Ein Blick hinter das Eis von abgemeldet (oder wie Joey nicht nur den Eisprinzen bezwang, sondern auch die letzte Schlacht überlebte...) ================================================================================ Kapitel 58: Hebelwirkung ------------------------ Im buchstäblich letzten Moment schaffe ich es, ihn von mir zu stoßen. Genau genommen schiebe ich ihn nur ein Stück von mir weg und weiche somit seinen Lippen aus. Meine Gedanken spielen gerade verrückt. Die Situation alleine schon ist verrückt, ich meine, ich bin hier in Bakuras Gedankenwelt, habe einen Auftrag und meine Gefühle stehen Kopf. Ich bin verwirrt und es ist als würde etwas merkwürdiges auf meinen Geist zugreifen. Einen Augenblick habe ich mich doch ernsthaft gefragt wie es sich wohl anfühlen würde, seine Lippen auf meinen zu spüren. Ob sein Kuss kühl sein würde wie seine Fingerspitzen in meinem Nacken es waren oder... Ich schüttele unwillkürlich den Kopf und versuche wieder einen klaren Gedanken zu fassen. Bakuras Lächeln ist wieder spöttischer geworden und er sieht mich amüsiert an. Das irritiert mich nach wie vor. "Was willst du von mir?" frage ich ihn. "Du stellst viele Fragen, Kleiner." bemerkt er mit sanftem Vorwurf und lehnt sich lässig an die Wand neben der Tür. "Und du beantwortest sie nie, Bakura." kontere ich umgehend. Er lacht. "Bislang habe ich doch alle deine Fragen beantwortet." Ich seufze. Er spielt mit mir, ich weiß es. Und er genießt es auch noch. Ich verschränke die Arme vor der Brust und sehe ihn entschlossen an. "Sag mir wo ich Ryou finde oder lass mich alleine weiter suchen." erkläre ich und lege alle Autorität, die ich aufzubringen vermag, in meine Stimme. Er seufzt bedauernd. "Leider ist dies die einzige Frage, die ich dir nicht beantworten kann, mein süßer Joey." Bakura lächelt mich traurig an und ich spüre fast sein Bedauern. Das ist doch verrückt! "Natürlich." erwidere ich gespielt kühl. "Das war ja klar." Ich habe auch nicht mit einer Antwort gerechnet. Verflucht, der Kerl soll verschwinden. Ich weiß nicht was das alles soll und ich will es auch keineswegs erfahren. Immer noch lächelt er mich an. "Du wirst den Weg schon selber finden müssen." teilt er mir mit und ich verspüre den Wunsch ihm eine reinzuhauen, aber ich werde mich ihm keinesfalls wieder nähern. Gerade als ich etwas erwidern will, ist er wieder verschwunden. Einfach so. Hat sich in Luft aufgelöst, aber seine Stimme höre ich immer noch und ich habe das unbestimmte Gefühl, dass ich nur knapp der Gefahr entronnen bin. Fluchtartig verlasse ich den Raum und entscheide mich dafür, mich nicht länger mit diesen Räumen aufzuhalten, sondern dem Gang zu folgen. Irgendwo muss Ryou doch sein. Vielleicht sollte ich nach ihm rufen? Ohne noch länger darüber nachzudenken, tue ich das auch. Ich rufe seinen Namen und hoffe auf ein Zeichen, bete dafür. Aber nichts. Kein Ton. Habe ich wirklich gedacht, dass es so leicht sein würde? Verdammt, Ryou, wo steckst du? Immernoch folge ich dem Gang und er scheint nach oben zu führen. Ich laufe unbeirrt weiter und erst ein unbestimmbares Geräusch lässt mich inne halten. Ich lausche und es klingt wie das Schlagen von Flügeln. Irritiert sehe ich mich um. Es hört sich an als käme ein ganzer Schwarm Vögel auf mich zu. Ich zucke ein wenig zurück und dann sind sie auch schon da. Sie scheinen von überall zu kommen und es ist unmöglich, ihnen auszuweichen. Und es sind keineswegs Vögel. Alles scheint schwarz zu werden und die zahlreichen kleinen Körper verdunkeln mir die Sicht. Es geht so schnell, dass ich nicht weiß wie ich reagieren soll. Einen Moment noch beobachte ich fasziniert das Geschehen, dann bin ich buchstäblich umzingelt und rote Augen werden auf mich gerichtet. Unzählig rote Augen. Gierig, hungrig. Ich weiß, dass ich weglaufen muss, aber wohin? Zurück? Nachvorne? Ich wirbele herum und renne einfach los, weiter den Gang entlang, und sehe mich dabei hilfesuchend um. Die nächstmögliche Tür reiße ich auf und springe in das Zimmer, doch es gelingt mir nicht mehr, die Tür hinter mir zu schließen. Ich finde mich in einer Halle wieder. Ein Raum von unermesslicher Größe und noch während ich die Wände absuche, laufe ich weiter. Flügel schlagen mir ins Gesicht und ich schlage wild um mich, um diese Biester zu vertreiben. Ich spüre wie kleine Krallen sich wie Nadelstiche in meine Schultern bohren und bemühe mich diese merkwürdigen Tiere abzuschütteln, aber sie scheinen keineswegs gewillt, von mir abzulassen. Das schrille Piepen schmerzt in meinen Ohren und fieberhaft suche ich in dem riesigen Raum nach einem Versteck. Weitere Krallen verfangen sich in meinem Haar, ich höre mich aufschreien und als ich die Arme hebe, um ein Ungetüm von meinem Kopf zu vertreiben, beißt ein weiteres unbarmherzig in meinen Arm. Kleine, spitze Zähne graben sich in meinen Unterarm, reißen an meinem Shirt und tausend Nadelstiche durchzucken meinen Körper. Ich verspüre unendliche Erleichterung als ich endlich eine Treppe erkenne. Erst halte ich sie für eine Fata Morgana, aber beim Näherkommen realisiere ich, dass sie tatsächlich da ist. Ich nehme zwei Stufen auf einmal und haste hinauf, meine Verfolger immer noch dicht auf meinen Fersen und teilweise sogar nach wie vor auf mir. Ich schüttele mich, schlage um mich und bekomme auch ein, zwei zu fassen und schleudere sie blindlings in irgendeine Richtung. Mein Puls rast und ich atme viel zu schnell, Schweißperlen laufen mir über die Stirn ins Gesicht. Dann die Rettung... Eine Nische, ein Spalt im Mauerwerk. Ich hoffe, dass er groß genug ist, um mich hinein zu zwängen. Ich fege weitere Biester zur Seite und versuche es einfach. Ich springe los und haste in den kleinen Spalt. Meine Arme streifen schmerzhaft die ungeschliffenen Steine und ich schreie erneut auf. Natürlich versuchen diese Minidämonen mir zu folgen. Einige prallen gegen die Mauer, andere muss ich mit energischen Fußtritten abwehren. Meine Arme tun weh und dünne, rote Rinnsäle laufen mir über die Hände. Aber der Schmerz spielt keine Rolle. Wichtig ist nur, dass diese Biester nicht in die kleine Höhle gelangen in der ich mich nun befinde. Sie versuchen es tatsächlich immer wieder. Hilflos sehe ich mich in meinem Versteck um und tatsächlich, ein weiteres Loch tut sich vor mir auf, gerade groß genug, um hineinzukriechen. Ich fackele nicht lange und begebe mich auf alle viere. Wo auch immer der Tunnel hinführen mag, er führt erst einmal weg von diesen Kreaturen und das ist gut. Vorsichtig robbe ich also voran, meine Hände tasten sich über kühlen Felsboden und der Schmerz nimmt zu. Ich versuche ihn auszublenden, doch erst als das Piepen hinter mir leiser wird, kann ich mich ein wenig entspannen. Leider sehe ich keineswegs wohin ich krieche und an umkehren ist ohnehin nicht zu denken, da ich mich in diesem engen Gewölbe nicht zu drehen vermag. Mühsam schleppe ich mich voran und versuche verzweifelt irgendwas vor mir in der Dunkelheit zu erspähen, als ich glaube, einen schwachen Lichtschein wahrzunehmen. Ich weiß nicht ob ich ihn mir einbilde oder er tatsächlich da ist, aber ich beschleunige instinktiv mein Tempo und je näher ich der vermeintlichen Quelle komme, umso sicherer werde ich, dass sie real ist. Allem Anschein nach dringt das Licht aus einem weiteren Raum, der am ende des Ganges wartet. Mein Herz schlägt immer noch viel zu schnell und wir durch die Anstrengung auch keineswegs langsamer, aber die Panik ist von mir abgefallen und als ich das Ende des Tunnels erreicht habe, verspüre ich erst einmal Erleichterung. Alleine schon darüber, dass ich mich endlich wieder aufrichten kann. Wieder befinde ich mich in einer Halle und sie ist kaum merklich heller als der Gang, doch von einem bestimmten Punkt strahlt mir ein schwaches Licht entgegen und genau auf dieses bewege ich mich instinktiv zu. Je näher ich komme, desto heller wird es und ich verspüre auch eine merkwürdige wärme, die davon auszugehen scheint. Ja, bei jedem Schritt auf das Licht zu wird mir wärmer. Einen Moment ermahne ich mich selbst, vorsichtig zu sein und nichts zu überstürzen, doch dann mache ich eine Entdeckung, die mich alle Vorsicht vergessen lässt. Ich blinzele ungläubig und stürze im nächsten Moment los. "Ryou!" rufe ich glücklich und erleichtert zugleich und im gleichen Augenblick weiten sich meine Augen entsetzt. Vor mir kauert die abgemagerte Gestalt von Ryou in einer Art Käfig und blickt mich mit traurigen Augen an. Von ihm geht das schwache Licht aus und er ist die warme Quelle in diesem Raum, aber wenn man ihn so betrachtet, dann jagt es einem einen Schauder über den Rücken. Unwillkürlich knie ich nieder und berühre den Käfig. "Ryou." wiederhole ich seinen Namen und sehe wie sich seine Züge etwas erhellen. "Joey." höre ich ihn flüstern und die zerbrechliche Stimme lässt mir fast das Blut in den Ader gefrieren. Dass der Arme keineswegs gut dran sein würde, war klar, aber das was ich sehe, dieses kleine Häufchen Elend vor mir, Gott, dass ist echt mal hart. Ich weiß gar nicht was ich sagen soll. "Du solltest nicht hier sein." haucht Ryou mir zu und ich grinse unsicher. Ich wäre auch liebend gerne wo anders. "Ich hol dich hier raus, Kumpel!" sage ich nur und mache mich an den Gitterstäben zu schaffen. Er schüttelt traurig den Kopf. "Zwecklos." höre ich ihn murmeln, aber ich rüttele weiter an den Stäben. Irgendwie werde ich sie schon auf bekommen, ich muss. Immerhin bin ich doch hier, um ihn zu befreien. Naja... Yami hat zwar gesagt, dass es mir keinesfalls möglich sein würde, Ryou und Bakura zu verschmelzen, aber ich kann ihn doch nicht da drin lassen und überhaupt... "Ich hol dich hier raus." sage ich wieder und zerre wie ein Irrer an den Stäben. "Joey..." höre ich ihn wieder kläglich flüstern. Dieser verdammte Bakura! Dagegen war Seth mit Kaiba ja echt human umgegangen als er ihn eingefroren hat. Das hier ist... Verflucht, ich muss dieses Ding aufbekommen. Ich muss. Ich muss. "Es hat doch Zweck." sagt er als könne er meine Gedanken lesen und für einen Moment legt er seine kalte Hand auf meine. Ich zucke unwillkürlich zusammen. "Du kannst mir nicht helfen." Es klingt so traurig, so resignierend, dass es mir einen Stich versetzt. Ich schüttele energisch den Kopf. "Joey Wheeler gibt nicht auf." presse ich hervor und rüttele unbeirrt weiter. Er muss hier raus, wenn er mir helfen soll. Also muss ich erst ihm helfen. Logisch, oder? Und Yami hat gesagt, dass ich es schaffen kann, folglich werde ich es auch schaffen. Wo bitte sind meine tollen Kräfte, wenn ich sie mal brauche? Echt... jetzt könnte ich sie wirklich gut gebrauchen. Ich stöhne auf und halte für einen Moment inne, um zu überlegen. Ryou sieht mich noch immer an. "Ich muss dich hier rausholen." erkläre ich ihm. Er nickt. "Ich weiß." Schlagartig erinnere ich mich daran, dass er vermutlich genau weiß, was gerade abgeht. Er weiß, was draußen geschieht, was Bakura so tut und... er weiß auch von dem Fluch. Wieder nickt er und scheinbar kann er tatsächlich meine Gedanken lesen. "Ich würde dir gerne helfen, Joey, aber..." Er seufzt und ich mache mich wieder an dem Käfig zu schaffen. Ich taste die Stäbe ab, sehe mich um ob es irgendeine Möglichkeit gibt ihn zu öffnen und schließlich kommt mir eine Idee. Ich knie mich wieder hin und lege beide Hände auf eine der oberen Stangen. Dann schließe ich die Augen. Ich denke daran, wie Yami Kaiba erkärt hat, wie er mit seinem Element umgehen soll. Vielleicht kann ich auch so was. Ich meine, ich bin doch ein Ba und ich habe vorhin einen Höllenhund gerufen, den Höllenhund. Vielleicht kann ich auch irgendwie ein Element kontrollieren? Einen Versuch ist es jedenfalls wert. Also konzentriere ich mich. Dabei hab ich nicht einmal eine Ahnung, was mein Element sein könnte. "Was tust du da?" höre ich Ryou unsicher fragen. Ich antworte nicht. Ich konzentriere mich nur und bemühe mich alles andere auszublenden. Aber nichts. Nichts scheint sich zu tun. Ich seufze, lasse die Augen aber geschlossen. Verdammt, Joey, denk nach. Yami hat gesagt... Hm. Dass ich meine Kräfte dann aktivieren kann, wenn Kaiba in Gefahr ist. Gut, das habe ich. Also sind meine Kräfte aktiv. Wenn ich mir vorstelle... Ja, vielleicht funktioniert das ja. So wie beim Hulk. Ich muss mir vorstellen, dass Kaiba in Gefahr ist und dann müsste doch was passieren. Ok, die Idee ist ziemlich behämmert, aber nicht gänzlich unlogisch, oder? Zudem fällt mir nichts besseres ein. Also versuche ich mich darauf zu konzentrieren. Auf die Konsequenzen, wenn ich hier versage. Darauf, dass Kaiba etwas unüberlegtes tun könnte. Ich denke an die Szene vorhin als Apophis Kaiba angegriffen hat. Ob es ihm inzwischen wieder gut geht? Dieser verfluchte Apophis hat ihn fast erwürgt! Unwillkürlich spüre ich wie ich wütend werde. Diese verdammten Psychos. Erst Mokuba anzugreifen und dann Kaiba und... Ich spüre wie sich die Wut in mir ausdehnt und mir warm wird. Fast habe ich den Eindruck, dass man meine Füße ankokelt. Zumindest durchzuckt mich unglaubliche Wärme. Sie steigt von meinen Zehen auf und wandert durch meinen ganzen Körper. Ein krasses Gefühl und ich schätze, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Und als sich die Gitterstäbe unter meinen Händen zu verformen beginnen, weiß ich es sogar. Ich grinse Ryou an, der mich erstaunt ansieht. Gut, ich bin vielleicht nicht Hulk, aber ich scheine eindeutig ein Element beherrschen zu können. Feuer - na, wenn das nicht passend ist? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)