Götterhauch von Flordelis (Löwenherz Chroniken III) ================================================================================ Kapitel 13: Auf der Flucht -------------------------- Ich hätte nie gedacht, dass aus der Ohnmacht zu erwachen genauso ein kaltes Gefühl sein konnte wie bewusstlos zu sein, fest zu sitzen zwischen Leben und Tod, unfähig, Einfluss auf irgendetwas außerhalb zu nehmen. Als ich zuvor diesen Körper übernommen hatte, war ich von einer warmen Umarmung begrüßt worden, dem angenehmen Empfinden, wieder zu leben – bis ich ohnmächtig geworden war. Es war einfach zu viel Energie in zu kurzer Zeit gewesen, die ich eingesetzt hatte, um diesen Körper zu heilen und den Drachen zu töten, der ihn erst in den erbärmlichen, halbtoten Zustand versetzte. Eigentlich hätte ich dem Wesen dankbar sein müssen, immerhin war es mir nur so gelungen, zu dem Jungen durchzudringen und ihn zu einer Art Pakt zu überreden. Doch bei meinem jetzigen Erwachen fürchtete ich zuerst, ich wäre erneut gestorben. Es war eine unangenehme, stechende Kälte, die mir beinahe schon körperliche Schmerzen bereitete – das wiederum sagte mir, dass ich noch lebte. Mit Mühe schaffte ich es, meine Augen zu öffnen, um die weiße Decke über mir zu erblicken. Ein stetiges Piepsen drang an mein Ohr, es musste von dem seltsamen Apparat stammen, der neben meinem Bett stand. Doch egal wie lange ich ihn betrachtete, mir erschloss sich der Sinn dieses Geräts nicht im Mindesten. Vorsichtig setzte ich mich aufrecht hin, dabei spürte ich stechende Schmerzen in meinem Hals. Reflexartig griff ich danach und stellte fest, dass irgendjemand eine Nadel in meine Kehle gesteckt hatte. Ohne lange zu überlegen welchen Sinn das verfolgte, zog ich einmal heftig daran, so dass die Nadel herausfiel. Ich schwang die Beine aus dem Bett, stellte erleichtert fest, dass der Körper mir inzwischen ziemlich gut gehorchte und stand auf. Dass dabei Kabel von mir abfielen, worauf das piepsende Gerät zu pfeifen begann, ignorierte ich. Meine Aufmerksamkeit galt bereits der Kleidung, die auf einem Stuhl im Raum lag. Mein Ziel – so beschloss ich in diesem Moment – war das Verlassen dieses Gebäudes, das eine Bedrohung für mich darstellte und es wäre am besten, das so unauffällig wie möglich zu machen. So schnell wie es mir meine noch steifen Finger erlaubten, zog ich die Kluft aus, die ich im Moment trug und ersetzte sie durch die Kleidung des Jungen. Damit fühlte ich mich deutlich wohler und vor allem wärmer, so dass mein Kopf wieder frei genug war, um mich neu zu orientieren. Das pfeifende Gerät hatte bislang noch keinen Feind irgendeiner Art angelockt, weswegen ich ihm ab sofort keinerlei Bedeutung mehr beimaß und meine Aufmerksamkeit auf den Rest des Raumes konzentrierte, um einen Fluchtweg zu finden. Das Fenster, sonst ein verlässlicher Pfad, war so weit oben, dass ich daran zweifelte, dass dieses Gebäude von Menschenhand errichtet worden war. Eine Flucht darüber kam absolut nicht in Frage, also blieb mir nicht viel anderes übrig als die Tür zu nehmen. Vorsichtig öffnete ich diese und warf einen Blick hinaus. Ein langer Gang erstreckte sich in beide Richtungen, in die ich sehen konnte, ich konnte niemanden entdecken, obwohl das Piepsen hier lauter zu hallen schien als im Zimmer. Ich nutzte die Gelegenheit und trat auf den Flur, lief aufs Geratewohl in irgendeine Richtung, in der ich den Ausgang vermutete. Erst einige Abzweigungen später traf ich auf andere Menschen, von denen mich allerdings glücklicherweise niemand beachtete. So unauffällig wie möglich lief ich weiter, versuchte, nichts und niemanden anzurempeln – und atmete erleichtert auf, als ich schließlich draußen stand. Der kühle Nachtwind, der mich umgab, ließ mich trotz der Jacke frösteln, aber ich war zu fasziniert von den seltsamen Lichtquellen, die alles erhellten, um mich wirklich damit auseinanderzusetzen, was diesem Körper im Moment fehlte. Mit traumgleichen Bewegungen setzte ich meinen Weg fort und überlegte dabei, wie ich, nun da ich meinen Feinden entronnen war, weiter vorgehen sollte. Ich erinnerte mich an den Drachen von zuvor oder genauer, an das Mädchen, das dabei gewesen war. Ihr Aussehen war nun vollkommen anders, aber ihre Aura war dieselbe wie zuvor, ich war mir ganz sicher, dass sie die Person war, die am Ende meines letzten Lebens an meiner Seite gewesen war. Wenn ich sie finden könnte, wenn ich herausfinden könnte, warum sie mich bei dieser Begegnung mit dem Drachen gefürchtet hatte... sie würde mir bestimmt helfen, wenn ich ihre Furcht beiseite schaffte. Eine bedrohliche Aura ließ mich augenblicklich innehalten. Es war nicht menschlich, zumindest nicht vollkommen. Im Inneren dieser Geschöpfe gab es mit Sicherheit etwas Menschliches, das sie einem unbemerkt aus der Seele gerissen hatten, aber außen waren es eher unförmige Gestalten – so viel konnte ich auf den ersten Blick erkennen, als dieses schleimige Etwas in mein Sichtfeld trat... robbte... wie auch immer man diese seltsame Fortbewegungsmethode beschreiben wollte. Ich drehte mich um, damit ich zurückkehren und eine andere Richtung einschlagen konnte – doch dummerweise war auch da ein solches Wesen erschienen. Die roten Augen, die mich neugierig begutachteten saßen inmitten des dunkelblauen schleimigen Körpers, zwei Auswüchse davon schienen als Arme zu fungieren. „Ihr habt hier nichts zu suchen...“ Meine Stimme war lediglich ein besseres Krächzen, den Worten fehlte jegliche Kraft, die ich in sie hineinzulegen gedachte. Dementsprechend waren die Wesen auch nicht sonderlich beeindruckt, sondern kamen weiter auf mich zu. Ich konnte spüren, dass ihnen noch weitere folgten, möglicherweise durch meine Kräfte angelockt, deren Kontrolle mir im Moment noch fern lagen. Darüber sollte ich mir jedoch besser ein andermal Gedanken machen. Ich blickte auf meine Hüfte. Zwar trug der Junge einen Schwertgürtel mit sich, doch fiel mir in dem Moment auf, dass ich die dazugehörige Waffe zurückgelassen hatte. Mein Mut sank allerdings kein bisschen. Ein blaues Leuchten erschien in meiner Hand und daraus formte sich ein Schwert – genau jenes, das ich auch damals gehalten hatte. Die Drachenschwingen, die eine übliche Parierstange ersetzten und das azurne Glühen der Klinge waren ein unverkennbares Indiz dafür. Unter anderen Umständen hätte ich nun nostalgisch innegehalten, mich an meinen letzten Kampf damit erinnert und mich dann gefragt, was mit dem Schwert in der Zwischenzeit gewesen und ob es gut behandelt worden war. Doch mit den näher kommenden Monstern war dafür keine Zeit. Ich hob die Klinge und ließ sie noch in derselben Bewegung wieder herunterfahren. Der Schwung ließ einen energiehaltigen Schweif entstehen, der die ersten Monster in ihrer Umgebung zerfetzte. Die Splitter in ihrem Inneren, die Bruchstücke verschiedener menschlicher Seelen darstellten, wie ich spüren konnte, obwohl sie mich eher an Spiegelscherben erinnerten, lösten sich in leuchtende weiße Funken auf. In diesem Moment war mir noch nicht bewusst, was mit ihnen geschah, aber es war auch nicht weiter von Belang, vorerst gab es noch mehr Kreaturen um die ich mich kümmern musste. Die nächsten zwei Wellen wurden von mir mit derselben Fähigkeit beseitigt, doch es kamen immer mehr Wesen nach und meine Kräfte brauchten einiges an Zeit, bis sie sich wieder regenerierten – ganz zu schweigen davon, dass ich gerade erst erwacht war und meine Fertigkeiten damit noch eingeschränkt waren. So kam es schließlich dazu, dass die Wesen mich übermannten und zu Boden rissen. Auf dem Grund liegend, fühlte ich keinerlei Schmerzen, also verletzten sie einen nicht körperlich – aber ich konnte überaus deutlich spüren, wie sie versuchten, von meiner Seele zu zehren und sich diese einzuleiben bemühten. Doch nicht nur meine, auch die des Jungen war in ihr Visier geraten. Nichts von beiden konnte ich zulassen! Mit aller Macht, die ich aufbringen konnte, richtete ich mich auf, bis ich auf Knien und Händen einige dieser Wesen abschütteln konnte, andere dagegen krallten sich dabei schmerzhaft in meinen Rücken. Jegliche verbliebene Kraft, die mir noch geblieben war, wurde von mir mobilisiert, zusammengetrommelt – und auf einen Schlag freigelassen. Das daraus resultierende Licht blendete sogar mich, so dass ich meine Augen schließen musste. Allerdings konnte ich die gequälten Schreie der Wesen hören, als sie sich in genauso auflösten wie ihre Leidgenossen zuvor. Die Kraft verließ meine Arme, so dass ich wieder zu Boden fiel. Der Aufprall hätte schmerzen sollen, doch war mein Körper wieder bereits viel zu taub, um etwas zu spüren. Ich öffnete meine schweren Augenlider, um herauszufinden, ob noch mehr dieser Kreaturen kommen würden, doch es schienen in dieser Umgebung alle gewesen zu sein. Die glitzernden Scherben der verschlungenen Seelen verharrten noch immer in der Luft und lösten sich nur langsam vor meinen Augen auf. So traurig und betrüblich es auch war, es war gleichzeitig ein wundervoller, erhabener Anblick – doch als sie verschwanden ließen sie mich allein in der deprimierenden Dunkelheit zurück. Gleichzeitig sagten sie mir aber auch, dass ich nicht an diesem Ort bleiben durfte. Ich musste aufstehen und weiterlaufen, ich musste dieses Mädchen finden, sie würde mir helfen können. Ganz sicher. Mein Körper verweigerte mir zwar seine Kooperation, aber dennoch schaffte ich es mit gesammelter Willenskraft, mich so weit aufzuraffen, dass ich bis zur Wand eines Hauses kam, an der ich mich hochziehen und abstützen konnte. Mein Sichtfeld verschwamm, doch ich schaffte es, mich gefahrlos fortzubewegen, indem ich mich an der Wand entlangtastete und vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzte. Es erschienen mir Stunden vergangen zu sein, als ich endlich in eine weitere Gasse kam, die wesentlich belebter wirkte, zumindest wenn ich die seltsame dumpfen Melodien, die an mein Ohr klangen, richtig einschätzte. Etwas leuchtete über einer Tür, doch meine verschwommene Sicht erlaubte es mir nicht, zu erkennen, was es war. Wichtig war mir in dem Moment auch nur, dass es keine Bedrohung für mich darstellte, denn ich konnte keinen Schritt weiterlaufen. Mit dem Rücken zur Wand ließ ich mich schließlich direkt gegenüber der Tür zu Boden gleiten. Ich war dermaßen erschöpft, dass mein Bewusstsein sich wieder zurückziehen musste, selbst auf die Gefahr hin, dass diese Wesen meine Seele und die des Jungen dann doch zersetzen würden. Doch je dichter der Schleier vor meinen Augen wurde desto mehr wuchs die Gleichgültigkeit, bis meine Glieder schließlich erschlafften und ich endgültig das Bewusstsein verlor – wohlwissend, dass einiges an Zeit vergehen könnte, bis ich wieder so eine Gelegenheit bekam. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)