Abgekarterte Spiele von abgemeldet ("Gets down to what it's all about, doesn't it? Making the wrong move at the right time.") ================================================================================ Kapitel 16: Offene Worte ------------------------ "Hey Joey." Mokuba lächelt, dennoch bin ich nicht sicher wie ich seine Stimmung einschätzen soll. Gerade hat Victor ihn nach Hause gebracht, sein erster Schultag ist zu Ende und ich bin gespannt, was er mir zu erzählen hat. "Na, wie war´s?" platzt es auch schon aus mir raus. Er zuckt mit den Schultern. "Ok." befindet er und ich sehe ihn abschätzend an. "Ok?" wiederhole ich. "Sonst gibt es nichts zu sagen?" Ich lächele ihn aufmunternd an. Er zuckt mit den Schultern. "Hast du dich wenigstens einigermaßen wohl gefühlt?" will ich wissen. "War man nett zu dir?" Es dauert einen Moment bis er antwortet. Dann nickt er leicht. "Ja, es war ok. Die Lehrer waren recht nett." Er folgt mir in die Küche und ich gehe zum Kühlschrank. "Hunger?" frage ich, aber er schüttelt den Kopf. "Ich habe in der Schule gegessen." erklärt er und ich nicke. "Was ist mit dem Unterricht? Deinen Mitschülern?" hake ich weiter nach während er sich auf einem der Hocker niederlässt. Wieder scheint er einen Moment zu überlegen bis er antwortet. "Der Unterricht ist... lockerer." Bei ihm klingt das kritisch, fast schon verwerflich und ich muss grinsen. "So kann man es ausdrücken." stimme ich zu und nehme ihm gegenüber Platz. "Hast du dich schon mit jemandem angefreundet?" Wieder zögert er. Dann zuckt er mit den Schultern. "Ein paar der Jungs haben mich ausgefragt. Wollten wissen, wie es in Japan so ist." meint er schließlich. "Die Fragen waren teilweise wirklich seltsam." Ein kleines Lächeln huscht über sein Gesicht und ich nickt verstehend. "Ich kann´s mir denken." erwidere ich grinsend. "War bei mir nicht anders. Die Amerikaner scheinen recht merkwürdige Vorstellungen von Japan zu haben. Einmal wurde ich ernsthaft gefragt ob es die Power Ranger wirklich gibt." Mokuba starrt mich eine Sekunde fassungslos an, dann lachen wir beide lauthals los. "Was hast du gesagt?" will er wissen. Ich zucke mit den Schultern. "Was wohl? Dass ich selbst einer war." erwidere ich und er wirft mir einen dieser Typisch-Joey-Blicke zu. "Hey, stimmt doch auch irgendwie. Immerhin habe ich mehrmals geholfen die Welt zu retten." rechtfertige ich mich gespielt ernst und er grinst. "Wenn´s danach geht, bin ich auch ein Power Ranger." meint er dann vergnügt und wieder lachen wir los. "Denkst du, du kannst es dort aushalten?" frage ich schließlich. Er nickt. "Werde ich wohl auch müssen, oder?" Ich erwidere nichts darauf und das ist auch nicht nötig. "Weißt du, was ich mir überlegt habe?" Er sieht mich fragend an. "Wir müssen dir noch ein paar Sachen besorgen, ich meine nicht nur zum anziehen. Dein Zimmer ist so kahl und ich will, dass du dich wohl fühlst. Ich weiß, es ist nicht dein Zuhause, aber naja... " Ich zucke unsicher mit den Schultern und er scheint über den Vorschlag nachzudenken. "Wie war es denn bei euch? Ich meine, ich hab dein Zimmer nie gesehen." Wieder überlegt er und zuckt dann mit den Schultern. "Seto hat eine Innenausstatterin bestellt und gesagt, sie solle tun was ich sage." erwidert er knapp und ich lache. Typisch Kaiba. Ich kann mir die Szene direkt vorstellen. "Dein Bruder ist schon ein außergewöhnlicher Härtefall." befinde ich immer noch lachend. Mokuba grinst. "Ja, Seto ist recht speziell." entgegnet er und seufzt. "Ich weiß, dass er immer so dominant und kalt wirkt und naja, das ist er auch irgendwie, aber das hat eben mit unserem Adoptivvater zu tun und es ist schwer für ihn diese Maske abzulegen." Ich nicke unwillkürlich. "Ich kann es mir vorstellen. In seiner Welt muss man wohl auch eine harte Schale haben. Das merke ich auch mehr und mehr. Anfangs bin ich offen und ehrlich auf jeden zugegangen, so wie ich es immer getan habe, aber wenn man erst einmal hinter die Kulissen blickt, merkt man schnell, dass man von Heuchlern und Speichelleckern, umgeben ist und es ist schwer dann noch jemandem vertrauen zu können." meine ich nachdenklich und er sieht mich interessiert an. Also fahre ich fort damit zu erzählen. "In der Geschäftswelt herrscht ein eigener Ton. Man lächelt sich zwar an und schüttelt sich die Hände, aber das alles sind nur leere Floskeln und das Lächeln ist im Grunde niemals echt. Man ist gezwungen eine Rolle zu spielen, ob man will oder nicht." Ich zucke mit den Schultern. Mokuba scheint mir aufmerksam zuzuhören. "Ich weiß auch nicht, mir kommt das teilweise seltsam vor, ich verstehe es auch nicht so ganz, aber es ist das System und wenn man nicht mitspielt, dann ist man schnell draußen." "Und wie machst du das?" will er wissen. Ich überlege kurz. "Naja, ich spiele meine Rolle. Gut, ich heuchle nicht und ich versuche auch weitgehend ich selbst zu bleiben, aber auch ich lächele ab und an jemanden an, den ich am liebsten anspucken würde und es ist auch nicht gerade leicht mit Mitarbeitern zu reden, die doppelt so alt sind wie ich. Ich kann mir daher echt vorstellen, dass die Kaiba Corp. zu leiten für deinen Bruder ein Knochenjob war... Ich bin nur der Sohn des Chefs, aber ich sehe wie die Leute mich ansehen. Sie erwarten, dass ich Fehler mache und freuen sich teilweise hämisch darüber. Sie belächeln mich auch manchmal, weil ich noch so jung bin und es war schwer, bis man mich erst einmal ernst genommen hat." Mehr als schwer. Anfanges hatte ich das Gefühl, dass die Leute mich für einen blöden blonden Chaoten halten, für das was ich eigentlich auch war bevor ich hier her gekommen bin und dass sie mir nur Respekt entgegen brachten, weil ich eben Joey Wheeler bin. Manchmal hätte ich gerne alles hingeworfen, so mies fühlte ich mich, doch ich habe die Zähne zusammen gebissen und durchgehalten. Joey Wheeler gibt schließlich niemals auf. "Seto hatte es auch nicht leicht. Der gesamte Aufsichtsrat ist so alt, dass sie alle seine Väter sein könnten und sie haben am Anfang auch gelacht als er meinte, dass er eine Spielefirma gründen möchte. Sie dachten alle, das Ganze nur ein paar Wochen andauern würde. Aber Seto hat sich reingehängt und es ihnen bewiesen, aber... " Mokuba hält kurz inne und senkt den Blick. "Aber er musste es ihnen immer wieder beweisen. Deshalb hat er auch so hart gearbeitet. Er meinte, er müsse doppelt so hart arbeiten und dürfe keine Fehler machen, denn nur so könne er seine Position stärken und die Leute würden ihn respektieren." Ich nicke nachdenklich. Ja, genauso sieht es auch tatsächlich aus. Man muss mehr als sein Bestes geben, wenn man in dieser Position ist. Nach meinen ersten Erfahrungen in der Firma, konnte ich Kaiba auch weitaus besser verstehen als früher und ich musste ihm auch Respekt zollen ob ich wollte oder nicht. "Aber im Gegensatz zu dir, konnte Seto nie abschalten." höre ich Mokuba sagen und sehe ihn etwas erstaunt an. "Ich meine, du wirkst jetzt so locker, so normal..." Er lächelt mich kurz verlegen an. "Du gehst einkaufen, spielst mit mir... Das konnte Seto nicht. Er war immer in der Rolle des CEO, hat sie nie abgelegt, so als hätte er Angst, es könnte überraschend jemand auftauchen und sehen, dass er doch ein ganz normaler Jugendlicher ist." Kaiba und ein ganz normaler Jugendlicher. Ich verkneife mir einen Kommentar. Kaiba war nie ein normaler Jugendlicher und Mokuba weiß das insgeheim auch, denke ich. Aber ich verstehe was er meint. Kaiba´s Anspruch an sich selbst ist so hoch, dass er den Anspruch, den sein Adoptivvater an ihn stellte, übertrifft. Er wollte immer in allem der Beste sein. Ein Übermensch ohne jeden Makel, jede Schwäche, der perfekt funktioniert in einer unperfekten Welt. Ein Schauder läuft mir über den Augen bei dem Gedanken. Ich sehe ihn erneut vor mir: die kerzengerade Haltung, die makellos sitzende Kleidung und Frisur und die regungslose, kühle Mimik, die sich jedes Lachen versagt und schließlich die eisigen Augen, die es schaffen mit einem Blick gestandene Männer in die Knie zu zwingen. Ich habe es selbst erlebt. Kein Lehrer konnte diesen Blicken stand halten ohne wegsehen zu müssen. Ich nannte sie immer Todesblicke und gab ihnen sogar verschiedene Abstufungen, Kältegrade. Ich glaube, ich bin der Einzige, der es vermochte ihm in die Augen zu sehen ohne zusammen zu zucken und selbst mir lief jedes Mal ein Schauder über den Rücken, wenn er mich ansah. Aber irgendwann hatte ich den Bogen raus, konnte an der Farbe seiner Augen genau abschätzen wie seine Laune gerade war und somit erkennen wann es gesünder für mich war, einen Bogen um ihn zu machen. "Unser Adoptivvater hat ihn verändert." höre ich Mokuba erzählen. "Früher war Seto ganz anders. Er hat oft mit mir gelacht und er war... Aber Gozaburo hat ihn zerbrochen, etwas in Seto kaputt gemacht und egal was ich auch versucht habe, ich konnte es nicht reparieren. Seto machte jedes Mal dicht." Der Kleine schluckt und ich hoffe innerlich, dass er nicht mehr anfängt zu weinen oder noch schlimmer, dass er wieder denkt, dass er an allem Schuld sein. "Es ist wahrscheinlich schwer für ihn, die Erinnerungen an Gozaburo zu verarbeiten. So etwas prägt einen sehr. Ich weiß wovon ich rede." sage ich und Mokuba wirft mir einen fragenden Blick zu. Ich seufze. Über das Thema rede ich nicht gern, aber augenblicklich habe ich das Gefühl, dass ich es nicht nur kann, ohne dass gleich wieder dieses unbehagliche Gefühl da sein wird und auch, dass es der Sache dienlich ist. Mit meinen Freunden habe ich nie groß darüber gesprochen, eigentlich habe ich mit niemandem gesprochen. "Mein Stiefvater war alles andere als einfach. Zwar bei weitem nicht vergleichbar mit Gozaburo, aber naja... es kam oft genug vor, dass er betrunken war und dann..." Ich zucke mit den Schultern. "Anfangs habe ich den Fehler immer bei mir gesucht und ihm auch geglaubt, dass ich selbst Schuld bin. Dann habe ich mich bemüht, beim nächsten Mal alles richtig zu machen... aber ich konnte es nie richtig machen. Im Gegenteil. Egal was ich tat, immer war es falsch." Mokuba nickt langsam und mustert mich erneut. "Ich hab mir ständig Ausreden einfallen lassen, habe sogar meine Freunde belogen, obwohl sie eigentlich ahnten was los war, aber ich konnte einfach nicht darüber reden und habe auch immer geblockt, wenn Yugi oder Tea was zu sagen versucht haben. Irgendwie habe ich versucht es zu verdrängen, als wäre es nie passiert. Ich schätze, dein Bruder macht es ähnlich, nur auf seine Weise." Ich lächele dem Kleinen zu und er nickt. Unwillkürlich muss ich wieder an Kaiba denken. So seltsam es auch ist, bei näherer Betrachtung haben wir doch mehr gemein als man auf den ersten Blick meinen sollte. Ich habe eine Ahnung davon, was er bei seinem Adoptivvater durchstehen musste und ich kenne Kaiba´s Stolz. Auch darin sind wir uns ähnlich, auch wenn er es vermutlich nie so sehen würde. "Ich hoffe, dass Seto irgendwann mit unserer Vergangenheit abschließen kann. Genau wie du es geschafft hast." vernehme ich Mokuba´s ernste Stimme. "Ich bin sicher, dass er es irgendwann schafft." meine ich ehrlich und mir fällt plötzlich wieder diese Auktion ein. Kaiba, der seine geliebten Karten verkauft. Etwas, dass bisher kaum ihn mein Bild von ihm gepasst hat, aber im Grunde ist es durchaus logisch. Wenn er tatsächlich Geld braucht, dann ist dies wohl einer der beste Wege. Dennoch kann ich mir vorstellen, dass es ihm alles andere als leicht gefallen sein muss. Aber vielleicht fiel es ihm doch leicht, immerhin geht es um Mokuba und sein Bruder steht über allem. Für einen Augenblick spiele ich mit dem Gedanken, dem Kleinen davon zu erzählen, doch ich halte es für klüger es nicht zu tun. Es würde ihn nur unnötig beunruhigen und nach seinem Ausbruch neulich möchte ich das keineswegs riskieren. Wir sitzen immer noch schweigend am Tisch als das Telefon geht. Ich stehe auf und gehe zur Station und einen Augenblick später vernehme ich auch schon Tea´s Stimme. "Hallo Joey, ich hoffe, ich störe nicht..." fängt sie an. Ich unterbreche sie unhöflicherweise und versichere ihr, dass das keineswegs der Fall ist. "Gibt es irgendwelche Neuigkeiten?" will ich wissen und sehe, dass Mokuba mir aus der Küche gefolgt ist und mich hoffnungsvoll ansieht. "Yugi und ich waren heute bei Roland." erzählt Tea und ich fühle wie sich mein Herzschlag beschleunigt. "Wir haben ihm erzählt, dass Mokuba bei dir ist und er war erleichtert. Du sollst den Kleinen von ihm grüßen. Er hat sich auch wahnsinnige Sorgen gemacht. Wahrscheinlich wird er sich auch versuchen bei dir zu melden." Ich nicke. "Das sind endlich mal gute Nachrichten. Und weiß er wo Kaiba steckt?" "Nicht ganz. Kaiba hat ihm nur gesagt, dass er verschwinden müsste. Wohin genau er ist, weiß Roland nicht, aber er hat ihm eine Handynummer gegeben, unter der er ihn erreichen könnte, bislang allerdings ohne Erfolg, denn das Handy ist ausgeschaltet." Ich seufze und Mokuba sieht mich besorgt an. Ich werfe ihm schnell einen beruhigenden Blick zu. "Aber sobald er ihn erreicht hat, wird er ihm sagen, dass Mokuba in Sicherheit ist. Er schätzt, dass Kaiba sich selbst bald bei ihm melden wird. Roland sollte auch ein paar Finanzangelegenheiten für ihn klären." fährt Tea aufgeregt fort. "Und wie es aussieht ist Kaiba nicht allein auf der Flucht." "Was soll das heißen?" frage ich irritiert. "Bakura ist bei ihm. Zumindest war Bakura mit bei Kaiba als dieser ihm von seinem Vorhaben, zu verschwinden mitgeteilt hat und Roland meint, dass er ihn begleiten wird. Die Handynummer ist übrigens die von Bakura." "Bakura." wiederhole ich und kassiere einen fragenden und mehr als ungeduldigen Blick von Mokuba. "Naja... nicht unbedingt ein Dreamteam, aber immerhin ist er nicht alleine, ich schätze, dass ist dann doch irgendwie beruhigend." "Denke ich auch." bestätigt Tea. "Yugi meinte auch, dass es ihn ein wenig beruhigen würde. Man kann über Bakura ja sagen was man will, aber im Ernstfall kann man auf ihn zählen. Ich frage mich allerdings, was dazu geführt hat, dass die Beiden zusammen los sind." Ich überlege kurz. "Das kann ich mir auch nicht erklären, aber es ist auch egal. Hauptsache ist, dass Roland schon mal Bescheid weiß und Kaiba beruhigen kann." erwidere ich. "Gibt es was neues von den Mordermittlungen?" "Eigentlich nicht. Die Polizei tappt immer noch im Dunkeln. Ryou meldet sich aber sobald es was neues gibt." antwortet Tea und ich nicke. "Naja, besser keine News als schlechte." befinde ich. Tea und ich tauschen die allgemeinen Floskel aus und ich gebe ihr auch kurz Mokbua. Der Kleine brennt darauf zu erfahren was Roland gesagt hat und scheint auch sichtlich froh zu sein eine weitere vertraute Stimme zu hören. Derweil denke ich über das Gesagte nach. Bakura und Kaiba.... Ich frage mich, wie es zu diesem Duo gekommen ist. Bislang verkehrten die Beiden nicht unbedingt auf freundschaftlichem Fuße, aber mit wem tat das Kaiba auch schon? Aber dass er ausgerechnet mit diesem Dieb losziehen würde? Nun, er wird schon seine Gründe haben, wie ich Kaiba kenne. Ich hoffe nur, dass Bakura sein Handy bald mal wieder anschaltet. Doch wenigstens haben wir ein bisschen was erreicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)