Zwischen den Fronten von Seira-sempai ================================================================================ Kapitel 3: Heitere Aussichten ----------------------------- Mike setzte Kian und mich in der Nähe meiner Wohnung ab. Den restlichen Weg mussten wir laufen, doch das störte mich nicht weiter. Ein Bisschen frische Luft hatte noch keinem geschadet. Schweigend gingen wir nebeneinander her. Erst als wir in meiner Wohnung angekommen waren und die Tür hinter uns geschlossen hatten, brach Kian die Stille. „Jetzt habe ich mich dir schon wieder aufgedrängt.“ „Kann man so sagen…“, murmelte ich und betrachtete Kians Verletzungen näher, konnte aber keine Anzeichen darauf finden, wie er sie sich zugezogen haben könnte. Also blieb mir nichts anderes übrig, als ihn direkt zu fragen. „Was ist passiert?“ Zuerst sah mich Kian verwirrt an, dann schien er zu begreifen, was ich von ihm wollte. Er senkte seinen Blick. Mehr als ein Wort brachte er nicht heraus. „Großvater...“ Überrascht sah ich meinen besten Freund an. „Wie meinst du das? Ist er nicht...?“ Kian ballte seine Hände zu Fäusten. „Sie haben ihn vor einigen Tagen freigesprochen. Er hat sein Haus samt Grundstück verkauft und das Geld einem guten Anwalt gezahlt. Gestern Nachmittag stand er plötzlich vor der Tür. Meine Tante hat ihm angeboten, dass er für einige Zeit bei ihr wohnen könnte. Ich habe ihr Gespräch mitgehört. Als er kurz darauf in mein Zimmer kam und auf mich losgehen wollte, bin ich aus dem Fenster gesprungen und einfach weggerannt.“ Ich brachte kein Wort mehr heraus. Das durfte nicht wahr sein! Alle unsere Anstrengungen waren vergebens gewesen. Und nicht nur das. Kians Großvater würde sich sicher an uns rächen, dafür dass er wegen uns fast hinter Gittern gelandet wäre. Das ließ er sich sicher nicht gefallen. Wenn es darauf ankam, plante er sogar schon, wie er Kian und mich unauffällig aus dem Weg räumen konnte. „Was wirst du jetzt tun?“, fragte ich Kian nach einer Weile. Er warf mir einen entschuldigenden Blick zu. „Ich weiß nicht… Das ging alles so schnell. Bis jetzt habe ich mir noch keine Gedanken darüber gemacht. Ich habe mich nur darauf konzentriert, keinem über den Weg zu laufen.“ „Verstehe…“, murmelte ich. Das waren ja heitere Aussichten. „Es tut mir Leid.“ Kian sah mich niedergeschlagen an. „Dann müssen wir deinen Großvater ebne wegen einer anderen Sache anklagen.“, munterte ich ihn auf, „Wenn ihnen die Beweise für den Mord nicht reichen, müssen wir eben etwas finden, wofür es genügend Beweise gibt. Das dürfte doch nicht so schwer sein. Ich bin mir sicher, dass das machbar ist. Es würde mich doch sehr wundern, wenn er nicht noch irgendwo Dreck am Stecken hätte.“ „Danke…“, nuschelte mein bester Freund und ich sah ihm an, dass er es auch so meinte. Um ihn nicht länger mit diesem unangenehmen Dingen zu quälen, wechselte ich das Thema. Ich hielt mir die Hand vor den Mund und gähnte. „Also wenn es nach mir ginge, könnte ich erst einmal eine ordentliche Portion Schlaf gebrauchen.“ Ohne Kian weiter zu beachten, schleppte ich mich in das Schlafzimmer und stellte sein Klappbett auf, das wegen Platzmangels die letzten Wochen an der Wand gelehnt hatte. Ich gähnte erneut, bevor ich meine Schlafsachen wieder anzog und mich in mein Bett fallen ließ und kurz darauf einschlief. Als ich am nächsten Tag aufwachte, war es schon hell. Zuerst warf ich einen verwunderten Blick zum Fenster, durch welches gerade die Sonne in mein Schlafzimmer schien. Danach sah ich auf die Uhr. Es war kurz nach Zwölf Uhr. Genüsslich streckte ich mich und dachte daran, wie schön es war, heute nicht in die Schule zu müssen. Im Klappbett an der anderen Wand des Zimmers, schien auch Kian langsam aufzuwachen. Seine Augenlider zuckten und wenig später öffnete er seine Augen und blickte an die Decke. Zuerst war sein Blick noch verschlafen, dann wurde dieser zu einem verwirrten. Erst nach einigen Sekunden sah er in meine Richtung. „Morgen.“, murmelte ich, „Wie hast du geschlafen?“ „Ganz gut.“, antwortete mir mein bester Freund und streckte sich genüsslich. „Was macht dein Arm?“, fragte ich, während ich mich aus meinem Bett bequemte und langsam in Richtung Bad spazierte. „Tut er noch sehr weh?“ Kian schüttelte seinen Kopf. „Fast gar nicht mehr.“ Das erleichterte mich. Mit einem schwachen Lächeln im Gesicht verließ ich das Schlafzimmer. Nachdem ich alles, was morgens so anfiel, erledigt hatte, deckte ich den Tisch. Viel hatte ich nicht, wie immer eigentlich, aber das war Kian schon gewohnt. Aus der letzten Ecke des Kühlschranks kramte ich meine letzte Packung Wurst hervor. Kaum hatte ich diese auf den Tisch gelegt, war Kian auch schon in der Küche. „Du machst Fortschritte.“, scherzte er, „Letztes Mal hattest du nichts Essbares im Haus und jetzt hast du immerhin Toast, Nutella und Wurst.“ „Alles deine Schuld.“, entgegnete ich während ich mich an den Tisch setzte und mir ein Toast nahm Nutella auf es schmierte. „Du bist einfach bei mir eingezogen und wolltest auch noch versorgt werden. Und da du danach nicht mehr gegangen bist, habe ich mir angewöhnt, regelmäßig einkaufen zu gehen. Kian lachte. „Ich weiß. Das war eine ganz blöde Idee. Aber sieh es mal so: Früher oder später wirst du einen Haushalt führen müssen. Da ist es ganz gut, wenn du jetzt schon einmal übst.“ „Du auch.“, entgegnete ich und biss genüsslich in mein Frühstückstoast. „Was hältst du von Arbeitsteilung? Ich kümmere mich um das Essen und du erledigst den Rest.“ Mein bester Freund schnitt eine Grimasse. „Besonders gerecht ist das aber nicht…“ „Im Gegensatz zu dir muss ich auch in die Schule! Da ist es nur fair, wenn du mehr zu tun hast.“ Meine Stimme klang leicht empört, doch ich meinte es nicht wirklich so. „Wenn du meinst…“ Kian kapitulierte. In diesem Augenblick klingelte es. Verwundert sah ich zur Tür. Kian tat es mir gleich. Nur langsam erhob ich mich von meinem Stuhl und ging auf sie zu. Ich erwartete keinen Besuch und müsste eigentlich auch in der Schule sein. Das hieß, der Besucher war wahrscheinlich nicht meinetwegen hier. Aber weswegen dann? Kian konnte nicht der Grund sein. Die einzigen, die wussten wo er momentan war, waren Dean und Mike. Keiner der beiden hatte einen Grund hier vorbeizuschauen. Vorsichtig drückte ich die Klinke hinunter und lugte durch den Kleinen Spalt, der entstand als ich die Tür wenige Zentimeter öffnete, nur um die Tür gleich wieder erschrocken zu schließen als ich sah, wer auf der anderen Seite stand. „Hallo?“, drang eine mir bekannte Stimme durch sie hindurch, „Ist da wer?“ Die Stimme meines Vaters! Ich lehnte mich mit den Rücken gegen das Stück Holz, meine Hände zu Fäusten geballt. Was wollte mein Vater hier? Nur langsam erinnerte ich mich an das Telefongespräch, dass ich gestern mit ihm geführt hatte. Noch immer wusste ich nicht, warum ich ihn überhaupt angerufen hatte. Er war mir gleichgültig. Außerdem hatten wir schon lange keinen Kontakt mehr. Aber warum hatte ich ihn dann vor den Mannaro gewarnt? Er hatte sich verändert, hatte gesagt, dass er meine Freundschaft mit Kian akzeptieren und ihm nichts mehr tun würde. Doch konnte ich ihm glauben? Ich wusste es nicht. Ich wusste nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte. „Alec?“, hörte ich plötzlich Kians besorgte Stimme direkt neben mir. Erschrocken fuhr ich zusammen. Ich hatte ihn nicht bemerkt, so sehr war ich in Gedanken gewesen. „Ach du bist es nur...“, murmelte ich hörbar erleichtert. „Was ist mit dir? Du verhältst dich seltsam.“, fragte mein bester Freund, während er mich vorsichtig von der Tür wegzog, um diese zu öffnen und meinen Vater hereinzulassen. Kraftlos schüttelte ich meinen Kopf. „Es ist nichts...“, log ich, wissend dass ich Kian nichts vormachen konnte. Er hatte mich längst durchschaut. Meinen Vater betrat die Wohnung. Kurz warf er mir einen verwunderten Blick zu, bevor er die Tür hinter sich schloss und seine Jacke auszog. Doch das nahm ich nur hintergründig wahr, wie durch einen Schleier. „Alec!“, Kians Stimme duldete keinen Widerspruch. Er hatte meine Lüge sofort erkannt, wie erwartet. „Was ist passiert?“ „...später, okay?“ Ich warf meinem besten Freund einen bittenden Blick zu. Kian nickte. Ich sah ihm an, dass er damit nicht einverstanden war, doch er sagte nichts. Ein schwaches Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Er gab tatsächlich nach. Ich wandte mich an meinen Vater. „Weshalb bist du hier?“ Meine Stimme klang härter als beabsichtigt, doch das interessierte mich nicht. „Brauche ich einen Grund um meinen Sohn zu besuchen?“, fragte er, während er sich zu einem Lächeln zwang. Seufzend deutete ich auf die Uhr, die über ihm an der Wand hing. „Heute ist Dienstag. Es ist kurz vor Ein Uhr nachmittags. Ich müsste noch in der Schule sein und die wäre erst in knapp zwei Stunde zu Ende. Warum bist du wirklich hier?“ Mein Vater griff sich leicht verlegen an den Kopf. „Bin ich so leicht zu durchschauen?“ „Was willst du?“ Kühl und distanziert sah ich ihn an. „Mit Kian sprechen.“, antwortete mein Vater. Mein bester Freund sah ihn überrascht an. Er schien nicht damit gerechnet zu haben. „Worüber möchten Sie mit mir sprechen?“ Zu meiner Überraschung war der Blick meines Vaters als er ihn ansah nicht voller Zorn, ich konnte sogar etwas Besorgnis in ihm erkennen. „Woher hast du diese Verletzungen?“ Kian senkte seinen Blick. „Ich habe sie mir zugezogen als ich gestern vor meinem Großvater geflohen bin.“ Er hielt kurz inne, sprach dann aber weiter. „Sie wissen sicher schon, dass er freigesprochen wurde. Wie es aussieht wohnt er jetzt bei meiner Tante.“ Mein Vater sah ihn erschrocken an. „Das ist nicht dein Ernst!“ „Leider doch.“, sagte Kian mit leiser Stimme, „Er ist zurück und er wird sich an uns rächen, dafür dass wir ihn fast in das Gefängnis gebracht hätten. Sie sollten sich für die nächste Zeit vom Wald fern halten und nach Möglichkeit nicht allein irgendwo hingehen. Er wird sich wahrscheinlich nicht auf Sie konzentrieren. Sein Ziel ist jemand anderes.“ „Was ist mit Alec?“, fragte er hörbar besorgt. „Keine Sorgen ihm wird nichts geschehen.“, versicherte mein bester Freund, „Ich werde in seiner Nähe bleiben. Ich werde nicht zulassen, dass sie ihm etwas tun!“ „H- heißt das, Alec ist-“ Mein Vater brach ab. Kian nickte. „Großvater wird nicht eher von ihm ablassen, bis er sicher sein kann, dass er tot ist. Er wird alles tun, um sein Ziel zu erreichen und vor nichts zurückschrecken.“ Ich lehnte mich gegen die Wand und bedeckte die Augen mit meiner Hand. Ein trockenes Lachen verließ meinen Mund. „Das sind ja heitere Aussichten.“ „Alec...“ Kian legte mir seine Hände auf die Schultern. „Er wird dich nicht bekommen, das verspreche ich. Ich werde dich beschützen, koste es, was es wolle. Lieber sterbe ich, als dich noch einmal so zu sehen wie letzten Monat. Vielleicht hört er dann auf...“ Meine Hand glitt nach unten. Schockiert und mit weit aufgerissenen Augen starrte ich meinen besten Freund an. „Nimm das zurück.“, flüsterte ich mit schwacher Stimme, bevor ich mich losriss und Kian erzürnt über den leichtfertigen Umgang mit seinem Leben anschrie. „Nimm es zurück! Wage es ja nicht noch einmal so leichtfertig über deinen Tod zu sprechen! Du wirst dein Leben nicht einfach wegwerfen, und erst recht nicht meinetwegen! Verstanden?!“ Erschrocken über meinen plötzlichen Wutausbruch wich Kian einige Schritte zurück. „Alec, das- ich...“ „Sag so etwas nie wieder!“, verlangte ich immer noch zornig. Kian wandte sich ab und blickt auf den Boden. „Es tut mir leid.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)