Morbus Amatoris von Phantom (Liebeskrank) ================================================================================ Kapitel 3: faciunt ------------------ Es geschah nach dem Astrologieunterricht. Hogwarts’ Räume und Flure wirkten zu jeder Tageszeit verstaubt und finster; nur sobald der Mond einen vollen, weißen Kreis beschrieb, glitten geisterhafte Lichtschleier durch die Fenstergläser, in denen die Staubpartikel wie tausend winzige, sichtbar gemachte Sterne segelten. Illumina Nyx hielt den hochgewachsenen Jungzauberer mit dem Ebenholzhaar, auf dessen Kutte das silberne Abzeichen des Vertrauensschülers glänzte, unter einem Vorwand zurück, bis sämtliche Klassenkameraden für diese Nacht aufgehört hatten, zu existieren, zur Zukunft geworden waren. Sie waren nun schon seit geraumer Zeit "zusammen", und nie hatte sie mehr von ihm gefordert, als er ihr zu empfangen gestattete. Ihre für gewöhnlich etwas müden Augen waren jetzt sehr offen – wäre es heller, würde er sogar die Farbe ihrer Iriden identifizieren können. „Ich möchte dir etwas zeigen, Tom“, flüsterte sie bloß, und irgendetwas in ihrem Ton, ihrem Blick, seinem Inneren motivierte ihn, die bisherigen Enttäuschungen hinter sich zu lassen und neu zu erwarten. Sie schlang ihre Arme um seinen Nacken, um ihn auf ihre Höhe zu zwingen, und drückte ihren Mund auf den seinen. Genauso hätte sie ihre Handfläche auf seine Nasenspitze legen können – es fühlte sich an wie ein unbeschriebenes Blatt Papier. Die Hände rutschten zum Umschlag seines Mantels, an welchem sie ihn aus dem Zimmer zerrte. So machte sie ihn sich eine Weile durch den Korridor nachlaufen, als spielten sie Klingelstreiche, und drückte ihn schließlich in das sich Offenbarende hinter einem schwarzen, edel verzierten Portal, das er ganz gewiss noch nie zuvor gesehen hatte. Sein Blick löste sich nicht von dem ihren, aus dem kokette Süffisanz sprach, ein düsteres "Lass dich überraschen", als würde sie ihn jetzt umbringen, und dennoch war es unmöglich, sich nicht der Gewalt der kristallinen Windspiele auszuliefern, von denen Hunderte sie schwebend umgaben, klingend und singend, obwohl in diesem Saal keine einzige Brise blies, die sie hätte bewegen können. Wo Illumina Nyx ihre Füße erhob, wuchs immer eine andere Blume aus dem Steinboden. Ausgeschlossen, dass sie über derartige magische Fähigkeiten verfügte. Am anderen Ende angekommen, schmiss sie den Überraschten gegen die Mauer, dass er sich den Kopf stieß und bunte Punkte vor seinen Augen kreisten. „Das…“, keuchte sie, warf sich um seinen Hals und belagerte ihn mit einem Bataillon stürmischer Küsse, „…ist der Raum… der Wünsche. Er erscheint immer, wenn… man sich innig wünscht, allein… zu sein.“ Dann grinste sie. „Oder zu zweit… Soll ich dir einen Wunsch erfüllen, Tom Riddle?“ Könnte es sein? Könnte die Macht jenes Raumes wahrlich imstande sein, den in der teerigen Schwärze seiner Seele erstickenden Wunsch zu erhören? Vermochte dieser Raum alle Unzulänglichkeiten Illuminas zu kompensieren, korrigieren und ihm endlich, endlich vor Augen führen, was an dieser ihm fremden Magie, die zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechts zueinander hinzog, bis sie eins wurden, die sich bisher vor ihm versteckt gehalten hatte, so unwiderstehlich war, so besitzergreifend, so jegliche Vernunft ausschaltend, so animalisch? Würde diese Nacht ihn so weit bringen, dass er darum bettelte, zu sterben, mit diesem Mädchen gemeinsam zu sterben, damit es niemals wieder endete? Er atmete den Duft ihres Haares nach einem schüchternen Sommerregen ein, während sie den Knoten seiner Krawatte löste. Sein Hemd raschelte dumpf, als sie den oberen Knopf öffnete, und er musste komischerweise an die Frau denken, die am Gleis 9¾ ihrem Sohn den Frack gerichtet hatte. Er dachte an seine Mutter, ein Schemen mit pechschwarzem Haar – er kannte sie nicht; ihm war nicht einmal ein Foto von ihr geblieben. Angestrengt versuchte er, durch ihre Worte, ihre Berührungen irgendetwas zu fühlen. „Nicht so steif. Entspann’ dich…“ Das dumme Ding überfiel ihn, leckte ihn ab, als wäre es ein Hund und er ein Knochen, und er – was unter allen anderen Umständen schlichtweg undenkbar gewesen wäre – ließ es einfach geschehen. Es gab ein hässliches Schleifen, da sie an ihm hinabrutschte, und für einen Moment war er geneigt, sich nach ihrem Zustand zu erkundigen, bis er begriff, dass es Absicht gewesen war. Wie ein Schoßtier hockte sie zu seinen Füßen, und ohne, dass es ersichtlich war, wusste er, dass jedes Molekül ihres Körpers nach seiner zärtlichen Zuwendung schrie. Obzwar sie dieselbe Miene trug, wenn Gryffindor fünfzig Punkte Abzug kassierte, wirkte sie gehorsam, nahezu unterwürfig, und er begann tatsächlich, etwas zu fühlen. Der Raum der Wünsche war irrelevant für ihn, doch sah er ein, dass die mysteriöse, aus Glockenspielen und Leere bestehende Atmosphäre wichtig war für Illuminas Selbstvertrauen. Vermutlich manifestierte er ob aller Einfalt das ganze, komplexe Innenleben der Slytherin, die sich in ein Areal vorwagte, welches sie niemals zuvor betreten hatte. Sie schob ihre Hände unter seinen Umhang und strich die Länge seiner Beine auf und ab, auf und ab, auf und ab. Riddle lehnte seinen Kopf zurück, schloss dabei die Augen; seine Hände ballten sich so geschmeidig, dass er es selbst nicht zur Kenntnis nahm. Er glaubte, dass er zitterte, und was er fühlte war etwas, das mit Angst gleichzusetzen war. Er meinte auch, obwohl er keine Begründung für diese Anschauung vorbringen konnte, dass sie zu tief war. Illumina. War. Zu. Tief. Sie musste aber höher, warum auch immer. Höher. Höher, verdammt! Höher! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)