Die Geister die wir riefen... von Eris_the-discord ================================================================================ Kapitel 31: ------------ Desto weiter Ray lief, desto mehr flaute das drückende Gefühl auf seinen Schläfen ab. Es war ein schwacher Trost, doch er versuchte positiv zu denken, auch wenn es ihm noch so schwer fiel. Ein klarer Kopf war das Einzige was ihm jetzt noch blieb. Er verweigerte sich jegliche Gedanken in Richtung seiner Familie, seiner Freunde, seinem alten Leben… Es hätte ihn nur dazu verleitet seine Entscheidung zu überdenken. Oder sogar daran zu verzweifeln. Das konnte er nicht gebrauchen. „Denk an etwas Schönes.“ Einen Moment hielt er inne. Die Luft war frisch und von einer angenehmen Kühle. Wie in den Wäldern seines Heimatdorfes. Als er es so überstürzt verlassen hatte, lagen die Bäume in ihrem bunten Herbstkleid. Das Farbenspiel begann in den Ästen und hinterließ irgendwann eine leuchtende Decke aus Rot-, Gelb- und Brauntönen auf dem Erdboden. Ray hielt inne. Seine stützende Hand ruhte auf der groben Rinde eines Baumes und zitterte. Er tat es schon wieder… Ständig schweiften seine Gedanken zurück zu seinem alten Leben. Ein wehmütiges Lächeln trat auf sein Gesicht. Genaugenommen entsprach das, was er hier tat, der blanken Ironie. Er hatte China unbedingt verlassen wollen und nun, da er es nie wieder sehen sollte, war es mitunter einer der schmerzlichsten Erinnerungen. Eigentlich hatte er sich die Auswanderung doch nur schön geredet. Die Ein-Kind-Politik war ihm ein Dorn im Auge gewesen. Die Angst vor den Mädchenräubern hatte ihm das Herz zugeschnürt. Da war der Streit mit Mariah doch nur der Tropfen der das Fass zum Überlaufen brachte. Hätte ihn jetzt jemand gefragt, er wüsste dennoch keinen schöneren Ort als seine Heimat. Es war sonderbar, doch sobald ihn die Sehnsucht danach packte, kam ihm die Luft dort sauberer, die Bäche klarer und das Grün der Bäume satter vor. Ray wusste noch, wie er einmal vor seinen Freunden, von den Nächten in seinem Dorf geschwärmt hatte. „Du siehst dort viel mehr Sterne als in Tokio. Einfach weil die Luft dort sauberer ist. Es gibt keine Hochhäuser, die deine Sicht trüben und wenn du zum Mond schaust, kannst du jeden einzelnen Krater auf ihm zählen.“ Er wusste noch wie Tyson gelacht hatte und ihm vorwarf zu übertreiben. Bis der sich bei seiner Hochzeit mit Mao selbst ein Bild davon machen konnte. Seine Freunde waren eine ganze Woche geblieben und Ray hatte sie zum höchsten Punkt, ihres Dorfes geführt. Von einem Hügel aus, blickten sie auf das Tal hinunter und in seiner Euphorie konnte Tyson nicht anders, als einen lauten Jubelschrei fahren zu lassen. Er fand den Ausblick einfach zu herrlich. Sein Ruf war noch lange als Echo zu vernehmen, bis auch Max johlend einstimmte. Der Dorfälteste meinte einmal grinsend, man habe ihre Stimmen, bis in den leisesten Winkel jeder Hütte vernommen. Seine Freunde hatten damals gemeint, dass sie nun öfters zu Besuch kommen wollten. Dafür war es wohl nun zu spät… Ray schloss die Lider und ermahnte sich nicht daran zu verzweifeln. Es stellte keine Verbesserung seiner Situation dar. Er fröstelte als ein Windhauch durch das Blätterdach fegte. Es war eiskalt und aus dem Hauch wurde schnell eine heftige Böe. Sein Blick richtete sich zu dem Geäst über ihm und seine Intuition sagte ihm, dass etwas daran verkehrt war. Das Blätterwerk rauschte zu heftig und irgendwo in der Ferne, vernahm er ein geräuschvolles Poltern, als stürze ein Baum einen Hang hinab. Das Rascheln wurde hinter ihm lauter. Ray kniff die Augen zusammen und wachsam schaute er in den finsteren Dschungel hinter sich. Er machte kleine funkelnde Punkte aus, die eiligst auf und ab hüpften. Der Anblick kam ihm bekannt vor, bis eine Schar Strommäuse an ihm vorbeihuschte. Genau wie bei Dizzys Beerdigung, flitzten die winzigen Bit Beasts, als farbenfrohe Blitze zwischen seinen Beinen hindurch. Dabei fiepten sie in heller Aufregung: „Aus dem Weg!“ „Schnell beeilt euch!“ „Den letzten holt der Drache!“ Eine Springmaus traf Rays Wade. Er schrak auf als die elektrische Ladung ihn durchfuhr, genauso wie das Feldmäuschen, was gegen ihn gerannt war. Es schüttelte sich verwirrt und quiekte panisch als es ihn erblickte. Dann flackerte es auf und suchte das Weite. „Ach verdammt, bleibt mir heute nichts mehr erspart?“, fauchte er erbost und rieb sich die Wade. Der Stromschlag tat höllisch weh. Unweigerlich musste sich Ray fragen, was er in seinem früheren Leben ausgefressen hatte, um so etwas zu verdienen. Vielleicht war er ein Kinderschänder gewesen, ein Kannibale, ein Serienkiller – oder sogar Hitler! Inmitten seiner frustrierten Überlegungen, schwoll der Sturm um ihn herum zu voller Kraft an. Er musste einen Unterschlupf finden, bis die Windböen sich gelegt hatten. Mit einem unguten Gefühl dachte er dabei an seine Freunde. Ob sie ohne ihn klar kamen? Er hoffte inständig, das Galux sie bereits aus diesem Teil der Irrlichterwelt führte und sie somit dem aufbrausenden Orkan entkamen. Wenige Meter neben ihm krachte es da plötzlich laut. Ray fuhr erschrocken auf, da kippte auch schon ein Baumstamm dicht neben ihm um. Er musste weg. Sofort! Sein Blick haftete an der zertrümmerten Rinde und ihm wurde klar, wie knapp der zentnerschwere Stamm sich neben ihm in die Erde fraß. Er formte unter sich eine Kuhle und türme den Dreck zu beiden Seiten nur so auf. Und da geschah es… Es war nur ein flüchtiger Moment der Unachtsamkeit. Er hatte nur darüber nachgedacht das er jetzt unter diesem Stamm liegen könnte. Dabei versuchte er einzuschätzen, wie viel Gewicht auf seinen Körper gewirkt hätte, denn ihm wurde klar, dass sämtliche seiner Knochen zertrümmert worden wären. Ein dicker Kloß schwoll in Rays Hals an. Da vergaß er dem Blätterwerk über ihm mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Dort schwebte ein dicker Ast, weniger Meter über dem Boden und schaukelte heftig im Wind. Eine tiefe Kerbe zog sich durch dessen Oberfläche. Mit jeder Böe die ihn erfasste wurde der Riss größer. Er wippte und klackte. Immer wieder… Und zu dem Zeitpunkt, als er den äußerlichen Krafteinwirkungen nachgab, stand Ray noch genau unter ihm. Als es über ihm krachte, jagte sein Blick hinauf. Er reagierte zwar schnell, aber nicht schnell genug. Als er zur Seite hechtete, war der Ast bereits auf voller Talfahrt. Das Holz brach über ihm zusammen und zerbarst in zwei Hälften. Etwas erwischte ihn am Hinterkopf. Ray schaffte es nur noch sich auf den Bauch zu werfen und fühlte kurz darauf einen betäubenden Schmerz im Oberschenkel. Wie gelähmt verweilte er einen Moment, mit weit aufgerissen Augen auf dem Boden. Ein Schmerzensschrei wollte aus seiner Kehle kommen, doch der Laut blieb im Angesicht der immensen Qualen nur ein abgehacktes Keuchen. Augenblicklich begann sein Körper unter der Anstrengung zu erzittern. Ray stemmte benommen seine Brust hoch, um besser über seine Schulter spähen zu können. Er wollte wissen was da passiert war, denn sein Bein ließ sich nicht anheben. Der Tunnelblick war wieder da… Der Schmerz legte einen betäubenden Schleier auf seinen Verstand. Seine Pupillen huschten über seinen Oberschenkel. Etwas ragte dort heraus. In der Finsternis machte er nicht viel aus, doch als der Mond eine seine Strahlen zu ihm herab senkte, tauchte er seinen Körper in sein kaltes Licht - und offenbarte ihm das Ausmaß der Verletzung. Ray stockte der Atem. Gefangen in seinem Schockzustand, war es alles wozu er im Stande war. Er sah Geäst. Kleine Zweige. Große Zweige… Und inmitten dieses Wirrwarrs aus Blättern und Dickicht einen kräftigen Ast, der sich wie ein Pflock durch seinen Oberschenkel bohrte und ihn fest auf den Boden pinnte. Zitternd versuchte sich Ray aufzurichten und womöglich das Astwerk mit sich. Es hatte nur so viel Wirkung, dass der Schmerz ihm durch alle Glieder jagte und er laut aufbrüllte. Dann kroch die Panik in seinem Körper hoch und ließ ihn geradezu in seiner Stellung gefrieren. Er kam nicht mehr alleine frei. Nicht unter diesen Voraussetzungen. Verstört legte Ray seinen Kopf auf den kalten Erdboden. Der Geruch von Gras und feuchter Erde stieg ihm in die Nase. Seine Finger krallten sich in die Halme. Erst langsam begriff er wie schnell sein Atem nun ging. „Ray!“ Er hielt es für eine Einbildung. Er meinte Tysons Stimme inmitten des Sturms auszumachen. Der Wind toste bedrohlich, als ob eine wütende Bestie anklagende Worte brüllte. Wie ein wildes Tier… „Ray! Bitte komm zurück!“ Diese Person klang besorgt. Ihre Stimme überschlug sich förmlich. „Max?“, murmelte er die leise Erkenntnis ins feuchte Gras. Sein Verstand konnte nicht klar denken. Ray war wie betäubt. Er spürte wie ihm durch den Schlag auf den Hinterkopf, das warme Blut an der Wange herabrann. Aus den Augenwinkeln nahm er vage eine Lichtquelle wahr, welche nicht vom Mond herrührte. Sie näherte sich und leuchtete hektisch die Umgebung ab. „Ich wittere ihn!“ Über ihm knackte das Blätterwerk weiter. Irgendwo polterte etwas in der Dunkelheit herab. Es klang wie ein Erdrutsch. Ihm ging durch den Kopf das seine Eltern bei einem Erdrutsch gestorben waren. „Großer Gott! Tyson da unten!“ Der Lichtkegel kam näher. Er hörte schlitternde Laute. Schritte die sich eiligst näherten und den Sturm um ihn herum. Dann umgriffen Finger seine Schultern. Er spürte Hände die ihn vorsichtig berührten. „Ray, hörst du mich?“ Max Gesicht erschien in seinem Blickfeld. Es war aschfahl. Die tiefblauen Augen weit aufgerissen. Er fühlte zwei Finger die seinen Hals abtasten. Sie verweilten an einem Punkt. „Er lebt!“ „Warum antwortet er nicht?“ „Ich glaube er steht unter Schock!“ „Tyson, schau mal da! Da ist ein Stock in Rays Bein.“ Eine Kinderstimme… Was machte ein Kind hier? Die Menschen um ihn herum verstummten einen Moment. Ein grüner Blitz erhellte den Himmel in sein unnatürliches Licht. Er meinte diesen Anblick zu kennen. „Scheiße. Das sieht verdammt übel aus.“ „Es hat sich durch sein Bein gebohrt… Er steckt fest!“ „Wir müssen ihn rausziehen.“ „Und wenn es alles nur schlimmer macht?“ „Der Ast hat ihn am Boden fixiert. Wir haben keine andere Wahl, Max! Wir können wohl schlecht einen Sanitäter hier her rufen!“ „Dein Freund spricht die Wahrheit. Tu was er sagt, Junge.“, vernahm Ray eine angenehme Stimme. Sie klang weich, jedoch drängend, als wäre Eile geboten. Er blinzelte müde. Seine verklärte Sicht ließ ihn nur erahnen, wie sich jemand neben ihm herabgekniete. Er kam nicht darauf wer das war… „Ich habe aber mal gehört, dass gerade so etwas die Blutung stoppt. Wenn wir den Ast herausziehen, könnte das…“ „Bitte. Habt Vertrauen in mich. Ich weiß wovon ich spreche.“ „Max, verdammt noch mal! Denk nicht so viel nach! Sie wird uns schon helfen!“ „Woher willst du wis-…“ „Ich weiß es einfach! Überleg nicht so viel!“ „Okay, okay…“, es klang beunruhigt. „Steckt ihm einen Zweig zwischen die Zähne, damit er sich nicht auf die Zunge beißt. Und um seinen Schrei zu vermindern. Was ihr jetzt tut wird ihm schlimme Schmerzen bereiten. Wir sind einem Uralten entkommen, es ist nicht nötig, das wir jetzt auch noch die Aufmerksamkeit von anderen Bit Beasts erregen!“ Ray spürte jemanden hinter sich. Er kam mit seinem Mund ganz nah an sein Ohr. „Tut mir Leid. Wir müssen das jetzt machen. Du schaffst das. Bitte halt noch etwas durch.“ War das Tyson? Seine Finger strichen ihm beruhigend über den Kopf, dann schoben sie etwas zwischen seine Lippen. Er schmeckte altes Holz auf seiner Zunge. „Kai komm her.“, Ray vernahm vage wie sein Freund sich mit dem Kind unterhielt. „Halt seinen Kopf und sprich ihm gut zu. Er soll wissen dass wir hier sind. Machst du das?“ „Okay.“ „Guter Junge. Komm.“ Kurz darauf fühlte er ein kleineres Paar Hände, dass sich auf seinen Haarschopf legte. Es strich mitfühlend durch seine Strähnen. Er hörte die Kinderstimme, welche ihm beteuerte, dass alles gut werden würde… und dass er nicht allein war. „Max, halt sein Bein fest. Ich ziehe. Auf drei!“ Finger schlossen sich um die schmerzende Stelle. Sie pressten sein Bein fest in den Untergrund. Ray vernahm dumpf wie Tysons Stimme herabzählte. Langsam begriff er was sich um ihn herum anbahnte. Noch bevor er in Panik protestieren konnte, ging ein höllischer Ruck durch seinen Oberschenkel. Er schrie seinen Schmerz hinaus, wie ein Raubtier das in der Falle saß. Dann wurde alles Schwarz… * Judy Tate. Hana blickte auf den Namen der von dem kleinen Notizblock zu ihr aufschaute. Eine weitere tragische Gestalt. Ein weiteres Puzzlestück das sie nicht in Einklang mit der Gesamtsituation bringen konnte. Dann schrieb sie dahinter: Ertrunken. Und fügte hinter dem Namen die Familienangehörigen ein. So verfuhr sie mit jedem Namen. Großvater Kinomiya. Vermisst. Sie zeichnete drei Linien dahinter welche den alten Mann mit seinen Enkeln und deren Vater verband. Letzterer – so wusste sie bereits von Hiro – war so gut wie nie zuhause anzutreffen. Sie hatte ihn auch niemals persönlich kennengelernt und empfand das als traurig, aber ihr Verlobter meinte damals nur, dass sein Vater ebenso sei. Er schien sich damit abgefunden zu haben, dass Tatsuya Kinomiyas Beruf einen höheren Stellenwert besaß, als seine Pflichten gegenüber der eigenen Familie. Bei Hitoshis Namen auf dem Papier wurde ihr schrecklich flau im Magen. Am liebsten hätte sie geschluchzt, doch sie verwehrte es sich. Die nächsten Jahre würde sie reichlich Zeit finden, um ihrem Verlobten hinterher zu weinen. Jetzt hatte sie ein Versprechen zu erfüllen. Jana Hiwatari. Sie kritzelte dahinter: Nach Brand vermisst. Im selben Krankenhaus wie Großvater Kinomiya. Seitdem verschwunden. Zufall? Hana dachte nach. Eigentlich kannte sie die Antwort und strich das letzte Wort wieder durch. Es folgte ein weiterer Strich, der das kleine Mädchen mit ihrem Bruder verband. Bei Ray verfuhr Hana anders. Zuerst notierte sie dessen Namen und kritzelte ein Fragezeichen daneben. Sie tippelte nachdenklich, mit den Nägeln gegen das Lenkrad und tat ihren Gedanken dann kund. „Kennst du jemanden der Ray besonders nahe steht?“ „Mariah wahrscheinlich.“ „Wer ist das?“ „Seine Frau.“ Hana nickte nachdenklich und notierte neben dem Fragezeichen den Namen. „Sonst noch jemand?“ „Keine Ahnung.“ „Denk doch wenigstens nach. Seine Eltern?“ „Die sind tot. Er hatte noch einen Onkel aber der ist vor drei Jahren an Krebs gestorben.“ „Ist das alles? Mehr Verwandtschaft hat er nicht?“ „Lee…“ „Und das ist wer? „Mariahs Bruder.“ „Hat er mit seinem Schwager ein besonders gutes Verhältnis.“ „Hmm…“ Die Tonlage von Kenny ließ Hana aufblicken. Erst jetzt bemerkte sie wie blass er war. „Alles in Ordnung?“ „Nein.“, seine Stimme klang beklommen. „Hey, was ist los?“, mitfühlend legte sie eine Hand auf seine Schulter und fuhr tröstend darüber. „Du siehst aus als würdest du am liebsten weinen.“ „Bitte lass mich einen Moment in Ruhe. Ich muss das verdauen...“, er nahm die Brille ab und rieb sich unter den langen Strähnen die Augen. Dabei verkündete das Hochziehen seiner Nase, dass er tatsächlich um Fassung rang. „Hast du Maxs Mutter gekannt?“ Er lachte erstickt auf. „Natürlich! Sie war eine Koryphäe auf ihrem Gebiet. Bevor die Beybladewelle abgeklungen ist, hatten wir regelmäßigen Emailkontakt und haben unser Wissen ausgetauscht. Ich habe Max immer wegen seiner Mutter beneidet. Sie hat sich für das, was er getan hat, so begeistern können. Meine Eltern waren dagegen eher damit beschäftigt, darüber nachzudenken, welche Nudelsuppe sie als Tagesgericht anbieten. Judy dagegen hat mich verstanden. Sie war mein Vorbild. Und ein wirklich herzensguter Mensch…“ „Das glaube ich dir.“ Kenny zog die Brille wieder auf und atmete tief ein. Er fuhr sich über den Mund. Seine Kehle fühlte sich trocken an. „Armer Maxi… Ich verstehe das nicht. Dieses ganze Chaos. Das können doch keine Zufälle mehr sein.“ „Der Ansicht bin ich auch.“, Hana blickte auf ihren Notizblock. „Bitte sag mir nicht, dass du glaubst, dass meine Freunde wirklich dahinter stecken.“ Sie wiegte ihre Antwort sorgfältig ab. „Ich denke ein Zusammenhang ist definitiv da – aber nicht so wie du es annimmst. Die Fäden laufen alle bei ihnen zusammen. Das sie also der Kern des Rätsels sind, lässt sich nicht abstreiten. Doch ich glaube, dass sie eher unfreiwillig in etwas hineingerutscht sind.“ „In was aber?“ „Ich weiß es nicht. Aber eines kann ich dir sagen… Es ist zu offensichtlich, dass ihnen da jemand etwas anhängen möchte. Hätten sie wirklich versucht ihre Angehörigen – aus welchem Grund auch immer – aus dem Weg zu räumen, hätten sie es logischerweise nicht zum selben Zeitpunkt machen dürfen. Sie müssten schon sehr naiv sein, um zu glauben, dass so etwas nicht auffällt. Die Polizei weiß, wer alles mit Tyson verschwunden ist. Man hätte nur im Hotel nach Maxs Daten nachfragen müssen und schon wären sie an seinen Vater gekommen. Früher oder später wäre also herausgekommen, dass Maxs Mutter ebenfalls etwas zugestoßen ist. Und euer Freund Kai ist ein hohes Tier. Allein der Brand war groß in der Presse. Sicherlich sucht die Polizei schon nach dem Hiwatari Mädchen.“ Kenny atmete beruhigt aus. Ihm fiel ein Stein vom Herzen, dass seine Verbündete in der Aufdeckung dieses Komplotts, nun auch an der Schuld seiner Freunde zweifelte. Er hatte Hana bisher noch nicht hundertprozentig über den Weg getraut, denn sie war nun einmal eine Außenstehende, welche nicht den Zusammenhalt innerhalb der Gruppe kannte. Außerdem wirkte sie etwas schroff, was ihn manchmal einschüchterte. Mittlerweile legte sie geistesabwesend die Finger ans Kinn und fuhr fort. „Diese Ereignisse überschlagen sich geradezu, als stände jemandem nur eine kurze Zeitspanne zur Verfügung, um zuzuschlagen.“ „Ich habe echt Angst um meine Freunde.“, sprach Kenny nun offen aus. „Was ist wenn sie… naja. Du weißt schon.“ „So darfst du nicht denken. Versuch positiv zu bleiben.“ „Das fällt mir leider schwer.“ „Kennst du diese Mao?“ „Natürlich. Ich war auf Rays Hochzeit.“ „Wir sollten sie anrufen. Ich habe ein verdammt schlechtes Gefühl. Vielleicht müssen wir sie warnen.“ „Mariah lebt in China.“ „Ich dachte sie heißt Mao?“ „Das ist ihr richtiger Name. Mariah der Spitzname.“ Als Hana den Mund öffnete – wahrscheinlich um ihn darüber zu belehren, das Spitznamen den Sinn hatten, kürzer als der eigentliche Name zu sein – tat er eine unwirsche Bewegung mit der Hand. „Wie auch immer, sie lebt in China in einem alten Kuhdorf. Es wird schwer werden sie zu erreichen. Außerdem ist sie Ray fremdgegangen und er will sich von ihr scheiden lassen.“ „Trotzdem. Wir sollten nachhaken. Aber zuerst fahren wir ins Krankenhaus.“, beschloss Hana und startete den Motor. Sie legte den Blinker ein und fädelte sich in den Verkehr. „Vielleicht herrscht dort ein solches Durcheinander das wir gar nicht weiter auffallen.“ „Aber dort sind sie doch definitiv nicht. Willst du etwa mit der Krankenschwester sprechen, die dort angegriffen wurde? „Nein. Das ist zwecklos. Die wird sicherlich im Auge behalten und wir sollten der Polizei aus dem Weg gehen.“ „Was wollen wir dann dort?“ „Es gibt noch eine Möglichkeit die wir noch nicht bedacht haben. Der Eingangsbereich wird bei Krankenhäusern für gewöhnlich überwacht. Womöglich kommen wir an das Filmmaterial. Es wird aber sicherlich nicht so einfach wie beim Hotel.“ Kenny setzte sich kerzengerade auf. „Fahr mich zuerst nachhause. Wir müssen meinen Ersatzlaptop holen.“ „Warum?“ Er grinste sie an. „Wirst du sehen wenn wir vor dem Krankenhaus stehen. Glaub mir... Es wird nur von Vorteil sein.“ * Ein langer Schweif peitschte durch den Dschungel und mähte jeden Baum nieder, der ihm im Weg stand. Ein paar Drachenschuppen fielen vom Körper, dennoch traf Dragoon den fauchenden Tiger geradewegs am Schädel. Ein lautes Knurren erfüllte die Umgebung, während sich mehrere Windhosen um den Kampfplatz gebildet hatten, welche das umliegende Gestrüpp in ihren Rüssel aufsogen. Dazwischen wurde das Land von heftigen Erdbeben erschüttert. „Was sollen wir machen? Wir sitzen fest!“, Mathildas Bit Beast starrte mit bangen Blick hinauf zum Himmel, wo sich ein weiterer Tornado bilden wollte. Es hätte wohl doch nicht die Gestalt eines Igels wählen sollen. Zum einen ließ es sich mit den kurzen Beinchen schlecht laufen, zum anderen musste es dem Drang widerstehen, sich zu einer Kugel zusammenzurollen. Pierce Hedgehog hatte doch eigentlich nur seine Arbeit verrichten wollen und sich aus seinem Bau herausbewegt, um in der Menschenwelt, die Kastanien mit ihren stacheligen Hüllen zu versehen. Nun fand es sich hier mit anderen Leidensgenossen zusammen, die nicht mehr aus dem Dschungel herauskamen, weil sie nicht fliegen konnten. Diejenigen die einen Bau hatten, wären ja wieder hineingekrochen, um tief unten in der Erde Schutz zu suchen, doch die Angst vor Drigers Erdbeben hielt sie davon ab. Die Aussicht lebendig begraben zu werden, war ebenso furchteinflößend, wie in der Luft zerrissen zu werden. Dennoch wünschte sich das Bit Beast Fliegen zu können. Immerhin hätte es noch eine Option besessen, um dann aus dem Kampfgebiet zu verschwinden. Doch selbst diese Fähigkeit versprach kurz darauf keine hohen Überlebenschancen. Die angesammelten Bit Beats beobachteten erschrocken, wie Falborg in der Nähe der kämpfenden Uralten, kreischend durch das Blätterdach brach und versuchte vor dem Sog des Sturmes zu flüchten. Das adlerartige Wesen flatterte um sein Leben, doch die Finger des Windes packten ihn und zogen ihn immer weiter zum Auge des Tornados. „Oh nein, ich mag gar nicht hinsehen!“, wimmernd schlug Pierce Hedgehog die Pfoten vor das Gesicht. „Was machen diese Ungetüme denn bloß?“ „Sie richten ein ebenso großes Unheil an, wie damals bei dem Turnier der Uralten! Erinnert ihr euch?“, Salamalyon war ein goldgeschupptes Salamander Bit Beast, dessen Kind Johnny hieß. Durch die kürzliche Niederlage von Dranzer, gegen den König der Bit Beasts, hatte es schwer mit der Erfüllung seiner Aufgabe zu kämpfen. Für gewöhnlich wäre es gar nicht in diesem Teil der Irrlichterwelt anzutreffen gewesen, doch neuerdings musste es zu Fuß seine Reisen antreten, denn es konnte nicht mehr durch die Magmaströme treiben. Die waren nach Dranzers Verlust komplett versiegt, denn er bekam keine Energie mehr von ihr, dabei war Lava Mutter Naturs Art, Erde an die Oberfläche zu holen, um neue Inseln entstehen zu lassen. Ein Fauchen drang unmittelbar in ihrer Nähe an ihr Ohr. Die Bit Beasts blickten verängstigt in die Richtung aus welcher das Poltern zu vernehmen war. Dann fielen zwei riesige Gestalten durch die Bäume. Unter der Last der massigen Körper, brachen sie wie trockene Zweige. Scharfe Drachenklauen blitzten im Mondlicht. Hellleuchtende Augenpaare in welche der pure Zorn sprühte. Pierce Hedgehog gab ein spitzes Quieken von sich und flüchtete so schnell ihn die kurzen Igelbeine tragen konnten. Salamalyon hatte das Pech für einen Moment unter den riesigen Körpern begraben zu werden. Es blieb benommen am Boden zurück. Die Kämpfenden scherte es nicht. Driger hielt Dragoons Kehle in seinem festen Griff. Der kräftige Kiefer grub die Zähne so unnachgiebig in die schuppige Haut, bis die ersten Furchen auf ihr aufsprangen. Selbst einen Drachen ließ Drigers Gebiss nicht kalt. Ein bedrohliches Brüllen drang aus der Kehle des Kontrahenten, bis Dragoon seinen schlangenartigen Schweif, um den Unterkörper des Tigers drehte. Der erste Versuch ihn von seiner Kehle wegzuziehen misslang. Driger hatte sich fest in seinen Hals verbissen. Wäre er ein Mensch, hätte Dragoon gleich eine blutige Sauerei erwarten müssen. Dennoch musste er gestehen – auch als Geist tat das hier verflucht weh. Für den nächsten Ruck brachte er seine gesamte Kraft auf. Es hatte zur Folge, dass er den Tiger von sich bekam, allerdings unter dem Verlust einige seiner steinharten Drachenschuppen, welche die weichere Hautschicht darunter entblößten. Das war keineswegs angenehm. Hätte Driger ihm bei vollem Bewusstsein einen Zahn gezogen, wäre ihm das weniger aufgefallen. Dranzer war mit ihrem Schnabel nur spärlich durch die Haut gekommen, ganz zu schweigen von ihren Flammen, welche ihn zwar verkohlten, aber nicht so schlimm in Mitleidenschaft gezogen hatten, dass er sich nicht mehr regenerieren konnte. Das hier würde seine Zeit in Anspruch nehmen. Er holte aus und im hohen Bogen warf er den Tiger auf den Boden. Mit einem lauten Donnern grub er sich durch die Wucht ins Erdreich. Um sein linkes Bein lag noch Dragoons Schweif. Bevor er sich wieder aufrichten konnte, hob er Driger erneut auf und ließ ihn wieder durch die Luft fliegen, nur dieses Mal in die entgegensetzte Richtung. Er wiederholte das Spiel. Immer wieder… Diese dummen Vierbeiner kamen nicht klar, wenn man einen ihrer Beine packte, erst Recht nicht, wenn man sie auf den Rücken fallen ließ. Mit jedem weiteren Mal wo Dragoon Schwung holte, packte er mehr Kraft in den Schlag. Sein Kiefer mahlte vor Zorn und er konnte gar nicht sagen, wie viel Genugtuung es ihm bescherte, diesen Verräter zu quälen. Mit einem finalen Schlag brüllte er seine Wut hinaus. Der Hieb war so schwer, dass die Erde erbebte, als Driger auf ihr zum Liegen kam. Einen Moment blieb der benommen wo er war, während Dragoon schnaufend auf ihn herabblickte. „Du hast schon einmal gegen mich verloren, woher nimmst du die Frechheit zu glauben, dass du es dieses Mal schaffst?“, Dragoon richtete sich zu ganzer Größe auf und fuhr seine Krallen aus. „Es hat sich nichts geändert! Ein Beweis mehr das ich Recht habe! Wie viele Millionen von Jahren sind wir so gut verfahren, mit dem Zustand wie er jetzt ist… und dann kommt deine kleine Unterklassen Katze daher und du willst eine Veränderung?! Wo ist die Härte die du mir immer vorgepredigt hast?“ Driger drehte sich auf den Bauch und stemmte sich langsam hoch. „Genau deshalb sind Gefühle ein Tabu! Siehst du was es aus dir macht? Wozu hat es uns getrieben? Ich konnte mich immer auf dich als meinen Berater verlassen und nun hat dich dein verklärter Verstand zum Verräter gemacht! Nun muss ich mich für dich schämen!“ Diese Wortwahl kam Driger bekannt vor. Inmitten der Trümmer brauchte es seine Weile, bis er den Vorfall zuordnen konnte. Es war lange her, noch zum Anfang der Welt, da war er es gewesen, der Dragoon solch harte Worte an den Kopf geworfen hatte… „Du wirkst bedrückt. Was ist mit dir?“ „Nichts.“ Dragoon hatte ihm verstimmt den Kopf abgewandt. Sein schlangenhafter Körper lag zusammengerollt auf dem Boden, während sein Schädel auf den großen Krallen ruhte. Er blickte betrübt drein und Driger war besorgt gewesen, da ihm anscheinend der Elan fehlte, um sich seinen Aufgaben noch zu widmen. In jenen Tagen hatte er sich fast gänzlich von ihnen zurückgezogen und ließ sich kaum noch bei seinen Artgenossen sehen. „Bit Beasts sollten nicht unaufrichtig sein, also warum bist du es?“ „Woher willst du wissen dass ich lüge?“, hatte der Drache gemurrt. „Du kommst deinen Pflichten nicht mehr nach.“ „Stimmt doch gar nicht.“ „So? Dann sag mir doch, wann hast du das letzte Mal meine Pflanzen mit Sauerstoff versorgt?“ „Erst neulich.“ „Von wegen, sie gehen schon ein! Du weißt doch wie Fotosynthese funktioniert. Pflanzen produzieren Luft, aber brauchen einen kleinen Teil für sich selbst. Wenn du nicht in die Gänge kommst, gibt es keinen Überschuss mehr!“ „Ich sagte doch, das habe ich erst neulich gemacht.“ „Du meinst vor einem Monat!“, schaute Driger seinen Gefährten streng an. „Was bist du nur nachlässig geworden. So kenne ich dich nicht.“ „Ach, dafür gibt es meine Handlanger. Lass mich jetzt einfach…“ „Nein! Ich weiß nicht was mit dir los ist, aber du musst dich wie ein Uralter verhalten. Was immer dich quält, leg es gefälligst beiseite und kümmere dich um deine Pflichten, bevor du mit deiner Gleichgültigkeit, der neuen Welt schadest.“ Ein Seufzen war Dragoon auf diese Bemerkung entflohen. Er hatte sich in den nebligsten Ort, im dunkelsten Teil der Irrlichterwelt verkrochen und dennoch hatte Driger seine Witterung aufnehmen können. Als er ausatmete teilten sich die Nebelschwaden vor ihm, nur um kurz darauf wieder zurückzugleiten, wie ein trüber Vorhang. Geradezu schwerfällig hatte sich Dragoon erhoben. „Na fein. Danach lässt du mich aber in Ruhe.“ „Lieber Himmel, deine mangelnde Tatkraft ist erschreckend.“, Driger war es Angst und Bange geworden, denn diese merkwürdige Melancholie die Dragoon erfasst hatte, war ihm nicht geheuer. Geister verhielten sich nicht so. Sie waren Arbeitstiere, die ihrer Aufgabe ohne großes Wenn und Aber nachgingen. Er hatte sich vor den Auswirkungen gefürchtet, welche auf die Teilnahmslosigkeit des Drachen folgen könnten. „Nun sag doch schon was dich bedrückt! Bin ich dir nicht immer ein guter Kamerad gewesen?“ „Wie soll ich dir erklären was ich selber nicht verstehe?“ „Versuch es einfach und sprich nicht in Rätseln.“ Dragoon hatte sich ihm zugewandt. Die schlitzartigen Drachenpupillen waren argwöhnisch auf Driger gerichtet gewesen. „Ich glaube… ich wurde vergiftet.“ „Was?“, ein irritiertes Blinzeln war die Antwort gewesen und Driger wusste noch, wie sich seine Gedanken geradezu panisch überschlagen hatten. Zum Anfang der Welt, war das Gleichgewicht sehr labil gewesen und wäre Dragoon plötzlich verstorben, hätte es eine riesige Lücke, in ihre Arbeitsaufteilung aufgerissen. Man hätte schnellstens Vorkehrungen treffen müssen um dem entgegenzuwirken und Dranzer, als die Partnerin des Drachen, seine Aufgaben kurzfristig übernehmen müssen, bis der nächste Luftgeist geboren wurde. „Aber du bist ein Drache! Der Kiefer welcher deine dicken Schuppen durchbeißt, müsste schon so kräftig wie meiner sein und die Reißzähne noch giftig dazu.“ Einen Moment waren Drigers Überlegungen zu Wyborg geschweift, doch er hatte bezweifelt, dass diese Unterklassen Schlange auch nur ansatzweise durch den Drachenpanzer des Uralten kam. Wie blind war er damals gewesen, um nicht zu begreifen, welches Gift Dragoon tatsächlich zerfraß. „Sollte man meinen, aber ich muss dir wohl nicht erklären, dass es nicht immer einen Biss bedarf, um jemanden zu vergiften.“ „Wer soll das gewesen sein?“ „Ich bin mir nicht sicher.“ „Nun sprich es schon aus. Wir finden diese Unterklasse Ratte!“ „Es ist niemand aus der Unterklasse…“ „Du meinst von der Elite?“ Ein verneinendes Kopfschütteln war die Antwort gewesen. Es hatte gedauert bis Driger seinen Gedanken folgen konnte. Diese Unterstellung war so skandalös, als das er ihr auch nur einen Funken Wahrheit abgewinnen konnte. „Ein Uralter? Niemals!“ „Anders kann ich es mir nicht erklären.“ „Wer?“ „Eine von den Feuerschwestern.“ „Jetzt sei nicht albern! Beide Schwestern wissen, dass sie ohne deine Luft keine Flammen mehr entstehen lassen können und mein kleines Küken ist deine Partnerin. Sie würde dir niemals absichtlich schaden.“ „Und weshalb geht es mir in ihrer Gegenwart immer so elend?“ „Na das ist etwas ganz Neues. Du bist jedes Mal euphorisch, sobald du Dranzer siehst und willst ihr gar nicht mehr von der Seite weichen.“ „Ja. So lange sie da ist… Aber sobald ihre heimtückische Schwester daher kommt und sie mir wegnimmt, ist der Fall danach umso tiefer. Ich spüre dann wie der Zorn in mir aufwallt, wie schlechte Galle und möchte die Welt in Schutt und Asche legen. Das ist doch nicht normal!“ Auf diese Behauptung hatte Driger keine Antwort gewusst. Eine solche Krankheit war ihm nie zu Ohren gekommen und das obwohl er in der Lage war, jedes Geschwür, in jedem Körper wachsen zu lassen. Er zerbrach sich den Kopf darüber, was Dragoon solch Unwohlsein bereitete, kam aber nicht dahinter. „Sehr seltsam. Wirklich.“, meinte er ratlos. „Und es passiert wann immer Dranzer von dir fortgeht?“ Der Drache hatte genickt. Er war doch eigentlich als Frohnatur bekannt gewesen und ihn so betrübt zu sehen, empfand Driger damals als äußerst ungewöhnlich. Es passte nicht zu ihm… „Aber Dranzer kann nicht immer bei dir bleiben. Sie muss auch ihren anderen Verpflichtungen nachkommen.“ „Das weiß ich doch.“ „Steigt die schlechte Galle in dir auch hoch, wenn sie sich mit mir von dir entfernt?“ Dragoon hatte nachgedacht. Dabei huschten seine Pupillen grübelnd nach oben. „Nein.“ „Bei Draciel?“ „Nein.“ „Aber bei Wolborg.“ Ein tiefes Knurren war die Antwort gewesen. „Mit voller Wucht! Jedes Mal wird es schlimmer. Ich möchte sie zerreißen und mir Dranzer schnappen und vor ihr verstecken. Einmal habe ich überlegt sie in eine Windhose zu stecken und nicht mehr raus zu lassen.“ „Ein Vogel gehört nicht in einen Käfig.“ „Dieser Vogel schon!“, hatte Dragoon wütend gefaucht. „Ständig schwirrt sie um ihre Schwester herum und bettelt um ihre Gunst! Sobald die Wölfin nach ihr jault, lässt sie mich stehen und eilt ihr zur Hilfe, selbst wenn Wolborg sie gar nicht benötigt! Sie ruft sie für die lächerlichsten Aufgaben. Letztens saßen wir zusammen, in schönster Zweisamkeit, da meinte Wolborg, sie bräuchte ihre Schwester, um mit einigen Sonnenstrahlen, eine Blumenwiese aus dem Winterschlaf zu holen. Ist das zu fassen?! Das ist doch wohl das einfachste auf der Welt, selbst ich als Luft Bit Beast weiß das. Aber es ist ihre Art mir zu zeigen, dass sie die Macht über Dranzer hat.“ „Ja aber die hat sie nun einmal!“, hatte Driger hilflos mit den Schultern gezuckt. „Sie ist ihre Feuerverwandte. Du nur Dranzers Partner. Was erwartest du? Das sie ihrer Schwester nicht den Gehorsam zeigt, der ihr gebührt? Das wäre doch wirklich vermessen von ihr.“ „Ich mag sie nicht teilen. Sie bricht ihr Versprechen!“ Das Geständnis hatte ihn überrascht. „Sie wollte niemanden außer mich an ihrer Seite dulden! Stattdessen denkt sie nicht eine Minute mehr an ihren Schwur… Eine freche Lügnerin ist sie! Und ich bin ein Narr, das ich es Dranzer einfach so durchgehen lasse!“ Driger hatte versucht ihn zu besänftigen, doch der Zorn schien ihn wieder zu übermannen. Der Drache schimpfte über Wolborgs gluckende Art, spottete verächtlich über Dranzers Naivität und dass sie nicht erkannte, was ihre Schwester für ein lächerliches Spiel mit ihr trieb. Er zürnte darüber wie sie förmlich um die Gunst der Wölfin bettelte und diese ihre Dummheit ausnutzte, um ihr Honig um den Schnabel zu schmieren. „Du solltest Wolborg sehen, wenn Dranzer in ihren Augen etwas richtig gemacht hat! Oh mein liebes kleines Küken, das hast du brav gemacht. Deiner Schwester läuft das Herz vor Stolz über.“, hatte Dragoon sie verächtlich nachgeahmt. „Und dann plustert sich das Federkleid von Dranzer auf und sie glüht vor Freude.“ „Sie ist eben noch jung. Da hängt man noch am Rockzipfel. Das wird vergehen…“ „Ja, aber sie schmiegt sich auch an sie. Als wir zu zweit durch die Welten geflogen sind, hat sie das immer bei mir gemacht. Sie wollte auf meinem Rücken reiten und hat mit mir die Freiheit genossen. Es war viel besser als jetzt. Ich will sie wieder für mich allein…“ Der letzte Teil hatte trauriger geklungen, als wäre die Erinnerung allein schmerzlich. Und dieser Moment hatte Driger erzürnt - denn er mochte keine Schwäche. Wäre Galux damals doch schon geboren gewesen… Hätte Driger damals schon gewusst was er heute erkannte! Dann wären die richtigen Worte über seine Lippen gekommen. Er hätte dem Drachen sagen können, was dieses Gefühl war, welches ihn so beflügelte, verwirrte, schmerzte und zu Dummheiten verleitete – und das zur gleichen Zeit. Stattdessen war er grausam mit ihm ins Gericht gegangen. Er hatte ihn einen Narr gescholten, ihn angefaucht er solle die Sentimentalitäten sein lassen und sich seiner Pflichten besinnen. Damals hielt er ihm einen Vortrag, wie sich ein Uralter verhalten musste und das er Härte im Angesicht dieser Situation zeigen sollte. Wie unnachgiebig war sein Urteil über ihn ausgefallen… „Jetzt sieh dich doch mal an! Wie du hier liegst und jammerst! Sonst ist deine Schnauze groß, aber nur weil dir Dranzer ein paar Mal den Rücken kehrt, verfällst du in Melancholie. Man könnte meinen du bist ein Wasser Bit Beast! Du prahlst mit deiner stürmischen Art, dabei hast du nicht den Mumm, dich der Situation zu stellen! Du redest davon frei wie der Wind zu sein, aber legst dir selbst Ketten auf! Ich schäme mich für dich!“ Ich schäme mich für dich… Dieser eine Satz, er schallte besonders Laut durch Drigers Kopf, als hätte dieses Gespräch erst vor wenigen Stunden stattgefunden. Wie hatte er das sagen können? Driger schüttelte den Kopf und ermahnte sich, mit seinen Gedanken bei der Sache zu bleiben. Dennoch musste er sich eingestehen, dass er offenbar eine große Teilschuld, an der störrischen Haltung seines Gegenübers trug. In seiner Unwissenheit hatte er ihm einen schlechten Ratschlag erteilt und ihn in eine fatale Richtung gelenkt. Nur schwerfällig konnte er sich aufstemmen. Die eingesteckten Schläge hatten es in sich gehabt. Dabei dachte er daran, dass es niemals seine Absicht gewesen war, sich heute mit seinem alten Kameraden bekriegen zu müssen. Er hatte eigentlich über sich selbst gestaunt, als er Galux beiseiteschob und sie dazu aufforderte, so schnell wie möglich mit den Jungen zu verschwinden, denn im Grunde konnte er Dragoons Denkweise verstehen. Er klärte nur die Fronten. So wie es ein Uralter tun musste. Dennoch verspürte er eine große Menge an Verachtung in ihm aufwallen, als er wieder auf den Füßen stand und seinem Gegner einen zornigen Blick zuwarf. Ihrer menschlichen Hüllen hatten sie sich schon längst entledigt, genauso wie den Bäumen, welche von einer Windhose Dragoons aufgesaugt worden waren. Er hatte sofort erkannt, dass er die Pflanzenwelt um ihn herum vernichten musste, um den Vorteil seines Gegenübers zu minimieren. Der Dschungel stellte für Driger ein Heimspiel dar. Hier gab es Blätter, Ranken, Bäume, Stein und Erde… Messerscharf wie Dragoons Verstand eben war, hatte er zunächst sämtliche seiner Angriffe eingesteckt, um seine gesamte Kraft darauf zu konzentrieren, ihre Umgebung zu verwüsten. Danach war er umso erbarmungsloser gegen ihn vorgegangen. Es zwang Driger sogar, auf eine seiner Spezialattacken zurückzugreifen – das Abfeuern grüner Blitze. „Meine Worte scheinen dich damals tief getroffen zu haben.“, merkte er inzwischen an. „Es war der weiseste Ratschlag den du mir jemals gegeben hast.“, Dragoon deutete mit der Klaue auf ihn. „Wärst du nicht gewesen, hätte ich mich vom Kummer zerfressen lassen. Aber ich habe mich an deine Weisheit gehalten und Härte bewiesen. Vom Jammern wäre nichts besser geworden, also habe ich Wolborg fortgeschafft und schon war das Problem gelöst!“ „Du hast Dranzers Gunst dadurch verloren.“ „Die hatte ich ohnehin nie! Sonst wäre sie anders mit mir umgesprungen!“ „Das ist nicht wahr. Sie hat dich gemocht. Du wolltest nur zu viel…“ „Was hättest du dann an meiner Stelle getan?“ „Versucht mich mit Wolborg besser zu stellen. Ihr hättet das Kriegsbeil begraben sollen.“ „Pah!“, schnaubte Dragoon. „Du mieser Heuchler! Wir wissen beide, dass vor wenigen Millionen von Jahren, deine Antwort noch anders ausgefallen wäre. Du redest bloß so diplomatisch, weil du nun auch ein Liebchen hast, was dir den Kopf verdreht. Und nun ist es ausgerechnet jene Person, die du so scheinheilig belehrt hast, welche wahre Größe bewahrt!“ „Größe?!“, wiederholte Driger das Wort abfällig. „Du hast Dranzer gefressen, obwohl du weißt wie sehr die Welt Feuer braucht! Es schneit bereits in Regionen, wo noch eigentlich der Herbst herrschen sollte… Du hast Wolborg fortgeschickt, obwohl du geahnt hast, wie sehr die Schwestern aneinander hängen! Nun ist auch sie tot und große Teile, der neuen Welt gefrieren, weil niemand das Eis kontrolliert über die Erde verteilt. Ich sehe keine Ehre in deine Taten! Sie sind achtlos und ohne Skrupel! Du kämpfst so verbissen um deine Machtposition, dass dir alles gleich geworden ist!“ „Weil deine Gefühle dich verblendet haben. Du weißt doch schon lange nicht mehr worauf es wirklich ankommt, du verlauster Verräter!“ „Es sind nicht die Gefühle die mich zum Verräter gemacht haben.“, Driger schüttelte den Staub aus seinem Fell. Es war durchzeichnet von getrockneten Spuren aus lehmiger Erde. „Es war deine maßlose Sturheit!“ Sein Schädel wandte sich ihm vollends zu. „Du warst schon immer eitel und selbstgefällig. Doch die Macht der letzten Jahrtausende, hat deinen Charakter zerfressen. Übrig geblieben ist nur ein ausgehungertes Gerippe, das Freund von Feind nicht mehr unterscheiden kann. Und ich hatte dir auch noch dabei zugesehen…“, verächtlich nickte er in seine Richtung. „Du fragst mich was Galux aus mir gemacht hat? Sieh an was deine Macht aus dir gemacht hat! Ich hätte schon bei deinem ersten Atemzug als Monarch eingreifen müssen – du hattest kein Recht Wolborg wegzusperren! Ich verfechte ein Versprechen ebenso wie jedes andere Bit Beast auch, doch damit bist du zu weit gegangen! Aber was habe ich getan? Dir zugesehen! Das und meine Ratschläge von früher sind meine eigentlichen Vergehen an dir. Hätte ich geahnt was meine Worte aus dir machen, ich wäre umsichtiger mit ihnen umgegangen.“ „Wie rührend!“, höhnte Dragoon. Sein Oberkörper bäumte sich vor. Driger spürte das ein weiterer Angriff nahte. „Glaub mir, dafür bedarf es keine Entschuldigung. Zumal du ohnehin bald von deine Schuldgefühlen erlöst wirst!“ Pfeilschnell war der Drache bei ihm. Seine längliche Schnauze schnappte nach Driger, doch er wich seitlich aus und versetzte ihm mit der Pranke einen Hieb gegen das rechte Auge. Geschockt wich Dragoon einen Moment zurück, denn sofort trübte sich seine Sicht. Er spürte dass die Krallen seines Kontrahenten tiefe Furchen auf seinem Augapfel hinterlassen hatten. Ein Mensch wäre auf dieser Seite für den Rest seines Lebens erblindet. Er konnte von Glück reden, dass Geister viel schneller heilten. Allerdings wollte Driger es gar nicht so weit kommen lassen. In wilder Raserei hieb er auf die andere Seite ein. Dragoon begriff was er vorhatte. Wenn er sein anderes Auge auch noch beschädigte, könnte er sich nur noch auf seinen Geruchssinn verlassen. Noch bevor der Tiger seinen Plan vollenden konnte, drehte er sich, holte mit dem Schweif aus und versetzte ihm einen Schlag gegen die Seite. Mit einem Fauchen schleuderte es Driger durch die Luft, in eine entfernt liegende Baumgruppe, die noch verschont geblieben war. Die Stämme wackelten bedrohlich und stürzten über ihm zusammen. Sie begruben ihn unter sich, mit jedem Aufprall erschütterten sie seinen Körper, doch er war ein Erd Bit Beast und robust gebaut. Und er besaß eine Spezialattacke die nicht in das herkömmliche Repertoire seines Elementes gehörte. Ein Geschenk von Dranzer… Sie war so stolz gewesen, als sie ihm diese Fähigkeit als Präsent überreichte. „Einfach weil du mir lieb und teuer bist.“, hatte sie damals lächelnd gegurrt. Sein kleines Mädchen. Heute kämpfte er ebenso für sie! Zwischen zwei der Stämme hatte sich eine kleine Lücke gebildet. Sie legte die Sicht auf das Geschehen vor ihm frei. Er erspähte Dragoon, wie er nach ihm Ausschau hielt, was mit einem Auge schwieriger wurde. Sein Schädel wandte ihm die heile Seite zu, doch er ließ davon ab ihn anzugreifen. Driger ahnte weshalb. Er wollte nicht riskieren, noch einmal mit der Schnauze voraus, in die Nähe seiner Krallen zu kommen. Dafür war ihm sein Augenlicht zu teuer… Insgeheim ärgerte sich Driger über seinen misslungen Versuch ihm den Augapfel auszureißen. Er hatte vorgehabt ihn danach zu verschlingen. Auf diese Weiße hätte Dragoon sich gar nicht mehr von der Attacke erholt und wäre komplett erblindet – wie Wolborg damals. Nun musste er sich spurten, sonst heilte die Verletzung auch noch wieder. Lauernd blinzelte er zwischen dem Spalt hindurch. Sein Atem stand still, sonst würde er Dragoon nur verraten, ob er noch bei Bewusstsein war. Der Drache durchsuchte mit der linken Pupille argwöhnisch den Geröllhaufen auf ein Zeichen von ihm. Er war angespannt. Dann huschte sein Auge über den Spalt. Der schwarze Schlitz in dessen dunkler Iris wurde kleiner. Er hatte ihn erkannt... Und Drigers Moment war gekommen. Er schoss unter den Stämmen hervor und rief: „Schöne Grüße von Dranzer!“, dann peitschte ein hellgrüner Blitz aus seinem Rachen. Dragoon jaulte auf, als die elektrische Ladung direkt in sein heiles Auge traf. Der einzige weiche Punkt, unter all diesen unzähligen steinharten Drachenschuppen. Die Wucht schleuderte seinen Schädel zurück, doch während dem Fall drehte er sich auf dem Bauch, um nicht auch noch den Boden unter den Füßen zu verlieren. Ein grollender Laut entrang sich seiner Kehle. Driger schlich sich hinter seinen Rücken. „Das wird nichts nützen!“, spie der Drache zornig aus. Er musste ausweichen, als der Schweif nur wenige Zentimeter entfernt, auf jener Stelle einschlug, wo er kurz zuvor noch lauerte. Sein Geruchsinn war nach wie vor hervorragend. Doch es war das Einzige was Dragoon momentan noch geblieben war. Drigers helle Pupillen durchsuchten den Panzer des Drachens nach einem Schwachpunkt. Es musste doch irgendwo eine Möglichkeit geben, an das Fleisch darunter heranzukommen? Er fixierte die Kehle. Jene Stelle die er zuvor bereits angegriffen hatte wirkte angeschlagen. Vereinzelte Schuppen fehlten dort, doch mit einem bläulichen Aufblinken, schob sich bereits die neugeborene Panzerung wieder hervor. Bei jedem Millimeter erglühte sie einen Moment, presste sich hervor, verweilte kurz, um dann wieder aufzuglühen und das Spiel fortzusetzen. Das musste er verhindern. Heute Nacht durfte Dragoon nicht lebend aus diesem Dschungel kommen. Sonst würde er Galux finden und töten. „Du oder ich, alter Freund.“, knurrte er. Dann preschte er hervor. Der erste Versuch misslang. Dragoon hatte ihn gewittert. Er holte mit seiner Klaue aus und hinterließ eine blutige Schneise auf seinem Fell, dass es ihn von den Füßen hob. Driger landete auf den Rücken, rollte sich hektisch auf die Beine, um schnell seiner Schnauze auszuweichen. Das Schnappen des Kiefers schallte laut, als Dragoon ins Leere biss. Driger verlor keine Zeit und griff wieder an, noch bevor sich der Drache aufrichten konnte. Er nahm Anlauf, sprang auf dessen Rücken und bekam die Schulter zu packen. Er fuhr die Krallen aus und machte Anstalten, sie in der Panzerung zu vergraben, doch auf der glatten Oberfläche rutschten sie ab. Der Drache schüttelte sich, versuchte verzweifelt den Angreifer von sich zu reißen, doch seine Klauen reichten nicht bis hinter seinen Rücken. Da spürte Driger wie ein Ruck durch ihre Körper ging. Dragoon erhob sich in die Luft. Dort schwang er Kreise, sauste auf die verbliebenen Bäume zu, rammte seinen Rücken dagegen, doch Driger ließ nicht ab. Er verbiss sich gnadenlos tiefer, bis er Fleisch auf der Zunge schmeckte und den Puls darunter spürte. Nur noch wenig fehlte… Da drehte sich Dragoon um seine eigene Achse. Erst langsam, dann immer schneller, dabei stieg er höher, immer höher. Die Kraft die auf Driger wirkte wurde zunehmend stärker. Seine Gelenke baumelten hilflos in der Luft. Lediglich sein Kiefer hielt ihn wo er war. Alles drehte sich rasend schnell um ihn. Er kniff die Augen zusammen. Hier würde gewinnen wer den längeren Atem besaß. Unweigerlich fragte er sich, wie Dranzer an so etwas Gefallen finden konnte. Fliegen war scheußlich! Er spürte wie das Fleisch in seinem Kiefer nachgab. Seine Fangzähne hatten den Schulterknochen erreicht. Was bezweckte dieser Wahnsinnige damit?! Dragoon würde seinen Arm verlieren, wenn er nicht endlich aufhörte! Da riss Driger die Augen auf, als ihn die Erkenntnis traf. Alles oder nichts… Seine Pupillen blickten fahrig die Umgebung ab. Er konnte nicht einschätzen wie hoch sie waren, doch sie brachen bereits durch die Wolkendecke. Wenn er den Biss lockerte, würde er hinwegweggeschleudert. Brach der Schulterknochen aber ebenfalls. Es war zu spät um noch loszulassen – er würde am Erdboden zerschellen! Galux… Driger dachte an ihre hübschen Augen. An die Muster auf ihrem Fell. Sie symbolisierten die Blumenvielfalt, welche ihre Anwesenheit erzeugte, denn als er einmal genauer hinsah, erkannte er die Umrisse vieler kleiner heller Blütenblätter. Wenn er seinen Kopf auf ihren zierlichen Körper legte, konnte er sogar den Duft von gelben Rosen wittern. Sie wollte doch dass er am Leben bleibt… Da spürte Driger wie der Knochen in seinem Kiefer brach. Dragoon gab nicht einen Laut von sich. Er schien damit abgeschlossen zu haben, dass er nun als dreibeinige Missgestalt durch die Irrlichterwelt laufen würde. Wie weit war der Wahnsinn auf ihn übergegriffen, dass er nicht einmal mehr vor seinem eigenen Körper Halt machte? Alles worum Driger ihn nur gebeten hatte war Galux zu verschonen. Warum hatte er ihm diesen Wunsch nicht gewähren können? Wie war es soweit gekommen? Der Arm riss. Und das Einzige was Driger noch einfiel, war, dass er ihn verschlingen musste, dann könnte Dragoon ihn sich nie wieder einverleiben. Wenn er schon aus der Welt schied, sollte der Drache für den Rest seines ewigen Daseins, daran erinnert werden, wer ihn entstellt hatte. Als die übrigen Hautfetzen sich vom Körper lösten, wurde er bei der nächsten Umdrehung hinweggeschleudert. Driger behielt den Arm seines alten Kameraden fest im Maul umschlossen. In einem günstigen Moment schluckte er ihn hart den Rachen hinunter. Während er sich in der Luft drehte, fiel sein Blick eine winzige Sekunde auf Dragoon. Dort oben vom Himmel aus, blickte er auf ihn herab – seine Miene war ein schmerzverzerrter Ausdruck. Das rechte Auge war inzwischen wieder geheilt. Es stand offen und beobachtete seinen Fall. Der reptilienhafte Schlitz darin zitterte, bis sich das Lid darüber legte und so verblieb. Was mochte ihm wohl durch den Kopf gehen? Dragoon wurde ein immer kleinerer Punkt - bis die Wolkendecke ihn verhüllte. ENDE KAPITEL 31 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)