Die Geister die wir riefen... von Eris_the-discord ================================================================================ Kapitel 33: ------------ „Und was machen wir jetzt?“ Hana blieb stumm und tippte mit ihrem Bleistift nachdenklich auf dem Notizbuchrand herum. Diese Situation war ihr bekannt. Jener Moment in welchem alle Möglichkeiten ausgeschöpft schienen. Die Aufnahmen aus dem Krankenhaus waren interessant gewesen. Sie hatten herausgefunden, wann die Gruppe das Gebäude verließ. Diese merkwürdigen Blitze auf dem Monitor konnten sie sich jedoch beide nicht erklären. Insgeheim beschlich sie aber das Gefühl, dass die Aufnahmen Kenny mehr sagten, als ihr, doch als Hana nachhakte, wich er aus und tat es als Störung ab. Ihr entging nicht wie nervös er mit seinem Kiefer malte. Das Thema verlief sich im Sand, als er plötzlich wie wild auf den Monitor deutete, wo Mr. Kinomiya mit dem kleinen Hiwatari Mädchen herausgerannt kam. Beiden klappte der Mund auf, als sie bemerkten, in welch gutem Zustand der alte Herr schien. Das Mädchen war vor ihm her gehopst und als er sich mit einem Kopfschütteln weigerte hinaus zu treten, hatte sie den Großvater an der Hand gepackt und fordernd an ihm gezerrt. Scheinbar kam die Initiative tatsächlich von dem Kind. Das Einzige was ihnen das aber sagte, war, in welche Richtung die beiden ungefähr gelaufen waren, denn irgendwann verschwanden sie im linken äußeren Bildrand. Hana war daraufhin eingefallen, dass sie nicht gesehen hatten, wie Kai das Gebäude verließ, nachdem er wieder in die Eingangshalle verschwunden war. Etwas missmutig schauten sie daraufhin die kompletten Aufnahmen noch einmal an, doch sie wurden einfach nicht fündig. Vielleicht war er durch einen Hinterausgang verschwunden. Das ärgerte Hana, denn durch die erneute Einsicht der Aufnahmen, war ziemlich viel Zeit verstrichen, bis sie endlich den Motor wieder anschmeißen konnte, um vom Krankenhausgelände zu fahren. Das schien ihr so langsam nötig, denn da war ein Pfleger neben dem Eingang gestanden, der bereits zum dritten Mal zum Rauchen hinaus gekommen war und skeptisch die Braue hob, als er ihren Wagen noch immer vor dem Gebäude parken sah. Kenny hatte ohnehin die wichtigsten Aufnahmen auf seinen Laptop gezogen – dieser kleine Wunderknabe. Erst als sie das Gelände verlassen hatten, hielt Hana in der nächsten Parkbucht und zog ihr Notizbuch hervor, um ihre weiteren Schritte zu planen. Viele Optionen blieben nicht mehr. Ihr Blick huschte zu einem Blumenladen gegenüber der Krankenhauseinfahrt, vor dessen Schaufenster, die Kübel auf einem Treppchen drapiert waren. „Eigentlich können wir jetzt nur eines tun…“, griff sie Kennys Frage auf. „Das wäre?“ „Wir fragen uns durch.“ „Wie durchfra-… Hey! Steig nicht aus wenn ich mit dir rede!“ Kennys angesäuerter Ausruf ging dumpf unter, als sie ausstieg und die Fahrertür hinter sich zu knallte. Noch bevor er sich abschnallen konnte, hatte Hana bereits die Straße überquert und lief schnurstracks auf den Laden zu. Dort beriet die Floristin gerade ihre Kundschaft vor der Tür. Ein Pärchen ließ sich von ihr einen Strauß zusammenstellen und sie zog die gewünschten Blumen aus den Kübeln heraus. Dabei geizte sie nicht mit Tipps zur Gestaltung des Straußes. Hana hielt mit einigen Metern Abstand und wartete ab, bis die Frau ihre Kundschaft erst einmal zu Ende bediente. Nachdem das Paar die Blumen ausgesucht hatte, verschwand die Floristin mit den beiden in den Laden, um dort den Strauß anzufertigen. In der Zwischenzeit kam Kenny hinter ihr hergerannt. „Das meinst du mit durchfragen?!“, fragte er fassungslos, als ihm klar wurde, was sie vorhatte. „Ja was denn sonst?“ „Tysons Großvater könnte sonst wo lang gelaufen sein! Wie kommst du auf die Idee, dass sich jemand an Mr. Kinomiya erinnert?“ „Na, zum einen war er ziemlich auffällig gekleidet. Du musst bedenken, dass er mit einem Patientenkittel das Gebäude verlassen hat. Dann auch noch barfüßig und das zu dieser Jahreszeit. Glaubst du so jemand fällt nicht auf?“ „Mm… Na gut. Irgendwo hast du vielleicht Recht.“ „Natürlich habe ich das! Das ist viel auffälliger, als wenn beispielsweise wir beide, das Krankenhaus verlassen hätten. Wir müssen uns nur durchfragen.“ Sie deutete auf eine Konditorei neben dem Laden. Dahinter lehnte eine Cafeteria an der Häuserwand. „Sieh dich nur mal um. Haufenweise Läden wo man draußen oder drinnen sitzen kann. Als Mr. Kinomiya verschwunden ist, war noch gutes Wetter. Womöglich saßen einige Leute im Café draußen und der Kellner, der sie bedient hat, wurde auf ihn aufmerksam. Wir müssen jetzt einfach einen langen Atem beweisen und hartnäckig bleiben. Das Hiwatari Mädchen, in Begleitung eines ziemlich freizügig gekleideten Patienten, dürfte wohl für Aufsehen gesorgt haben.“ Kenny kratzte sich etwas ratlos am Nacken. „Was wenn er ein Taxi genommen hat?“ Sie rollte schmunzelt mit den Augen. „Du hast doch in den Aufnahmen gesehen, dass er nur den Kittel getragen hat. Wo soll sein Geld gewesen sein? Entweder hatte er keines dabei, oder er hat es dort versteckt, wo Drogenkuriere ihre Päckchen hineinstecken.“ Kenny verzog angeekelt das Gesicht bei diesem Gedanken. Irgendwie war diese Frau ziemlich salopp in ihrem Sprachgebrauch. Ihr Sarkasmus brachte ihn außerdem in Verlegenheit. „Mm… Okay. Einen Versuch ist es vielleicht wert.“ „Uns bleibt auch gar keine andere Wahl.“ Das Pärchen kam aus dem Laden, in der Hand einen farbenfrohen Strauß haltend, den die Frau entzückt bewunderte. Hana spähte durch das Schaufenster, wo die Floristin sich an der Theke der Kasse zuwendete und die Geldscheine einsortierte, während eine jüngere Kollegin, die abgeschnittenen Überreste des angefertigten Straußes zusammenkehrte. Als sie in den Laden gingen, verkündete das Klingeln eines Glöckchens ihr eintreten. Sofort schauten die Verkäuferinnen auf und warfen ihnen ein freundliches Lächeln zu. „Guten Tag. Wie darf ich Ihnen helfen?“, fragte die Floristin geschäftig. Hana schätzte das sie in den Vierzigern war. Sie grüßte zurück und trat an die Theke. „Ich habe eine eher ungewöhnliche Bitte. Könnten Sie mir ein paar Fragen beantworten?“ Die beiden Verkäuferinnen blinzelten irritiert, dennoch nickte die Besitzerin. „War ihr Geschäft gestern auch offen?“ „Sicher. Die meisten Leute haben nur am Wochenende Zeit, um ihre Angehörigen im Krankenhaus zu besuchen. Dafür haben wir montags und donnerstags Ruhetag.“, sprach sie wahrheitsgetreu. „Die meisten Läden handhaben das hier so. Die Cafés in dieser Straße, sind unter der Woche auch kaum voll, doch am Wochenende sieht man die Patienten öfters, mit ihren Familien dort sitzen. Vor allem an schönen Tagen.“ „Das ist gut… Ich müsste nämlich wissen, ob sie am Samstag einen alten Mann beobachtet haben, der im Patientenkittel das Krankenhaus verlassen hat.“ „Im Patientenkittel?“, sie schaute nachdenklich zur Decke und versuchte sich zu erinnern. Kenny trat neben Hana. „Er ist ungefähr so groß.“, er hielt seine Hand weit über seinen Kopf. „Dann trägt er noch einen grauen Schnauzer und die Haare zusammengebunden zu einem Pferdeschwanz. Er ist grauhaarig, Mitte Sechzig und sein Kittel war hellblau.“ „Samstag? Hmm… Nein. So ein Herr ist mir nicht aufgefallen.“ „Aber mir!“, meldete sich die jüngere Kollegin zu Wort und legte den Besen ab. „Weißt du nicht mehr, ich hab dir doch beim Abendessen davon erzählt. Als ich vor dem Laden gefegt habe, war da ein alter Herr mit einem kleinen Mädchen. Papa hat noch gesagt, dass ich die Polizei hätte rufen sollen, weil der Kerl vielleicht ein Triebtäter war und die Kleine verschleppt hat!“ „Daran kann ich mich gar nicht erinnern…“ „Oh Mama, du bist immer so zerstreut! Ich habe dir doch gesagt, dass du da nicht im Laden warst, weil du beim Gärtner die Bestellung abgeholt hast.“ „War ich das?“, sie kratzte sich gedankenverloren an der Schläfe. Anscheinend war die gute Frau tatsächlich etwas vergesslich. Umso erfreulicher empfand Hana es, dass ihre Tochter, was das anging, nicht nach ihr kam. Sie wandte sich direkt an das Mädchen und da sie viel jünger als Hana schien, ließ sie die Formalitäten bleiben. „Weißt du noch in welche Richtungen sie gelaufen sind?“ Die Tochter nickte eifrig. „Ja. Oh Himmel, war das wirklich ein Triebtäter?! Seid ihr von der Polizei?“ „Nein, nein.“, beruhigten Kenny und Hana sie gleichermaßen amüsiert, bis er fortfuhr. „Das ist nur der Opa von einem Freund von uns. Die Kleine ist… seine Enkelin. Er war ziemlich durch den Wind nach einem Schlaganfall und jetzt sind beide verschwunden. Wir haben Angst das ihnen etwas passiert ist.“ „Oh weh…“, die ältere Frau hob mitleidig die Finger an den Mund. Insgeheim war Hana froh über Kennys Geistesgegenwart. Ihm war wohl ebenfalls klar, dass Mr. Kinomiya schräg beäugt werden könnte, wenn herauskam, dass Jana überhaupt nicht mit ihm verwandt war. Einem trotteligen Großvater in Begleitung seiner hyperaktiven Enkelin, drückte man nicht gleich den Stempel eines Verbrechers auf. „Ich zeig es euch.“, das Mädchen drängte sich an der Theke vorbei. Der Laden war recht klein, daher wirkte er selbst dann überfüllt, wenn nur zwei Kunden darin standen. Sie schritt hinaus ins Freie, während Hana und Kenny ihr folgten. Draußen hob die junge Frau die Hand und begann zu gestikulieren. „Also die beiden sind da lang gelaufen. Es war windig und der alte Herr hat ständig seinen Kittel gehalten, weil er Angst hatte das man seine Unterwäsche sieht, wenn ein Lüftchen weht. Das Mädchen hat ihn ständig deshalb ausgelacht. Sie wirkten so urkomisch zusammen, dass ich gar nicht daran gedacht habe, dass etwas nicht stimmt. Es sah aus, als würde sie ihn zu einem Spaziergang drängen, obwohl er eigentlich falsch angezogen war.“ Sie machte mit ihrer Hand einen Schlenker nach rechts. „Am Ende der Straße sind beide dort drüben abgebogen. Danach habe ich sie aus den Augen verloren.“ „Super! Vielen Dank. Das ist uns wirklich eine große Hilfe.“, beteuerte ihr Hana strahlend. Als sie sich verabschiedeten, wünschten ihnen die beiden Verkäuferinnen noch viel Glück bei ihrer Suche. Erst dann wandten sie sich um. Kenny steuerte geradewegs auf den Wagen zu, bis er bemerkte, dass Hana offensichtlich nicht vorhatte, wieder darin einzusteigen. „Vergiss das Auto erst einmal.“, wandte sie sich an ihn, sobald sie sein Zögern bemerkte. „Wenn wir ständig aus und einsteigen müssen, kommen wir nie voran. Vor allem müssen wir dann immer einen Parkplatz suchen. Da sind wir zu Fuß viel schneller.“ „Ist das dein Ernst? Aber… Es ist so kalt.“ „Dann laufen wir eben zügig. Dir wird dann schon warm werden. Stell dir einfach vor wir machen Speed Walking.“ „Oh man, Hana…“ „Hör auf dich zu beklagen und komm jetzt endlich.“ Kenny wiegte sich unwillig von einer auf die andere Seite, bis er von der Wagentür abließ und ihr hinterherlief. „Willst du dich jetzt durch die ganze Stadt fragen?“ „Wenn es sein muss.“ „Du weißt dass es nur bloßer Zufall war, dass das Mädchen sich die beiden gemerkt hat? Sie könnten sonst wohin gelaufen sein. Vielleicht sind sie jetzt am anderen Ende der Stadt!“ „Zu Fuß? Das glaube ich kaum.“ Damit bog Hana zielstrebig um die Ecke und ignorierte Kennys resignierende Trauermiene. * Es war ihr Glück das der Wurzelpfad leuchtete. In der tristen Finsternis unter der Erde, war es der einzige Anhaltspunkt. Tyson wollte gar nicht wissen, wie Dunkel es hier unten wäre, hätten sie nicht wenigstens diese Lichtquelle unter ihren Füßen gehabt. So sah man zumindest, wohin man trat, auch wenn die fortlaufenden Verästelungen irgendwann auch von der Dunkelheit verschluckt wurden. Einige Male hielt Galux vor ihnen an, wenn sich mehrere Abzweigungen auftaten. Dann witterte sie in die jeweilige Richtung. Schien ein Weg nicht sicher, wandte sie sich kommentarlos ab. Einmal fragte Tyson das Bit Beast wonach es roch. „Geister.“, antwortete sie knapp. „Ein Toter hat vor kurzem diesen Weg benutzt.“ Da spürte er schon wie die kleinen Finger in seiner Hand fester zudrückten. Von da an machte Kai das jedes Mal, wenn sie vor einer solchen Wahl standen. Auch wenn er sich bemühte, vor ihnen keine Angst zu zeigen, so konnte er diese einfache kindliche Reaktion nicht unterdrücken. Dann blinzelte er auf den Weg, den Galux als gefährlich einstufte, als befürchtete er, aus der Finsternis könne ein Gespenst hervorspringen. Es tat Tyson insgeheim leid ihn solch einer Situation auszusetzen. Ihm kam es vor, als wäre er ein sadistischer Babysitter, der einem Vorschulkind einen Horrorfilm sehen ließ und ihm danach auch noch, mit einer Halloween Maske unterm Bett auflauerte. Auch seinen Freunden entging Kais Verhalten nicht. Als Galux geradezu argwöhnisch einen dieser Pfade beäugte und ein leises Knurren dabei entwich, drängte sich das Kind verunsichert an Tysons Hosenbein. Daraufhin legte ihm Max seine Hand auf den Haarschopf und zwinkerte ihm zuversichtlich zu. „Alles gut Kleiner.“, beteuerte er flüsternd. „Wir sind doch da. Hab keine Angst…“ Es ließ Kai schüchtern zu ihm aufschauen, offenbar weil er sich für sein Verhalten schämte. Er lief hochrot an und Tyson war dankbar, dass seine Freunde sich dieses Mal nicht darüber lustig machten. Es schien dem Kind schon unangenehm genug, da musste es nicht sein, dass er nun aus Trotz den starken Kerl spielte. Irgendwann passierten sie einen Weg, der sich wie eine Brücke, über die dickste Wurzel schwang, die sie bisher zu Gesicht bekamen. Ihre Breite hatte die Ausmaße von einer mehrspurigen Autobahn. Am Zenit ihres Weges angelangt war es dann soweit… Sie erhaschten einen ersten Blick auf menschliche Geister. Als sie hinaufschritten, hörten sie seltsam verzerrte Klänge von unten heraufschallen. Desto höher sie ihre provisorische Brücke hinaufliefen, desto kälter wurde es, bis sie am Höhepunkt standen und es sich nicht verkneifen konnten, hinab auf die untere Ebene zu spähen. Dort unten wandelten hunderte kleiner Nebelschwaden. Es wirkte wie eine Herde, welche zielstrebig auf denselben Ort zusteuerte. Schaute man genau hin, konnte man inmitten dieser Nebelwolken, menschliche Konturen ausmachen. Arme, Beine, Kopf, Torso… Sämtliche Gliedermaßen dieser Geschöpfe vollführten ihre Bewegungen geradezu schleichend langsam. Sie torkelten eher. Wie eine betäubte Masse. Als könnte keiner dort unten glauben, dass ihr Leben in der Menschenwelt nun vorbei war. Tyson fiel auf, dass manche Nebelschwaden anders strahlten. Einige wirkten grau und fahl. Diese Geister wimmerten dann auch viel öfters und manches Mal, vernahm man ein lautes Schluchzen. Dagegen leuchteten einige von ihnen in einem wärmeren Farbton und wirkten kaum bekümmert. Eines von diesen Geistern stellte ein junges Mädchen da. Sie tanzte geradezu grazil davon, als wäre der Tod für sie eine Erlösung gewesen. Er beobachtete, wie sie verträumt die Arme über den Kopf hob und eine langsame Drehung vollführte, wie eine anmutige Ballerina. Unweigerlich fragte sich Tyson, was mit einer so jungen Frau passiert sein mochte, dass sie bereits hier unten wandelte. „Könnt ihr euch vorstellen, dass uns das auch einmal bevorsteht?“, flüsterte Ray. Er war nicht alleine mit diesem Gedanken. Auch Tyson hatte das gedacht, als er diese unheimliche Masse erblickte. Ein beklommenes Kopfschütteln war die Antwort. Tyson fühlte die Finger in seiner Handfläche leicht zittern. Als er zu Kai hinabschaute, blinzelte der in jenem Moment auch zu ihm auf. In den rötlichen Iriden las er Verunsicherung und Furcht. Kai wandte den Blick wieder von ihm ab und hob plötzlich die Brauen, gefolgt von einem geschockten Aufatmen. Tyson bemerkte auch bald weshalb. Er sah einen kleinen Jungen inmitten der Massen. Nicht viel älter als er selbst. Das Kind trottete an der Hand eines Mannes, der vielleicht sein Vater sein könnte. „Er sollte das nicht sehen.“, meinte Ray und drehte Kai mit sanfter Gewalt von dem Anblick weg. Ein Seufzen kam aus seiner Kehle. „Das hier… ist wirklich deprimierend.“ „Es wirkt nur so trist, weil diese Geister noch nicht bereit waren zu sterben.“, erklärte Galux ruhig. Sie hatte sich an den Rand der Brücke gesetzt und blickte mitleidig auf die Gestalten unter ihnen. „Woher weißt du das?“, fragte Max. „Das da unten ist der Weg, jener Menschen, die vor ihrer Zeit gestorben sind.“ Tyson schluckte. Es waren so viele… „Hungersnöte, Kriege, Verbrechen oder einfach nur tragische Unfälle. Ihr wisst gar nicht, wie wenig Menschen das Glück haben, im Beisein ihrer Liebsten den letzten Atemzug zu vollführen. Manchmal geht es so schnell… Dann wird ihre Seele schon hinabgerissen, obwohl sie doch noch gar nicht begreifen, was mit ihnen passiert ist. Einen Augenblick zuvor, stand ihr Geist noch neben ihrer leblosen Menschhülle, verwirrt darüber wie das sein kann und dann geht es schon abwärts.“ Tyson schaute dem Mann mit dem Kind hinterher. Ob sie bei einem Unfall gestorben waren? Womöglich hatte er einmal die Zeitung aufgeklappt und einen Bericht darüber gelesen. Einer von vielen Todesfällen, die tragisch waren, einen mitleidig mit der Zunge schnalzen ließen, aber dann doch schnell in Vergessenheit gerieten, sobald man sein Tagesgeschäft anging. „Gibt es…“, begann Max stockend. Ihm schien seine Frage sichtlich schwer zu fallen. „Gibt es keinen Himmel?“ Tyson fiel ein, das sein Freund ja Christ war und diese an einen Himmel und eine Hölle glaubten. Das war ihm immer sonderbar vorgekommen, weil er – als Spross eines shintoistischen Haushaltes – eine ganz andere Vorstellung vom Tod hatte. In seiner Religion war man der Auffassung, dass keine Seele die Welt endgültig verließ und deshalb wurden den Verstorbenen auch Opfergaben gebracht. Doch nun sah er vor sich diese graue, trostlose Masse, die ihren Weg ins Ungewisse antrat. Es versetzte ihnen allen gleichermaßen einen herben Stich, bis Galux, auf Maxs Frage sanft lächelte. „Ich weiß, der Mensch sehnt sich nach dieser Antwort. Doch das ist ein Geheimnis, was kein Bit Beast euch genau voraussagen kann. Was nach dem Tod kommt, hängt von euch ab. Aber ich sage euch so viel... Auf jedes Leid, folgt etwas Gutes. Das Leben, sowie der Tod, ist ein endloses auf und ab. Sobald die Talsohle erreicht ist, wird es auch wieder aufwärts gehen, vielleicht sogar zu jenen Dingen, die ein Mensch sich erhofft.“ „Das heißt es wird für diese Geister irgendwann einmal besser?“, fragte Ray hoffnungsvoll. „Lasst euch überraschen…“ Damit schien für sie das Thema beendet – auch wenn ihr Lächeln eine versteckte Botschaft hinterließ. Galux erhob sich. Sie wandte sich um, doch verharrte plötzlich wie zur Salzsäule erstarrt. Ihre hellgrünen Augen fokussierten einen Punkt hinter Tysons Rücken und plötzlich sträubte sie sich fauchend. Er fuhr alarmiert um und beobachtete eine humpelte Gestalt, die aus der Finsternis hervortrat und sich direkt auf die Gruppe zubewegte. Tyson vernahm ein lautes Keuchen neben sich, als die Erkenntnis seine Freunde traf. Er starrte das Gespenst an und wurde augenblicklich aschfahl. Es besaß kurze, vereinzelt ergraute Haare, die in fettigen Strähnen in die Stirn fielen. Das Gesicht war eingefallen, doch das war nicht einmal das Erschreckendste – es war die Tatsache, dass sie diese Person kannten, auch wenn die Zeit sie gnadenlos gezeichnet hatte. Um die Mundwinkel lag ein zynischer Ausdruck. Die Augenhöhlen waren nur zwei dunkle Löcher, ohne eine Pupille, ohne einen Augapfel darin. Das Gespenst streckte die abgemagerten Arme nach ihnen aus und riss die ausgedörrten Lippen zu einem gequälten Schmerzensschrei auf. Tyson hätte ihn beinahe nicht erkannt. Es war auch so viele Jahre her gewesen. In seiner Erinnerung besaß Boris auch noch keine grauen Haare. Seine Seele wirkte so verkümmert, dass Tyson sich unweigerlich fragte, wie lange er schon auf dem Wurzelwerk umherschritt. Sein Geist war geradezu abgemagert. „Ein Verdammter!“, rief Galux aus. Boris Seele humpelte weiterhin auf sie zu. Aus seinem Maul drangen unnatürliche Laute. Verzerrt und unverständlich. Er besaß kaum noch Zähne. Es jagte Tyson einen Schauer über den Rücken. Er schob Kai hinter sich und war schon auf das Schlimmste gefasst. Da schnellte Galux zwischen der Gruppe hindurch und stellte sich schützend vor ihnen auf. Plötzlich ging mit dem zierlichen Bit Beast eine Verwandlung durch. Der dezente Farbton auf ihrem Fell wurde signalrot, dass nun von einem schwarzen Leopardenmuster gezeichnet war, während die Krallen an ihren Pfoten weit ausgefahren wurden. Tyson war bereits aufgefallen, dass sie in seiner Erinnerung gefährlicher gewirkt hatte und nun entsprach Galux Gestalt schon mehr jener, welcher er aus Mariahs Kämpfen in der Arena kannte. Ihre Statur gewann an Größe, auf den Schultern des Bit Beasts wuchsen spitze Platten hervor, die einer messerscharfen blauen Panzerung glichen. „Lieber Himmel!“, entfuhr es Allegro auf Tysons Schultern perplex. „Nun kommt die Kämpferin in unserer lieben Mademoiselle durch!“ Es war wirklich ein herber Kontrast zu ihrem damenhaften Auftreten von zuvor. Das Bit Beast starrte Boris Geist aus lauernden Augen an. Dessen Finger waren geradezu schmerzhaft verkrampft, er fuchtelte mit den Händen, holte immer wieder aus und schlug wie ein verrückter in der Luft um sich, dass man hätte meinen können, er versuchte Fliegen zu fangen. Sein Körper hinterließ bei jeder Bewegung eine Dunstwolke, wie kleine Aschepartikel die von ihm abfielen. Die stark ergraute Haut, ließ Tyson irgendwie auch befürchten, dass er tatsächlich nur noch aus Asche bestand. Er musste daran denken, in welche pompösen Mäntel sich ihr früherer Widersacher, mit Vorliebe gehüllt hatte. Boris war einst hochgewachsen gewesen und auch ziemlich kräftig. Nicht dick, aber eben massiv. Alle Kinder mussten unweigerlich zu ihm aufsehen, auch wenn sie es gar nicht wollten. Jetzt wirkte sein entblößter Oberkörper so schmächtig, man hätte seine Rippen zählen können. Der Stoff seiner Hose hing in Fetzen von ihm herab und sein Rücken wies eine so starke Verkrümmung auf, selbst in Tysons jugendlichem Körper, wären sie auf gleicher Augenhöhe gewesen. Es wirkte als wäre seine Wirbelsäule mehrmals gebrochen. „Was ist mit ihm passiert?“, fragte Max aus geweiteten Augen. Er wich neben Tyson fassungslos zurück. „Er ist ein Verdammter. So wie es Mademoiselle Galux gesagt hat!“, erklärte Allegro. „Was heißt das?“ „Das ihm der Weg auf dem Wurzelwerk erschwert wird!“, der Mäuserich hob sich an einer von Tysons Strähnen fest, beugte sich vor und deutete wie wild auf das Gesicht von Boris. „Seht ihr das? Seine Augenhöhlen! Die sind nicht grundlos leer… Es hindert schlechte Seelen daran, das Licht des Wurzelwerkes zu sehen und auf ihm weiterzuschreiten. Sie sind verdammt in dieser Endlosigkeit zu wandeln, ständig vom Rand der Wurzel zu stolpern, weiterzuwandern, und doch niemals an ihrem Ziel anzukommen. Wann immer er von einer Wurzel fällt, prallt er irgendwann auf einer anderen, weiter unten in der Tiefe auf, bricht sich sämtliche seiner Knochen und ist dazu verurteilt, keinen richtigen Tod zu finden. Das was ihr da seht, sind sogar die Überreste seines richtigen Körpers. Für diese Wesen wäre das Eintreten in das Jenseits, eine Erlösung, die man ihnen nicht einfach so gönnt. Desto schlimmer sie zu Lebzeiten waren, desto länger wird ihre Tortur gehen.“ „Die Talsohle bevor es bergauf geht.“, wiederholte Ray die Worte von Galux ernst. Einen Moment dachte Tyson nach, wie das gemeint war, bis es ihm klar wurde. Es spielte keine Rolle, welcher Religion man angehörte, hier, auf diesem Pfad, zählten lediglich die Taten eines Menschen. Desto reiner die Seele war, desto leichter wurde ihr die Reise gemacht. Es war ein Leidensweg, den jeder antreten musste und was danach kam, konnte alles Mögliche sein. Vielleicht wussten die Bit Beasts selbst nicht genau, wohin es mit den Menschenseelen ging. Er starrte auf Boris verkrüppelten Geist, der wie ihm Wahn versuchte, an Galux vorbeizukommen. Etwas schien er sich von der Gruppe zu erhoffen, denn einige Male peitschte der Schweif des Bit Beasts nach vorne und versetzte ihm einen bösen Hieb. Dennoch war er schnell wieder auf den Beinen, um erneut wie im Wahn zu ihnen zu gelangen. Sie beobachteten hilflos das Schauspiel und keiner wusste so genau, was sie überhaupt unternehmen konnten, um Galux den Kampf zu erleichtern, bis die Stimmen von der unteren Ebene lauter zu ihnen hinauf schalten. Ein Blick hinab und Tysons Augen weiteten sich. Boris Geschrei hatte die Aufmerksamkeit der anderen Geister auf sie gelenkt. Er sah in dutzende fahle Gesichter, die alle zu ihnen aufschauten. Manche streckten die Arme nach ihnen aus und richteten ihr Wehklagen an die Gruppe. Nur jene Seelen, die im wärmeren Licht schimmerten, führten ihren Weg ungeachtet ihrer Anwesenheit fort. „Oh weh, oh weh!“, jaulte Allegro panisch auf. „Sie spüren eure Energie!“ „Was heißt das?“, fragte Ray. „Geister versprechen sich davon, dass sie wieder ins Leben zurückkehren, wenn sie einen Menschen anzapfen. Passt bloß auf das euch keiner zu nahe kommt!“ „Leute, ich will ja niemanden in Panik versetzen, aber einige von denen klettern hoch!“ „Was?!“, auf Maxs Beobachtung schnellten die Köpfe der anderen, zu jener Stelle, auf die er mit dem Finger deutete. Tatsächlich begannen einige der Geister, nach den nach unten hängenden Ausläufern der Wurzel zu packen, auf der die Gruppe stand. Eine von ihnen hing besonders tief, an jener Stelle, wo die Brücke wieder abfiel. „Die werden uns den Weg abschneiden, wenn sie dort hochklettern!“, erkannte Ray sofort. Das war auch Tyson klar geworden. Sein Kopf wandte sich ungeduldig zu Galux, die mit dem Schweif ausholte und wie bei einem Peitschenschlag, Boris die Füße vom Boden riss. Sein Geist geriet ins Straucheln und ehe man es sich versah, stürzte er vom Rand und verschwand jammernd in der gähnenden Leere. Sofort wandte sich Galux um. „Folgt mir!“, sie trabte vorwärts. Keiner von ihnen ließ sich das zweimal sagen. Sie hetzen hinter ihr her, so lange der Weg vor ihnen noch frei war. Gerade als sie den Punkt passierten, unter dem die Geister hochkletterten, packten gebrechliche Finger aber nach Tysons Fußknöchel. Es dauerte keine Sekunde, da überkam ihn eine Kälte, die in jeden seiner Knochen fuhr. Sein Bein versagte ihm. Er stürzte auf die Knie und entließ Kais Hand aus seinem Griff. Bei der unsanften Landung schleuderte es Allegro von seiner Schulter. Der Mäuserich rollte über die Wurzel, kam aber kurz vor dem Rand schnaufend zum Erliegen. Inzwischen griff die blanke Panik Tyson und er versuchte mit dem anderer Fuß, die Finger von sich zu treten, doch traf nur ins Leere. Dicht neben ihm, schaffte es das Gespenst, seinen Kopf über den Rand der Wurzel zu hieven. Tyson blickte in ein fahles Antlitz, was den Mund weit aufgesperrt hielt, als hätte es eine Gesichtslähmung. Die Seele rüttelte an seinem Knöchel und versuchte sich unnachgiebig aufzuziehen. Mit jeder Sekunde die er Tyson umschlossen hielt, fühlte sich die Stelle immer tauber an. „Geh weg von ihm!“ Kai schnellte vor und trat dem Geist ins Gesicht. Es war ein gezielter Tritt, hatte aber ob seiner geringen Körpergröße kaum eine Wirkung. Tyson war sich nicht einmal sicher, ob Geister noch etwas wie Schmerz spüren konnten, denn die Seele tat keine Anstalten von ihm abzulassen. Kai packte Tyson am Kragen und zerrte mit Leibeskräften an ihm, um ihn von dem Wesen wegzubekommen. „Mademoiselle! Hier hinten steckt jemand in ernsten Nöten!“, rief Allegro aus. Er hüpfte auf sein Hosenbein und versuchte den Griff des Geistes zu lockern. Da beobachtete Tyson, wie seine Freunde endlich auf den Ruf reagierten und eine Vollbremsung hinlegten. Ihre Köpfe schnellten zu ihnen. Offenbar hatten sie nicht bemerkt, was sich hinter ihrem Rücken abspielte. Er hörte Max erstickt aufschreien, sah die beiden schon wenden, da preschte Galux wie ein Blitz hervor. Ihr langer Schweif peitschte geräuschvoll über Tyson in der Luft und kurz darauf fühlte er auch schon, wie die Finger von ihm abließen. Ein Blick hinter sich und die Seele war vom Rand verschwunden. „Nun aber schnell, mein Herr!“ Kai half ihm mühsam hoch, während Allegro auf dessen Haarschopf sprang. Er sah die feinen Glieder der Springmaus hektisch gestikulieren. Tysons Fuß fühlte sich jedoch an, als wäre er gar nicht mehr mit ihm verwachsen. Als würde er ein fremdes Körperteil mit sich ziehen, hüpfte er auf einem Bein voran, bis sich ein größerer Körper, stützend unter seine Armbeuge schob. Er blickte in Maxs Gesicht. Die Beunruhigung stand ihm auf die Stirn geschrieben. Eine kleine Schweißperle rollte seine Schläfen entlang. Zu Tysons anderer Seite hatte Ray das Kind ergriffen. „Mademoiselle Galux scheint uns einen Vorsprung verschaffen zu wollen.“, rief Allegro aus. Tyson hätte sich auch gerne ein Bild, von der Situation hinter ihnen gemacht, doch so armselig wie er humpelte, durften sie keine Zeit mit sinnlosem Glotzen verschwenden. Allegro sprang von Kais Haarschopf und hopste voraus. Sie ahnten auch bald weshalb, denn kurz darauf tat sich vor ihnen in der Dunkelheit, erneut eine Gabelung auf. Nun übernahm die Strommaus die Witterung nach Geistern. Er sah das Bit Beast hektische Atemzüge nehmen, dass die winzige Nasenspitze des Mäuserichs nur so erzitterte. „Nicht gut.“, es schüttelte den Kopf und wandte sich einem anderen Pfad zu. Tyson konnte sich nicht verkneifen, einen Blick hinter sich zu werfen, so lange die Strommaus beschäftigt war. Offenbar waren die Geister in einen wilden Tumult verfallen, als sie die Menschen bemerkten. Galux hatte alle Hände mit ihnen zu tun. Von beiden Seiten der Wurzel kamen sie hochgekraxelt. Sie wäre wohl schneller, ohne die Gruppe vorangekommen, denn das Bit Beast war den Geistern eigentlich vollkommen egal. Sie griffen Galux nie direkt an, sondern suchten nur ein Schlupfloch, um an ihr vorbei zu huschen. Dabei scherte es die Seelen kaum, dass sie dabei einige Hiebe von ihr einsteckten. Die blinde Gier nach Lebensenergie trieb sie an. Dutzende von ihnen rutschten während der Auseinandersetzung in die unheimliche Finsternis – und jeder von ihnen streckte in seiner verzweifelten Hoffnung, die Arme nach ihnen aus. Als wäre die Gruppe die verheißungsvolle Lösung aus ihrem Leid. „Hier lang!“, rief Allegro endlich auf. „Und Galux?“ „Wir helfen ihr kaum, wenn wir noch länger dort herumstehen. Das lockt nur noch weitere Geister an! Dort unten ist ein endloser Strom von denen. Desto schneller wir von hier verschwinden, desto weniger Grund bieten wir ihnen hinaufzukommen. Dann wird unsere wackere Mademoiselle sicherlich wieder aufschließen können.“ „Aber wie soll sie uns-…“ „Pap, pap, pap!“, tat Allegro verärgert. „Was für eine Frage! Sie hat ein gutes Näschen. Wie jedes Bit Beast! Sie wird uns schnell einholen. Wir suchen uns ein sicheres Fleckchen und warten dort, bis sie unsere Fährte aufgenommen hat und zurückkommt!“ Da hüpfte die Strommaus auch schon vorwärts. Es brauchte seine Zeit, bis sie weit genug waren, damit das Wehklagen hinter ihnen endlich verklang. Während ihrer Flucht kam kein einziger Laut über ihre Lippen, als könnten selbst ihre hektischen Atemzüge, den Wesen hier unten ihre Anwesenheit verraten. Ohne Galux fühlte sich die Gruppe auch ziemlich schutzlos. Natürlich hegte keiner von ihnen einen Zweifel daran, dass Allegro alles tun würde, um sie zu beschützen, aber bei all seinem Edelmut – er war nun einmal ziemlich winzig. Tysons Bein fühlte sich seltsam taub an, als hätte er des Nachts ungeschickt darauf gelegen. Allegros Mäusegestalt tippelte auf allen Vieren voran, sein Schnäuzchen stets zu Boden gerichtet. Er witterte mit einer solchen Konzentration, dass keiner von ihnen wagte, ihn mit einer Zwischenfrage dabei zu stören. Irgendwann passierten sie einen Punkt, wo einige der Verästelungen, in einem undurchschaubaren Wirrwarr, einen riesigen Knoten bildeten, während der eigentliche Pfad dicht darum herumführte. Es wirkte wie das zu groß geratene Nest eines Webervogels. Da hielt Allegro auch schon an und schaute nachdenklich an der seltsamen Verknorpelung hinauf. Er kratzte sich grübelnd am Kinn und nickte schließlich. „Da könnten wir vorerst unterkommen.“, der Mäuserich wandte sich an Ray. „Wärst du so lieb, unserem gemeinsamen Freund, beim Aufstieg behilflich zu sein?“ „Was für eine Frage…“, kam die belustigte Antwort. Zunächst schob er Max, mit einer Räuberleiter die glatte Rinde hinauf, damit der von Oberhalb nach den anderen greifen konnte. Als erstes reichte er ihm Kai, da das Kind doch ziemlich ratlos, vor ihrem hohen Unterschlupf stand und nicht so recht wusste, wie er allein dort hoch kommen sollte. Danach verhalf er Tyson hinauf. Mit der tatkräftigen Unterstützung seiner Freunde, erreichte er den oberen Teil der merkwürdigen Verästelung. An einer Stelle, war der Knoten so locker, dass sie mit etwas Körperkontakt, sich alle gemeinsam in den Spalt zwängen konnten. Dabei wäre Max beinahe ausgerutscht, weil er etwas zu spät merkte, wie steil es abwärts ging, sobald man in das Schlupfloch eintrat. Als Tyson sich auf der Rinde niederließ, krempelte er neugierig den Stoff seiner Hose hoch, um einen Blick auf seinen Knöchel zu werfen. „Heilige Scheiße.“, murmelte Max neben ihm. Er hatte gerade Platz nehmen wollen, als er in seiner Bewegung inne hielt und auf das Überbleibsel der Attacke starrte. Es war die exakte Wortwahl, wie sie auch Tyson durch den Kopf schoss. Ein pechschwarzer Handabdruck prangte an seinem Knöchel. Es war kein blauer Fleck, sondern wirkte irgendwie anders. Er fuhr mit dem Zeigefinger irritiert über die geschwärzte Haut und stellte entsetzt fest, dass er an dieser Stelle überhaupt nichts mehr fühlte. „Was ist das?“, er musste sich zusammenreißen, um nicht allzu weinerlich zu klingen. Allegro sah sich den Abdruck an und schnalzte bedauernd mit der Zunge. „Noch ein paar Sekunden länger und du hättest den Fuß verloren.“ „Wirklich?“, Ray beugte den Kopf zu Tysons Knöchel hinab und schaute besorgt auf die Stelle. „Es sieht aus als wäre seine Haut…“ Mitten im Satz hielt er inne. Tyson ahnte weshalb. Er wollte ihm mit seiner Befürchtung keine Angst machen. „Dein erster Gedanke war schon richtig.“, erriet Allegro seine Gedanken. „Ich selbst kenne es nur vom Hörensagen, doch es heißt, dass eine Berührung dieser Geister, fatale Folgen auf menschliche Körper hat. Du kannst vom Glück reden, dass du keinen direkten Hautkontakt zu ihm hattest. Wäre der Stoff deiner Kleidung nicht gewesen, hätte die Seele sämtliche Energie aus deinem Fuß ausgesaugt, bis er abgestorben wäre.“ Tyson musste an einen Film denken, wo ein Mann seine Zehen verloren hatte, als er bei einer Bergsteigertour auf dem Himalaya, in einen Sturm geriet. Die Glieder des Mannes waren pechschwarz gefroren, als er sie sich abtrennte. Unweigerlich fragte er sich, ob dies dasselbe Prinzip war. „Das wird wieder.“, tätschelte Allegro ihn zuversichtlich an der geschundenen Stelle. Sein ausgeprägter Geruchsinn hatte wohl seine Furcht wahrgenommen. „Du bist jung. Sobald deine Lebensenergie wieder durch die Stelle fließt, wird der Abdruck verblassen. Womöglich bleibt dir nicht einmal eine Narbe. Aber ich ermahne euch nochmal, diesen Geistern nicht zu nahe zu kommen!“ Er richtete seinen kleinen Zeigefinger nun ganz besonders auf Kai. „Du hast nach dem Geist getreten, das ist mir nicht entgangen! Das lässt du in Zukunft bleiben. Stell dir vor er hätte nach dir gepackt, du wärst nicht gerade glimpflich davon gekommen. Das kann wirklich böse ins Auge gehen!“ „Ist schon okay. Mir tut gar nichts weh…“ „Weil der Körperkontakt zu kurz war. Dennoch, lass so etwas bitte sein, mein Junge. Versprichst du das deinem Allegro?“ Offenbar konnte Kai gar nicht anders, als auf die Bitte ihres kleinen Helden einzugehen. Er schaute nachdenklich drein und nickte dann doch zögerlich. „Braves Kind.“, entgegnete die Strommaus anerkennend. Dann wandte er sich wieder an alle. „Vergesst niemals, wo wir uns hier befinden! Das ist nicht die Welt der Lebenden. Nur tote Seelen sollten diesen Ort passieren. Daher stellt ihr, meine Herren, eine Art Fremdkörper in diesem Kreislauf dar. Die Reaktionen auf euer Erscheinen fallen deshalb äußerst negativ für euch aus.“ „Warum greifen die Geister keine Bit Beasts an?“, wollte Max wissen. „Weil wir selbst auch Geister sind. Zwar eine andere Form von Geistern, aber trotzdem können sie von uns keine Lebensenergie absaugen. Wir bestehen aus der Energie unseres Elements. Menschen ziehen ihre Kraft aber aus allen vier Elementen. Daher sind wir für Geister uninteressant. Eine solch komplizierte Mixtur kommt bei Bit Beasts einfach nicht vor.“ Tyson dachte über diese Worte nach. Ihm fiel ein, dass, wann immer er Allegro auf seiner Handfläche gehalten hatte, der Mäuserich sich anfühlte, als ob Strom durch seinen Körper floss. Es prickelte dann ein wenig auf der Haut. Nicht so das es unangenehm war, aber man spürte, dass die Springmaus aus etwas elektrischem bestand. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er kleine Finger auf dem Abdruck an seinem Knöchel spürte. Kai fuhr zaghaft darüber hinweg und schaute ihn dann mitleidig an. „Tut das sehr weh?“, wollte das Kind wissen. Tyson schüttelte lächelnd den Kopf. Er konnte schon wieder etwas an der Stelle fühlen. Das schien ein gutes Zeichen zu sein. Es musste wie bei einem eingeschlafenen Fuß sein. Irgendwann normalisierte sich die Blutzufuhr. „Galux braucht ziemlich lange.“, stellte Ray fest. Er spähte besorgt um die Ecke, um einen Blick hinab zu werfen, da zog er sich abrupt zurück und presste den Oberkörper gegen die Wurzel. „Was ist?“, fragte Max. Ray hielt den Finger an den Mund um ihn zum Schweigen zu bringen. Sie ahnten weshalb. Tyson war als würden alle den Atem anhalten. Er beobachtete wie Allegro vorwärts schlich, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen. Doch die Strommaus gab kurz darauf nur ein erleichtertes Seufzen von sich. „Es ist nur einer.“, flüsterte er zuversichtlich. „Und auch noch ein Weibchen. Zur Not komme ich mit der auch klar.“ Etwas beruhigt entspannte sich ihre Körperhaltung wieder. Allegro schien einige Zeit den Geist zu betrachten, bis er das Köpfchen bedauernd schüttelte. „Mon Dieu… Das arme Ding ist ja schrecklich zugerichtet.“ „Ist das eigentlich normal?“, wollte Tyson wissen. „Also ich meine, das die Geister so aussehen, wie sie gestorben sind. Ich hätte eher gedacht, dass man nach dem Tod keinen Körper mehr hat.“ „Ich vermute das ist kein Dauerzustand. Die Seele steckte einfach nur ziemlich lange in ihrer menschlichen Hülle fest. Ich könnte mir vorstellen, dass es wie mit flüssiger Schokolade ist, die man in eine Form gießt. Ist die Schokolade kalt, bleibt sie so lange in ihrer Form, bis sie wieder schmilzt. Ich bin ziemlich sicher, dass die Geister nicht mehr lange ihre irdische Gestalt behalten. Soweit ich mich recht entsinne, hat man uns in der Mäuseschule sogar eingetrichtert, dass die Menschen ihr Aussehen verlieren, sobald sie in ihr Jenseits gelangen. Ich weiß noch, wie ich mich mit meiner guten Freundin Dizzy, ständig darüber unterhielt. Wir fanden den Gedanken äußerst faszinierend.“ Bei der Vorstellung an eine Bit Beast Schule ging ein Schmunzeln durch die Gruppe. Trotz ihrer ernsten Lage schien das jeder von ihnen amüsant zu finden. Als Tyson Kai einen verstohlenen Blick zuwarf, schaute der gedankenverloren nach oben, als malte er sich – mit viel kindlicher Fantasie - bereits dieses Szenario aus. Dabei blieb sein Mund einen spaltweit offen. Wahrscheinlich stellte er sich vor, wie die kleinen Strommäuse, bepackt mit ihren winzigen Lehrbüchern, auf ebenso winzigen Schulbänken saßen, in einer entzückenden kleinen Schule, die nicht größer war, als ein Puppenhaus. Wenn Tyson so darüber nachdachte, war der Gedanke tatsächlich ziemlich drollig. Max begann auf einmal zu frösteln. Er rieb sich über die Oberarme und murmelte: „Hoffentlich braucht Galux nicht mehr so lange. Diese Geister sind echt unheimlich.“ Ray seufzte und gab ein erschöpftes Nicken von sich. „Ich täte alles dafür um endlich wieder nachhause zu kommen. Ein warmes Bett, eine schöne Dusche vorher...“ „Da bist du nicht der Einzige.“, pflichtete ihm Tyson bei. „Ich kann es gar nicht abwarten meinen Großvater wiederzusehen. Momentan wäre ich sogar froh, wenn ich Hiro zu Gesicht bekomme… den alten Klugscheißer.“ „Ich bin froh, wenn ich wieder bei Mao bin und mich bei ihr persönlich, für ihre Hilfe, bedanken kann.“ „Wir haben echt was gut bei ihr. Stell dir vor sie hätte Galux nicht geschickt.“ „Ja. Das haben wir.“ Rays Stimme klang sehr nachdenklich. Einen Moment wurde es still zwischen ihnen. Tyson sah wie Max auf der Unterlippe kaute. Das tat er ständig wenn er etwas zu sagen hatte, aber sich nicht getraute es laut auszusprechen. Allerdings bedurfte es keine Telepathie um zu erraten, was ihnen beiden jetzt durch den Kopf ging. „Sag mal Ray.“, begann Tyson sich vorsichtig an das Thema heranzutasten. „Ich will mich wirklich nicht in eure Ehe einmischen, aber wegen eurer Scheidung…“ „Du brauchst nicht weiterzusprechen.“ „Nein, du verstehst mich falsch. Ich will dich wirklich nicht umstimmen! Ich finde nur sie hätte es verdient, dass du das ganze wenigstens nochmal gründlich überdenkst, wenn wir zuhause sind. Kein Mensch ist fehlerlos und vielleicht…“ „Das weiß ich. Und ich will mich auch nicht mehr scheiden lassen.“ Er sprach es so plötzlich aus, dass es seine Freunde überrascht blinzeln ließ. „Also gibst du ihr eine zweite Chance?“, fragte Max erleichtert. „Das brauche ich gar nicht. Ich weiß das sie mich nicht betrogen hat.“ „Woher?“, kam es von beiden wie aus einem Mund. „Von Galux.“, ein Lächeln huschte über Rays Gesicht. „Es wird außerdem ein Mädchen. Und sie wird meine Augen haben. Aber mir war schon vor meinem Gespräch mit Galux klar, dass ich Mao eigentlich nicht verlassen will. Ich… Ich hänge einfach zu sehr an ihr.“ Gegen Ende des Satzes war er immer leiser geworden. Er zuckte etwas unbeholfen mit den Schultern und starrte mit hochrotem Gesicht zur Seite, als er das breite Grinsen seiner Freunde sah. „Jetzt hört doch auf mich so anzugaffen, Leute! Das ist mir echt peinlich.“ „Schon klar.“, kam es unisono. „Sprecht ihr von dem Katzenmädchen, in das sich der getigerte Kater verliebt hat?“, wollte Kai von Tyson wissen. Auf sein zustimmendes Nicken, blinzelten die anderen beiden nur umso irritierter drein. „Was habt ihr die ganze Zeit mit irgendwelchen Katzen?“, fragte Max perplex. „Insider.“, erklärte Tyson prahlerisch. Das war sein kleines Geheimnis, was ihn allein mit Kai verband und das wollte er so schnell nicht aufgeben. Dafür klopfte er Ray auf die Schulter. „Ich bin froh dass sich für dich alles zum Guten gewendet hat. Jetzt müssen wir nur noch hier hinausfinden, dann kannst du deine Süße auch von mir einmal herzhaft drücken.“ „Machst du Witze? Wenn wir es dank Galux hier raus schaffen, kaufe ich Mao einen Wagen!“, versprach Max und legte seufzend die Stirn gegen seine Kniescheibe. „Pass auf was du sagst. Ich nehme dich beim Wort.“, deutete Ray grinsend auf ihn. Es war ansteckend und Tyson kam nicht umhin, sich für ihn zu freuen. Es tat gut ihn endlich wieder ausgelassener zu erleben – wenn auch nur für diesen Moment. Nachdem Ray ihnen die Hiobsbotschaft, von Mariahs angeblichem Seitensprung offenbart hatte, schien er so verbittert gewesen zu sein. Doch endlich war der Groll, der sein Herz fest umklammert hielt, von ihm abgefallen, fast so, als hätte Galux nicht nur Rays äußerlichen Wunden geheilt, sondern auch seine gekränkte Seele. Plötzlich zuckten Allegros Ohren und er wandte das Köpfchen in die Richtung, aus der sie gekommen waren. „Na endlich! Mademoiselle Galux ist auf dem Weg zu uns. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich dabei war in Sorge zu verfallen.“, er hopste aus seiner Sitzposition auf und fügte hinzu. „Genug der Plaudereien, meine Herren. Wir sollten keine unnötige Zeit verschwenden und hinabklettern. Eine Dame sollte man nicht warten lassen, daher lasst uns schon mal hinabklettern, damit unsere liebe Mademoiselle nicht hinaufklettern muss. Die Seele von vorhin ist auch schon weitergezogen. Es müsste also sicher sein.“ Zustimmendes Nicken war die Antwort. Ray begann zuerst den Abstieg. In der Zeit, in welcher sich seine Freunde, vor ihm, aus dem Schlupfwinkel hinauszwängten, nutzte Tyson die Wartezeit, um seinen Knöchel abzutasten. Der Abdruck war nach wie vor da, wenn auch etwas blasser. Als er aufstand und sachte auf den Fuß trat, tat es zumindest nicht mehr weh. „Brauchst du Hilfe, Kai?“, fragte Max auf einmal. Er schaute zur Öffnung und musste sich ein lautes Prusten verkneifen, als er Kais Versuch erblickte, über den Rand ihres Unterschlupfes zu klettern. Seine Beine waren einfach zu kurz und die Oberfläche der Wurzel zu glatt, aber immerhin – er ließ nicht locker. „Nein. Ich kann das schon.“, beteuerte Kai eifrig und fuhr unbeirrt fort. Sie warfen sich ziemlich amüsierte Blicke zu. Offenbar verspürte der Kleine das Bedürfnis, nicht mehr in Watte bepackt, sondern wie ein ganz Großer behandelt zu werden. Etwas schmunzelnd bemerkte Tyson, dass dieses Verhalten erst eingesetzt hatte, nachdem er dem Kind erklärte, das er eigentlich einmal erwachsen gewesen war. Wahrscheinlich wurde Ray schon ungeduldig, weil sie so lange brauchten. „Also wenn du doch Hilfe brauchst…“, begann Max. „Nein, ich kann das wirklich!“, brüskierte sich der Kleine schmollend. Tyson rollte amüsiert mit den Augen und als der Junge endlich das eine Bein, über den Rand geschwungen bekam, legte Max seine Hand doch unauffällig auf dessen Hosenboden, um ihm mit einen sanften Schubs hinüber zu helfen. Glücklicherweise merkte Kai nichts davon, sondern rutschte kurz darauf, auf der anderen Seite die Wurzel hinab. Dafür war Tyson zusehends erstaunter, wie leicht man Kindern ein kleines Erfolgserlebnis bescheren konnte. Während sie auf Galux warteten wurde die Gruppe wieder angespannter. In ihrem Unterschlupf hatten sie sich ein wenig sicherer gefühlt. Hier draußen auf dem Wurzelpfad, war es aber, als würde man auf dem Präsentierteller liegen. Man wusste einfach nie so genau, was sich um einen herum in der Finsternis abspielte, sondern konnte nur dem leuchtenden Weg ins Ungewisse folgen. Allegro tippelte ungeduldig im Kreis herum. Er schien sich tatsächlich Sorgen um Galux zu machen. Das war irgendwie grotesk… Eine Maus die sich um ihren natürlichen Fressfeind sorgte. Aber was war in der Irrlichterwelt schon normal? Plötzlich schossen Allegros Ohren wieder hinauf. „Ich glaube da kommt sie.“, er tippelte einige Schritte, in die Richtung aus der die Gruppe gekommen war und hob sich auf die Spitzen seiner Hinterbeine. Dann begann er wie wild zu winken. „Mademoiselle! Hier sind wir!“ Tyson atmete erleichtert aus, als er das schimmernde Fell von Galux, in der Ferne ausmachen konnte. Dieses Bit Beast an seiner Seite zu wissen, war doch ein sehr großer Trost in ihrer derzeitigen Lage. Da ging ein erschrockener Ausruf durch die Runde, als plötzlich etwas von oben herab, kurz vor Galux, auf dem Weg aufprallte. „Vermaledeit noch mal!“, schimpfte Allegro verärgert. „Noch ein Verdammter!“ Ohne seine Augen musste dieser bedauernswerte Geist von seinem Weg gestolpert sein. Zu ihrem Glück schien Galux nicht viel Mühe zu haben, ihn in Schach zu halten. Dennoch beobachtete die Gruppe angespannt, wie sie mit dem Schweif ausholte und den Verdammten von den Füßen riss. Da klatschte ein weiterer Körper nur wenige Meter vor ihnen auf den Boden auf. „Ui ui! Das wird jetzt heikel!“, fuchtelte Allegro. Seine kleinen Ärmchen gestikulierten wie wild auf die Biegung, welche der Weg um den Wurzelknoten machte. „Lasst uns dahinter in Deckung gehen bis Mademoiselle bei uns ist.“ Tyson beobachtete den Versuch des Verdammten sich aufzurichten. Sein Arm besaß einen unnatürlichen Winkel, weswegen er nur schwerfällig auf die Füße kam. Auf allen Vieren kroch er auf dem Pfad umher, mit der einen Hälfte des Oberkörpers auf dem Boden. Es wirkte als würde er, wie ein deformierter Hund nach Spuren wittern. Bevor der Geist auf sie aufmerksam werden konnte, machten sie hektisch auf dem Absatz kehrt. Tyson packte Kai am Arm und eilte seinen Freunden hinterher. Er sah Max als Erstens um die Ecke biegen… Und kurz darauf mit wehenden Armen einen Rückschritt machen. Ein panischer Ausruf kam aus dessen Mund, als er mit dem Hintern voraus auf dem Boden landete, da sah Tyson auch schon blasse Arme, deren dazugehöriger Körper noch außerhalb seines Sichtfelds lag. Ray packte Max am Kragen und zerrte ihn eiligst hoch, dann streckte er die Hand in seine Richtung aus. „Bleibt weg von hier!“ Kai kam ins Straucheln als Tyson die Vollbremsung hinlegte. Als er zurück schaute, war Galux noch immer mit dem Verdammten beschäftigt. Der Zweite hatte es vollbracht, sich mit einem Arm auf die Füße zu stemmen. Geradezu unheimlich rappelte er sich hoch, dabei bemerkte Tyson, das er auf einem geknickten Knöchel voran schlurfte. Nun war auch dem ihre Anwesenheit bewusst geworden. Er streckte die Finger nach ihnen aus, mit einem Maul, was unheimlich verzogen war. Die Augenhöhlen wie bei Boris hohl und von einer dunklen, gähnenden Leere. Unweigerlich fragte er sich, was dieser Mensch zu Lebzeiten getan hatte, um den Stempel eines Verdammten aufgedrückt zu bekommen. Kais Finger gruben sich in den Stoff seiner Jeans. Er bemerkte wie das Kind zu zittern begann. Diese hübschen Augen, die Tyson doch sonst als so unerschrocken kannte, starrten in blanker Panik auf die torkelnde Gestalt. Er verfrachtete Kai auf seine Arme, der sich in seiner kindlichen Furcht, nur noch so zu Helfen wusste, indem er seinen Kopf in Tysons Halsbeuge vergrub und auf das Schlimmste wartete. „Ich hab Angst…“, murmelte er nun doch leise. Bei diesen Worten verzog Tyson gequält das Gesicht. Es tat ihm weh diesen Satz ausgerechnet aus dessen Mund zu hören - dieser Junge der doch sonst so mutig war. Als er einen Ruf zu Allegro schickte, wurde ihm klar, dass der Mäuserich noch immer mit dem Geist vor ihnen beschäftigt war. In seiner Blitzgestalt sauste er auf dessen Gesicht zu. Er vernahm gequälte Laute und die Stimme der Seele. Sie kam hinter der Biegung hervorgetorkelt und Tyson schluckte hart. Es war eine weitere Person die er kannte! Die hatte er zu allem Überfluss noch vor kurzem erst gesehen. Kleine Locken, hochgesteckt zu einem seriösen Dutt, mit einzelnen Strähnen, welche das mädchenhafte Gesicht umrahmten und in einem edlen Hosenanzug gekleidet. „Heilige Scheiße! Ray das ist Ming-Ming!“, rief Tyson entsetzt aus. Eigentlich hatte er nur dem offensichtlichen einen Namen verpasst, denn auch seinen Freunden war das längst klar geworden. Vor allem Max starrte sie fassungslos an. Ihm ging wohl durch den Kopf, wie hinreißend dieses Mädchen in ihrer gemeinsamen Liebesnacht ausgeschaut hatte. Was immer aber zu ihrem plötzlichen Tod geführt hatte, war als grausige Verunstaltung auf ihrem Antlitz zurück geblieben. Tyson erkannte seltsame Muster an ihrem Hals, die verdächtig nach Reifenabdrücken aussahen. Dennoch war sie keine Verdammte. Sie besaß noch ihre Augen, auch wenn die Äderchen darin aufgeplatzt waren. „Max!“, ihre Stimme klang verzerrt. Sie reckte die Arme nach ihrer verflossenen Liebe aus. „Hilf mir… Bitte! Wo bin ich hier?“ Tyson hörte hinter sich einen harten Schlag. Kurz darauf atmete Kai auf seinen Armen erleichtert auf. Galux hatte aufgeholt und dem anbahnenden Verdammten einen derben Hieb, mit dem Schweif, gegen den Hinterkopf verpasst. Er klappte nach vorne und drohte wieder auf dem Bauch zu landen, da schlang sich Galuxs Schweif erbarmungslos um seinen Hals. Mit einem lauten Fauchen, drehte sich das Bit Beast um die eigene Achse. Der Verdammte hob in die Luft ab und wie beim Kugelstoßen, ließ sie am schwungvollsten Punkt von ihm ab. Tyson beobachtete wie die Gestalt von der Finsternis verschluckt wurde. „Da ist noch einer!“, Kai deutete vor ihnen auf Ming-Mings Geist, der von Allegro in Schach gehalten wurde. Hinter der Biegung kam die schimmernde Silhouette einer Frau aus dem dunkeln. Es war einer jener Geister, der in einem wärmeren Licht erstrahlte, doch zu ihrer aller Erstaunen, besaß es kein Gesicht. Sie war in ein helles Kleid gehüllt, was ihr bis zu den Waden reichte und dessen Bewegungen seltsam fließend waren, als hätte sie sich in Wasser gekleidet. Tyson beobachtete, wie Galux sich zum Angriff bereit machte, da hielt sie überrascht inne. Der Neuankömmling schenkte ihnen keine Beachtung, sondern stürzte sich auf ihre Artgenossin. Sie packte Ming-Ming am Kragen und zog ihre bettelnde Seele von der Gruppe weg. Er sah den entsetzten Ausdruck in den Gesichtern seiner Freunde, als ihr Geist verzweifelt die Hände nach ihnen ausstreckte. „Helft mir!“, wimmerte Ming-Ming ihnen zu. „Bitte! Es darf nicht so enden! Ich will leben!“ „Eine recht frische Tote.“, erkannte Galux. „Selbst die Stimme ist ihr noch geblieben.“ „Wir kennen sie!“, erklärte Max fassungslos. „Ich weiß. Auch ich erinnere mich.“ „Was sollen wir jetzt tun?“ „Euch beeilen!“, wies Galux die Gruppe zurecht. „Aber wir können sie so doch nicht zurück lassen!“, rief Tyson aus. „Ihr ist nicht mehr zu helfen! Und wenn euch schon solch unerwartete Hilfe widerfährt, nutzt die Gelegenheit und stellt keine weiteren Fragen!“ Die gesichtslose Seele zerrte Ming-Ming weiter mit sich. Sie tat eine hektische Handbewegung auf den restlichen Weg, als würde auch sie die Gruppe zum Weiterlaufen animieren wollen. Offenbar waren nur die grauen Geister verwirrt. Galux hopste an den rangelnden Gestalten vorbei. „Nun beeilt euch doch!“, rief das Bit Beast ihnen zu. Mit einem weiten Abstand, huschte die Gruppe an den beiden Seelen vorbei. Tyson blickte auf die Geister, auf Ming-Mings Finger, die sich krampfhaft nach ihnen ausstreckten. „Nein!“, schallte ihre Stimme hinter ihnen, überschlug sich vor Verzweiflung. „Bitte! Ich hatte doch noch so viel vor! Ich will noch nicht hier sein. Bitte lasst mich nicht allein!“ Er sah sie in Tränen ausbrechen, etwas, was Geister offensichtlich auch noch konnten. Da drückte die gesichtslose Seele sie in eine Umarmung. Ming-Mings hilfloses Schluchzen, lastete schwer auf der Gruppe. Die Talsohle vor dem Ziel, musste für jeden Verstorbenen, eine unglaubliche Herausforderung sein. Während der andere Geist der jungen Frau tröstend über den Haarschopf fuhr, wandte sie ihnen den gesichtslosen Kopf zu. Tyson hätte schwören können, dass sie ihnen nachschaute. * Der Kampfplatz war augenblicklich verstummt als Driger auf der Erde aufkam. Fast so, als würde das Element, was er verkörperte, mit seinem Verschwinden den Atem anhalten. Als er den Tiger in die Tiefe stürzen sah, blieb Dragoon noch lange über der Wolkendecke. Etwas in ihm hatte sich dagegen gesträubt, hinab zu fliegen und sich davon zu vergewissern, dass er tatsächlich fort war. Er sah noch immer die Anklage in Drigers Augen, kurz bevor er unter ihm, in der Wolkendecke verschwand. Als er aufkam, vernahm er einen Laut, der bis zu ihm hinauf schallte. Es klang wie der Aufprall eines Kometen. Kurz darauf konnte er jeden Baum dort unten Knacken hören, als ob die Druckwelle den Dschungel in Stücke riss. Die Pflanzen starben ab, sobald ihr Meister nicht mehr lebte. Es erinnerte Dragoon daran, dass er sicherstellen musste, dass vorläufig Draciel den Platz von Driger übernehmen musste. Immerhin hatte der Tiger, die Schildkröte als Partner auserkoren. Daher musste er gewährleisten, dass sich seine Macht auf Draciel übertrug, damit das Gleichgewicht nicht zu stark, aus den gewohnten Bahnen sprang. Dennoch dauerte es lange, bis Dragoon den Abstieg wagte. Er fragte sich was ihn so zögerlich machte. Da war ein beklemmendes Gefühl in seiner Magengegend, dass ihm bleiern schwer belastete. So etwas hatte er schon einmal gespürt. Kurz nachdem er Wolborg in die Eiswüste verbannt hatte. Dragoon war gerade zu seinen Kameraden zurückgeflogen und fand sein Phönixküken in Drigers Fell begraben. Sie hatte so bitterlich geweint, dass ihm einen Moment der verwirrende Gedanke durch den Kopf schoss, ob er tatsächlich richtig gehandelt hatte. Diese Empfindung war äußerst konfus für ihn. Ein Bit Beast hinterfragte seine Handlung für gewöhnlich nicht. Es wusste was es zu tun hatte. Die Natur hatte sie dafür mit ihren Instinkten ausgestattet. Daher war ihm klar gewesen, dass er seine Stärke beweisen musste, als Wolborg ihm in die Quere kam und sein Handeln, durch Drigers Zurechtweisung, nur noch mehr bestätigt gewusst. Doch als er Dranzer so unglücklich sah, da empfand er etwas, was er so nicht kannte. Dragoon wollte nicht dass sie litt und dass sein Handeln dies verursachte, machte ihn geradezu hilflos dieser befremdlichen Situation gegenüber. Er hatte nicht gewusst, was in diesem Moment angebracht war. Daher hatte er die Lider gesenkt und war noch einmal davongeflogen. Es schien ihm besser als ihr herzzerreißendes Weinen weiterhin zu hören. Als er nun mit den Krallen auf der Erde aufkam, war das erste was er tat, seinen menschlichen Körper wieder zu sich zu rufen. In Form von kleinen Splittern, ähnlich seinen Drachenschuppen, legte er sich auf seine Haut, bis seine Bit Beast Gestalt schrumpfte und sich in dem Toten wieder einnistete. Etwas betrübt blickte er auf die Stelle, in welcher sein verlorener Arm eigentlich stecken sollte. Dort klaffte eine trostlose Lücke. Driger hatte ganze Arbeit geleistet. Mit einem Seufzen ließ Dragoon die verbliebenen Stücke des Menschenkörpers über die Lücke wachsen, während die überflüssigen nutzlos zu Boden fielen. Es sah nicht schön aus, würde seinen Zweck aber dennoch erfüllen. Noch hatte er genug Gliedmaßen, um seinen Pflichten nachzukommen. Erst danach ließ er den Blick über den Kampfplatz schweifen. Etwas in ihm wollte nicht nach Drigers Leichnam suchen. Er wollte den Anblick nicht sehen. Es war merkwürdig… Gerade eben war er noch voller Hass gegen seinen alten Verbündeten gewesen. Diese Scheinheiligkeit mit der er ihn damals verurteilt hatte, während er selbst doch keinen Deut besser war, hatte ihn schier wahnsinnig gemacht. Was war er nicht hart mit Dragoon ins Gericht gegangen, als ihn Dranzers Abwesenheit mehr und mehr belastete. Dennoch… Da waren Momente in jenen sie auch gemeinsam gelacht hatten. Er kniff die Augen fest zusammen und ermahnte sich Stärke zu beweisen. Desto schneller er Drigers Energie zu Draciel brachte, desto eher würde ein neuer Erdengeist geboren werden. Womöglich war dieser dann auch besser geraten als der Letzte. Bei diesem Gedanken nickte Dragoon grimmig. Endlich fand er den Ansporn um sich in Bewegung zu setzen. In Ermangelung von Kraft, begann er die Umgebung zu Fuß abzusuchen. Er kletterte schweratmend über das unwegsame Gelände und steuerte schon bald auf einen Punkt zu, dessen Zentrum ein tiefer Krater war. Dabei bemerkte er wie schwierig sich das mit einem Arm gestaltete. Etwas wehmütig musste er dabei an die Sterblichen denken, wenn die eines ihrer Gliedmaßen verloren. Er hatte sich immer gewundert, weshalb sie sich darüber so brüskierten, doch nun dämmerte ihm so langsam, wie anstrengend das war. Da seine Kraftreserven fast gänzlich aufgebraucht waren, war Fliegen momentan auch keine Option mehr. Er war wirklich erschöpft… Dragoon brauchte Zeit um zu heilen. Womöglich könnte er sich seine Energie von einigen der Lebewesen in der Umgebung zurückholen. Immerhin zehrten diese ja auch von seiner Macht. Wenn er die wieder brauchte, sollten sie eben selber schauen, wie sie zurechtkamen. Am Rand des Kraters hielt er inne - und schluckte plötzlich hart. Drigers Leichnam hatte sich in Stein verwandelt. Jenem Element dem er entsprang. Wann immer ein Bit Beast starb, wurde sein Körper zu dem, aus was er geboren war. So war der Kreislauf des Lebens. Ihn nun aber vor sich zu sehen, ließ ihn erst erkennen, wie endgültig nun alles war. Sein Blick wanderte an dessen Körper entlang. Er lag auf der Seite. Kurz vor seinem Tod hatte er wohl noch versucht, mit einem wachsenden Gestrüpp seinen Aufprall zu mildern. Es war ein letzter verzweifelter Versuch gewesen, sein Überleben zu sichern. Seine Geschwindigkeit war aber so schnell gewesen, dass der Aufschlag dennoch zu hart war. Die Zweige um ihn herum begannen zu vertrocknen. Sie färbten sich langsam von einem satten Blattgrün, Richtung braun, bis sie langsam welk und spröde wurden. Dragoon ergriff eines der trockenen Blätter, das zwischen seinen Fingern jedoch zerbröselte. Ein schwerer Atemzug kam aus seinem Mund. Dieser Anblick… Irgendwie war er traurig. Dragoon starrte auf das geöffnete Maul des Tigers. Er brauchte einen Reißzahn von ihm. Darin war noch ein kleiner Teil von Drigers Energie enthalten. Die Kraft eines Bit Beast verpuffte nicht auf einen Schlag. Es war ein langsamer Prozess. Wenn er einen Reißzahn nahm und ihm Draciel brachte, könnte es sicherlich Drigers Macht noch aufrechterhalten, bis der neue Uralte ins Leben trat. Doch etwas an dem Mund machte ihn melancholisch. Daraus würde er kein Wort mehr vernehmen. Er würde nie mehr mit Driger sprechen können. Dabei hatten sie sich seit den Anfängen der Welt gekannt. Der Tiger war noch vor ihm auf die Welt gekommen. Und jetzt war weg. Wirklich komplett weg… Einen Moment wandelte sich Dragoons Ausdruck bei diesem Gedanken. Seine eisernen Gesichtszüge wurden deprimiert. Auf einmal war da ein dicker Kloß in seinem Magen und er fühlte sich tatsächlich elend. Mit seinem verbliebenen Arm rieb er sich über die Nasenwurzel. Was war los mit ihm? Eine Löwin empfand schließlich auch nicht so, wenn sie in der Savanne ihre Beute riss. Die fraß sich an dem Körper satt. Dennoch brauchte er einige Minuten, um sich klar zu werden, dass er an Drigers Ableben die Schuld trug. Einen Moment blinzelte Dragoon verwirrt über seine eigenen Gedankengänge. Schuld. War ihm dieses Wort tatsächlich durch den Sinn gegangen? Er hatte doch nichts verbrochen! Also wofür sollte er sich schuldig fühlen? Das Leben sah vor, dass ein anderes Leben dafür starb, damit man weiter existierte. Ansonsten würde jedes Wesen, das auf der Erde wandelte, doch verhungern. „Das hatte aber nichts mit Hunger zu tun…“ Diese Erkenntnis ließ ihn einen Moment schlucken. Der Kampf hier im Dschungel war beendet, doch nun tobte eine weitaus schlimmere Schlacht in seinem Kopf. Da waren zwei Parteien. Sein Instinkt sagte ihm, dass er richtig gehandelt hatte. Ein Bit Beast musste seine Stellung gnadenlos verteidigen. Driger war zu weit gegangen! Er hatte sich ihm in den Weg gestellt, dafür musste er in die Schranken gewiesen werden. Hätte er Dragoon seinen Willen gelassen, wäre er doch auch nachsichtiger mit ihm umgesprungen. Die andere Partei – ein Teil von ihm der ihm bisher unbekannt war – dachte an all die Jahre zurück, als er gemeinsam mit seinen Kameraden glückliche Zeiten verlebte. Jener Part warf ihm vor, jemanden ausgelöscht zu haben, der ihm doch so viele Male ein guter Freund gewesen war. Der sich bemüht hatte, ihm mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. „Und wegen einem einzelnen Fehltritt hast du ihn getötet!“ Dragoons Augen wurden starr. „Du hast ihn ausgelöscht!“ Aufhören… „Er existiert nicht mehr! Er war dein Freund!“ Das konnte doch nicht normal sein… Dragoon kniff die Lider fest zusammen, um sich zu sammeln. Was immer das hier war, es war neu für ihn und er wusste nicht damit umzugehen. Dieser schreckliche Kloß im Magen wollte nicht leichter werden, stattdessen gewann er mit jedem Vorwurf an Gewicht. Es war wie eine erdrückende Last, die weiter um sich griff, sich auf seine Schultern legte und ihn erbarmungslos zu Boden drücken wollte, bis er auf allen Vieren kroch. „Nein!“, brach der instinktive Teil in ihm aus und er schrie seinen Zorn laut hinaus. „Ich bin der Wind! Ich bin der Sturm! Ich lasse mich nicht zu Boden reißen! Der Wind gehört hoch in den Himmel, nicht in die Tiefe!“ Sein Blick schnellte zu Drigers Leichnam. Die Lider die sich über dessen Augen gelegt hatten. Auf den Mund mit den Reißzähnen der für immer verstummt war. „Du bist selbst schuld!“, brüllte er dem leblosen Körper entgegen. „Ich wollte es niemals soweit kommen lassen! Du hast mich dazu getrieben! Hörst du mich?!“ Kein Mucks kam von ihm. Da war nichts mehr da. „Du blöder Hornochse! Hättest du dich bloß nicht so angestellt! Wie konntest du so dumm sein und deine Existenz für sie aufs Spiel setzen?!“ Stille. Nichts weiter… „Glaubst du ich wollte das?! Nur wegen einer kleinen Unterklasse Hexe? Was hat es dir gebracht? Das hast du dir selbst zuzuschreiben! Da liegst du nun! Du liegst da und bist…“ Er hielt inne. Etwas wollte den letzten Teil nicht aussprechen. Es wäre dann endgültig. Fassungslos über seine eigene Unfähigkeit diese Hürde zu überwinden, fuhr er sich stöhnend über das Gesicht – und spürte etwas Feuchtes auf seiner Wange. Er blickte irritiert auf den zurückgebliebenen nassen Film auf seiner Hand, zerrieb ihn zwischen seinen Fingerkuppen. Dann blinzelte Dragoon hinauf in den Himmel und fragte sich, ob es zu regnen begann. ENDE KAPITEL 33 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)