Zwischen den Fronten von Seira-sempai ================================================================================ Prolog: Schatten der Vergangenheit ---------------------------------- Das ist die Fortsetzung von: Vertrauen und Verrat http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/248615/ http://www.fanfiktion.de/s/4bae641700011fb60c90138c Es war vier Uhr nachmittags. Ich saß gerade an meinen Mathehausaufgaben und versuchte verzweifelt, zu verstehen was ich überhaupt tun sollte. Sie waren so wirr formuliert, dass ich nicht einmal die Aufgabenstellung verstand. So langsam zweifelte ich an meinen Fähigkeiten. Eigentlich war es mein Wunsch, später einmal Arzt zu werden. Aber so wie es im Moment aussah, konnte ich das wohl vergessen. Wenn ich in der Prüfung nicht gut abschneiden würde, konnte ich mein Abitur vergessen. Und ohne Abitur gab es auch kein Studium. Langsam aber sicher sollte ich mich nach einem Alternativjob umsehen. Ich seufzte. Seit Kian nicht mehr bei mir als Schmarotzer lebte, kam ich wirklich auf seltsame Gedanken. Dabei war er doch erst vor knapp einem Monat zu seiner Tante und seinen Onkel, Olivias Eltern, gezogen. Außerdem kam er mich regelmäßig besuchen und im Rudel schien alles klar zu laufen. Allerdings hatte er trotzdem sehr viel zu tun, weshalb er sich immer seltener bei mir meldete. Meistens rief er mich nur jeden Abend an und wir telefonierten, aber nur selten länger als eine halbe Stunde. Livi sah ich öfter. Das lag wahrscheinlich daran, dass sie keine führende Position im Rudel hatte und meine feste Freundin war. Ab und zu schlief sie sogar bei mir. Ihren Eltern hatte sie noch nichts von ihrer Beziehung zu einem Menschen gesagt, aus Angst vor deren Reaktion. Und Kian hatte diesbezüglich auch geschwiegen, wofür wir ihm wirklich dankbar waren. Mein Telefon klingelte. Erleichtert über diese erwünschte Störung, die mich aus meinen Gedanken riss und wieder an meine Hausaufgaben erinnerte, schlenderte ich in den Vorsaal und hob ab. „Hallo?“ „Alec?“, hörte ich Olivias völlig panisch klingende Stimme am anderen Ende der Leitung. „Ja...?“ Mehr brachte ich nicht heraus. Dazu war ich viel zu erschrocken. So panisch hatte ich meine Freundin noch nie reden hören. „Kian ist verschwunden.“ Livis Stimme war nur noch ein flüstern. „W- was? Bist du sicher?“, fragte ich geschockt. „Hör mir zu.“, sprach sie weiter, „Du verlässt auf keinen fall deine Wohnung und öffnest niemandem die Tür. Einige von uns sind auf den Weg in die Stadt. Ruf sofort deine Freunde an und sage es ihnen. Und bitte tue nichts unüberlegtes. Dein Leben steht auf dem Spiel. Ich will dich nicht verlieren.“ „Livi, was...“ Ich brach ab, als ich ein regelmäßiges Tuten hörte. Sie hatte aufgelegt. Wütend knallte ich den Hörer in seine Halterung, bevor ich zurück zu meinen Mathehausaufgaben spazierte. Was war das eben gewesen? Es dauerte einige Sekunden, bis mein Gehirn die aufgenommenen Informationen verarbeitet hatte, weshalb ich erst nach einigen Sekunden begriff, was vor sich ging. Erschrocken sprang ich auf und rannte zurück zum Telefon, wo ich auch sofort Deans Nummer wählte. Zum Glück war mein Klassenkamerad zu hause und nahm schnall ab. „Was gibt’s, Alec?“ Ich schluckte noch einmal kurz, bevor ich ihm von meinem Telefonat eben berichtete. „Livi hat mich angerufen. Es scheint irgendwelche Schwierigkeiten zu geben. Außerdem ist Kian verschwunden. Jedenfalls... Stell sicher, dass du und Alice im Haus bleiben und keine Haustüren oder Fenster öffnen. Richte das bitte auch George aus.“ „Was...?“ Dean klang geschockt. „Bitte.“, redete ich auf ihn ein, „Tut einfach, was ich sage.“ „Okay.“, murmelte mein Gesprächspartner, „Ruf mich an, sobald es Entwarnung gibt.“ „Das werde ich.“ Mit diesen Worten legte ich auf. Noch immer verstand ich nicht, was gerade vor sich ging. Die Gefahr war doch vorbei. Keiner der Mannaro durfte mehr einen Menschen anfallen. Aber wieso dann diese Warnung? Es gab nur eine Möglichkeit: Einige von ihnen mussten gegen die Regeln verstoßen und sich hier einen schönen Nachmittag machen. Wie diese aussah, konnte ich mir denken. Sie würden sich irgendwo ein paar Menschen schnappen und als Zwischenmahlzeit vertilgen. Mir wurde unwohl bei dem Gedanke. Langsam ging ich zur Wohnungstür und verriegelte diese, bevor ich durch die anderen Zimmer lief und sämtliche Fenster schloss. Wäre Kian hier gewesen, hätte ich das nicht getan, aber ohne ihn fühlte ich mich den Mannaro schutzlos ausgeliefert. Hatte ich mich schon so sehr an die Gegenwart meines besten Freundes gewöhnt, dass ich in Angst verfiel, wenn er mal nicht da war? Ich schlenderte durch die Wohnung, ohne wirklich etwas von ihr wahrzunehmen. Ab und zu setzte ich mich auf mein Bett oder einen der Küchenstühle, konnte aber keine Ruhe finden. Mein Blick fiel auf das Telefon. Dean hatte die anderen sicher bereits benachrichtigt. Warum hatte ich dann dieses beunruhigende Gefühl? Es fühlte ich an, als hätte ich etwas vergessen, etwas wichtiges. Ohne nachzudenken, was ich tat, griff ich erneut nach dem Hörer und wählte eine mir bekannte Nummer. Wen ich anrief, erkannte ich erst, als ich eine vertraute Stimme am anderen Ende der Leitung hörte. „Stone hier.“ Erschrocken hielt ich meine Luft an. Ich hatte meinen Vater angerufen und das auch noch auf dem Handy, wie mir ein Blick auf das Display verriet. Warum? So etwas war mir bis jetzt noch nie passiert. Gerade wollte ich wieder auflegen, als ich erneut seine Stimme hörte. „Hallo? Mit wem spreche ich da?“ Ich schluckte, bevor ich ihm antwortete. „Ich bin es, Alec.“, murmelte ich schüchtern und schämte mich gleichzeitig dafür, dass ich nicht den nötigen Mut aufbringen konnte, normal mit ihm zu sprechen. „Das ist aber eine Überraschung. Damit habe ich wirklich nicht gerechnet.“ Mein Vater klang erfreut. „Wie geht es dir denn so? Was macht die Schule? Hast du-“ Ich unterbrach ihn. „Wo bist du gerade?“ „Zu Hause.“, entgegnete er, „ Ich bin gerade von der Arbeit gekommen und wollte einkaufen gehen. Aber das kann ich auch verschieben.“ Erleichtert atmete ich aus. „Gut, dann tue jetzt genau das, was ich sage. Verriegele die Haustür und schließ alle Fenster, egal in welchem Stockwerk.“ „Alec, was...?“ Mein Vater klang verwirrt. „Bitte.“, flüsterte ich, „Es sind Mannaro in der Stadt unterwegs.“ Ich hörte, wie mein Vater durch sein Haus lief. Er tat also, was ich sagte. Das beruhigte mich. Nach einer Weile verstummten sie Schritte am anderen Ende der Leitung und ich hörte, wie mein Vater seufzte. „So, das wäre geschafft. Woher weißt du eigentlich davon? Von deinem Mannaro? Wie hieß er gleich noch mal? Es war irgendetwas mit K...“ „Kian ist nicht hier.“, warf ich wütend ein, „Seine Cousine hat mich vorhin angerufen. Er ist verschwunden. Ich weiß auch nicht, wo er gerade ist.“ „Wie...? Aber dann...“ Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang verunsichert. „Woher weißt du dann, dass sie hier sind?“ „Er ist nicht meine einzige Verbindung zum Rudel. Neben ihm gibt es noch Olivia und Scar, wobei ich mit Scar nicht besonders gut auskomme.“, erklärte ich ruhig. „Verstehe...“, murmelte mein Vater, „So ist das also.“ „Sobald die Lage sich wieder entschärft hat, rufe ich dich an.“, fuhr ich fort, „Kian wird sich früher oder später bei mir melden und dann erfahre ich auch mehr.“ „Wieso sollte er? Er hat doch gar keinen Grund mehr dazu. Jetzt wo er sein Ziel erreicht hat, ist er nicht mehr auf dich angewiesen.“ Die Stimme meines Vaters wurde von Wort zu Wort wütender und lauter. Er verachtete Kian, das konnte ich hören. „So stimmt das nicht. Und das weißt du auch“, warf ich ein, bemüht ruhig zu sprechen, „Meinetwegen hat er sich gegen seine Familie gestellt. Hätte er das nicht getan, wäre ich schon lange tot. Er hat nicht aus Machtgier gehandelt, sondern weil er keine andere Wahl hatte. Was war ihm denn auch anderes übrig geblieben?!“ „Schon gut.“ Es klang als hätte sich mein Vater wieder etwas beruhigt. „Ich sage nichts mehr gegen deinen Freund. Er hat mehrfach bewiesen, dass er keine Gefahr für dich darstellt. Auch wenn es mir trotzdem nicht besonders gefällt, dass du ihm so blind vertraust...“ Jetzt fing er schon wieder damit an. Ich seufzte. „Kian ist und bleibt mein bester Freund. Ich vertraue ihm nur so viel, wie er mir. Hör endlich auf, so schlecht von ihm zu denken.“ Auf der anderen Seite der Leitung war es eine Weile still. Erst nach über einer Minute antwortete mir mein Vater. „Ich weiß... Und ich werde mich auch nicht mehr in euere Freundschaft einmischen oder versuchen, sie zu zerstören.“ Ein schwaches Lächeln bildete sich auf meinem Gesicht. Irgendwie machte mich diese Aussage glücklich. Er hatte meine zu Kian endlich akzeptiert und auch wenn er nicht damit einverstanden war, duldete er es. Das war mehr als ich erwartet hatte. In diesem Moment klopfte es an meiner Wohnungstür. Ich zuckte erschrocken zusammen. Langsam entfernte ich den Hörer etwas von meinem Kopf und bedeckte die Seite, in die ich hineinsprach, mit meiner Handfläche. „Wer ist da?“, fragte ich unsicher in Richtung Tür. Mein Vater gab einen erschrockenen Laut von sich. „Alec, was...?“ Ich reagierte nicht darauf, sondern starrte auf die Tür. Darauf bedacht, keine Geräusche zu verursachen legte ich den Hörer auf den Schrank und näherte mich der verschlossenen Tür. „Hallo? Ist da wer?“ Nichts tat sich. Gerade wollte ich aufgeben und mir einreden, meine Fantasie ginge mal wieder mit mir durch, als mir schwach eine sehr bekannte Stimme antwortete: „Ich bin es, Kian. Bitte lass mich rein.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)