Zwischen den Fronten von Seira-sempai ================================================================================ Kapitel 5: Partie ----------------- Wie Kian es gelungen war, Olivis nicht nur zur ausgemachten Zeit in meine Wohnung zu bestellen, sondern auch noch dafür zu sorgen, dass sie ausnahmsweise Mädchenkleidung trug, war mir jetzt - wo ich gemeinsam mit den beiden vor Deans Tür stand - ein Rätsel. Er hatte weder lange mit ihr telefoniert, noch irgendetwas von unseren Plänen verraten. Es musste also andere Gründe haben. Jedoch war mir das relativ egal. Es störte mich nicht, dass meine Freundin sich die meiste Zeit über kleidete, als sei sie ein Junge. Es gab schlimmeres und außerdem fand ich sie in den Klamotte n süß. Ich drückte den Klingelknopf. Der Klingelton ertönte und wenig später hörte ich ihn durch die geschlossene Tür rufen: „Moment! Ich mach gleich auf.“ Ein Scheppern ertönte, gefolgt von einem Klirren und Deans fluchender Stimme. Danach war es einen Augenblick still. Aber schon nach wenigen Sekunden drang der nächste Lärm durch die Tür nach draußen. Diesmal klang es, als sei jemand die Treppe heruntergefallen. Als Dean und nach einigen Minuten endlich die Tür öffnete, sah er aus wie frisch aufgestanden. Seine blonden Locken waren zerzaust und die Klamotten hingen irgendwie an seinem Körper. Arme und Gesicht waren verziert von einigen Schrammen. „Was ist denn mit dir passiert?“, fragte ich, ohne mich zu bemühen, den belustigten Klang meiner Stimme zu verbergen. Mein Klassenkamerad deutete schnaubend auf den Flur hinter sich, der bis in die letzte Ecke mit Kisten zugestellt war. „Meine Tante besucht uns für ein paar Tage. Das ist ihr Gepäck. Ach ja: Sie hat ‚nur das Nötigste’ mitgebracht.“ „Autsch.“ Olivia grinste. „Und du bist sicher, dass sie das alles braucht?“ „Dean, hör auf so schlecht über deine Tante zu reden.“, erklang eine Frauenstimme aus dem Flur. Wenig später trat die Mutter des blonden Chaoten zwischen den vielen Kartons hervor. Ihr anfangs strenger Blick wandelte sich in ein Lächeln, als sie uns erblickte. Sich ihr langes, blondes Haar hinter das Ohr streichend kam sie auf uns zu. „Mum.“, beschwerte sich Dean, „Sie ist nicht normal. Kein normaler Mensch braucht so viel Gepäck, wenn er für ein paar Tage seine Verwandten besucht.“ Die Frau ignoriere seine Aussage und wandte sich stattdessen an mich. „Es ist schön, dich mal wieder zu treffen, Alec. Was macht die Schule denn so? Passt du auch immer auf? Oder bist du inzwischen genauso unaufmerksam wie mein dummer Sohn?“ „Mum!“, protestierte mein blondhaariger Klassenkamerad. Frau Myers seufzte. „Ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn du wenigstens ab und zu etwas für die Schule tun würdest.“ Nach diesen Worten schaute sie Kian und dessen Cousine musternd an. „Willst du mir deine Freunde nicht vorstellen.“ „Du hast mich doch nicht zu Wort kommen lassen!“, warf Dean gespielt verletzt ein, jedoch konnte er sich schon nach wenigen Sekunden ein Lachen nicht mehr verkneifen. Er deutete auf Kian. „Darf ich vorstellen: Das ist Kian, Alecs bester Freund. Die zwei haben die gleiche Grundschule besucht und er wohnt im Moment bei Alec.“ Danach wies er auf Livi. „Und das ist…“ Er stockte. „Wer war sie gleich noch mal?“ „Olivia.“, entgegnete ich belustigt, „Meine Freundin.“ „Ach ja!“ Mein Klassenkamerad griff sich an den Kopf. „Das hatte ich schon wieder vergessen. Du wolltest sie ja mitbringen…“ „Wollte?“, hakte ich nach, „Du hast nicht eher Ruhe gegeben, bis ich dir zugesagt hatte, dass ich sie heute mitbringe!“ „Ja und?“ Dean stellte sich beleidigt. „Ich muss doch wissen, mit wem du so zusammen bist.“ „Schon gut.“, meinte ich genervt, „Sag, was du willst.“ „Kian…“, murmelte Deans Mutter in einem überlegenden Ton, „Irgendwo habe ich den Namen schon einmal gehört.“ Mein Klassenkamerad hob feixend seine Schultern. „Vielleicht von Alice. Er ist derjenige, der ihr im Herbst einen Korb verpasst hat. Es hat ewig gedauert, bis sie sich wieder vertragen haben und wenn du mich fragst: ich glaube, dass sie trotzdem noch zusammenkommen.“ Die Frau musterte meinen besten Freund. „Ich weiß nicht, ich kann mir das nicht vorstellen.“ „Alice ist immer noch total in ihn verknallt.“, plapperte mein Klassenkamerad munter weiter, wofür er sich von seiner Mutter einen wütenden Blick zuzog. „Hör auf, deine Schwester zu ärgern.“, verlangte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Danach zog sie sich eine Jacke über, verabschiedete sich lächeln von uns und küsste ihren Sohn auf die Stirn. „Ich muss jetzt weg, die Arbeit wartet. Macht euch einen schönen Nachmittag. Übertreibt es nicht mit dem Feiern und passt auf meinen verrückten Sohn auf.“ Noch bevor wir etwas erwidern konnten, war sie auch schon durch die Tür verschwunden. „So ist sie eben.“, murmelte Dean und schob uns ich die Richtung seines Zimmers, ab den ganzen Kisten vorbei, die Treppe hinauf, „Vorsicht, fallt nicht. Das Zeug ist gefährlich.“ „Ich weiß. Es war nicht zu überhören, wie du drübenweggeflogen bist.“, provozierte ich ihn ein wenig, „Hast du dich dabei schwer verletzt?“ Dean ging nicht weiter auf die Anspielung ein. Nachdem er uns in seinem Zimmer platziert hatte, machte er sich auf die Suche nach Knabbersachen und etwas zu trinken, was er uns nur wenige Minuten später präsentierte. Nacheinander stellte er und einen Kasten Bier, einige Schnapssorten, Cola, Saft, Gläser, Gummibärchen und eine Tüte Chips vor die Nase. „Ich hoffe, es ist für alle etwas dabei.“ Stumm angelte ich mir eine Flasche Bier aus dem Kasten und deutete auf ihren Verschluss. „Etwas zum Aufmachen wäre nicht schlecht.“ „Moment!“ Dean durchwühlte seine Schreibtischschubladen und zauberte zu meinem Erstaunen nach einigen Minuten tatsächlich einen Flaschenöffner hervor. „Reicht dir der?“ Ich nahm den Gegenstand entgegen und öffnete meine Flasche. Kian und Livi bedienten sich inzwischen an der Cola, da sie Alkohol nicht so gut vertrugen. „Kommt George nicht?“, fragte ich nach einer Weile. Mein Klassenkamerad schüttelte seinen Kopf. „Ihr müsst heute leider mit mir Vorlieb nehmen. Seine Oma hat Geburtstag. Sie hat gedroht, ihn zu enterben, wenn er sie heute nicht besucht.“ „Ach so…“ Ich schaute aus dem Fenster. Seit wir das Haus betreten hatten, schneite es draußen große, weiße Flocken. „Und Alice? Ist sie auch nicht da?“ „Doch. Aber sie macht gerade Hausaufgaben, irgendeine Projektarbeit in Biologie, glaube ich. Wenn sie fertig ist, leistet sie uns Gesellschaft.“ „Und was machen wir jetzt?“, erkundigte ich mich gespielt gelangweilt. Dean hob seine Schultern. „Weiß nicht. Was hältst du davon, mir deine Freundin vorzustellen und etwas über sie zu erzählen? Bis jetzt weiß ich nichts außer ihren Namen.“ Ich stutzte. Eigentlich hatte ich geglaubt, mein Klassenkamerad würde sich an sie erinnern, jetzt wo er sie gesehen hatte, immerhin hatten sie sich schon mehrere Male getroffen. Ich hakte nach. „Schau dir Livi noch einmal genau an, vielleicht fällt dir etwas auf.“ Zwar kam Dean meiner Aufforderung nach, jedoch brachte es nicht viel. Nach einigen Sekunden schüttelte er seinen Kopf. „Sag, was du willst, ich habe sie noch nie gesehen.“ „Mensch Dean.“, seufzte ich, „Jetzt streng dein Gehirn doch einmal an. Du hast sie jetzt schon so oft getroffen. Das kannst du doch nicht alles vergessen haben.“ Als der blondhaarige Chaot stumm blieb, fuhr ich fort. „Livi ist Kians Cousine. Sie war dabei, als wie Maria White besucht haben. Außerdem hast du mich schon oft besucht, während sie ebenfalls da war. Sie-“ Mein Klassenkamerad unterbrach mich. „Moment!“, schrie er, „Verstehe ich das gerade richtig? Du bist mit einem Mannaro zusammen?“ Ich nickte. „Wie man unschwer erkennen kann...“ Der blondhaarige Chaot griff sich an den Kopf. „Jetzt verstehe ich auch, warum du mich in letzter Zeit immer so dumm angeschaut hast, als ich dich über deine Freundin ausgefragt habe. Ich schätzte, ich habe nicht gecheckt, dass du diese Olivia gemeint hast. Aber jetzt wo du es sagst, sehen sich die Zwei wirklich sehr ähnlich.“ Er hielt kurz inne. „Aber geht das denn einfach so? Ich meine, hat Kian denn nichts dagegen?“ Ein schwaches Lächeln bildete sich auf meinem Gesicht. „Doch... Ich habe so lange auf ihn eingeredet, bis er nachgegeben hat...“ „Ach so.“ Dean senkte seinen Blick, nur um mich und meinen besten Freund wenige Sekunden später wieder breit grinsend anzusehen, „Schluss mit den ernsten Sachen. Alec hat sich mit einem Lehrer angelegt. Das muss gefeiert werden!“ Mit diesen Worten griff er nach vier Plastikbechern und füllte sie mit einer Vielzahl alkoholischer Getränke. Als die Becher kurz davor waren, überzulaufen, reichte er jeden von uns einen.“ Kian betrachtete seinen Inhalt skeptisch. „Du erwartest doch jetzt nicht ernsthaft, dass ich das trinke...“ „Und ob ich das tue!“, schnaubte Dean beleidigt. Auf meiner anderen Seite nippte Livi zaghaft an dem Gemisch. „So schlecht schmeckt das gar nicht.“, murmelte sie, ehe sie einen größeren Schluck aus dem Becher nahm.“ „Livi!“, mahnte Kian, „Du weißt, was passiert, wenn du übertreibst.“ „Ach komm schon.“, sie sah ihn bettelnd an, „Nur diesen einen Trink.“ „Von mir aus.“, entgegnete mein bester Freund trocken, „Aber gewöhne dich nicht daran. Danach wirst du dich mit Saft begnügen.“ „Okay.“ Olivia grinste zufrieden, fast als hätte sie gerade einen großen Sieg errungen. Mein bester Freund stellte den Becher zurück auf den Boden. „Ich passe.“ Dean schaue ihn etwas enttäuscht an. „Nach der ganzen Mühe, die ich mir gegeben habe, dir dieses einzigartige Getränk zu mixen?“ „Du hast es frei nach Schnauze zusammengeschüttet!“, warf ich ein. „Tut mir leid.“ Kian stand langsam auf und ging in Richtung Tür. „Vielleicht ist es besser, wenn ich jetzt gehe...“ Seine Körperhaltung hatte etwas Verletztes an sich und im gleichen Moment, wie ich das bemerkte, erinnerte ich mich, dass ich ihn schon einmal so gesehen hatte. An dem Tag, als ich ihn geohrfeigt hatte, weil er Livi gegenüber unfair gewesen war, hatte er einen ähnlichen Ausdruck in seinem Gesicht gehabt. Noch bevor Dean oder Livi etwas darauf erwidern konnten, war ich aufgesprungen und hatte meinen besten Freund am Arm gepackt. „Kian, warte!“ „Alec, lass mich los!“, verlangte er. Ein ungutes Gefühl breitete sich in mur aus und ich schüttelte meinen Kopf. „Das werde ich nicht.“ Kian drehte sich zögernd zu mir und sah mich aus geweiteten Augen heraus an. „Warum?“, fragte er schwach. „Letztes Mal bist du nicht zurückgekommen.“ Auch ich sprach leiser als normal. „Ich habe dich eine Woche lang verzweifelt gesucht, nur um feststellen zu müssen, dass mein Vater dich in seine Hände bekommen hatte.“ Auf Kians Gesicht bildete sich ein schwaches Lächeln als er zurück zu den anderen ging und sich wieder auf seien Platz setzte. „Entschuldige, ich wollte dich nicht so erschrecken.“ „Schon okay. Ich habe wohl etwas überreagiert.“ Ich zwang mich, das ungute Gefühl in meinem Inneren zu verdrängen als ich es meinem besten Freund gleichtat, hoffend dass ich dieses Mal falsch lag. „Bist du sicher, dass du mein Meisterwerk nicht willst?“, fragte Dean meinen besten Freund, „Du hast noch nicht einmal gekostet...“ „Ich würde es trinken, wenn ich könnte.“, antwortete Kian und ich hörte dem Kang seiner Stimme an, dass er die Wahrheit sagte. „Aber im Gegensatz zu Livi bin ich kein vollwertiger Mannaro und gerate schnell aus dem Gleichgewicht. Eine Menge an Alkohol oder Dosierungen von Wirkstoffen in Medikamenten, die ihr nichts ausmachen, können bei mir dazu sorgen, dass ich die Kontrolle über meinen Körper verliere und mich in ein Monster verwandle.“ „Sorry, das habe ich nicht gewusst.“ Dean griff sich verlegen an den Kopf, ehe er seinen Drink zurücknahm, „Ich werde in Zukunft besser darauf achten, versprochen.“ Ich ließ mich zurückfallen und starrte an die Decke. Kians Worte hatten mich nachdenklich gestimmt. Es passte nicht zu ihm, dass er mir irgendetwas verschwieg und ich verstand nicht, wieso er mir nichts davon erzählt hatte. Wie als hätte Kian meine Gedanken gelesen, wandte er sich in meine Richtung. „Ich hätte es dir sagen sollen, aber nachdem du mich so gesehen hast, habe ich es nicht mehr fertig gebracht, entschuldige.“ Zuerst sah ich ihn verwundert an, doch dann verstand ich, wovon er sprach. Er meinte den Abend, an dem ich ihn im Keller der Forschungsstation meines Vaters vorgefunden hatte. „Mach dir keine Gedanken.“, murmelte ich, „Du weißt, dass ich dir deswegen nicht böse bin.“ Hätte Alice nicht in diesem Moment das Zimmer betreten, hätten wir sicher noch ein tiefgründiges Gespräch geführt, doch es schien als wollte keiner sie mit den eben ans Tageslicht gekommenen Informationen konfrontieren. Dean hob seinen inzwischen ausgetrunkenen Becher in die Luft. „Wenn du dich nicht beeilst, haben wir alles allein ausgetrunken.“, grinste er, als sei nichts passiert. Alice schloss die Tür und streckte sich erst einmal. „Endlich geschafft. Diese Hausaugaben machen einen aber auch wahnsinnig.“ Sie erwiderte das grinsen ihres Bruders als sie sich zu uns auf den Boden setzte, zwischen ihn und Kian. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)