Zwischen den Fronten von Seira-sempai ================================================================================ Kapitel 7: Eine neue Gefahr --------------------------- Auf Scars Gesicht erschien ein zorniger Ausdruck, als er auf mich zustapfte. „Du lebst ja immer noch!“ Ich erwiderte seinen Blick, nicht weniger gereizt. „Gleichfalls!“ Der Mannaro mit der Narbe im Gesicht sah mich mit einem finsteren Grinsen an. „Wenn ich du wäre, würde ich mich ganz unauffällig verhalten. Wir wollen ja nicht, dass dir etwas zustößt, nicht wahr?“ Er zog ein Taschenmesser aus seiner Jacke und spielte damit. Hätte ich nicht gewusst, das er mir nichts tun konnte, ohne mächtigen Ärger mit meinem besten Freund zu bekommen, hätte ich mich der Situation gefügt und versucht, keinen unnötigen Ärger zu bekommen. Jedoch hatte mich Kian unmissverständlich darüber informiert, was mit Scar passierte, wenn er mich noch einmal verletzte. Einen Augenblick betrachtete ich den silbern glänzenden Gegenstand, ehe ich meine Hände in den Hosentaschen verschwinden ließ und mich gegen die Mauer des Geräteschuppens lehnte. „Worauf wartest du noch? Na los, stich zu!“ Einige Sekunden war es still. Scars Begleiter und mein Lehrer starrten mich fassungslos an. Der dünnere der Mannaro baute sich vor mir auf. „Was glaubst du eigentlich, wer du bist?“, brüllte er mich an, „Rede gefälligst nicht so respektlos mit uns, Mensch!“ „Wer spricht hier respektlos mit wem, Mannaro?“, fragte ich ihn mit gespielt abfälliger Stimme. Wenn ich eines gelernt hatte, dann war das, dass ich mir von ihnen nichts sagen lassen musste. Ich kannte meine Position, die ich aufgrund von Kians Stellung im Rudel hatte, und auch wenn es mir anfangs seltsam vorkam, begann ich langsam mit den ganzen Strukturen vertraut zu werden. Laut der Rangordnung, die mir mein bester Freund schon mehrfach erklärt hatte, stand ich über Scar und brauchte mir nichts von ihm sagen zu lassen. Dem Handeln der beiden anderen Mannaro entnahm ich, das sie nicht sonderlich viel zu melden hatten. Vor Wut schnaubend schlug Scar mit der Faust einige Zentimeter neben meinem Kopf gegen die Wand des Schuppens. Trotz dass ich durch diese ruckartige Bewegung erschrak, blieb ich weiterhin ruhig stehen und sah ihn abwartend an. „War das alles?“ Ich beobachtete, wie Scars Hände sich zu Fäusten ballten und er sich auf die Zunge biss, um sich irgendeinen dummen Kommentar zu verkneifen. Er wandte sich an seine beiden Anhängsel. „Tom, Marco, wir gehen!“, befahl er fast schon und nahm dem dickeren von ihnen den Umschlag wieder weg. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, warf er diesen meinem Lehrer zu und lief langsam in die Richtung des Schultores. Sein schlankerer Begleiter blieb nach einigen Schritten stehen. Er starrte mich wütend an, ehe er sich mir näherte. „Ich bin damit nicht einverstanden. Warum lässt du dir von einem Menschen sagen, was du zu tun hast?“ „Tom!“, knurrte Scar, „Hast du mich nicht richtig verstanden? Ich sagte, wir gehen!“ „Warum gibst du nach? Vor noch nicht einmal einem Jahr hättest du ihn umgebracht, ohne mit der Wimper zu zucken!“ Der dünnere Mannaro, dessen Namen ich jetzt kannte, schnaubte abfällig, bevor er mich am Kragen meines Pullovers packte. „Wer bist du?“ „Alec Stone.“, antwortete Scar ohne mich überhaupt zu Wort kommen zu lassen, „Und jetzt lass ihn los! Der Anführer des hier herrschenden Rudels wird es dir sehr übel nehmen, wenn du ihm etwas antust.“ „Das interessiert mich einen Scheißdreck. Wir gehören keinem Rudel an, also müssen wir uns von ihm auch nichts sagen lassen.“, schrie Tom und stieß mich gegen den Schuppen. Ich spürte, wie ich mit dem Rücken gegen die Wand prallte. Jedoch befand sich auch ein Fenster hinter mir, gegen das ich mit meinem linken Arm stieß. Die Scheibe gab unter einem klirrenden Geräusch nach und das Glas schnitt sich in meinen Arm. Es fehlte nicht viel und ich hätte vor Schmerz laut aufgeschrien. Gerade noch so konnte ich es mir verkneifen. Mit zusammengebissenen Zähnen zog ich meinen Arm wieder aus dem Fenster und betrachtete die Verletzung durch den jetzt zerrissenen Ärmel meines Pullovers hindurch. Das Glas hatte ein paar schöne große Schnittwunden hinterlassen, die stark bluteten. Innerhalb weniger Sekunden lief ein Teil der dunkelroten Flüssigkeit meinen Arm hinunter, über die Hand und tropfte auf den Boden. Der Mannaro vor mir beugte sich etwas nach vorn und sein Körper begann, die Umrisse zu verlieren. Keine zehn Sekunden später stand ich einem großen, dunkelgrauen Wolf mit leuchtend gelben Augen gegenüber, der mich bedrohlich anknurrte und langsam auf mich zukam. Im nächsten Augenblick sah ich, wie ein bräunlicher Schatten auf den Mannaro zusprang und ihn zu Boden riss. Der graue Wolf heulte vor Schmerz auf und lief mit eingezogenem Schwanz einige Schritte zurück. Die Gestalt, die ihn daran gehindert hatte, mich weiter zu verletzen stellte sich zwischen ihn und mich. Einige Male musste ich blinzeln, eh ich erkannte, dass es sich bei ihr um meinen besten Freund handelte. Bis jetzt hatte ich ihn nur tagsüber und meist bei Sonnenschein in seiner Wolfsgestalt gesehen. Aber jetzt, wo es erst allmählich begann zu dämmern, erschien mir sein sonst golden glänzendes Fell wie eines in dunkelbrauner Farbe. Als Kian in meine Richtung sah, bemerkte ich, dass seine Augen auch dunkler schienen als ich sie in Erinnerung hatte. Der mir unbekannte Mannaro wich weiter vor meinem besten Freund zurück, aber auch Scar und dessen dicklicher Begleiter, den er vorhin Marco genannt hatte, brachten mehr Abstand zwischen sich und Kian. Tom nahm wieder die Gestalt eines Menschen an und schaute mit einem fast schon panischen Gesichtsausdruck zwischen mir und meinem besten Freund hin und her. Kian tat es ihm gleich. Jedoch wandte er sich sofort an mich, ohne seine Artgenossen weiter zu beachten. „Ich glaube, ich brauche deine Hilfe?!“, warf er mir lautstark an dem Kopf, was ich ihm vorhin geschrieben hatte, „Geht es dir noch ganz gut?! Wage es ja nicht, noch einmal so zu untertreiben, wenn du in solchen Schwierigkeiten bist!“ Für den Bruchteil einer Sekunde starrte ich ihn erschrocken an, dann bildete ein schwaches Lächeln auf meinem Gesicht. „Entschuldige, ich habe die Situation etwas unterschätzt.“ „Etwas?!“ Kian schrie mich immer noch an. Aber nach einer Weile schien er sich zu beruhigen. Seine Gesichtszüge entspannten sich wieder ein wenig und er griff sich seufzend an die Stirn. „Ich hätte es wissen müssen, immerhin hast du es noch kein Mal geschafft, dich nicht irgendwie in Gefahr zu bringen.“ Sowohl die Mannaro und mein Mathelehrer schauten verwirrt zwischen mir und meinem besten Freund hin und her. Scar hatte sich als erstes wieder gefasst. Er wandte sich an seinen dünneren Begleiter. „Ich habe dir gesagt, dass es so enden würde.“ Tom wich weiter vor meinem besten Freund zurück, sagte aber nichts. „Um euch kümmere ich mich später.“, zischte Kian leise, dennoch verständlich, Scar und Marco an, ehe er sich Tom näherte, „Und nun zu dir. Du weißt, wie es endet, wenn du im Revier anderer wilderst!“ Der Mannaro fiel wimmernd auf die Knie. „Es tut mir leid. Bitte verschone mich. Ich tue so etwas auch nie wieder.“ „Verschwinde!“, befahl Kian und seine Stimme hatte den gleichen majestätischen Klang, wie ich ihn schon einige Male sprechen gehört hatte, „Wenn du mein Revier auch nur noch einmal betrittst, bring ich dich um!“ Die Augen meines besten Freundes blitzten und seinen Gesichtszügen konnte man ablesen, dass er keinerlei Widerspruch duldete. So schnell er konnte, sprang Tom auf und hetzte davon, ohne noch einmal zurückzusehen. „Weg ist er…“, murmelte ich, bevor ich mich mit dem Rücken gegen den Schuppen lehnte. Als hätte Kian mich nicht gehört, ging er langsam auf Scar zu. Den dicklichen Begleiter ignorierte er dabei. „Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen.“ „Ich bin nicht dafür verantwortlich, auf deinen kleinen Freund aufzupassen! Wenn er meint, er müsse sich mit uns anlegen, ist das sein Problem.“ Der Mannaro mit der Narbe erwiderte Kians Blick. „Habe ich mich letztes Mal nicht klar genug ausgedrückt?“, fragte Kian hörbar gereizt, „Es war einer deiner Leute, der Alec verletzt hat, und du bist für sie verantwortlich! Außerdem habt ihr hier nichts zu suchen! Sieh zu, dass du verschwindest, und nimm deinen Anhang mit. Wage es nicht, dich noch einmal blicken hier zu lassen. Du bist aus meinem Gebiet verbannt!“ Scars Augen weiteten sich und er starrte meinen besten Freund geschockt an. „Das ist nicht dein Ernst. Du kannst doch nicht…“ „Und ob ich das kann.“ Kian war wütend, das konnte man hören. „Seit vier Monaten ärgere ich mich mit dir herum, ohne dass du auch nur ansatzweise versuchst, mir in irgendeiner Weise entgegenzukommen. Ich habe dich mehrfach gewarnt, es nicht zu weit zu treiben. Du warst derjenige, der sich an nichts gehalten hat. Ich habe bis jetzt nur noch nicht gehandelt, weil du der beste Freund meines Vaters warst. Aber wenn du es nicht für nötig hältst, dich anzupassen, und mir ständig in den Rücken fällst, bin ich nicht verpflichtet, dich noch länger in meinem Rudel zu dulden!“ Es war still. Erschrocken starrte ich meinen besten Freund an. So streng hatte ich ihn noch nie sprechen hören. Scar schien es nicht anders zu ergehen, denn er hatte einen ähnlichen Ausdruck in seinem Gesicht, jedoch wandelte sich dieser in einen verletzten und er kehrte Kian den Rücken zu. „Wir gehen.“, meinte er an seinen Begleiter gerichtet. Ich beobachtete, wie die beiden langsam an mir, meinem besten Freund und meinem Mathelehrer vorbeiliefen, bevor sie das Schulgelände verließen. Eine Weile sah Kian ihnen hinterher, dann galt seine Aufmerksamkeit wieder mir. Besorgt begutachtete er die Verletzung an meinem linken Arm. „Tut es sehr weh?“ Ich schüttelte meinen Kopf. „Es geht. Ich hatte schon schlimmeres als diese paar Kratzer.“ Mein bester Freund warf mir einen vielsagenden Blick zu, erwiderte aber nichts auf meine Untertreibung, sondern lehnte sich seufzend neben mir gegen die Wand des Schuppens. Herr Müller, der seit Kians Auftauchen kein Wort mehr gesprochen hatte, kam auf mich zu. „Sagten Sie nicht, Sie würden die Forschungen Ihres Vaters für Blödsinn halten? Wenn dem wirklich so wäre, wieso haben Sie sich dann eingemischt?“ Ich schnitt eine Grimasse. „Warum können Sie nicht einfach so tun, als wüssten sie von nichts, und uns damit eine Menge Ärger ersparen? Was soll ich sonst zu den Forschungen sagen? Unterstützen kann ich sie schlecht, außer ich möchte frühzeitig das Jenseitige segnen.“ Zuerst schaute mich der Mann verdutzt an, dann bildete sich ein schwaches Lächeln auf seinem Gesicht. „Verstehe ich Sie gerade richtig? Sie haben nur so getan, als würden sie die Forschungen für Blödsinn halten?“ Ich nickte. „Was glauben Sie, machen die Mannaro mit mir, wenn ich zugebe, dass ich seit Jahren von ihrer Existenz weiß? Ihnen ist sicherlich bekannt, was sie mit Menschen tun, die aus Versehen von ihnen erfahren. Auch wenn Kian es anders handhabt, als seine Vorgänger, ist das kein Freifahrtsticket, jedem von ihnen erzählen zu dürfen. Ich hatte also quasi keine andere Wahl als zu lügen.“ „Selbst wenn es wahr ist, was sie sagen“, warf mein Klassenleiter ein, „verstehe ich nicht, warum einer der Mannaro dich beschützt hat. Sehen sie uns Menschen nicht als Nahrungsquelle?“ „Kian ist mein bester Freund.“, antwortete ich auf die Frage. Darauf erwiderte der Mann nichts mehr. Stattdessen schaute er sich nun ebenfalls die Verletzung an meinem Arm an. „Meinen Sie nicht, es wäre besser, wenn wir einen Arzt rufen? So können Sie unmöglich am Unterricht teilnehmen.“ Er wartete nicht auf meine Antwort, sondern zog ein Handy aus seiner Hosentasche und wählte die Nummer des Notarztes. Ich warf ihm einen beleidigten Blick zu, beschwerte mich aber nicht, da ich wusste, dass es nichts brachte. Wie schon vorhin entschied Herr Müller allein, ohne dass ich in irgendeiner Form ein Mitspracherecht hatte. Zwar könnte ich etwas dagegen sagen, aber dadurch würde ich die ganze Sache eher noch verschlimmern. Kian beugte sich grinsend vor mich. „Das kommt davon, wenn du immer so überstürzt handelst und nie darüber nachdenkst, was für Folgen dein Handeln haben könnte.“ „Als ob du über das, was du tust, nachdenken würdest.“, widersprach ich ihm leise. „Ich weiß.“ Zu meiner Überraschung lächelte mein bester Freund, jedoch wirkte es gezwungen. „Du hältst dich die nächste Zeit lieber fern von Scar und dessen Leuten. Solltest du ihm trotzdem über den Weg laufen, ist es besser, wenn du ihn nicht provozierst. Macht er auch nur die kleinste Andeutung, dass er dir etwas antun würde, rufst du mich sofort an!“ „Kian, was...“ Ich wusste nicht, wie darauf reagieren sollte. „Es ist nicht unwahrscheinlich, dass er versucht, sich an dir zu rächen, dafür dass ich ihn verbannt habe.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)