Die, die aus dem Himmel kamen von mangacrack (Teil II: Wo das Grauen seine Wurzeln hat) ================================================================================ (VII) - We're in this together ------------------------------ - nach Gabriels Tod, vor Jibrils Erwachen - [folgt direkt auf "Bad Moon Rising"] Raphael krallte seine Finger in das Metall des Bettgestells und starrte zuerst auf den Wasserdampf, der langsam an ihm vorzog und zum Fenster hinaus geweht wurde, dann auf die Tür, durch die Michael gerade verschwunden war. Ratlos presste er sich die Hände vor das Gesicht, um nicht sehen zu müssen, was passiert war. Vielleicht würde die Welt wieder in Ordnung werden, wenn er sich nur lange genug einredete, es wäre alles nur ein Traum. Nur ein schlimmer Alptraum, aus dem er wieder erwachen würde. Aber Belial hatte ihm gezeigt, wie die Welt wirklich aussah, wenn man nicht nur über sie hinweg flog, sondern nahe genug heran ging bis man deren kalte Grausamkeit nicht mehr leugnen konnte. Ich wollte nie wissen, wie die Welt von innen aussieht, dachte Raphael. Dasselbe hatte er auch gedacht, als er zum ersten Mal die offenen Organe eines anderen Engels erblickt hatte. Er hatte nicht glauben wollen, dass Engel sich das gegenseitig antun konnten. Beinahe hätte der die Berührung und das viele Blut auf seinen Händen nicht ertragen, aber er als Heiler wusste, dass gewisse Dinge eben gemacht werden mussten. Besonders wenn es darum ging Leben zu retten. Leben wie das von Gabriel. Gabriel. Der Name hing in der Luft und Raphael brachte es nicht fertig, ihn auszusprechen. Er wusste, dass etwas in ihm sterben würde, wenn er es nicht tat, aber er konnte sich der Aussicht nicht stellen, dass er tot war. Nicht solange er sich noch an die Illusion klammeren konnte, die atmend und lebendig hinter ihm lag. Es war nicht viel, aber es war genug, um sich seine Fassung zu bewahren, ansonsten hätte er sehr wahrscheinlich dem Drang nachgegeben einfach die Flügel zu spreizen und davonzufliegen. Um nie wieder zurück zu kehren. „Raphael“, rief ihn Uriel jetzt und wieder einmal fragte sich der Heiler, wie er es schaffte ihn ständig zu übersehen. Uriel war weder klein noch unauffällig, aber man konnte leicht an ihm vorbei laufen, ohne ihn zu bemerken. So wie eben schien es ihm auf, dass Uriel sich häufig ganz einfach nicht bemerkbar machte, selbst wenn es vielleicht höflicher gewesen wäre, es zu tun. Doch da Uriel meist taktvoll genug war, um von beobachteten Geschehnissen keinen Vorteil zu ziehen, klagte ihn deswegen auch niemand an. Raphael sah zu dem Riesen auf, der neben ihm stand, aber respektvoll Abstand hielt. Nähe hätte er jetzt wirklich nicht ertragen, nicht von Uriel. Nicht wenn er sich so mächtig fühlte, wie ein kleiner Vogel der drohte vom Wind gegen die Wand eines Berges geworfen zu werden. Er wollte jetzt nicht mehr mit der Realität konfrontiert werden, als es unbedingt nötig war und den harten Aufprall würde er vielleicht so nicht überstehen, wenn klar wurde, dass die Person auf den Bett nicht Gabriel war. Und auch niemals Gabriel sein würde. Schwindel erfasste ihn und die Welt drehte sich, ob wegen der Erkenntnis, die er sofort wieder verdrängte oder weil Uriel ihn in die Senkrechte zog, wollte Raphael nicht wissen. Aber immerhin blieb sie halbwegs in ihren Fugen, weil Uriel sich trotz seiner instinktiven Reaktion sich weigerte ihn loszulassen, sondern lediglich einen Arm um seine Hüfte legte und ihn zur Tür schleifte. „Du musst hier raus Raphael“, hörte er Uriel sagen. „Wir müssen hier raus.“ Ja, wollte Raphael schreien, aber er brachte bloß ein schwaches Nicken zustande. Er musste hier raus, weil er sonst nicht wusste, was er würde tun, wenn sie aufwachte. Es würde bald soweit sein und er konnte nicht dabei sein. Er konnte nicht dieser Frau, diesem Wesen ins Gesicht blicken und sie als Gabriel akzeptieren. Michael hatte Recht, dachte Raphael abwesend, als Uriel ihn durch die Gänge schleifte, die Wachen anwies niemand zu dem Wasserengel vorzulassen und sich an ihm klammerte, als wenn er das Einzige wäre, was ihn noch auf dem Boden der Tatsachen hielten. Wir können Gabriel nicht ersetzten, aber ich ... Atemzüge beschleunigten sich und ein substanzloses Wanken glitt in seinen Gang. ... ich habe es trotzdem getan! Der Rat hatte es ihm befohlen und er hatte sich dem nicht widersetzten können. Einige dieser Engel gehörten zu den ersten die der Schöpfer erschaffen hatte und seine Stellung war durch die Affäre mit Belial schon gefährdet genug. Sie hatten ihm gesagt, was er tun sollte und hatten ihm die Mittel zur Verfügung gestellt, die nötig gewesen waren, um Gabriels Inkarnation zu einer jungen Frau zu altern zu lassen. Ein Teil von ihm warnte ihn, dass dies nur der Anfang einer Katastrophe war. Man konnte den Ratsmitgliedern nicht trauen und als Arzt wusste er am besten, dass derartige Prozesse langsam von Statten gehen mussten. Aber es war auch dieselbe Stimme ihm sagte, dass sich jetzt alles ändern würde und hören wollte er das nicht, als ignorierte er seine Umwelt so gut er konnte. Selbst Uriel, der ihn jetzt mehr trug als stützte. „Komm schon Raphael“, sagte Uriel zu ihm und schob in einen dunklen Raum. Es dauerte eine Weile bis Raphael ihn als seine eigene Behausung erkannte. Durch die lange Zeit an der Front des Krieges hatte er praktisch vergessen, dass er noch einen anderen Schlafplatz als das Feldbett hatte. Jemand zog an seiner Kleidung, doch Raphael reagierte gar nicht. Er konnte seine Gedanken nicht von dem Engel lösen, der Gabriels Platz eingenommen hatte. Wenn sie Glück hatten, war sie wahnsinnig. Wenn sie Pech hatten, war sie inkompetent und ihrer Aufgabe als Hüterin des Wassers nicht gewachsen. Dann würden sie es erneut probieren müssen, allerdings würde bei jedem Versuch immer mehr von Gabriel verloren gehen. Außerdem waren die Naturkatastrophen unabsehbar, jetzt war es bereits der Fall das alles Leben auf Assiah bedroht wurde, weil das geschwächte Gleichgewicht Luzifers Fall nicht ertragen und eine Kettenreaktion ausgelöst hatte, an dessen Ende die Urzeitmonster standen. Michael wurde den Tod riesigen Echsen und Drachen betrauern, wenn er denn zwischen Gabriel und Luzifer Zeit dafür fand. Sie würden alle irgendwann über ihren eignen Schmerz hinweg sehen müssen, doch Raphael würde gewiss nicht damit angefangen. Heute außerdem erst recht nicht. Er fühlte wie er von Uriel auf sein Bett gesetzt wurde. Ein kalter Luftzug blies über seinen nackten Oberkörper und Raphael fragte sich, wann Uriel ihn auszogen hatte. Gerade als der Erdengel zurücktreten und sich zurück ziehen wollte, klärte sich Raphaels Verstand soweit, dass er rechtzeitig nach Uriels Hand greifen und sie festhalten konnte. Fragend sah er Uriel an. „Bleibst du hier?“, wollte er wissen. Zwar wusste er nicht, ob er Uriels Nähe die ganze Nacht würde ertragen können, ohne komplett auseinander zu brechen, aber alleine in der Dunkelheit zu liegen, würde ihm den verlorenen Frieden auch nicht wiedergeben. Uriel schien zu zögern und Raphael bemerkte da etwas Hartes in seinem Blick, etwas das vor Gabriels Tod noch nicht da gewesen war, aber er nickte. Daher beschloss Raphael alles weitere zunächst zu vergessen, als sich Uriel zu ihm legte. Alles. Dass Uriels Haut sich rauer und trockener anfühlte, als er es gewohnt war, dass er nicht wusste, was Michael trieb, dass Jibril gerade unbeaufsichtigt war ... Und ganz besonders, dass der Rat vehement darauf bestanden hatte, dass Gabriels Nachfolger ein junger kräftiger, aber vor allem weiblicher Engel sein musste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)