Spiegel der Seelen (I) von Ravenshope (Blutiger Untergang oder glorreiche Freiheit) ================================================================================ Kapitel 1: Ferne Erinnerungen (Miku) ------------------------------------ Dem Gedanken des ewigen Schlafes verfallen schloss ich meine Augen... Nach einer scheinbar halben Ewigkeit lauschte ich den Klängen meiner Umgebung. Es waren nicht die Geräusche des Waldes oder die Kälte der Nacht, die mich aus meiner Gedankenlosigkeit rissen, sondern das Aufprallen metallischer Gegenstände aufeinander und das leichte Beben der Erde, weckten meine Aufmerksamkeit. Zögernd öffnete ich die Augen wieder. Was auch immer es war, es näherte sich rasend schnell. Da ich keine Kraft mehr hatte um mich zu bewegen, blieb ich einfach liegen und lauschte dem Geschehen. Es war, als würde der weiche Boden des Waldes eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte über Sieg und Niederlage, über Leben und Tod. Ohne den Grund dafür zu wissen, griff ich nach meinem Kruzifix und klammerte mich förmlich an die Kette, die um meinen Hals hing. Im selben Moment kam etwas aus den umliegenden Büschen hervor. Durch den hellen Vollmond an in dieser Nacht, der die ganze Waldlichtung in seinen sanften Schein hüllte, konnte ich schnell erkennen, dass es sich um ein Mädchen handelte. Sie trug einen schwarzen Umhang, der es mir unmöglich machte sie näher zu betrachten. Äußerlich hätte ich sie auf siebzehn Menschenjahre geschätzt. Mehr Zeit hatte ich nicht um sie zu beobachten, da sie mich schnell entdeckte während sie sich nach ihren Verfolgern umsah. Erstaunt sah sie mich an und gerade als sie etwas zu mir sagen wollte, wurde sie im Moment der Unachtsamkeit von einer schattenhaften Gestalt überrumpelt. Langsam begann alles zu verschwimmen und ich spürte wie die Ohnmacht Besitz von mir ergriff. Am Rande meines Bewusstseins bekam ich noch mit, wie das Mädchen unsanft zu Boden gepresst wurde und sich fünf weitere Personen um sie versammelten. Doch nicht nur sie wurde umzingelt, auch um mich herum standen plötzlich dunkel-gekleidete Gestalten, die sich alle als Männer erwiesen. Als einer der Männer nach mir griff, brach mein Bewusstsein ganz. Mir war, als würde ich im Nichts schweben. Alles um mich herum war schwarz und kalt. Eigentlich hatte ich mit dem Gedanken gespielt, schon mit dem erlösenden Tod vereint zu sein, doch musste ich diesen wieder verwerfen als ich meinen schmerzenden Körper spürte. Kraft diesen zu bewegen hatte ich aber noch nicht. Eine mir unbekannte Stimme rief mir etwas zu, was ich anfangs nicht verstand. Langsam öffnete ich meine Augen und blickte in das Gesicht des Mädchen, welches ich vorhin gesehen hatte. „Hey! Nicht wieder einschlafen!!“, hörte ich sie rufen. Aus irgendeinem Grund gehorchte ich ihr, obwohl ich mich nach Schlaf sehnte. Vorsichtig hob ich den Kopf um mich umzusehen. Zu meinem Erstaunen waren wir beide in einer kleinen Zelle in einer Art Kellergewölbe eingesperrt, in die durch ein schmales Fenster das Mondlicht eindrang. Ich lag auf der einzigen Pritsche in diesem Verließ. Das Mädchen hockte direkt neben mir. “Wo...“ Ich brauchte nicht weiter zusprechen, da sie meine Frage schon kannte. „Wir befinden uns im bekannten ’Zwinger von Nezmerize’, der Hochburg der Vampire, wie du bestimmt weißt?“ Ich nickte zögernd. „Aber wieso sind wir...“ Ehe ich den Satz beenden konnte, überkam mich ein leichter Hustenschauer. „Mir wird Verrat an Antharame, der Kaiserin, und Sharhodon, dem Hoherichter, somit an der ganzen Vampirsippe vorgeworfen. Das Urteil lautet Todesstrafe.“, erklärte sie. Mir gefiel ihr Blick nicht, er drückte Geborgenheit und Sympathie aus, die ich auf keinen Fall mehr verspüren wollte. Die Sprache, der sie sich bediente, lies mich erschrecken. War sie nicht auch ein Vampir und dann benutze sie das Wort Vampirsippe? „Und du bist wegen deiner Herkunft hier...“ Dabei fiel ihr Blick auf meine Flügel. Mit einem Ruck stand sie auf und schaute in Richtung Gittertür, während sie weiter sprach. „Kannst du aufstehen?“ Selbst das Kopfschütteln war schon unangenehm für mich, geschweige dann gehen. Von weitem hörten wir Stimmen und hallende Schritte, die sich schnell zu näheren schienen. “Mist!“, hörte ich sie leise fluchen. Nachdenklich schaute mich der Vampir an. „Ich habe keine Wahl...“, sagte sie schließlich und packte meinen Arm. Durchdringlich sah sie mich an. Erst als ihre Eckzähne vorblitzen, begriff ich was sie vorhatte. „W...Warte!!“ Brachte ich stockend hervor. Vorsichtig strich sie mir die Haare vom Nacken. „Lauf nicht vor dem Leben davon! Wenn du dich nach dem Tod sehnst, lebe!“ Mit diesen Worten bohrte sie sanft ihre spitzen Zähne in meinem Hals. „Ah!“ Ich spürte einen unangenehmen Schmerz, dann verblasste alles um mich herum als sie ein paar kräftige Züge Blut aus mir saugte. Vorsichtig legte sie mich wieder auf die Pritsche. Derweil hatten die Wächter die Zelle erreicht, schwer bewaffnet. „Drück mir im Schlaf die Daumen!“, sagte sie mit einem leichten Grinsen auf den Lippen. Bevor ich das Bewusstsein verlor, sah ich wie ein erbitterter Kampf zwischen ihr und den Männern ausbrach, dann umfing wieder die vertraute Dunkelheit. Ich spürte, wie ein warmer Luftzug über mein Gesicht glitt. Vorsichtig öffnete ich die Augen, jedoch konnte ich nicht viel erkennen. Langsam wurden die Umrisse meiner Umgebung schärfer. Verdutzt schaute ich mich um. Dieses Mal erwachte ich in einem Zimmer und lag in einem weichen Bett. Viel konnte ich dennoch nicht wahrnehmen, da es noch dunkel draußen war und alles in das sanfte Schwarz der Nacht gehüllt wurde. Suchend schaute ich mich nach einem Fenster oder etwas Ähnlichem um. Das Fenster war schnell gefunden, was mich aber verwunderte war, dass das Mädchen, der Vampir, vor dem Fenster stand. Nachdenklich schaute sie in die Ferne, die sich hinter dem Fenster verbarg. Was mich daran erstaunte war nicht ihre Anwesenheit, sondern dass sie vor der geschlossenen Fensterseite stand und nicht vor der Geöffneten. Vorsichtig stützte ich mich vom Bett auf und betrachte sie näher. Ihr blondes, leicht lockiges, schulterlanges Haar wehte sanft, wenn der Wind durch das Fenster in das Zimmer eintrat. Sie trug ein schwarzes, knielanges Kleid, welches auf interessante Art und Weise mit Nieten, Schnallen und Spitze verziert war. Das Erschreckende an ihr war nicht ihr Stil, sondern die vielen Verbände, die sie trug. Ich selbst nur zwei Verbände, einem am Hals und einem rechten Arm. Ehe ich sie genauer betrachten konnte, schreckte sie auf und sah vom Fenster direkt zu mir. Ohne jegliches Zögern kam sie auf mich zu. Misstrauisch schaute ich sie an, doch ihr ruhiger Blick wandelte sich nicht. „Sorry! Hab ich dich geweckt? Ist dir kalt?“ Ihre Stimme hatte auf mich eine angenehme Wirkung, durch die meine Nervosität verschwand. „Nein... Eigentlich nicht.“ Aus einem mir unbekannten Grund wich ich ihrem forschenden Blicken aus, was ihr natürlich nicht entging. „Bist du Engel oder Teufel? Deine schwarzen Flügel lassen mich zu keinem Schluss kommen...“ Mit dieser Frage zwang sie mich förmlich in ihre eisblauen Augen zu schauen. “Das... Das weiss ich nicht... Aber...“ Innerlich zerriss es mich bei dieser Antwort. Schnell wendete ich meinen Blick wieder von ihr ab. Ein Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Dann lass es uns herausfinden!“ Erstaunt über diese Antwort blickte ich wieder auf. „Wir sitzen im selben Boot!“ Der Blick des blonden Vampirs verfinsterte sich. „Verraten von denen, denen wir vertrauten! Verfolgt von denen, die wir Familie nennen! Verachtet von denen, denen wir unser Leben gewidmet haben! Was außer Hass und Einsamkeit ist da noch geblieben?!“ Während sie diese Sätze sagte, schien ihre Stimme zu beben. Ich weiß nicht, ob es aus Wut oder Trauer war, aber was auch immer es war, es klang verzweifelt. Ich öffnete meinen Mund um etwas zu sagen, doch es kam kein einziger Ton heraus. Ohne auf meine Antwort zu warten, reichte sie mir ihre Hand. „Wie heißt du?“ Jetzt war wieder ihr angenehmes Lächeln zu sehen. „Abelina... Abelina Kyra.“, antwortete ich genauso zögernd wie ich ihr die Hand reichte, die sie gleich ergriff. Allein durch die Berührung verlor ich meine letzten Hemmungen. „Ich heiße übrigens Evelyn Leila. Und wo wir gerade bei Namen sind... Darf ich dich Lin nennen? Ich mag lange Namen nicht wirklich.“ Ich nickte zustimmend. „Gern, aber nur wenn ich dich Eve nennen darf!!“ Jetzt war sie es, die verdutzt aussah. „Wenn du willst...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)