Fragmente von Hrafna (Potpourri & Kurzgeschichten-Fundus) ================================================================================ Kapitel 1: Feuergeist --------------------- für Carcajou Feuergeist Tansania, Afrika (Vergangenheit) Auf leisen Pfoten streifte die Raubkatze durch das hohe Gras der Savanne, geschmeidig, schwarz wie die Nacht, den vagen Geruch von Asche und Rauch in der Nase; in der Ferne hoben einige Grevyzebras den Kopf und lauschten, die Gnus muhten nervös. Nicht wegen ihr, stellte sie zufrieden fest, als sie den Kopf reckte und empor spähte. Der Himmel am Horizont wurde von schwarzen Wolken verschlungen, die nicht nach Gewitter rochen, sondern nach etwas Widernatürlichem, wesentlich Interessanterem. Im Berg des böses Geistes tat sich tatsächlich etwas, wie es das nicht besonders vertrauenswürdig wirkende Orakel auf einem Markt weiter im Norden vor einigen Tagen prophezeit hatte. Das leise Beben der Eruptionen in der Erde unter ihren Tatzen spürend, setzte sie sich wieder in Bewegung. Zwei schlanke Krieger des Stammes der Geparden hockten abwartend auf einem Felvorsprung und im Schatten eines Affenbrotbaumes hielten sich einige Löwendämonen verborgen, ihre Blicke auf den Lava speienden Feuerberg gerichtet, als sie den Randbereich der heiklen Zone des Geschehnisses erreichte. Sie war nicht überrascht, im Gegenteil, solche Machtproben unter hochrangigen Dämonen lockten unweigerlich Schaulustige und Größenwahnsinnige an. Diese hier gehörten wohl eher zu letzterer Kategorie. „Das ist nichts für kleine Gören“, knurrte einer von ihnen gereizt, während die Umrisse des Ankömmlings verschwammen, die Gestalt des Panthers sich verzerrte, zu der eines dunkelhäutigen menschlich erscheinenden Mädchens in seiner Flegelphase wandelte. Die Jugendliche hob spöttisch schmunzelnd eine Augenbraue und verschränkte die Arme vor der Brust: „So? Was macht ihr dann bitte hier?“ Einer der jungen Löwen lachte, verstummte jedoch augenblicklich, als ihn die bitterbösen Blicke seiner Kameraden trafen. „Wir nutzen die Gelegenheit, uns von dieser Pest zu befreien. 'Berg des böses Geistes'“, spuckte er verächtlich aus, „ein raffgieriger Drache, nichts weiter. Und jetzt hat er einen weiteren von seiner Sorte hierher gebracht. Sollte einer von beiden diesen Berg hinabsteigen, werden wir ihn an Ort und Stelle erledigen.“ Trotz ihrer Kenntnis über die Zustände um den Vulkan und das ausgesprochen territoriale Verhalten des Drachen, den jener seit langer Zeit beherbergte, der die Dämonen hier bejagte und sich allgemein sehr aggressiv gebärdete, empfand sie keinerlei Mitleid mit ihnen. Nur die Stärksten überlebten, ein uraltes Gesetz, das für alle Lebewesen Gültigkeit besaß, die Schwachen starben. Zudem war ihr geplantes Unterfangen derart lächerlich und aussichtslos, dass das Gelächter schließlich aus ihr herausbrach. Mit verstimmten Mienen betrachteten die Dämonen sie, ratlos bezüglich des Grundes für ihr köstliches Amüsement und es dauerte eine ganze Weile, bis sich der junge Panther wieder fing, die Tränen aus den Augenwinkeln wischte. „Sowas Blödes hab ich schon lange nicht mehr gehört“, meinte sie dann glucksend und wandte sich um, hob die Hand zum Abschied. „Wir sprechen uns in der nächsten Welt.“ Sie würde sich dieses Schauspiel auf keinen Fall entgehen lassen, allerdings aus sicherer Entfernung – waren sie wirklich so dumm? Oder spürten sie es lediglich nicht? Jene überwältigende Präsenz, die den Vulkan und die Erde zum Beben brachte, die Luft noch weiter aufhitzte und sich bereits des Ortes bemächtigt hatte. Die Dämonenkrieger konnten nur hoffen, dass sich die beiden Monster gegenseitig zerfleischten, sie hingegen tippte auf einen anderen Ausgang... Und eben dieser ließ nicht lange auf sich warten. Wie aus dem Nichts stach der offensichtliche Sieger des Drachenzwists aus den Staubwolken über dem Feuerberg hervor, die Stille von einem infernalischen Schrei durchschnitten, verbrannte in seinem Rausch die gesamte Umgebung zu Asche, zerriss jedwedes Lebewesen, das er erwischte. Doch ebenso rasch, wie das Verderben über die Unbeteiligten hereingebrochen war, verschwand es mit seinem Verursacher wieder in der verschlöschenden Glut des Vulkans. Wenige Tage danach hatte sich die Situation beruhigt, und der jugendliche Pantherdämon wagte einen Exkurs auf die verbrannte Erde um den nun wieder ruhenden Vulkan. Still und leise schritt sie über das schwarze Feld, betrachtete die Pfotenabdrücke, die sie hinterließ, ehe sie abrupt inne hielt. In menschlicher Form hätte sie sich das Lachen nicht verkneifen können, in ihrer wahren Gestalt rang ihr der Anblick in der Distanz bloß ein wölfisches Grinsen ab. Irgendeiner dieser Wahnsinnigen hatte also doch einen, zugegeben verschwind geringen, Erfolg erzielt. Am Fuße des Feuerberges versuchte der Drache in diesem Augenblick vergebens, sich des Feuergeistes zu entledigen, den irgendjemand beschworen und an seine spezielle Aura gebunden hatte. Der Geist hingegen, der das Äußere eines großen Pferdes mit schwarzbraunem Fell und silbernen Mähne trug, wich den zuschnappenden Kiefern tänzelnd und leichtfüßig, schier spottend aus. Sie würde noch ein Weilchen abwarten, beschloss sie spontan und legte sich nieder. Unter den Strahlen der Mittagssonne glänzten die schwarz geränderten Schuppen des Drachen tiefrot, im starken Kontrast zu der perlmuttfarbenen Rückenpartie, die mitnichten zu seiner natürlichen Färbung gehörte. Narben... Der monströse Rumpf war zusätlich mit Dornen gespickt und sicherlich ein äußerts wirksamer Schutz vor Zähnen, Klauen oder der Klinge einer Waffe. Er lag mit ausgestreckten Schwingen auf der eingeebneten Erde und döste, wie eine riesige Eidechse auf einem warmen Stein. Sie wusste, dass er sie längst bemerkt hatte – er würdigte ihre Anwesenheit dennoch keines Blickes. Ihre Muskeln waren zum Zerreißen gespannt, ihre Nerven überreizt, als sie einen gemächlichen Halbkreis um den Drachen beschrieb und sich dann dreist knapp außerhalb seiner Reichweite setzte. Ihre grünen Augen funkelten, der Schwanz zuckte angespannt. „Den da“, sagte sie schließlich langsam und nickte in Richtung des nun friedlich grasenden Pferdes, „wirst du nicht mehr los. Das ist ein Feuergeist, dessen Lebensenergie mit deiner direkt verknüpft ist – seine Existenz wird von deiner Energie gespeist, und er wird sich so lange davon nähren, langsam aber stetig, gierig und unersättlich, bis dein Feuer erlischt.“ Ein abgrundtiefes Grollen drang aus der Kehle des Drachen. Ich bin das Feuer. Wahrscheinlich verstand er sie nicht, mutmaßte sie, und damit verlor diese Sache ihren Anreiz. „Langweilig“, schnurrte sie. Elegant machte der Panther kehrt, das Schwarz seines Fells perfekt mit dem der Asche verschmelzend. [23. - 24.12.2010] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)