Gedanken, Erinnerungen, Gespräche eines Zauberbrechers von Kyrethil (Oneshot(-Sammlung)) ================================================================================ Kapitel 7: Wer Recht hat.. -------------------------- Varendil blickte sie an. Dann richtete er sich auf dem Bett wieder etwas auf, kam zum Sitzen. „Verzeihung“, murmelte er förmlich, obwohl er es nicht meinte. Nein, das tat er wirklich nicht. Er spürte eine Hand auf seiner Schulter. Es raschelte, und schliesslich setzte sie sich auch auf, neben ihn, blickte ihn schweigend an. Er blickte auf die Bettdecke. „Verzeihung“, murmelte er erneut, weil er die Stille durchbrechen wollte. Immer noch sagte sie nichts. Seine Haare fielen ihm über den Rücken und die Brust. Sachte entzog er sich ihrer Hand und stand auf, nur weg von dem Bett. Er rieb sich einmal über das Gesicht, während ein weiteres Rascheln andeutete, dass sie sich die Decke um den Körper gewickelt hatte. „Verzeihung“, murmelte er ein drittes Mal, ehe er schliesslich einen Blick auf sie wagte. Auch wenn er ihren enttäuschten Blick wohl nur schwer ertragen konnte, fühlte er sich dennoch verantwortlich. Wie er erwartet hatte, hatte sie sich die Decke um den halbnackten Körper gewickelt. Ihr dunkles, schwarzes Haar fiel ihr halb ins Gesicht, und sie hob in dem Moment die Hand, um ein paar Strähnen hinter die Ohren zu streichen. „Was ist dein Problem, Varendil, hm?“, sagte sie schliesslich. Varendil drehte sich wieder weg, obwohl ihre Stimme keineswegs verächtlich geklungen hatte, konnte er ihren Anblick nicht ertragen. „Ich.. es..“ Er suchte nach Worten. „Verzeihung“, brachte er nur erneut über die Lippen. Es gab keine Erklärung. Er suchte nach seiner Robe, die achtlos auf dem Boden gelandet war, nahm sie auf, und zog sie sich über den Kopf. Sie stand auf und trat hinter ihn, legte ihm erneut die Hand auf die Schulter. Sie war fast gleichgross wie er. Dann umrundete sie ihn, halbnackt wie sie war, und blickte ihn an, aufmerksam. Sie war schön. Sie war perfekt. Ihre Rundungen luden zum verführerischen Entdecken ein, ihre Lippen waren sinnlich und wohlgeformt und ihre Haut war samtig und weich. Und doch bot sie ihm keinen Reiz. Er blickte sie kaum an, senkte wieder den Kopf. „Wer ist sie?“, sagte sie schliesslich, und lächelte. Es war ein seltsames Lächeln, eine Mischung aus Bedauern und gleichzeitiger Neugier. Sie wusste selbst, dass sie verführerisch war, dass sich die Männer nach ihr die Finger leckten. Sie wusste, dass sich manch ein Mann so sehr nach ihr verzehrte, und sie niemals in die Finger bekommen würde. Varendil blickte wieder hoch. „Wie.. woher..“ Sie lachte leise und entfernte sich wieder von ihm, setzte sich auf die Bettkante. Varendil drehte sich zu ihr. „Das sieht man dir an“, sagte sie. „Wirklich?“ „Varendil Leyklinge, wir mögen nie die besten Freunde gewesen sein, doch ich kenne dich gut genug und vor allem lang genug, um zu wissen, dass es Zeiten gab, an der du eine solche Einladung nie ausgeschlagen hättest.“ Varendil blickte einen kurzen Moment zu Boden, ehe er sich zwang, sie wieder anzusehen. „Verzeihung, ich..“ „Entschuldige dich nicht dauernd.“ „Diese Zeiten.. sind vorbei.“ „Bist du sicher? Sie waren erst vorbei, als du dich für die Flammenschlag entschieden hast, und für ein glückliches Familienleben. Doch dies ist längst vorbei.“ „Ja, aber..“ „Also.. Wer ist sie?“ Varendil seufzte. „Oder eher.. Sag mir, was sie getan hat, dass du für sie auf ein paar nette Stunden verzichtest. Sag mir, was sie getan hat, um dich einzufangen.“ Ihr Lächeln war ehrlich und doch spürte Varendil, dass es auch eine gewisse Traurigkeit beinhaltete. Er blickte sie an. „Ich weiss es nicht“, antwortete er. Es war die Wahrheit. „Ich weiss es wirklich nicht.“ Erneut stand sie auf, und kam ihm nahe. Direkt vor ihm stützte sie die Hände auf die Hüften. „Varendil Leyklinge, ich habe schon gemerkt, dass etwas nicht stimmt, als du bei unserem Magietraining auf mich eingeprügelt hast, als wäre ich ein wirklicher Feind.“ „Dafür habe ich mich doch schon entschuldigt, ich..“ Sie wischte seinen Einwand mit einer Handbewegung zur Seite. „Darum geht's nicht. Das ist längst verziehen.“ „Worum dann?“, wagte er zu fragen. „Warum bist du bei mir, und nicht bei ihr?“, fragte sie und blickte ihn an, durchdringend. Er hielt ihrem Blick eine Weile stand, ehe er zu Boden schaute. „Ich schätze, ich habe einen Fehler gemacht.“ „Sehr gut erkannt“, sagte sie und konnte einen leichten ironischen Unterton nicht verbergen. „Nicht, dass das nicht langsam ein Muster wäre..“ „Wie meinst du das?“ „Erinnerst du dich an die Affäre mit der Sonnenfeder? Oder der Streit mit dieser anderen da..? Ich hab ihren Namen vergessen. Bevor du die Flammenschlag genommen hast, und glückliche Familie gespielt hast, bist du immer zu mir gekommen, wenn du Trost brauchtest. Trost einer Frau, meine ich natürlich.“ Varendil blickte sie an. Sagte nichts, denn sie hatte Recht. Trost war sogar übertrieben. Vergessen. Trost gab ihm Fiyeran, sein Bruder. „Ich war eine Närrin zu glauben, dass dein wieder erwecktes Interesse seit gestern wirklich an mir lag.“ Trotz ihrer harschen Worte lächelte sie. „Ich wäre aber auch eine Närrin, wenn ich versuchte, dich zu halten. Also..“ Sie entfernte sich wieder etwas von ihm, und sammelte ein paar Sachen ein, die eindeutig ihm gehörten, und im Zimmer verstreut lagen. In ihrer – oder eher seiner Gier – waren sie vorhin nicht gerade auf Ordnung bedacht gewesen, als sie das Zimmer im Gasthaus in Beschlag genommen hatten. Varendil sagte nichts. Was hätte er auch sagen können? Eine Entschuldigung hätte ihre Enttäuschung auch nicht besser gemacht. Er schämte sich. Sie kam wieder zu ihm, und drückte ihm ein Bündel in die Hand, lächelte. „Also schicke ich dich jetzt weg.“ „Du schickst mich weg?“, wiederholte er verdutzt. „Exakt. Ich glaube, du solltest dein Problem mit ihr eher lösen, anstatt wie ein Jungelf davor wegzurennen, in die Arme einer Bekannten aus der Jugendzeit, die schon immer ein bisschen verliebt in dich war und deswegen immer für dich da ist.“ Sie wirkte immer noch freundlich, aber ihre Augen glitzerten etwas, und Varendil schluckte. Er wollte lieber nicht sehen, wie sie in Tränen ausbrach. „Egal was es ist, aber du kannst es weder mit extrahartem Training noch mit endlosen Stunden Liebesspiel lösen.“ Er blickte sie an. „Du hast Recht“, gab er schliesslich zu. „Ich sollte..“ „Geh, bitte geh einfach, ja?“, unterbrach sie ihn. „Und wenn du das nächste Mal zu mir kommst, dann.. als Freund. Nicht als jemand, der Trost braucht.“ „Es tut mir leid“, sagte Varendil, und er sprach es aus tiefstem Herzen. Denn es tat ihm leid. Er hatte nicht gesehen, was er ihr antat, aber er hätte es sehen müssen. „Entschuldige dich nicht.“, murmelte sie, und wischte sich mit dem Handrücken über das linke Auge. „Dummer Idiot“, fügte sie hinzu. Dann drehte sie sich um und liess sich zurück auf das Bett fallen. Varendil trat zur Tür und verliess ihr Zimmer, verliess das Gasthaus. < Du solltest dein Problem mit ihr eher lösen.. Jungelf.. Trost suchen..> Ihre Worte hallten in seinem Kopf nach. Seine Schritte lenkten ihn aus Silbermond hinaus, nicht wie vorgesehen nach Hause. Es war bereits Nachmittag. Er spürte die Sonne, die ihre letzten kraftvollen Strahlen über das Land der Sin'dorei legte, und Bäume, Gräser, Büsche, Tiere liebkoste, Kraft und Energie spendete. Er spürte die Wärme, die die Haut seines Gesichts liebkoste, doch er blickte nicht hoch, nahm nicht die Landschaft war, hatte keinen Blick übrig für einen in voller Blüte stehenden Friedensblumenstrauch. Den Kopf gesenkt ging er schweigend hinunter zur Küste, zum Meer, dessen ruhiger Wellenschlag auf und ab wogte. Er liess sich in den Sand fallen, schlang die Arme um die Beine und starrte auf das Blau. Zuerst war er wütend gewesen, was Fiyeran sich erlaubt hatte. Ihn lächerlich genannt hatte. Oh ja, er war wütend gewesen, und hatte seinen Bruder gemieden für den Rest der Woche. Und es hatte an ihm genagt. Nicht losgelassen. Fiyeran kannte ihn besser, als er sich selbst kannte. Und er hatte Recht behalten. Varendil hielt es nicht aus ohne sie. Er vermisste sie. Und er war ein Narr gewesen. Langsam klärten sich seine Gedanken und ordneten sich, im Rhythmus des stetigen Wellenschlags des Meeres dachte er das erste Mal nach. Und egal wie er es drehte und wie er es wendete, war die Erkenntnis stets dieselbe. Er hatte nicht nur einen Fehler begangen, sondern gleich mehrere. Und er hatte ihr weh getan, obwohl er es nicht gewollt hatte. Er hatte nicht gelogen. Er hatte wirklich nicht darüber nachgedacht, wie er zu ihr stand. Aber nicht, weil er sich mit ihr nichts weiter als eine Affäre vorstellen konnte, sondern weil er es sich verboten hatte, darüber nachzudenken. Varendil rieb sich die Stirn und seufzte. Fiyeran hatte Recht gehabt, damals, nach ihrem Tavernenbesuch am Falkenplatz vor einigen Wochen. Er hatte nicht darüber nachgedacht, weil er Angst hatte. Er hatte Angst, und er hatte es nicht einmal erkannt. Erneut seufzte er und blickte auf das Meer. In der Ferne konnte er die Insel von Quel'Danas ausmachen. Die Baumkronen der Bäume schimmerten fast golden im Abendlicht. Und nun hatte er es zunichtegemacht. Er war doch nie ein Feigling gewesen. Niemals. Er hatte sich immer in einen Kampf gewagt, ausser er war völlig aussichtslos gewesen. Er hatte selten Angst gehabt, und war stolz darauf gewesen, rational zu denken. Vernünftig zu sein. Angst – aber auch törichte beserkerartige Wut, das war ein Attribut, welches nicht auf ihn zutreffen sollte. Einen stolzen Sin'dorei. Er war doch kein Wilder. Er hatte keine Angst. Er war vernunftbegabt. Aber das war ein Kampf auf einem Schlachtfeld, das er nicht kannte. Und er hatte sich von der Angst leiten lassen, weil er das Gefühl nicht erkannte. Er hatte Angst, dass sich alles wiederholen würde. Und er hatte Angst, dass er einen erneuten Verlust wie den von Imara nicht ertragen würde. „Fiyeran, du hattest Recht“, sagte Varendil. Die Worte klangen vertraut, er hatte sie oft gesprochen. „Ich hatte Angst“, sagte er. Diese Worte klangen fremd. „Ich habe Angst“, korrigierte er sich. Seine Hand fuhr durch den warmen Sand, als er wieder in Gedanken versank. Die Sonne war gerade untergegangen, als Varendil sich endlich rührte. Bewegungslos hatte er dagesessen und nachgedacht. Seine Glieder protestierten, als er sie zwang, sich zu bewegen, und schliesslich aufstand. Sein rechte Bein war eingeschlafen, und einen Moment lang kämpfte er gegen das eklige Gefühl an. Es nützte nun nichts mehr, herum zu sitzen. Jeder weitere Tag, jede weitere Stunde war verschwendet. Er hatte eine Entscheidung getroffen. Und er war sich sicher, dass es dieses Mal die richtige Entscheidung war. Er hatte die Angst analysiert. Er wusste, sie würde ihn stets begleiten, und vorsichtig machen, aber wie sollte er wissen, ob sie sich bewahrheitete, wenn er es nicht versuchte. Fiyeran hatte Recht gehabt. Und er vermisste sie. Sie und ihren Sohn. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)