Call of the shadows von Okiro (Wenn die Finsternis naht) ================================================================================ Kapitel 15: Der Widerstand -------------------------- ~~Der Widerstand~~ Es war dunkel in der Höhle und es stank nach Moder und Verwesung. Kein Wunder. In dieser Höhle würde jeder Wolf verrückt werden. Das fehlende Licht war wohl nur Finsterniswölfen willkommen. Doch der Wolf war keiner von der finsteren Sorte, der seine Tage in der Dunkelheit verbrachte. In einer Ecke gekauert blickte der Wolf auf den Ausgang oder besser gesagt auf den Felsen, der den Ausgang versperrte. Normalerweise ist ein Fels dieser Größe kein Problem für ihn, doch beseitigte er diesen, brachte er sich selbst in Gefahr. Das wusste er. Der Fels war so groß, dass fünf Wölfe ihn auf die Seite schieben mussten, um hindurch zu kommen. Doch ihm kam selten einer besuchen. Anfangs kamen noch am Tag zwei bis drei Wölfe zu ihm, doch jetzt sah dies anders aus. Die Wölfe, die kamen, brachten ihm selten Futter und noch seltener wollten sie nur mit ihm reden. Denn das was sie wollten waren seine Schreie … seine Schmerzensschreie. Anfangs begnügten sie sich ihm schreckliche Albträume zu bereiten, doch bald hatte er diesen miesen Trick durchschaut und der Schmerz wurde real. Da war es dem Wolf genug und er begann, sich zu wehren. Gegen die Qualen und den Schmerz. Es war Selbstverteidigung und so wirksam, dass ihm ab sofort nur noch alle drei bis vier Tage ein einziger Wolf besuchen kam. Weshalb ihm die Wölfe quälten, war nicht aus Spaß oder Lust. So etwas liegt nicht in ihrer Natur. Sie taten es, um nicht selbst gefoltert zu werden. Genau das wusste der Wolf und ging jedes Mal mit seiner Verteidigung nur so weit, bis sie von ihm abließen. Dieses Prinzip funktionierte, da es keinen normalen Wolf gibt, der seine Macht nicht spürt. Alle bis auf den einen, der ihm, seit er seine Verteidigung begonnen hatte, widerstehen konnte. Doch dies war kein normaler Wolf. Auch der Wolf in der Zelle sah nicht wie ein normaler Wolf aus. Zumindest von der Anatomie her. Er war von mittlerer Größe und Statur, doch das auffälligste an ihm waren die Ohren. Denn er hatte nicht nur zwei, sondern vier Ohren. Zwei kleinere, die vor zwei riesigen Ohren stehen. Alle vier sehen sehr wuschelig aus. Das hat auch einen Grund. Der Wolf kann je nach belieben die Ohren schließen. Auch haben die Ohren verschiedene Funktionen. So können die Größeren jedes noch so kleine Geräusch wahrnehmen und mit den Kleineren die Geräusche filtern oder selbst bei großer Lautstärke sich auf etwas konzentrieren. Sie funktionierten also mehr wie Filter. Dies war eine eigenartige Fähigkeit, die er sich gerne zunutze machte. So verstand er jedes Wort, was vor dem Felsen gesprochen wurde und in unmittelbarer Nähe. Sonst war seine Anatomie eher normal außer seine Fellfärbung. Sie war grün, grau und leicht gelblich. Um den Hals trug er ein Band mit einer metallischen Kapsel daran. Diese verstärkte seine elementaren Angriffe. Denn auch die waren etwas Besonderes. Mit seinen Stimmbändern konnte er jedes mögliche Geräusch verursachen und das in jeder beliebigen Lautstärke. Es ist kein körperlicher Angriff, mehr einer, der sich über den Raum ausbreitet. Doch kann er diesen auch auf einen bestimmten Punkt fixieren. Somit könnte er einfach den riesigen Fels mit einem Schlag zerkleinern. Er selbst bezeichnete sich als Schallwolf. Denn genau das war es, was er tat: Den Schall beherrschen. Dies war eine gefährliche Technik, doch er beherrschte sie perfekt. So ließ er einfach bei seinen Foltern einen so lauten Ton ertönen, dass die feindlichen Wölfe mit eingezogenen Schwänzen und eingeklappten Ohren aus der Höhle verschwanden. Dies brachte sie nicht um, aber er hatte somit seine Ruhe. Doch was er nicht wusste war, dass es hier in diesem verdammten Rudel einen Wolf gab, der seiner Kraft trotzte. Er konnte noch so laut und präzise seinen Schall lenken ... der Wolf widerstand ihm. Dieser trotzige Wolf war genau der schlimmste von all den Wölfen, die ihn bisher besuchen kamen. Der Wolf schnaubte aus und entfachte einen kleinen Wirbel vor seiner Schnauze. Er langweilte sich zu Tode. Er hatte es satt seine Wunden zu lecken und auf den nächsten Besuch des schwarzen Wolfes zu warten. >Von mir aus soll der Wolf nie wieder kommen und ich in dieser Höhle verrecken!< Die Forderungen, die der Gegner wollte, möchte er nie hergeben … denn dies war sein eigenes Leben. Er solle zu den Feinden übertreten. Da er einen starken Willen besaß, war es ihnen bis jetzt noch nicht gelungen, diesen zu zerbrechen. Er war ein freier Wolf und würde lieber sterben, als sich jemanden unterjochen zu müssen, außer sich selbst und seinem Rudel. Doch dieses existierte nicht mehr. Er kam von einem Windrudel, wo fast alle reine Elementwölfe waren. Seine beiden Eltern waren stolze Windwölfe gewesen, die sich immer Sorgen um ihren Sohn gemacht hatten. Er kam als einziger vom Wurf durch und das ohne Flügel. Dabei waren sich alle sicher gewesen, dass er ein Elementwolf war. Nun das war er auch, aber nicht das, was sie sich erhofft hatten. Das Rudel war so stolz, dass sie ihn fast schon als einen Schandfleck angesehen hatten. So kam es, dass er im Rudel nicht als einen von ihnen angesehen wurde, auch wenn sie ihn alle akzeptierten und jeder ihm sein Mitleid entgegen brachte, da er, nicht wie sie, einfach davonfliegen konnte. Anfangs, als junger Wolf, fühlte er sich wie ein Außenseiter. Doch schon bald erkannte er seine wahren Fähigkeiten und lernte sie zu beherrschen. Er schulte sich darin und präsentierte sie stolz seinen Eltern. Diese freuten sich sehr, doch in seinem Inneren wusste er, dass er damit nur noch schlimmer seine Anomalie präsentierte. Denn es gab keinen Wolf wie ihn in ganz Daromi. Doch bald kümmerte ihn dieser Gedanke nicht mehr. Er sah schnell ein, dass er etwas Besonderes war und dass er seine Fähigkeiten zum Wohle der Wolfheit nutzen musste. So verabschiedete er sich von seinem Rudel, damit es ohne seine Last leben konnte und dass er die Welt, in der er lebte, endlich einmal richtig sah. Er traf auf viele Wölfe und viele Gegenden. Es war nicht immer leicht, doch nie verlor er sein Ziel aus den Augen: Die Welt besser zu verstehen. Und so lernte er das Überleben kennen. Die Gegenden die er bereiste, faszinierten ihn und er lernte von Mutter Natur sehr viel. Auch traf er auf interessante Wölfe, die ihn willkommen hießen, aber auch, die ihn von ihren Revieren verjagten. Somit lernte er nicht nur die Natur, sondern auch seine Artgenossen besser kennen. Es gab so viele verschiedene Arten von Wölfen, genauso viele wie es Sandkörner in der großen Wüste gab. Sein Verständnis für die Wölfe wuchs und somit konnte er sein Verhalten zu anderen anpassen. Somit wusste er gleich, dass die Wölfe, die ihn am Anfang quälten, nicht wirklich weh tun wollten. Er verstand sie und fühlte sogar mit ihnen. Deswegen verscheuchte er sie nur. Doch bei einem Wolf wusste er genau, dass er ihn leiden sehen wollte. Er wollte ihn auseinandernehmen. Je länger er hier blieb, desto gefährlicher wurde es für ihn. Der grau-grüne Wolf seufzte. Er hatte keine Lust, hier zu vergammeln. Dies war sein letzter Gedanke, bevor er einschlief: Wann würde er endlich die Welt wieder betreten, in der er aufgewachsen war? Die Vögel beobachten, die Fische studieren? Er hatte einen traumlosen Schlaf und wurde sehr unsanft geweckt. Der Boden begann zu wackeln und rüttelte ihn wach. Als er seinen Kopf hob, wusste er, was los war. Der Wolf blickte genervt zur Decke und horchte darauf, wie der Fels vor ihm verschoben wurde. Nur einen Spalt breit, doch das reichte, sodass der Wolf eintreten konnte, der ihn besuchen kam. Der Besucher trat vollständig ein, bis der Fels wieder verschoben wurde und sich die Düsternis wieder breit machte. Da blickte der Schallwolf von der Decke zu dem anderen Wolf. Er war riesig. Mehr als das doppelte von ihm. Doch das ließ ihn nicht einschüchtern, auch wenn er wusste, wen er da vor sich hatte. Oh ja, dass wusste er genau. „Steh auf, Nobu!“, sprach der schwarze Riesenwolf zu seinem Gefangenen. Nobu seufzte genervt, als er seinen Namen hörte. Wieso hatte er einem der Wächter nur seinen Namen verraten? Namen verliehen Macht. Somit stand der Schallwolf auf, ließ aber dabei sein Gegenüber nicht aus den Augen. „Was hast du vor Taroxon!“, sagte er gehässig. Dieser grinste nur und trat näher. Da konnte Nobu deutlicher Taroxon erkennen. Der große Wolf hatte sich in den letzten Wochen sehr verändert. Die bläuliche Aura war ihm ja schon zuvor aufgefallen, doch diese wurde mit jedem Tag stärker und unheimlicher. Sie leuchtete nicht, sondern es sah so aus, als würde sie die Dunkelheit verschlingen. Doch das war noch das geringste, was sich an dem mächtigen Finserniswolf verändert hatte. An seinen Schultern hoben sich komische Wölbungen ab, die immer deutlicher wurden. Auch bekam er seltsame blaue Streifen auf dem Körper und seltsames bläuliches Fell wuchs ihm an den Vorderbeinen. Zudem schien er mit jedem Tag noch größer zu werden. All dies durfte der Schallwolf beobachten und er wusste, dass dies noch nicht alles an Veränderungen war. Das, was er vor sich hatte, war kein Wolf mehr. Es war zu grauenvoll. Das, was die Wölfe ausmachte, waren friedliebende Tiere. Nicht so grauenvoll wie dieses hier. >Das ist kein Tier … das ist ein Monster!<, dachte sich Nobu und blieb ganz ruhig stehen, als Taroxon immer näher zu ihm trat. Als er direkt vor ihm stand, sank er seinen Kopf und knurrte drohend. Nobu blieb weiterhin stehen, auch wenn ihm ein Schauer den Rücken entlangfuhr. Das was er nicht zeigen durfte, war Angst. Damit verschaffte er seinem Gegenüber nur einen Vorteil in diesem geistigen Match. „Was ich vorhabe, fragst du? Nun, das wie immer. Ich möchte deinen Willen und den werde ich bald bekommen Nobu. Sieh dich nur an. Du bist nur noch eine kümmerliche Abstammung deiner selbst. Nicht mal deine Eltern wollten dich haben!“ Nobu wandte sich ab. „Das ist keine Schande, sondern eine Stärkung gewesen. Dank diesem Verhalten bin ich raus in die Welt und habe sie mit eigenen Augen gesehen. Leid und Glück gehen Hand in Hand und meinen Willen bekommst du nicht. Niemals!“ Da ging er schon zu weit und lag mit einem Mal rückwärts auf dem Boden. Ein harter Prankenhieb von Taroxon hatte ihn getroffen. Nobu schüttelte sich und stand auf. Es war nicht das erste Mal, dass er so eingeschüchtert wurde. Schmerzen bedeuten ihm gar nichts. Mit seinen giftgrünen Augen fixierte er den größeren Wolf und blickte neckisch. Doch Nobu schwieg. Er wusste, dass Worte nichts brachten. Alle vier Ohren legte er an und behielt den Blick bei. „Ich bewundere dich, Nobu. Dich und deine Dickköpfigkeit!“ Und wieder ging Taroxon auf Nobu los. Doch dieses Mal wich der kleinere Wolf geschickt aus. Er war darauf vorbereitet gewesen. Doch Taroxon lachte nur und probierte es erneut. Dieses Mal täuschte er nur einen Angriff vor und stürzte sich dann auf ihn. Dabei traf er Nobu am hinteren rechten Bein. Daraufhin stürzte Nobu in den Dreck, doch rappelte sich wieder auf. Während diesem Spiel haben sie sich 90° in der Höhle gedreht und standen sich weiterhin gegenüber. Taroxon lachte noch immer in sich hinein und stellte sich zu seiner vollen Größe auf. Da bemerkte Nobu etwas eigenartiges. Etwas, was in der sonst so dunklen Höhle nicht stimmte: Einen Schimmer. Unbemerkte blinzelte Nobu zum Ausgang. Ja, da sah er es: Den Spalt. Die Wölfe hatten den Fels nicht richtig zu geschoben. Seine Augen blitzen auf und er bekam eine Idee. Jetzt musste er schnell handeln. So eine Chance bekam er nie wieder. „Hey Taroxon. Wieso hast du es eigentlich so auf mich abgesehen? Ich mein, du großer dummer Bär kannst dich ja nicht mal richtig bewegen!“ Er wusste, das er zu weit ging, doch dies war ihm nur Recht. Taroxon hörte mit dem Lachen auf und knurrte. „Dummer Bär?“, fragte er und duckte sich für einen Sprung. Nobu hatte nur diese eine Chance und hoffte, sie nicht zu verpassen. Ergriff er sie nicht, … würde er den morgigen Tag nicht erleben. In seiner Kehle ballte er Luft, die er zusammen drückte. Es dauerte nicht mehr lange. An Taroxons Hinterläufern erkannte er, dass er zum Absprung bereit war und sich schon abdrückte. Nobu warf sich auf den Boden und wich mit einer geschickten Rolle aus. Dann sprang er wieder auf und rannte geradewegs zum Ausgang. Taroxon war gerade dabei, seinen viel zu wilden Sprung abzufedern, als Nobu seinen Schall los ließ und der Fels zersprang. Nobu war direkt am Felsen, als dies geschah. Doch er kam heil nach draußen und rannte an einem verdutzten Wolf vorbei, der sich sogleich verzog. Erneut sammelte Nobu Luft, blieb stehen und schleuderte den Schall auf die Decke, sodass das Gebilde einstürzte. Taroxon war vergessen und weit hinter ihm. Nun galt es, heil aus dieser Höhle und aus diesem Gebiet zu entkommen und das ohne die ganze Höhle einstürzen zu lassen. Er wollte nicht das Zuhause vieler Wölfe zerstören. So rannte er den Gang weiter und hörte auf die Naturgeräusche außerhalb der Höhle. So war es für ihn einfacher, den Weg zu finden. Auf seinem Weg kamen ihm Wölfe entgegen, die panisch flohen. Keiner kümmerte sich um ihn, denn es gab hier viele Wölfe verschiedener Abstammungen. Somit nutze er geschickt die panische Verwirrung. Er half sogar einigen Wölfen die Richtung zu deuten, die komplett die Orientierung verloren hatten. Sie folgten ihm bereitwillig. Kurz vor dem Ausgang musste er einen Felsen ausweichen, der neben ihm einem Wolf das Bein einquetschte. Heulend fluchte der Wolf auf. Da blieb Nobu stehen, drehte sich um und beseitigte den Felsen mit einem geschickten Schall. Dann trat er neben den schwarzen Wolf und half ihn hoch. „Danke“, murmelte er und beide traten hinaus ins Tageslicht. Doch anstatt stehen zu bleiben, führte Nobu den Wolf an den nahen Waldrand, damit dieser in Sicherheit war. Dort setzte er ihn behutsam an einem Baum ab. „Hier dürfte es sicher sein vor den ganzen Lawinen“, sagte Nobu und betrachtete den schwarzen Wolf. Er war jünger als Nobu und noch kleiner. Also noch ein Jungwolf. Doch er strotze vor Kraft und blickte ihn mit freundlichen, doch schmerzerfüllten Augen an. Nobu stupste ihn freundlich an. „Hey, komm schon. Dein Bein wird wieder. Du darfst es nicht zu sehr belasten!“ Doch Nobu wusste, dass er nie wieder richtig laufen konnte. „Danke“, sagte der schwarze Wolf dann doch. „Du hast mir das Leben gerettet. Ich bin dir was schuldig!“ Da lachte Nobu. „Nein, das bist du mir nicht. In der Not hilft man doch einander oder? Aber jetzt muss ich leider fort!“ Da drehte sich Nobu um und wollte gehen, doch ein leises „Warte!“ ließ ihn anhalten und er wandte sich um. „Ja?“, fragte Nobu freundlich. „Mein Name ist Seitz. Wie lautet deiner? Dass ich dir irgendwann einmal etwas zurückzahlen kann.“ Der Wolf war wirklich hartnäckig, doch Nobu machte dies nichts aus. Ganz nah ging er an den Wolf heran, stupste ihn nochmal sachte an und sagte: „Mein Name ist Nobu. Nobu der Schallwolf. Ich freue mich auf ein Wiedersehen mit dir!“ Da grinste der Schwarze und er wusste, mit wem er es zu tun hatte. Sein Grinsen wurde breiter und er rief: „Nun dann gute Reise wünsche ich dir. Raus aus dem Höllenloch!“ Und da lachten beide. Nobu war dankbar, dass er ihn nicht verriet. So waren sie quitt. Er hätte ihm seinen Namen nicht sagen brauchen, doch irgendwas in Nobu sagte ihm, dass er ihm trauen konnte. So drehte sich der Schallwolf nun gänzlich um und jagte in den Wald hinein. Weg von der Panik und der Höhle, die langsam einstürzte. Als er schon einige Meilen hinter sich gelegt hatte, wurde er langsamer. Seine feinen Ohren vernahmen einen wütendes Donnern und da wusste er, dass es noch lange nicht mit Taroxon zu Ende war. Erschöpft suchte er sich eine Schlafkuhle, wo er die Nacht verbringen konnte. Heute würde ihn keiner mehr verfolgen und er brauchte dringend Ruhe. Bald fand er eine und kuschelte sich ins Gras. Augenblicklich war er eingeschlafen, endlich wieder in der freien Natur. Um Sikona wirbelte der Schnee auf, als sie auf den fremden Wolf zuraste. Sie wusste nicht, was sie erwartete, doch sie hatte ein paar Fragen an ihn und wollte diesen Wolf unbedingt kennen lernen. Als sie am Hügel angekommen war, blickte sie nach unten. Ja, genau dort waren seine Fußspuren. Da drehte sie sich um und wedelte mit der Rute. „Kommt ihr nach?“, fragte sie und war schon wieder weg. Die Fußspuren führten steil nach unten und sie konnte den Wolf gar nicht mehr sehen. Doch das kümmerte sie nicht, sondern sie raste vergnügt weiter. Der Hügel entpuppte sich als eine Art Schlucht. Sie hatten gar nicht bemerkt, dass sich zu ihrer linken Seite eine so tiefe Furche im Boden öffnete. Die Wände wurden steiler und so entschied sich Sikona langsamer zu laufen und schlussendlich auf ihre Freunde zu warten. Diese trafen nacheinander ein. Zuerst Ruki, der ihr hinterher geflogen war, dann Yen und Nyrona. Esaila, Nurik und Kian bildeten den Schluss. „Was sollte das, Sikona? Jetzt weiß jedes Lebewesen im Umkreis von fünf Meilen, dass wir hier sind!“ Yen war wirklich wütend, doch er konnte es ihr nicht verübeln. Er war auch froh, endlich mal andere Wölfe zusehen. Doch sie wusste nicht, ob dies freundliche oder feindliche Wölfe waren. Sikona wurde ganz klein und verkroch sich fast im Schnee. „Tut mir leid, Yen. Aber er strahlte etwas freundliches aus und ich … konnte mich nicht mehr halten.“ Ruki landete neben ihr. „Schon gut, Sikona. Wir sind dir nicht böse. Aber ab jetzt müssen wir bedacht vorgehen, ja?“ Sikona blickte hoch zu Yen und sah, dass er ihr nicht mehr böse war. „Danke. Ja, okay. Lasst uns besprechen, wie wir weiter verfahren.“ Alle Wölfe kamen zusammen. Esaila ging zu Nurik, um ihn etwas zu wärmen. Die Gegend machte ihn so sehr zu schaffen, dass er das erste Mal in seinem Leben so richtig fror. „Also, so wie es aussieht, ist dieser Wolf nach unten in die Schlucht gelaufen. Dort wird auch seine Höhle liegen. Eigentlich sollten wir fremden Wölfen aus dem Weg gehen, doch ich möchte mich etwas über die Lage hier informieren. Deswegen sollten wir uns ihnen vorsichtig nähern. Was meint ihr war dieser Wolf für eine Art?“ Nyrona stand auf und sah sich die Pfotenabdrücke genauer an. „Wasserwolf, eindeutig. Da sind kleine Anzeichen von Membranen zwischen den Pfotenballen.“ Zur Demonstration öffnete sie ihre Pfote etwas und jeder konnte ihre Membranen sehen. „Also ein Wasserwolfrudel. Gut, das sind friedliche Artgenossen, aber es kann dennoch Ausnahmen geben. Wir müssen uns mit Vorsicht nähern. Ich weiß nicht, wie weit die Wölfe von Taroxon gekommen sind. Am besten schicken wir einen Spähtrupp aus, der die Gegend erkundet.“ Da blickte er zu Ruki und Sikona. „Ich glaube, das wäre eine perfekte Aufgabe für euch zwei. Vier Augen sind besser als zwei und so könnt ihr schon etwas üben. Was haltet ihr davon?“ Sikona war sofort Feuer und Flamme und lief schon zu Ruki. „So gut wie erledigt!“, rief sie freudig. Ruki sprang in die Luft, kam ganz nah zu Sikona und hob sie hoch. Vorsichtig flog er in die Schlucht hinein. Sikona war dieses Mal ganz still und konzentriert. Sie wollte diese Aufgabe unbedingt sehr gut erledigen. Es wurde etwas dunkler, je tiefer sie flogen. Bald merkten beide, dass der Boden nicht mehr weit war und somit mussten sie sich für eine Richtung entscheiden. Sie entschieden sich nach Osten zu fliegen, wo die Schlucht schmaler wurde. Kurz darauf kamen sie ans Ende der Schlucht. Sie sahen keinen Wolf oder irgendein Lebewesen, nur ein kleiner Eingang zu einer Höhle im Felsen. „Ah, das muss ihre Höhle sein. Siehst du die Pfotenspuren im Schnee?“, rief Sikona zu Ruki, der bestätigend nickte. „Los, lass uns umkehren.“ Als sie wieder bei den anderen waren, berichteten sie von ihrem Spähausflug. „Gut gemacht ihr zwei. Nun wissen wir in welche Richtung wir laufen müssen. Doch bedenkt, dass ist nicht unser Gebiet. Die Wölfe hier kennen sich viel besser aus und wir haben nur einen Eis- und einen Wasserwolf unter uns!“ Alle nickten und schon marschierten sie nach Osten los. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit für Sikona, bis sie unten angekommen waren. Am liebsten hätte sie Ruki gebeten jeden von ihnen nach unten zu fliegen. Doch spätestens, wenn Nurik an der Reihe gewesen wäre, hätte es Probleme gegeben. Bei ihr und ihren Schwestern wäre das nicht der Fall gewesen. Außer, dass Esaila lieber festen Boden unter den Pfoten hatte und Nyrona abrutschen könnte, ist Sikona die Einzige, die mit Ruki fliegen konnte. Yen war zu groß und Kian einfach nur zu mürrisch. So liefen sie im vorsichtigen Marsch nach unten. Als sie endlich den Boden erreicht hatten, war es fast komplett dunkel. Dank Nuriks Ausstrahlung konnten sie noch etwas sehen. „Ich glaube nicht, dass es ratsam wäre jetzt in die Höhle zu laufen“, sagte Kian und blickte nach Osten, wo er kaum etwas erkennen konnte. „Sie könnten uns einfach angreifen, ohne, dass wir es wollten und wir eine Chance hätten, uns zu erklären.“ Yen nickte. „Ja, darum schlage ich vor, dass wir uns hier eine kleine Nische in der Wand suchen und uns ausruhen bis morgen früh, wenn es heller ist.“ Keiner erteilte einen Widerspruch. Alle waren erschöpft und wollten sich nur noch hinlegen. Als Sikona sah, wie sehr Nurik mit der Kälte kämpfte, trat sie zu ihm. „Komm ich vertreib etwas die Kälte bei dir.“ Sie hatte nicht nur die Macht Kälte zu erzeugen, sondern sie auch zu kontrollieren. Somit strahlte sie angenehme 0° aus und hoffte Nurik vor einem Kälteschauer zu bewahren. Dann legten sich alle hin, selbst Verox kam von den Wolken herunter und legte sich in die Nähe von Yen. Ruki, der die meiste Zeit geflogen war, übernahm die erste Wachschicht. Bald schliefen alle ein. Auch Nurik, dem es bei Sikona nun besser ging. Dennoch schlief von allen wohl Sikona am besten. Die Kälte fühlte sich an wie ein warmer Schauer. Ruki blieb wachsam und lag vor allen anderen. Er spitze die Ohren, doch es waren viele neue Geräusche dabei. Oft hörte er ein Knacksen und dachte zuerst, da näherte sich ihnen etwas, doch dann musste er erleichtert feststellen, dass dies nur das Knacksen des Eises war, dass sich langsam bewegte. Nach einiger Zeit schloss er etwas die Augen, doch dann wurde er schlagartig von einer kleinen Windwehe getroffen und sofort sprang er auf. Hier unten wehte kaum Wind. Sofort senkte er seinen Kopf und knurrte. Erneut kam der Wind zu ihm und trug dieses Mal einen Geruch mit sich. „Wacht auf!“, sagte er und stupste Yen mit der Schnauze an. Dieser war sogleich hellwach und stellte sich neben seinen Freund. Langsam erwachten alle anderen, auch Sikona die sich verschlafen umblickte. Bei der nächsten Windböe konnten sie alle es riechen: Jemand war hier und war nicht alleine. „Sie machen keinen Hehl daraus, im Stillen zu uns zu kommen“, meinte Ruki, denn er wusste, dass diese Wölfe den Wind verursachten, indem sie angerannt kamen. „Nein, wieso sollten wir auch. Dies ist unser Gebiet“, erklang eine tiefe Stimme direkt vor ihnen. Nurik trat neben Ruki, um die Gegend etwas besser zu erleuchten. Vor ihnen konnten sie nun drei schleierhafte Gestalten erkennen. „Ihr greift uns lieber nicht an. Wir sind euch zahlenmäßig überlegen“, sagte die Stimme erneut. „Ich denke, wir glauben ihm einfach mal“, knurrte Ruki. „Wir wissen nicht, ob er blufft. Sie hätten uns auch gleich angreifen können, also macht nichts unüberlegtes.“ „Was wollt ihr hier in unserem Gebiet, fremde Wölfe. Wieso verfolgtet ihr einen meiner Rudelmitglieder?“, wollte die Stimme sogleich wissen. Yen hob seinen riesigen Kopf und trat einen Schritt nach vorne. „Wir wollen euch nichts böses und kommen in Frieden. Es tut uns leid, wenn wir eure Ruhe gestört haben. Doch wir haben einige Fragen.“ „Woher sollten wir wirklich wissen, dass ihr nicht diejenigen seit, die die Rudel zerstören?“ Misstrauen klang eindeutig in dieser Stimme mit. Yen konnte es verstehen. Ein Rudelführer versuchte stets sein Rudel zusammenzuhalten. „Hätten wir gleich euer Rudel gewollt, wären wir auf direkten Weg zu euch gekommen und hätten keine Sekunde ausgelassen, um euch anzugreifen.“ Dies war eine schlaue Bemerkung und daraufhin entstand eine kurze Stille. Yen hoffte sogleich, das Misstrauen gebrochen zu haben, doch da irrte er sich. „Wieso sollte ich einem Wolf glauben, dessen Fell genauso dunkel ist, wie das der Herumstreifer?“ Yen seufzte. „Mein Fell ist nicht komplett schwarz. Falls ihr das nicht richtig erkennen könnt, hab ich auch weiße Stellen! Ich habe noch nie von einem Finsterniswolf gehört, der weißes Fell hat.“ Da hörte er ein spöttisches Lachen. „Da hast du allerdings Recht. Nun sagt mir, wie ihr heißt!“ Jetzt grinste Yen. „Na bitte! Mein Name ist Yen von keine-Ahnung-woher. Das neben mir ist Ruki ein Windwolf und kommt aus dem weiten Westen. Dahinter steht Kian aus dem Süden. Der Adler heißt Verox und ist mein Freund. Die anderen vier sind Geschwister und heißen Nyrona, Esaila, Nurik und Sikona und kommen aus dem westlichen Gemischtrudel unter der Führung von Kito.“ Als er dies sagte, kam Unruhe in die Wölfe vor ihnen. Es waren tatsächlich mehr, als sie sehen konnten. „Von Kito sagst du? Sind das seine Kinder?“ „Ja, das sind wir!“, sagte nun Nurik und trat vor. „Kommt her Schwestern.“ Sie taten wie geheißen. Nurik strahlte eine solche Ausstrahlung aus, dass er 10 Meter weit leuchtete. „Ahhh, ich kann es erkennen. Du hast das gleiche Feuer in den Augen wie dein Vater. Gut, ich glaube euch. Bedankt euch bei den vier Welpen! Das westliche Gemischtrudel ist uns sehr wohl bekannt, vor allem Kito ist ein alter Freund von mir. Wir werden euch zu unserer Höhle führen, denn bald kommt die Zeit, wo es hier kein Wolf aushält. Es wird zu kalt. Dass ich euch glaube, heißt noch lange nicht, dass ich euch vertraue!“ Der letzte Satz war eher eine Warnung und somit kamen alle zusammen. Verox erhob sich kreischend in die Lüfte, doch er blieb in der Nähe. Sie hörten, wie sich um sie herum Wölfe regten und da wurden sie auch schon flankiert. Nyrona japste erfreut. Es waren alles Wasserwölfe. Der Rudelführer kam auf Yen zu. Es war ein groß gewachsener Wasserwolf, der mehr grünliches Fell hatte, als Nyrona. Dennoch reichte er Yen nur bis zur Brust. Dies hielt ihn aber nicht auf, stolz voranzuschreiten. Direkt vor ihm blieb er stehen. „Mein Name ist Rejn, vom östlichen Wasserrudel aus der Schlucht. Nun folgt mir bitte!“ Gesagt getan. Sie folgten dem Führer schweigend. Es war komisch, in einem fremden Gebiet zu sein. Langsam kroch die Kälte in jeden Knochen. Alle außer Sikona begannen zu zittern. Dem Anführer fiel dies auf und blickte Sikona neugierig an. „Du musst Sikona sein, die Eiswölfin. Eine von zwei seltenen Elementen aus dem Wurf von Kito und Marika!“ Sikona blickte Rejn verwirrt an. „Woher kennt ihr euch so gut aus?“ Da lachte Rejn das erste Mal richtig herzlich. Von da an wussten sie, dass er nur so streng war, da er ihnen anfangs lieber mit Vorsicht begegnet war. „Nun, er hat es mir vor vier Monden selbst erzählt“, erklärte Rejn und ging an die Spitze der kleinen Formation. Da blickten sich die Geschwister zuerst verwirrt und dann freudig an. Ihr Vater lebte oder hatte dies zumindest vor vier Monden getan. Freude kam auf und sie marschierten mit erhobenen Ruten hinter den Wasserwölfen her. ~~Der Widerstand Ende ~~ Wird Nobu seinen Weg finden? Was erwartet die Gruppe bei den Wasserwölfen? Wieso war Kito vor vier Monden bei Rejn? Eine Reise ins Ungewisse, auf beiden Seiten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)