Abgekarterte Spiele von abgemeldet ("Gets down to what it's all about, doesn't it? Making the wrong move at the right time.") ================================================================================ Kapitel 56: Suprise, Suprise (Bakura) ------------------------------------- Merci mal wieder für euer eifriges Lesen und Mitfiebern und keine Sorge... unser Seto ist noch nicht am Ende. Wir brauchen ihn doch auch noch, oder? "Raus mit der Sprache. Wo finden wir diesen Grey?" zische ich den komischen Kerl mit dieser fürchterlichen Frisur an und weiß bereits jetzt, dass er mir diese Frage nicht wird beantworten können. Ich sehe es ihm deutlich an. Er windet sich und das nicht nur vor Schmerz. Er sucht nach den richtigen Worten, einer Antwort, die mir glaubhaft macht, dass er es nicht weiß und noch immer hat er die Hoffnung, dass er irgendwie aus dieser Sache herauskommen wird. Ich rieche seine Angst. Ich höre seinen Herzschlag und ich kann sogar seine Gedanken lesen. Er atmet schwer und ich greife nach den Nadeln. Er folgt meiner Bewegung und seine Pupillen werden schlagartig wieder größer. Genau wie die von Wheeler, auch wenn er sich augenblicklich besser im Griff hat als in der letzten halben Stunde. Der Köter ist immer noch blass, aber dieses Mal ist es aus Sorge, nicht wegen der Show, die ich ihm hier biete. Er macht sich ernstlich Sorgen um Kaiba und ich gehe davon aus, dass er zu dem gleichen Schluss gelangt ist wie ich. Seine Worte gerade haben es bewiesen, seine Augen sprechen für sich. Genau wie ich hat er erkannt, dass diese ganze Sache weitaus düsterer ist als wir bislang angenommen haben. Ob sich Kaiba darüber im Klaren ist... Ich bezweifle es. Ab und an hatte ich zwar den Eindruck, dass der Eisklotz mehr hinter der Sache vermutet als den Versuch an seine ach so tolle Erfindung zu kommen, aber sicher bin ich nicht. Doch wie kann man sich bei Kaiba auch sicher sein? Ich für meinen Teil bin mir nun jedoch sicher, dass diese Geschichte weitaus weitere Kreise zieht als bislang vermutet und wer auch immer dieser Grey sein mag, er ist noch lange nicht fertig mit Kaiba. Nein, ich wage zu behaupten, dass das Spiel für ihn gerade erst richtig anfängt. Unwillkürlich kommt mir der Gedanke, ob dieser Kerl mit unseren Schritten gerechnet hat. Und es drängt sich mir auch die Frage auf, ob der gute Kaiba nicht vielleicht in eine Falle getappt ist, mit seinem Versuch, Mokuba zu befreien. Ich glaube, dass Wheeler der gleiche Gedanke durch den Kopf geht, aber ich verdränge ihn schlagartig. Augenblicklich bin ich nicht in der Lage, mich um Kaiba zu kümmern. Was auch immer gerade in Ägypten geschieht, ich habe keinen Einfluss darauf. Ich kann lediglich hoffen, dass es dem ehemaligen CEO gut geht. Ja, ich hoffe, dass es ihm gut geht. Für einen Moment schlägt mein Herz ein, zwei Takte schneller. Seltsam... Die ganze Zeit über schlug es ruhig und regelmäßig. Mein Puls ist nicht einmal angestiegen als ich Siegfried seine Brustwarze abgeschnitten habe. Keiner seiner Schreie hat mich auch nur ansatzweise berührt und jetzt... allein durch den Gedanken daran, dass es dem Brünetten nicht gut gehen könnte, dass er möglicherweise... Ich schüttele leicht den Kopf und bemerke, dass Wheeler mich aufmerksam mustert. Ich schenke ihm ein spöttisches Grinsen, doch er sieht mich weiterhin ungerührt an. Seine Züge haben sich deutlich verhärtet. Seine Augen sehen mich zwar ruhig an, aber ich spüre, dass in ihnen bereits etwas aufzulodern beginnt. Etwas, dass ich sehr gut kenne... Mein Grinsen wird schlagartig breiter. Interessant... Das Hündchen hat also auch seine Abgründe. Ich wette, wenn Kaiba tatsächlich etwas passiert ist, ist der Kleine zu allem fähig. Ja, dessen bin ich mir sogar sicher. Eben mag er noch vor dem Anblick, den Siegfried bot zurückgewichen sein, ich glaube sogar, dass er Mitleid mit dem Deutschen hatte, aber ich bezweifle, dass dieses Gefühl anhalten würde, wenn seinem Liebsten etwas passiert ist. Nein, dann tun sich die Abgründe auf und weder ängstliche Schreie noch ein Meer aus Blut würde ihn davon abhalten etwas zu unternehmen. Seinem Liebsten... Ich spüre wie sich etwas in mir zusammen zieht. Kaiba und er... ja, die Sache ist eindeutig und es ist ebenso eindeutig, dass es mir nicht behagt, wie die Dinge sich zwischen ihnen entwickelt haben. "Bei ihm ist es etwas anderes, oder, Kura?" höre ich Alister´s sanfte Stimme fragen und presse hart meine Lippen aufeinander. Ja, verdammt. Aus irgendeinem Grund ist es bei Kaiba etwas anderes. Ich weiß nicht warum und ich will nicht, dass es so ist, aber es ist etwas anderes. Diese Erkenntnis behagt mir keineswegs. Im Gegenteil. Sie irritiert mich. Ein Gefühl, dass ich keineswegs mag und in Kombination mit Wheeler mag ich es noch weniger. Ich atme tief durch und versuche mich wieder auf den Deutschen zu konzentrieren, der immer noch vor sich hin wimmert und scheinbar noch keine Antwort auf meine Frage gefunden hat. Ich frage nicht noch einmal. Ich greife seiner Hand, sehe wie er zusammenzuckt und kurz sogar aufschreit, aber davon lasse ich mich nicht beeindrucken. Ich packe seinen Mittelfinger und jage dann auch schon die nächste Nadel unter seinen Nagel. Dieses Mal schreit er so laut, dass ich das Gefühl habe, dass das Haus in seinen Grundfesten erschüttert wird. Wheeler zieht scharf die Luft ein. "Ich warte." sage ich ungerührt. Der Deutsche krümmt sich vor Schmerz. "Ja, ja, die Finger sind sehr empfindlich... " Ich seufze leicht und bedenke ihn mit einem mitleidigen Blick. "Habe ich schon angemerkt, dass Geduld keine meiner Tugenden ist?" frage ich als er sich immer noch nicht rührt und nur wieder zu schluchzen anfängt. Seine Augen sind glasig und er öffnet leicht den Mund. "Ich..." Mehr kommt nicht über seine Lippen und ich seufze bedauernd. Als ich erneut zu den Nadel greife, rechne ich fast damit, dass Wheeler mir Einhalt gebieten wird, aber er rührt sich nicht. Aber Siegfried scheint langsam wieder zu sich zu kommen. Ich sehe ihn erwartungsvoll an. "Es liegt allein bei dir." erkläre ich ihm. "Ich kann das die ganze Nacht weiter machen. Denk nicht, dass ich müde werden würde oder es eilig hätte." erkläre ich dem Deutschen sanft und seine Augen füllen sich mit neuen Tränen. "Ich... ich weiß.. es nicht." kommt es schließlich über seine Lippen und er sieht mich mit tränenverhangenen Augen verzweifelt an. "Ich weiß es nicht." Seine Stimme ist mit einem Mal schrecklich hoch, ein hysterisches Piepsen, dass ich nur zu gut kenne. Weinerliches Flehen und echte Verzweiflung. Und natürlich glaube ich ihm, dass er es nicht weiß. Wer auch immer dieser Grey sein mag, er ist nicht dumm. Ich glaube keine Sekunde daran, dass er Siegfried auch nur ansatzweise in seine Pläne eingeweiht hat. Nein, der Deutsche ist nur eine weitere Schachfigur. Genau wie Pegasus eine war. Eine Schachfigur, die man problemlos vom Brett nehmen kann und ich glaube, dessen wird der Deutsche sich auch endlich bewusst. Unwillkürlich muss ich an damals denken. Auch ich habe gefleht, geweint. Die Verzweiflung drohte mich zu übermannen als ich die Flammen sah. Ein Teil von mir wollte sich ins Feuer stürzen. Oh ja, ein Teil von mir wünschte sich den Tod herbei wie einen guten Freund, der mich wieder mit meinen Liebsten vereint. Ich wollte sterben, mit ihnen verbrennen - alles nur nicht alleine zurückbleiben mit diesem grausamen Gefühl der Hilflosigkeit und Trauer. Doch dann war ein anderes Gefühl gekommen. Ein anderes Feuer hatte mich verzehrt und ich nachdem die Tränen endlich versiegt waren, hatte ich gewusst, was ich zu tun hatte. Rache. Vergeltung üben. Deshalb habe ich Kaiba auch nur zu gut verstanden. Vergeltung in einem biblischen Ausmaß. Das war auch mein Ansinnen gewesen. Damals. Vor so unendlich langer Zeit. Ich erinnere mich nur zu gut an das erste Leben, dass ich ausgelöscht habe. Damals war ich noch unkontrolliert vorgegangen, hatte mich von meiner Wut leiten lassen und ein wahres Blutbad angerichtet. Immer wieder hatte ich den Dolch in den zuckenden Körper niederfahren lassen und mir dabei vorgestellt, dass es dieser verfluchte Pharao wäre, dessen Leben ich auslösche, aber es war lediglich einer seiner Diener gewesen. Doch so hatte es begonnen und letztlich war es sogar so noch besser gewesen. Hätte ich diese Made gleich getötet, was hätte es verändert? Nichts. Meine Liebsten wären noch immer tot gewesen... Nein, mein Ziel war es, jedes Leben mit einem anderen zu vergelten. All die Menschen in meinem Dorf, die grundlos und schuldlos gestorben waren, sollten gerächt werden. Ja, das war mein Vorhaben gewesen und mein Plan hatte mir ein Teil meines Lebens zurück gegeben, mich vor eine neue Aufgabe gestellt. Oh und ich erinnere mich noch genau an den Tag als ich Seth zum ersten Mal sah. Den Vetter des großen Pharaos. Sein Vertrauter, sein Freund. Wie köstlich hatte ich es mir vorgestellt, den Priester zu töten und seinen geschundenen Leichnamen vor den Palast zu werfen. Atemu hätte direkt gewusst, wer ihm dieses hübsche Geschenk gemacht hat und ich habe mir das Gesicht des Pharao´s vorgestellt, wenn er seinen geliebten Vetter findet und... Aber alles war anders gekommen. "Es ist leichter, das Licht in sich selbst zu löschen, als der Finsternis in der Welt Einhalt zu gebieten, Kura." Seth´s Worte. Entschieden und sanft zugleich. Nein, es ist wahrhaftig alles anders gekommen. Ich schlucke hart als die vertraute Erinnerung wieder vor meinen Augen aufsteigt und es bedarf meiner ganzen Kraft sie wieder ins Dunkle zu verbannen. Nein, hier und jetzt ist nicht die Zeit daran zu denken. Ich will mich nicht erinnern. An nichts. Nicht einmal an diese Pharaonenmade, die meiner Vergeltung letztlich entgangen ist. Denn all das führt unweigerlich zu dem Gedanken, dass ich alleine übrig bin. Nur ich bin noch da. Der lebendige Beweise, dass es keine Hoffnung gibt, keine Erlösung. Dass all das nichts als Illusionen sind und es den süßen Frieden einfach nicht gibt. Etwas, dass auch Kaiba weiß. Kaiba. Ich kann es nicht verhindern, dass ich für einen Augenblick die Augen schließe. Es sind nur ein paar Sekunden, aber als ich sie wieder öffne, merke ich, dass Wheeler dieser Umstand keineswegs entgangen ist. Er sieht mich besorgt an. Ja, er wirkt tatsächlich besorgt. Warum auch immer. Ich weiche seinem Blick aus und wende mich wieder diesem rosanen Subjekt zu. "Wie habt ihr Kontakt aufgenommen?" will ich wissen. Mein Tonfall ist harsch und scheindend und er zuckt unwillkürlich zusammen. "Telefon." höre ich ihn dann leise wimmern. "Er hat... angerufen." Ich nicke. "Aber du hast ihn mindestens einmal gesehen." stelle ich fest. Er nickt kaum merklich. "Einmal." presst er dann mit tonloser Stimme hervor. "Aber... ich... er war..." Er bricht ab, aber ich kann mir denken, was er sagen will. "Maskiert? Verhüllt?" hake ich nach und er nickt wieder. "Alles grau." höre ich ihn sagen und werfe Wheeler einen kurzen Blick zu. Das Hündchen wirkt ebenso ratlos wie ich. Scheinbar fällt ihm auch kein Mensch ein, hinter dem er diesen Kerl vermuten würde. Ich seufze. Dieses Verhör wird zu nichts führen. Siegfried weiß nichts und dieser Grey hat seine Spuren zu gut verwischt. Er muss damit gerechnet haben, dass man die Spur zu dem Deutschen entdecken würde. Vielleicht wollte er auch, dass wir sie finden. Ja, gut möglich, dass wir genau so agieren, wie er es vorhergesehen hat. "Geh den Jungen holen." sage ich an Wheeler gewandt und der Blonde sieht mich erstaunt an. Für einen Moment blitzt wieder Entsetzen in seinen Augen auf, doch ehe er etwas sagen kann, kreischt Siegfried auch schon los. "Lasst Leon daraus..." Er versucht entschieden zu klingen, doch es ist lediglich ein weinerliches Flehen. Ich seufze. "Keine Panik, mein Lieber, noch habe ich keine Pläne für deinen Bruder." erkläre ich ruhig. Nicht etwa um ihn zu beruhigen. In so einer Situation würde ich nicht lügen. Wozu auch? Warum ihm etwas vormachen? Ich mag ein Sadist sein, aber ich bin kein verfluchter Bastard. Wheeler zögert. "Geh." zische ich ihn ungehalten an und er gibt sich einen Ruck. Im nächsten Augenblick bin ich mit Siegfried alleine. Der Deutsche atmet schwer. Ich strecke die Hand aus und berühre für einen Moment sein Haar. "Ist dir klar, dass dies die unmännlichste Farbe überhaupt ist?" frage ich. Er blinzelt, sagt jedoch nichts dazu. Ich lächele ihn an. "Da fällt mir ein... was hat es eigentlich mit diesem Bier auf sich?" will ich dann wissen und der Mann sieht mich verständnislos an. Ich verdrehe leicht die Augen. "Ihr Deutschen scheint darauf voll abzugehen." erkläre ich gelassen. "Deshalb hab ich es auch gleich mal probiert... Aber mal ehrlich, so toll ist das Zeug nicht." Siegfried betrachtet mich einen Augenblick und scheint keinerlei Ahnung zu haben, worauf ich hinaus will. In seinem Kopf arbeitet es allerdings schon wieder eifrig. Er überlegt vermutlich, was ich mit meinem Gerede bezwecken will und natürlich fragt er sich auch, was ich mit seinem Bruder vorhabe. Ich nehme mir Wheeler´s Glas und schenke mir aus der Karaffe ein. "Das Zeug zum Beispiel ist wesentlich besser." befinde ich und sehe ihm deutlich an, dass mein Plauderton ihm weitaus mehr Angst macht als mein harsche Art von vorhin. Ich grinse. "Bislang schlägst du dich wirklich gut. Hätte ich nicht gedacht." sage ich aufrichtig. "Ich hätte damit gerechnet, dass du ohnmächtig wirst... Aber nein, du hältst dich wacker." Ich proste ihm anerkennend zu und er presst die Lippen fest aufeinander. Ich nippe an meinem Drink und wende mich dann wieder dem Koffer zu. "Schade nur, dass du uns nicht wirklich etwas brauchbares zu liefern vermagst." seufze ich dann. "Er...ich wusste.. nicht..." beginnt der Deutsche zu stammeln, aber ich winke ab. "Schon gut, schon gut. Ich glaube dir doch. Cool down. Du bist nur eine Marionette, das ist mir klar." erkläre ich und er winselt wieder kurz. "Allerdings muss ich dir schon sagen, dass es keine gute Idee war, dich mit Kaiba anzulegen. Mal unter uns, da konnte doch nichts gutes bei rauskommen, oder?" Erneut treten Tränen in seine Augen und ich lächele ihn nachsichtig an. Kaiba hat mir ausdrücklich zu verstehen gegeben, dass es ihm egal ist, was aus Siegfried wird. Seine Anweisungen bezogen sich nur auf Wheeler. Das Hündchen muss heil zurückgebracht werden, der Deutsche... Es spielt keine Rolle für den Eisklotz ob ich ihn in Stücke schneide oder mir anderweitig die Zeit mit ihm vertreibe. "Ich nehme an, du hast nichts mehr brauchbares zu sagen." stelle ich ungerührt fest und leere mein Glas. Der Deutsche lässt mich nicht aus den Augen. Er gibt ein merkwürdiges Bild ab, so wie er gerade da sitzt. Sein Haar ist strähning geworden vor Schweiß, seine Brust blutüberströmt und seine Hand... Die zwei Finger sind erstaunlich angeschwollen und ich vermute, die Schmerzen sind barbarisch. Augenblicklich dürfte ihn lediglich der Gedanke an seinen Bruder aufrecht halten. Ja, ich glaube, er hätte schon längst resigniert, wenn es dieser Leon nicht im Hause wäre. "Ich glaube, dir liegt viel an deinem Bruder." sage ich und seine Augen werden noch einen Tick größer. "Ja, ich bin mir sogar sicher. Damit hast du übrigens etwas mit Kaiba gemeinsam." fahre ich fort. "Und ich kann dich verstehen. Oh ja. Familie ist wichtig. Sehr, sehr wichtig sogar und es gibt nichts schlimmeres als einen geliebten Menschen zu verlieren, nicht wahr?" Ich mache eine kurze Pause. Er rührt sich nicht. "Weißt du was ich glaube?" frage ich dann. Er antwortet natürlich nicht. "Für einen geliebten Menschen ist man bereit alles zu tun. Man wächst über sich hinaus. Man ist mit einem Mal zu allem fähig, gleichgültig was es ist. Sogar zu den abscheulichsten Greultaten." Ich seufze und bereue es im gleichen Moment das gesagt zu haben, denn unweigerlich bringen diese Worte meine Erinnerung zurück. Ich schenke mir nach und hoffe insgeheim, dass Wheeler gleich zurückkommt. Nachdenklich beäuge ich den Rosanen. "Wenn du noch etwas zu sagen hast, dann sag es jetzt." fordere ich ihn ernst auf. "Das ist sozusagen deine letzte Chance, deine Vergehen zu bereinigen und glaub mir, es ist wesentlich leichter vor die Götter zu treten, wenn du reinen Tisch gemacht hast." Er scheint über meine Worte nachzudenken. Sein Brustkorb hebt und senkt sich hektisch und ich vermute, der denkt an die Worte, die ich ihm eingangs gesagt habe. Dass er ohnehin nicht lebend hier rauskommen wird und ich schätze, er ist fast an dem Punkt angelangt, an dem er sich damit abzufinden beginnt. Oh, ja. Aber er wird es noch nicht tun. Nicht solange sein Bruder lebt und er sich an seiner Hoffnung festklammert. Hoffnung... Wie albern es doch ist, sich an so etwas zu klammern. Zu hoffen... Wieder triften meine Gedanken ab, ohne dass ich etwas dagegen zu tun vermag. Bei Ra, was ist heute nur mit mir los? Warum vermag ich es nicht zu verhindern, dass die Geister der Erinnerung mich heimsuchen - hier und jetzt, zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt? Alles nur wegen Seto Kaiba? "Sag was du willst, Kura, aber Kaiba geht dir unter die Haut. Ich weiß nicht, warum dem so ist. Vielleicht hat es mit - ... nun, ich weiß es nicht, aber er ist dir nicht egal und dir ist auch nicht gleichgültig, was zwischen Wheeler und ihm läuft. Ich glaube, du bist dabei dein Herz wiederzuentdecken, Kura..." Dieser verfluchte Alister mit seinen rauchigen Augen und diesem zaghaften und doch bestimmten Tonfall. Ich hätte ihm den Hals umdrehen sollen, aber nein. Ich konnte ihn noch nicht einmal zum Schweigen bringen. Und warum? Ich weiß es nicht... nicht wirklich. Letztlich ist es auch egal. Es hätte ohnehin nichts geändert. Seine Worte waren gesagt und der Kleine traf damit unweigerlich ins Schwarze. Ich gebe mir einen Ruck und fasse mich wieder. Augenblicklich spielen weder Alister noch Kaiba noch meine Gefühle eine Rolle. Hier und jetzt geht es um die Mission. Um Siegfried. "Ich glaube, du hörst mir nicht zu." sage ich nachdem er sich keinen Milimeter rührt und greife erneut zu der Zange. Mein Herzschlag ist vollkommen ruhig als ich ihm sein Ohr abtrenne. Er gibt einen bestialischen Schrei von sich, der erneut Erinnerungen in mir zu wecken beginnt und ich spüre sein warmes Blut auf meinem Arm. "Gott!" höre ich ihn schreien. Einmal, zweimal. Ich lächele ihn spöttisch an. "Mein Erfahrung hat mich gelehrt, dass kein Gott einem je zur Hilfe geeilt ist." erkläre ich und leere mein Glas. "Nein, kein einziger Gott hat je einen Hilferuf wirklich erhört. Und glaub mir, ich muss es wissen." Ich habe nach Ra gerufen als ich mein Dorf brennen sah. Ich war bereit mein Leben zu opfern, wenn er die Flammen löschen würde. Auch an die anderen Götter habe ich mich in meiner Verzweiflung gewandt und gefleht, sie mögen mich erhören. Isis, Osiris, Anubis... Irgendwer sollte mir beistehen, koste es was es wolle, aber nein. Nichts war passiert. Die Flammen loderten nur noch höher und der Geruch von brennendem Fleisch stieg mir in die Nase so unbarmherzig und gnadenlos, dass ich mich übergeben musste bei dem Gedanken, wessen Fleisch die Flammen da verzehrten. Unwillkürlich fühle ich es wieder. Rieche den Qualm, den Gestank und bin erleichtert als die Tür sich öffnet und Wheeler mit dem Kleinen auf dem Arm eintritt. Er ist noch immer bewusstlos und hängt wie eine schlaffe Puppe in den Armen des Blonden. "LEON!" wimmert Siegfried auf und sein Blick hängt an Wheeler, der den Jungen behutsam auf das Sofa legt und mich dann fragend ansieht. Ihm ist nicht entgangen, dass die Hälfte von Siegfried´s Gesicht in Blut getaucht ist. Als er den Mund öffnet, ahne ich was kommen wird, aber bevor er etwas zu sagen vermag, geht das Telefon. Das Klingeln lässt sowohl den Deutschen als auch Wheeler zusammen zucken. Ich werfe einen gleichgültigen Blick über die Schulter und zu dem Telefon auf dem Schreibtisch. Das Klingeln durchbricht die grausige Stille, die augenblicklich in dem Raum herrscht. Keiner rührt sich. Es dauert nicht lange und der Anrufbeantworter geht ran. Ich vernehme Siegfried´s Stimme, ruhig und sachlich, ganz anders als die mit der er eben noch mit mir geredet hat. Ein totaler Stillbruch und ich kann nicht umhin den Deutschen anzusehen während ich ihn auf dem Band so natürlich reden höre. Der Widerspruch ist so herrlich grotesk, dass ich lächeln muss. Im nächsten Moment erstarre allerdings auch ich. "Ich bedauere, dass unsere Geschäftsbeziehung auf diese Weise endet, mein lieber Siegfried." vernehme ich eine merkwürdig klingende Stimme. "Ja, ich bedauere es wirklich sehr." Mein Blick trifft den von Wheeler und wir starren uns entgeistert an. "Ich nehme an, meine Herrn, sie sind noch eifrig bei der Arbeit. Nun, ich möchte sie auch nicht weiter dabei stören. Ich habe lediglich eine kleine Nachricht für unseren gemeinsamen Freund." redet die Stimme auf dem Band weiter und zum ersten Mal seit einer Ewigkeit habe ich das Gefühl, dass mein heißes Blut stark abkühlt. Aus Wheeler´s Gesicht ist alle Farbe gewichen, ich glaube er hält sogar gebannt die Luft an. Siegfried ebenso. Einen Augenblick spiele ich mit dem Gedanken, den Hörer abzunehmen, aber ich rühre mich nicht. Wie erstarrt sehe ich da, immer noch die Zange in der Hand und lausche der seltsam unwirklichen Stimme, die merkwürdig verzerrt klingt und mich unwillkürlich an einen dieser Horrorfilme denken lässt, den ich letztens noch mit Alister gesehen habe. "Das ist erst der Anfang." erklärt die Stimme. "Ich bin noch lange nicht fertig mit dem werten Seto. Im Gegenteil. Die Spiele haben gerade erst begonnen. Ich habe noch eine Menge mit ihm vor. Oh ja und nichts davon wird ihm gefallen oder schnell vorbei sein. Sagen sie ihm das bitte. Und sagen sie ihm auch, dass wenn ich mit ihm fertig bin und endlich so gnädig sein werde, ihn zur Hölle zu schicken, wird ihm diese wie das Paradies erscheinen." Wheeler atmet heftig aus. Sein Mund klappt auf und ich höre, dass das Band fast am Ende ist. "Und nun, meine Herrn, wünsche ich ihnen noch viel Spaß. Ich hoffe, dass sie die Nachricht noch übermitteln können." Es klickt und der Anrufer hat das Gespräch somit beendet. Einen Augenblick sehen Wheeler und ich uns in die Augen und wieder habe ich das Gefühl, dass der Blonde das Gleiche denkt wie ich. Dann höre ich ihn laut fluchen und bin erstaunt, solche Worte aus seinem Mund zu hören. Ich setze gerade zu einer sarkastischen Bemerkung an als mich ein Gedanke durchzuckt. Mein Blick wandert kurz zu Siegfried, dann zu dem Jungen und schließlich wieder zu Wheeler. "Wir müssen hier raus." erkläre ich und das Hündchen sieht mich verständnislos an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)