklebern klammerte und im Gewühl fast von den Beinen gerissen wurde. Warum jemand zur Rushhour mit so einem Koffer, den er kaum tragen konnte, mit dieser Linie fahren musste, war Naruto ein komplettes Rätsel. Aber er musste bei dem Anblick unwillkürlich grinsen. Er hatte einfach ein Faible für verrückte Leute. Als er sich wieder umdrehte, lag das Grinsen noch immer auf seinem Gesicht. Und der Typ, den er eben noch beinahe mit einem Geist verwechselt hatte, sah ihn an. Nicht den komischen Kauz mit seinem überdimensionierten knuffigen Koffer hinter ihm, sondern ihn. Naruto. Ihm blieb fast das Herz stehen. Der Typ mit dem Kopfhörer sah ihn an, und in seinem Gesicht bewegte sich etwas. Er schmunzelte. Mit einem ironischen Lächeln kommentierte er die Szene hinter Naruto, oder vielleicht auch die Szene mit Naruto. Vielleicht gefiel es ihm, dass er einen heftigen Stoß abbekommen hatte. Vielleicht war das Schadenfreude, oder Ausdruck seiner Belustigung über die unendliche Dummheit gewisser Menschen in diesem Abteil. Es war egal. Er sah ihn direkt an, und er zuckte mit den Mundwinkeln. War das eine Reaktion? Auf ihn, Naruto? Er konnte später nicht sagen, ob das Grinsen auf seinem Gesicht festfror oder ob es langsam schmaler wurde und verschwand. Er hatte keine Ahnung, wie er in dem Moment aussah, und auch keine Kontrolle über sich. Sieht er mich wirklich an? Naruto konnte es kaum glauben. Seine Augen. Schwarz. Tief– Das Lächeln verschwand so schnell, wie es aufgetaucht war, und sogleich war es, als wäre es nie dagewesen. Sie beide sahen zur selben Zeit weg, und Naruto schluckte schwer. Er musste träumen, er musste wirklich Gespenster sehen. Aber der andere hatte ihn angeschaut. Naruto hatte ihn ja auch angeschaut, es hatte ja eigentlich nichts zu bedeuten. Moment, was hätte es denn schon bedeuten sollen, bitte? Naruto hatte doch ihn provozieren wollen, warum war er dann plötzlich so nervös? Vielleicht, weil er gar nicht damit gerechnet hatte, dass es wirklich funktionieren würde? Wieder trafen sich ihre Blicke. Und diesmal schauten sie sich zu lange an, um noch so tun zu können, als hätte man den anderen nur gestreift. Sie schauten sich so lange an, dass in wenigen Sekunden eine Million Dinge geschahen. Der Mann schaute nicht mehr aus den Augenwinkeln, sondern hatte Naruto das Gesicht zugewandt. Er hatte seinen Kopf tatsächlich gedreht, um ihn frontal anzusehen. Naruto gab ein unfreiwilliges Keuchen von sich. Das Feuer in den Augen des Mannes, schwarz wie die Nacht, traf ihn völlig unvorbereitet wie ein Schlag aus dem toten Winkel. Diese Augen brannten. Vor Zorn, vor Gier, vor Verlangen nach irgendetwas, er konnte es nicht sagen. Er wusste nur eins: Dass er völlig falsch gelegen hatte. Dieser Mensch schwebte nicht in irgendeiner höheren Sphäre. Er war nicht unerreichbar. Ganz im Gegenteil, er war mehr im Hier und Jetzt, als Naruto sich selbst gerade fühlte. Er war so real, wie etwas nur real sein konnte. Sein Blick war zupackend und kompromisslos, und er gab Naruto das Gefühl, selbst irgendwie... verdrängt zu werden, wenn er nicht aufpasste. Naruto hatte den Eindruck, dass sie regelrecht miteinander rangen. Aber du kriegst mich nicht klein, du schüchterst mich nicht ein, dachte er und starrte zurück, obwohl er spürte, wie eine Art Fluchtinstinkt seine Hände schwitzig machte. Und da war auch noch etwas anderes. Der andere riss ihm gnadenlos die Kleider vom Leib und warf ihn ins eiskalte Meer, nur um ihm dann eine kameradschaftliche Hand entgegenzustrecken, ihn wieder herauszuziehen und in eine warme Decke zu hüllen, mit seinem Blick allein. Eine heißkalte Gänsehaut überfiel Narutos Körper vom Scheitel bis zu den Zehenspitzen, jedes einzelne Härchen stellte sich auf und zitterte aufgeregt. Der harte Griff, mit dem der andere ihn festhielt, gab ihm ein unerwartet wirbelndes Gefühl in der Magengegend, ein erwartungsvolles Beben, das ihn überraschte, so heftig war es. Es dauerte und dauerte und dauerte an, und keiner ließ vom anderen ab. Naruto saugte die visuellen Reize auf wie ein trockener Schwamm. Unbewusst befeuchtete er seine Lippen mit der Zunge. Ihm war auf einmal viel zu warm in seinem Pulli. Diese tiefschwarzen Augen, die alles andere mit frostiger Indifferenz betrachteten, doch ihn, Naruto, ihn als Einzigen das lodernde Feuer spüren ließen, das ihnen innewohnte, waren so wahnsinnig erotisch! Der Mann, dem sie gehörten, musste ein ruhender Vulkan unter einem vereisten Gletscher sein, der seine wahre Natur vor dem Rest der Welt gut zu verbergen wusste. Niemand konnte die Lavaströme sehen, die tief in seinem Inneren brodelten, doch sie waren da und sie wollten entfesselt werden. Naruto wollte derjenige sein, der sie entfesselte. Scharf, dachte er, während ihm fast schwindelig wurde, weil ihm alles Blut in den Unterleib rauschte, du bist rattenscharf. Du bist – purer Sex! Naruto starrte und schluckte. Sie sahen sich immer noch an. Wie lange sollte das gehen? Wo führte das hin? Waren sie wirklich im vollen Zug und nicht eher in irgendeiner Kampfarena, in der gegeneinander angetreten und hemmungslos geliebt wurde? Naruto wollte nicht wegsehen, nicht nur, weil er nicht der Erste sein wollte, der wegsah, sondern auch, weil er die explosive Mischung aus Rivalität und Erotik, die zwischen ihnen die Luft elektrisierte, nicht zerstören wollte. Aber aus genau diesem Grund musste er wegsehen. Wenn er dem Mann nur eine Sekunde länger ins Gesicht sah, würde er hier an Ort und Stelle einen Ständer kriegen, den man selbst mit gutem Willen nicht übersehen konnte. Narutos Gesicht stand ohnehin schon in Flammen. Er wusste, dass er rot war wie eine Tomate und ihm beinahe die Augen herausfielen. Mit einer unmenschlichen Willensanstrengung riss er sich schließlich los und schaute dankbar auf die Gummiabdichtung zwischen Wand und Fenster. Das brauchte er jetzt, um wieder herunterzukommen: leblos und neutral. Als die stickige Luft im Wagon mit Gewalt in seinen Brustkorb zurückströmte, schmerzte es fast. Naruto hatte überhaupt nicht gemerkt, dass er den Atem angehalten hatte, doch jetzt fühlte er sich auf einmal, als wäre er nur knapp dem Erstickungstod entkommen. What the fuck?! Der Typ hätte mich fast umgebracht! Aber Naruto war nicht wütend. Er war aufgekratzt und erregt. Der Wagen hielt, noch mehr Menschen stiegen ein, es wurde zusammengerückt. Naruto kämpfte, um an seinem Platz zu bleiben und nicht weggeschoben zu werden, und wieder suchten sich ihre Augen. Es war fast, als wollten sie beide wissen, ob sie jetzt von der Menge auseinandergerissen wurden oder nicht. Und da, tatsächlich: Ein älterer Mann in einem hellgrauen Anzug unterbrach ihren neuerlichen Blickkontakt, indem er sich direkt vor Naruto schob und ihm die Sicht auf den anderen versperrte. Den anderen, der ihn unmissverständlich angeschaut hatte. Naruto verlagerte das Gewicht auf sein rechtes Bein, weil er ziemlich unbequem dagestanden hatte, und rollte ein wenig mit dem Kopf, um seinen Nacken zu entspannen. Niemand, der ihn so sah, hätte gedacht, wie schnell sein Herz in seinem Brustkorb klopfte. Was genau hatte er da in den Augen des anderen gelesen? Ist es das, was ich hoffe? Naruto fand selbst, dass es nach diesem wortlosen Schlagabtausch etwas albern klang, aber es musste ja nicht bedeuten, dass der andere ihn ebenfalls so anziehend fand. Es könnte alles Mögliche bedeuten, vielleicht hält er mich für einen Touristen und ist einfach ein bisschen neugierig? Aber nein. Nein. Da war etwas viel Größeres aufgeblitzt als nur Neugier, das war... eine Art herausfordernde Einladung gewesen! Was, wenn er wirklich auf mich steht. Der Gedanke machte Narutos Mund trocken, während sein kleines Problem in der Hose sich wieder meldete. Er war ein gutaussehender Mann. Nein, mehr als das. Er war atemberaubend schön. Naruto hatte kein Problem damit, es zuzugeben. So, wie er schon jetzt auf ihn ansprach, auf diese blasse, ebenmäßige Haut, die wie Porzellan aussah, und die intelligenten, angriffslustigen Augen, könnte er ohnehin nicht mehr lügen. Sein Bild hatte sich bereits unauslöschlich auf Narutos Netzhaut eingebrannt. Wir zusammen wären der Hammer. Naruto wusste es einfach. Nach einer halben Ewigkeit, während der er still vor sich hingrinste und in ziemlich unzüchtige Gedanken versunken war, wie er sich ein Date mit dem attraktiven Unbekannten – ok ok, eine Nacht mit ihm – vorstellte, stellte sich der angegraute Anzugträger, der ihren Kontakt unterbrochen hatte, ein wenig anders hin. Vielleicht wollte er gleich aussteigen. Gleich war es wieder soweit. Und natürlich wollte Naruto wieder schauen. Er wusste selbst nicht, warum er plötzlich das Gefühl hatte, er müsse schauen. War ihm nicht vor einer Minute noch irgendwie bewusst gewesen, dass er die Leute damit irritierte? Erntete er mit solchen Aktionen normalerweise nicht immer nur ein stoisches Wegschauen der anderen, und frustrierte ihn das nicht jedes Mal aufs Neue? Das war doch der Grund, warum er das längst aufgegeben hatte... Ja, er wäre mehr als nur ein bisschen vor den Kopf gestoßen, wenn er jetzt, nachdem er schon so ungestüm gehofft hatte, wieder gegen so eine Mauer prallen würde. Der andere wirkte wie jemand, dem man das durchaus zutrauen könnte. Erst ein bisschen reizen, dann fallen lassen wie eine heiße Kartoffel. Aber das würde Naruto nicht mit sich machen lassen. Es könnte ihn gar dazu bringen sich durchzudrängeln, den anderen trotz Bahn und Etikette und allem am Kragen zu packen und ihn zu schütteln, bis er zugab, dass er ihn bereits als ebenbürtig akzeptiert hatte. Da wurde der Blick auf den Sitzplatz vor dem Fenster schräg vor ihm endlich wieder frei. Doch Naruto stutzte. Der andere war gar nicht mehr da. Naruto blinzelte ein paar Mal verdutzt, aber das Bild blieb dasselbe. Dort saß jetzt eine ältere Frau mit Hut und Kleidung in dunklen, gedämpften Farben, die braune Handtasche auf dem Schoß. WAS?! Es war ein Schock. Wo war sein Unbekannter hin? Naruto starrte mit weiten Augen, als er sich hektisch umsah und das erste Mal seit mehreren Minuten mitbekam, wo sich der Zug gerade befand. Er hatte von seiner Umgebung überhaupt nichts mehr wahrgenommen. Seit ihrem ersten Blickkontakt hatten in seinem Kopf nur noch sie beide existiert, Mr. Fucking Hot Sex und er. Er hatte nicht mitbekommen, wie der Zug die Station verlassen hatte, wo er den Ellenbogen in den Rücken bekommen hatte. Draußen waren Hochhäuser, riesige Werbeplakate und Hochspannungsleitungen vorbeigeflogen, ohne dass er auch nur ein einziges Detail registriert hätte. Solange der Unbekannte mit den Onyxaugen da war, war alles andere irgendwie egal gewesen. Und jetzt war er fort. Naruto schluckte schwer, als er merkte, dass sie wieder in einem Bahnhof standen. Shibuya. Shit. Naruto erschlaffte an seiner Halteschlaufe. Der Typ war ausgestiegen, einfach so. Es fühlte sich ein bisschen an wie vorhin, als er glaubte, er hätte sich darin getäuscht, von dem anderen angesehen worden zu sein. Aber jetzt war es viel schlimmer. Narutos Enttäuschung war bodenlos, obwohl er doch gewusst hatte, dass so etwas passieren konnte. Was hatte das alles denn dann gesollt? Dieser lange Blick, das Lächeln... diese Intensität, die ihn so überrumpelt hatte? Ach Mist, aber er wusste ja selbst, dass er sich mal wieder die tollkühnsten Sachen einredete. War das hier nicht genau so eine Situation, wie er sie in Zukunft hatte vermeiden wollen, weil er schon zu oft enttäuscht worden war, in seinen ersten Monaten in Tokio? Wider besseres Wissen hatte er auf jemanden gesetzt, den er überhaupt nicht kannte, und war auf die Nase gefallen. Wie es ihm alle, denen er seine Tagträumereien von weltbewegenden Zufallsbekanntschaften irgendwann einmal anvertraut hatte, schon tausendfach prophezeiht hatten. Das war ernüchternd und brachte ihn für einen Moment ins Schwanken. Es war eigentlich total lächerlich, aber er fühlte sich irgendwie, als hätte der andere ihm den Laufpass gegeben. Haha, nach unserer 90-sekündigen Beziehung. Er musste gestern schlechten Fisch gegessen haben, um auf so verrückte Gedanken zu kommen. Ich meine, ‚Beziehung’?! Naruto klatschte sich die Hand gegen die Stirn, so dämlich kam er sich gerade vor. Sich mal kurz in der Bahn anzuschauen ist keine Beziehung, Uzumaki, sagte er streng zu sich selbst. Es ist auch keine solide Basis für eine. Es ist nicht mal ein richtiger Kontakt, geschweige denn miteinander fl– Oh verdammt verdammt, aber das war ein Kontakt, und er wollte für ewig in der Hölle schmoren, wenn das nicht auch ein Flirt gewesen war! Jetzt wollte er sich doch am liebsten ein Bein ausreißen. Warum kapierte er das erst jetzt? Das war ein Flirt, wie er unter gegebenen Umständen eindeutiger nicht sein konnte! In einer Situation, wo man nicht nur unter keinen Umständen miteinander redete, sondern sich nicht mal ansah! Dieser Typ würde vermutlich nicht mal mit der Wimper zucken, wenn ihm ein Yakuza mit der Knarre in der Hand „Deine Mama hatte mal einen Sohn“ ins Ohr knurren würde. Aber Naruto hatte er angesehen. Aus welchen mysteriösen Gründen auch immer hatte er ihn ausgewählt, als Einziger unter wer weiß wie vielen anderen nicht unsichtbar zu sein. Er hatte sich ein bisschen über ihn lustig gemacht, und er hatte gelächelt. Und danach... Da war immer noch zu viel Verwirrendes in diesem langen, brennenden Blick gewesen, als dass Naruto schon richtig aussortieren konnte, was genau das eigentlich gewesen war. Aber es war definitiv nicht 'nichts'. Es war eher das genaue Gegenteil von 'nichts' – es war etwas, und zwar etwas verdammt Aufregendes und zugleich auch Tröstliches. Dieser Fremde hatte ihm mit seinen Blicken gesagt, dass er wusste, dass Naruto auch da war. Das klang so banal, so unbedeutend - aber Naruto hatte sich plötzlich nicht mehr so allein gefühlt. Damn it. War sie da nicht wieder, diese verzwickte Sache mit der Einsamkeit? Bedrückt kaute Naruto auf seiner Unterlippe herum. Als ihn wieder jemand anrempelte, kämpfte er nicht, um seinen Platz am Fenster und an der Halteschlaufe zu verteidigen. Der Druck der Masse war in den großen Stationen immer besonders schlimm, und Naruto ließ es zu, dass er einfach weitergeschoben wurde, bis er irgendwo in der Mitte des Abteils so eng eingequetscht stand, dass er sich keinen Millimeter mehr rühren konnte. Der Rucksack auf seinem Rücken machte es nicht besser, und Naruto schenkte ihm einen flüchtigen Gedanken in der Hoffnung, dass er nicht abgerissen wurde. Aber eigentlich war er nicht bei der Sache. Der Unbekannte – ok, der sexy Unbekannte, sieh der grausamen Wahrheit ins Auge – ging ihm nicht aus dem Kopf, genauso wenig wie seine eigene Dummheit. Wenn er früher kapiert hätte, was da zwischen ihnen eigentlich ablief, hätte er ihn doch einfach angequatscht, oder nicht? Dafür war er in seiner kleinen Heimatstadt schließlich berüchtigt. Das war eine seiner besten Qualitäten: Es war ihm einfach egal, ob seine „Opfer“ es vielleicht ungewöhnlich oder peinlich fanden. Er hätte zwar gar nicht genau gewusst, was er hätte sagen sollen, aber das wäre ihm dann spontan schon eingefallen. Der andere hätte ihn bestimmt nicht abgewiesen, da war er sich sicher. Geschah ihm nur recht, dass er jetzt kaum zwischen dem mit Altersflecken übersähten, spärlich behaarten Hinterkopf rechts und der von Schuppen übersähten Schulter links hindurchschauen konnte. Denn in dem einen Moment, wo er seine Spontaneität wirklich hätte brauchen können, war er zu langsam und begriffsstutzig gewesen. Aber schließlich war er auch noch nie jemandem begegnet, der ihn mit einem Blick allein so in Atem halten konnte. Sowas wie eben war ihm noch nie passiert. Andererseits, überlegte Naruto, war es doch nicht gerecht, dass unbedingt er derjenige sein sollte, der den ersten Schritt machte. Warum musste es Naruto sein, der ihn ansprach? Warum sagte der andere nicht einfach etwas, wenn er an ihm interessiert war? Es war doch irgendwie unfair, dass er heimlich still und leise darauf wartete, von Naruto angesprochen zu werden, und dann einfach ging. Klar mussten sie beide irgendwann aussteigen, aber Naruto konnte doch nicht wissen, dass der andere schon vor ihm rausmusste. Wenn er das gewusst hätte, hätte er früher etwas getan. Und jetzt war es zu spät, schließlich standen die Chancen, dass sie sich nochmal zufällig trafen, schlechter als eins zu eine Million. Der Typ war ein verdammter Bastard, ihn so zu reizen und dann einfach abzuhauen! Ja, ein arroganter Bastard! Das hatte er doch gleich gesehen. Naruto ärgerte sich noch immer über die verpatzte Chance, aber eigentlich hatte der andere die Genugtuung, dass er ihn so an der Nase herumgeführt hatte, doch gar nicht verdient. So toll war er nun auch wieder nicht. Er versuchte, nicht mehr daran zu denken. * ~ * ~ * ~ * ~ * Kapitel 3: III -------------- Es war heiß im Wagon, die Luft war schlecht, schräg hinter ihm wurde gehustet. Als Naruto plötzlich das Gefühl hatte, sein Brustkorb wäre völlig eingeschnürt, erkannte er die ersten Anzeichen von Klaustrophobie. Zusammengedrückt wie er war, zwang er sich so gleichmäßig und flach wie möglich zu atmen, und betete inständig, dass diese Fahrt endlich vorbei sein möge. Es waren nur noch drei Stationen bis Shinjuku, aber er hatte so ein gewisses Gefühl, dass die Zeit wieder angefangen hatte zu kriechen, jetzt wo es so unangenehm und drückend eng war. Zurück in der Realität, Baby. Naruto konnte die Aussicht auf den fleckigen Hinterkopf und die Schuppen nicht länger ertragen und schloss ergeben die Augen. Sobald er nichts mehr sah, verstärkte sich die Wahrnehmung der gegen ihn gequetschten Körperteile um das Dreifache, aber Naruto ließ die Augen dennoch zu und versuchte sich da hinzudenken, wo niemand hinkam, egal wie sehr er eingezwängt war. Er versuchte, sich auf seinen grummelnden Magen zu konzentrieren und auf den gleichmäßigen Rhythmus seiner Bauchschlagader darunter. Dort, wo es nichts gab außer warmer, träger Schwärze und seinem Puls. Die mentale Übung sollte eine Art innere Ruhe hervorrufen und ihn vor dem Schlimmsten bewahren, wenn er von der aufdringlichen Nähe völlig überfordert war, so wie im Moment. Sie war ein letzter Ausweg, wenn ihm diese paradoxe Körperkontakt-Verlorenheit-Sache absolut zu viel wurde. Naruto hatte das schon länger nicht mehr machen müssen, aber jetzt wurde es wieder besonders schlimm. Denn dort drinnen, wo es friedlich und still sein sollte, fand er nicht die erhoffte Ruhe, sondern einen dicken drückenden Knoten aus Aufgewühltheit und lauernder Reue. Immer wieder blitzte das Bild von schwarzglänzenden Augen in einem ironisch lächelnden Gesicht auf. So tief war der Bastard also bereits vorgedrungen. Naruto konnte nicht mal mehr diese simple Übung machen. Einer der Ärzte vom Gesundheitszentrum seiner Uni hatte ihm geraten, diesen Trick zu lernen. Damals hatte er erst ein paar Monate in Tokio gewohnt und kam mit dem krassen Wechsel von seiner kleinen Stadt am Meer, die 600 Kilometer entfernt war und im Verhältnis zu Japans Hauptstadt wie ein kleines beschauliches Dorf wirkte, nicht besonders gut klar. Er schlief sehr schlecht und fühlte sich krank. Schwach, ohne Appetit, irgendwie nicht ganz auf der Höhe. Dabei wurde Naruto nie krank! Nach wochenlangem Quälen und Nörgeln war er schließlich doch zum Arzt gegangen, und der hatte ihn untersucht und ihm überraschenderweise eröffnet, dass ihm nichts fehle. Körperlich sei er völlig gesund, aber vielleicht sei ja die veränderte Lebenssituation daran schuld. Die Ursache müsse psychologischer Natur sein. Naruto hatte sich gegen diese Diagnose heftig gesträubt, verständlicherweise! Sollte das etwa heißen, er war ein Psychofreak? Sowas wollte er nicht über sich hören, denn er war keiner. Ende aus! Aber das mentale Training hatte dennoch geholfen. Nach und nach wurde es weniger schlimm, hier zu leben, und irgendwann eigentlich fast normal. Nur heute funktionierte es einfach nicht richtig. Um ihn herum gab es wieder ein kleines Gedrängel. Vermutlich ein paar panische Leute, die dachten, sie würden es nicht mehr rechtzeitig zum Ausgang schaffen, wenn sie sich nicht jetzt sofort hier durchwühlten. Naruto presste die Augen stur zusammen. Hier konnte sich sowieso niemand bewegen, es war einfach zu eng. Da spürte er, wie der Druck gegen seinen rechten Arm plötzlich verschwand. Einen Moment lang war da nur Luft, und dann fühlte er, wie jemand anders sich vor ihn schob. Diese Person nahm nicht einfach den Platz des Mannes ein, sondern drückte brüsk auch gleich alle anderen weg, die irgendwie vor ihm standen. Naruto konnte die Berührung auf seiner gesamten Vorderseite fühlen, auf der Brust, am Bauch und sogar an den Armen. Sein erster Reflex war, zurückzuweichen und die Augen noch enger zusammenzupressen. Aber dann merkte er, dass irgendetwas nicht stimmte. Er konnte am Heben und Senken seines Brustkorbs spüren, wie der andere atmete. Da stand ihm jemand direkt gegenüber, so nah, dass selbst ihre Gesichter nicht weit voneinander sein konnten. Er hörte ihn atmen. Narutos Herz machte einen Satz. Niemand stand so da, nicht mal in einem überfüllten Zug. In einem Club vielleicht, in einem dunklen Schuppen, in einem uneinsehbaren Winkel wie gemacht fürs Fummeln und Rummachen... aber nicht in der Bahn. Egal wie voll es war. Niemand stand Brust an Brust und legte dem anderen den Kopf an die Schläfe. Blies ihm leise ins Ohr, schnupperte an seinem Haar. Das war zu aufdringlich, zu offensichtlich... das war Belästigung... Naruto war zu perplex um zu begreifen, was hier gerade passierte. Er wusste nicht, was es bedeutete, dass er plötzlich aufatmete, als wäre er ins Freie getreten, weil er plötzlich diesen berauschenden Duft in der Nase hatte. Er wusste nicht wie es sein konnte, dass dieser Duft tief in seine Lungen strömte und mit dem Sauerstoff seiner Atemluft bis ganz hinunter in seine Zehenspitzen floss. Aber eins wusste er, noch bevor er endlich die Augen aufschlug: Sein Unbekannter war wieder da. Und er presste seinen Körper dicht an seinen eigenen. Ein warmer Schauer lief ihm den Rücken herunter, der nichts damit zu tun hatte, von allen Seiten zusammengequetscht zu werden. Es kam allein von dem Feuer an seiner Vorderseite, wo er den Druck des anderen auf sich spürte. So wie der andere sich leicht zu ihm beugte, fühlte er die feinen Härchen seiner Wange über seine eigene streichen. Seine Kopfhörer waren verschwunden, und seine blauschwarzen Haare berührten Narutos Gesicht. Sie kitzelten ihn und schimmerten verlockend. Naruto wollte mehr davon. Er verspürte den Impuls, seine Hände in diesem faszinierenden rauglänzenden Haar zu vergraben und mit den Fingerspitzen über die Kopfhaut zu fahren. Er wollte darüber streichen und bei dem anderen die gleichen Schauer auslösen, die er selbst fühlte. Aber seine Hände waren neben seinen Hüften eingeklemmt. Ohne nachzudenken, was er da tat, beugte er sich leicht vor und erwiderte den Druck, den der Fremde auf ihn ausübte. Es fühlte sich gut an, sich so aneinander zu lehnen. Es war erregend. Naruto drehte den Kopf ein wenig und atmete in dieses wundervolle Haar, und ihm war, als ginge ein leichtes Zittern durch den Körper des Mannes. Was er mit den Fingern hatte tun wollen, tat er mit der Nasenspitze und strich leicht über den Haaransatz direkt hinter dem leicht geröteten weichen Ohr. Naruto stellte sich vor, wie die gleiche blassrosa Färbung auch das Alabastergesicht seines Unbekannten zierte. Er hörte ihn ein wenig schärfer einatmen, und bestimmt errötete er gerade ein bisschen. Wie als Antwort fühlte er die Lippen des anderen ganz leicht über sein eigenes Ohr streichen. Narutos Nackenhaare stellten sich auf. Oh Gott was geschah hier mit ihm? Was geschah mit ihnen? Sowas war doch nicht normal. Wie konnte er sich so zu ihm hingezogen fühlen, wo sie noch nicht einmal ein einziges Wort miteinander gewechselt hatten? Naruto hatte ihn doch ansprechen wollen. Er war sauer gewesen und hätte ihm eine Menge zu sagen gehabt. Aber seine Kehle war wie ausgetrocknet. So sehr er versuchte, sich zu räuspern und das belegte Gefühl auf seinen Stimmbändern loszuwerden, so wenig gelang es ihm. Er brachte nicht einen Ton heraus. Wo waren sie hin, die Worte? Weg, verschollen, ausradiert. Seine Fähigkeit zu Sprechen führte in seinem Hirn einen Veitstanz auf, während die Wörter Purzelbäume schlugen und alles mögliche, was er hätte sagen können, so wild durcheinanderschrie, dass er nicht einmal mehr wusste, welche Sprache das war. Narutos Hirn war völlig blockiert. Er konnte jetzt nicht sprechen – aber er musste es auch nicht. Denn die Art und Weise, wie sie hier so eng aneinandergepresst standen, wie sie sich schon beinahe umarmten, sagte mehr als tausend Worte. Ich habe mich nicht getäuscht, dachte Naruto immer wieder in seinem sprachunfähigen, aller sinnvollen Satzzusammenhänge beraubten Zustand. Er dachte es nicht in gedanklichen 'Wörtern'. Alles was folgte waren wortlose, unmittelbare Gewissheiten und Gefühle. Es war wie im Traum, wo man Dinge einfach weiß anstatt sie zu denken. Wir haben miteinander geflirtet, und er ist nicht einfach gegangen. Er ist aufgestanden, um zu mir zu kommen, während wir uns nicht ansehen konnten. Ich bin hierher mitgerissen worden. Er hat sich zu mir durchgequetscht. Ich habe keine Ahnung, wie ihm das gelungen ist. Aber das ist egal. Er ist eigen. Er ist etwas ganz Besonderes. Nein. Jemanden wie ihn gibt es nur einmal auf der ganzen Welt. Und dieser Eine ist zu mir gekommen, um sein Gesicht in meinem Haar zu vergraben, um sich vor mich hinzustellen, als wären wir schon zusammen. Naruto drückte sich an den stilvollen, teuren Anzug. Die sauber gearbeiteten Nähte, das fehlerfreie Muster des Stoffs, das war keine Meterware. Der absolut knitterfreie Kragen. Ob er unter dem Hemd etwas trug? Ob Naruto seine Nippel spüren könnte, wenn die Knöpfe seines Sakkos offen wären und er sich hineinpressen würde? Naruto war längst wieder hart geworden, so hart, dass die Jeans unangenehm spannte. Aber er versuchte nicht mehr, es zu unterdrücken. Denn er war nicht der Einzige, der nun endgültig jegliche Selbstbeherrschung aufgegeben hatte. Er konnte den Ständer des anderen deutlich spüren, wie er sich gegen seine Hüften drängte, ihn lockte und reizte. Dieser Typ... dieser dreiste, unverfrorene Kerl und ich, wir... Naruto streckte unwillkürlich seine Fingerspitzen nach dem anderen aus und landete irgendwo unweit seines Gürtels, ...wir sind ganz gleich. Er ist nicht kalt und nicht unberührbar, nicht innen drin. Innen drin glüht er und hofft... und ist ungeduldig... genau wie ich. Von der Außenwelt bekamen sie nichts mehr mit. Sie fielen auf. Sie ernteten Blicke, verstohlene. Sie waren zwei, die private Dinge in die Öffentlichkeit trugen. Die keine Kontrolle besaßen. Die sich um nichts kümmerten als sich selbst. Und so war es ja auch. Sie taten private Dinge. Sie hatten im Moment keine Kontrolle über sich. Und nichts kümmerte sie außer diese unerklärliche Anziehung, gegen die sie beide völlig wehrlos waren. Naruto fühlte, wie der andere um hin herumlangte, fast als wollte er ihn umarmen. Das war in ihrer beengten Situation nicht möglich, aber auch so war es genug. Irgendwie konnte es Naruto immer noch nicht fassen, dass dieser Mensch seine perfekte Fassade einfach so aufgegeben hatte. Hätte er selbst den Schneid gehabt, so an ihn heranzutreten? Von wegen. Er hatte ihn ansprechen wollen, das schon, aber er konnte ja nicht mal ein paar einfache Sätze sagen. Aber der andere sprach ja auch nicht. Vielleicht herrschte in seinem Kopf das gleiche Chaos wie in Narutos. Als der Zug irgendwo hielt und sich hinter Naruto plötzlich eine Lücke auftat, woraufhin er einen überraschten, ungewollten Schritt nach hinten machte, folgte ihm der andere, als klebten sie zusammen. Naruto hatte seine Finger in seinem Gürtel verhakt und zog ihn mit sich, und der andere hielt ihn am Arm fest und ließ sich ziehen. Der intime Kontakt zwischen ihnen brach nie ab. Das Gedrängel und Geschiebe drückte sie hierhin und dorthin, als wären sie eins. Wann immer sie drohten auseinandergerissen zu werden, hielten sie aneinander fest, als ginge es um ihr Leben. Und dabei sahen sie sich kein einziges Mal an. Es war, als hätten sie vorhin während dieses langen, unglaublich komplexen Blicks schon genug gesagt. Narutos Kopf war noch immer leicht nach links gedreht und ruhte auf der Schulter des anderen. Und das Gesicht des anderen, den er schon jetzt zu verstehen schien wie einen Freund aus Kindertagen, wich nicht von seinem Platz an seinem rechten Ohr und seiner Schläfe. Die Regeln der Zeit waren völlig außer Kraft gesetzt. Wie sie immer wieder herumgeschoben wurden, kam es Naruto vor, als wären sie nichts als zwei Blätter im Wind, die ohne Willen und Ziel irgendwohin getragen wurden und mit den anderen Blättern einen kreisenden Tanz aufführten. Manchmal in Bewegung, manchmal ganz still. Und es war, als könnte Naruto auf einmal wieder atmen. Die ganze Beklemmung, die ihm vorhin die Luft abgeschnürt hatte, war fort. Denn es fühlte sich an, als würde er von dem anderen gegen alles andere abgeschirmt. Irgendwie war er in dessen magischen Kreis hineingezogen worden, der ihn so unempfindlich gegen alles machte, was außerhalb war. Vorhin hatte sich Naruto über diesen unsichtbaren Kreis geärgert, der stand wie eine Festung, doch jetzt war er plötzlich selbst davon umschlossen. Er war irgendwie ein Teil davon. Sie waren dort zusammen und bildeten eine gemeinsame Schutzzone. Es fühlte sich merkwürdig an, es so auszudrücken, aber... Naruto fühlte einen höchst sonderbaren Aufruhr in seiner Magengrube, ...aber es ist, als wären wir beide zusammen um ein Vielfaches stärker als jeder allein. Uns kann nichts mehr etwas anhaben. Auf einmal musste Naruto heftig schlucken, um den faustgroßen Kloß in seiner Kehle herunterzuwürgen. Auf dem Weg was genau zu hoffen befand er sich hier eigentlich? Es gab x Millionen Singles, aber die Chancen, in einer Millionenstadt einen Partner zu finden, waren doch stets geringer als auf dem Land. Man hörte es so oft: Die besten Aussichten bieten noch die Arbeit, gemeinsame Freunde oder Partnervermittlungen. Man macht Koch- oder Sprachkurse und hofft, dort jemanden mit den gleichen Interessen zu treffen. Man definiert einen kleinsten gemeinsamen Nenner. Man ist realistisch und abgeklärt. Naruto glaubte doch auch nicht mehr, auf dem Weg von A nach B jemandem zu begegnen, der sein Leben verändern würde. Oder? Nein, du triffst deinen Partner nicht in der Bahn. Du triffst ihn im Fitnessstudio, über Bekannte, übers Internet. Werde endlich erwachsen, Naruto. Du glaubst an Vorsehung? Du hältst es für so etwas wie eine Fügung, dass du in diesem Zug bist und nicht im nächsten? Sei doch nicht naiv. Dass du da am Fenster gestanden hast und nicht mit dem Rücken zur Bank? Dass du ausgerechnet heute keine Musik hast, die dich deine Umgebung sonst immer völlig vergessen lässt? Ich kann dir sagen, was das alles bedeutet: Außer der Tatsache, dass du ein weltfremder Kindskopf bist, bedeutet es gar nichts. Es ist Verblendung zu glauben, dass du hier bist, weil ihr euch treffen solltet. Es gibt kein Schicksal, und es gibt auch kein Ding wie Liebe auf den ersten Blick. Solche Sachen redet man sich hinterher ein, wenn die Chance verpasst ist, wenn man es doch nicht gewagt hat, den anderen anzusprechen, weil man nicht mehr so unerfahren ist oder weil man Angst hat, enttäuscht zu werden. Wenn man den Blickkontakt gebrochen hat und nicht mehr wagt, noch einmal hinzusehen, und dann ist der andere plötzlich fort, und dann denkt man, wer weiß, was daraus hätte werden können, vielleicht habe ich die eine Chance, die Liebe meines Lebens zu finden, vertan... – Aber ich stehe hier und habe ihn bei mir! Ich habe ihn gefunden! Ich habe wieder hingesehen!, warf Naruto der Stimme in seinem Kopf entgegen und rüttelte fast an dem Gürtel zwischen seinen Fingern. Ich habe keine Angst–! Und damit riss er sich endlich los, um dem Mann in die Augen zu schauen. In genau diesem Moment ging das hektische Gedrängel wieder los. Völlig versunken in die Berührung, die fast eine Umarmung war, und in sein inneres Zwiegespräch hatte Naruto keine Ahnung, dass sie direkt vor die Tür geschoben worden waren. Dass er selbst mit dem Rücken zum Ausgang stand. Narutos Bewusstsein war ganz bei seinem Gegenüber mit der porzellanweißen Haut und der beinharten Erektion, die durch den Stoff seiner Hose gegen Narutos eigene drückte. Es war für die Außenwelt unerreichbarer als im Tiefschlaf. Es hatte keine Ahnung, wo sie sich befanden und welches Unheil auf sie wartete, wenn er nicht achtgab. Aber dieses kleine schwarze Loch in seinem Hirn wusste es. „Shinjuku, Shinjuku desu.“ Das kleine schwarze Loch, das alle Automaten besitzen, weil sie sonst nicht funktionieren können. Das übernimmt, wenn alle anderen Instanzen entschieden haben, dass sie nicht funktionieren wollen, weil irgendwo jenseits des Grabens der Schimmer eines anderen, besseren Lebens aufleuchtet. Das kleine schwarze Loch, das die Kontrolle über den Körper an sich reißt, wenn der Rest vom Dienst suspendiert ist. Und so ließ Narutos Hand reflexartig den Gürtel los, als er die verhängnisvolle Durchsage hörte, und sprang rückwärts nach draußen. Wie im Schockzustand stolperten seine Beine auf den Bahnsteig und in Richtung Ausgang, ehe er überhaupt richtig begriff, warum diese Wärme und dieser Herzschlag, der gegen seine Brust gepocht hatte, plötzlich weg waren. Sie waren längst auseinandergerissen, Naruto war längst in den Sog der zu den Rolltreppen drängenden Fahrgäste geraten, als er realisierte, was er Fatales getan hatte. Mit schreckgeweiteten Augen versuchte er zu stoppen und umzudrehen, warf sich unter lauten Rufen, dass er zurück müsse, der zum Ausgang strömenden Menschenmenge entgegen und versuchte fieberhaft, seinen namenlosen Mann in der Masse auszumachen. Verzweifelt suchte er nach ihm, aber längst hatten sich andere Menschen in den Zug geschoben. Purer Horror ergriff Naruto, als seine Augen ihn nicht fanden. Er durfte ihn nicht verlieren–! Doch da ertönte das dumpfe Zuschlagen der Türen, und als er sich endlich wieder zurück zur Kante gekämpft hatte, war der Zug längst losgerollt. Naruto rannte daneben her, schlug gegen die Scheiben und schrie, und er dachte er müsse sterben, weil er doch bereits verstand, dass er verloren hatte.   * ~ * ~ * Millionen von Menschen begeben sich täglich auf ihre vorgegebenen Wege, sei es in den Zügen der Yamanote-Linie, in Tokios U-Bahnen oder sonstwo in den Metropolen dieser Welt. Und glauben sie nicht irgendwie alle, in den flüchtigen Auszeiten von der Einförmigkeit des Alltags, dass ihr Leben auch anders hätte verlaufen können, aufregender, erfüllter, nicht nur in der unabänderlichen Vergangenheit, sondern auch in der Zukunft? Wollen sie nicht alle umarmt und geliebt werden und spüren, wie besonders und hoch geschätzt sie sind? Sehnen sie sich nicht alle nach dem einen Menschen, der sie wie ein Zwillingsstern begleitet, aufrecht hält und zu neuem Leben erweckt, selbst wenn sie ihren Traum vergessen und ihre Augen geschlossen haben? Naruto war bloß einer von ihnen. Aber als er dort an der Kante stand und dem längst verschwundenen Zug nachstarrte, wusste er ehrlich nicht, ob er lachen oder weinen sollte, weil er seinen Einen tatsächlich gefunden hatte. Gerade eben hatte er noch gedacht, dass sein Leben jetzt vorbei sein müsse, so abrupt und endgültig waren sie getrennt worden. Doch das war es nicht, ganz und gar nicht. Er war wirklich, wirklich froh, den anderen getroffen zu haben. Denn jetzt fing sein Leben erst richtig an. „Ich weiß, dass du da bist“, wisperte er. „Irgendwo da draußen. Und ich werde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um dich wiederzufinden.“     * ~ * ~ * Und wer weiß, vielleicht war es ja tatsächlich möglich. Jene, die sich Realisten nennen; die zu viel Wirklichkeit erfahren haben, um ihr noch abschwören zu können; die die niederschmetternde Stimme von Wahrscheinlichkeiten und seelenloser Empirie hinter sich wissen; sie würden womöglich nicht an jemanden wie ihn glauben. Doch für alle Träumer und Romantiker, wie Naruto tief drinnen selbst einer war, würde er aufstehen, er selbst sein und kämpfen.           * ~ * ~ OWARI ~ * ~ *     a/n: Diese Geschichte hat ein offenes Ende und lange, lange stand hier, dass ich irgendwann eine Fortsetzung schreiben möchte. Aber eigentlich ist dieses Ende schon perfekt, denn es entzündet genau das Gefühl, das ich haben wollte. Für mich und für euch hoffentlich auch. Vermutlich hab ich es deswegen nie hingekriegt, ernsthaft mit dem Fortsetzen anzufangen ... Also, ein großes SORRY an alle, die wollten, dass es weitergeht. Rush Hour ist und bleibt dieser Oneshot.        Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)