Die, die aus dem Himmel kamen von mangacrack (Teil II: Wo das Grauen seine Wurzeln hat) ================================================================================ (IX) - Wait your turn --------------------- - Vor Alexiels Verhandlung – Mit eiligen Schritten durchquerte Jibril die überfüllten Gänge des Gebäudes. Überall standen Wachen, deren Waffen nicht nur zur Abschreckung dienten. Man hatte die in Rüstung gekleideten Spione, die an jeder wichtigen Tür standen, gegen Männer des Militärs getauscht. Sie trugen schwarze, schusssichere Westen, Gewehre, die beständig am Anschlag waren, und hatten einen harten Blick im Gesicht, der jedem sagte, das sie keine Hemmungen hatten ihre Waffen und ihre Ausbildung dazu zu benutzen jede Unruhe und jeden Aufstand im Keim zu ersticken. Jibril erschauderte, als sie an zwei dieser Wachmänner vorbei lief, um in das Gerichtsgebäude zu gelangen, in dessen tiefen Kellern man Alexiel eingesperrt hatte. Sie wusste nicht wessen Befehl sie unterstanden, doch offenbar kannte dieser jemand ihr Gesicht gut genug, sodass sie passieren konnte ohne die eigentlich für jeden verpflichtende Kontrolle über sich ergehen lassen zu müssen. Es gab nicht viele, die ihr diese Erniedrigung ersparen würden, denn Jibril hatte gelernt, dass Soldaten alle gleich waren. Selten traf sie jemanden an, der nicht seine Hände zu lange auf ihrem Körper ruhen ließ, weil gerade kein weiblicher Soldat in der Nähe war, der diese Aufgabe übernehmen konnte. Inzwischen hatte sie es aufgegeben, sich darüber zu beschweren, denn in der Regel stand ihr Wort gegen das der Männer, die selbstverständlich alles leugneten, nichts gesehen hatten oder gleich dreist alle zusammenhielten. Häufig reichte es nicht einmal für eine Beschwerde oder einen Eintrag in ihrer Akte. Jibril hatte gelernt in dieser Sache den Mund zu halten und stattdessen sich zu rächen, in dem sie die Blutzirkulation so manipulierte, dass der Grabscher für den Rest seines Lebens impotent war. Es war ihr egal, ob dieses Gerücht inzwischen die Runde gemacht hatte. Oder ob der Verantwortliche hinter den versteckten Überwachungskameras sich an einem Tag wie diesen einfach an die Vorschriften halten wollte, damit nichts schief ging, was auf ihn zurück fallen konnte, aber sie sandte den Soldaten dennoch einen eisigen Blick zu. Sie war unter jenen sowieso nicht beliebt, ganz gleich welchem Kommando sie angehörten, also würde sie weiterhin alles tun, um sich vor Übergriffen zu schützen. Vor der großen schweren Holztür, die zu Uriels Amtszimmer führte, blieb sie stehen und wartete darauf, dass die Wache davor, sich bemühte sie für sie aufzumachen. Es war keine Sache der Kraft, sondern ein Teil ihres täglichen Kampfes sich unter den Herrschaften und zumeist männlichen Hohen Engel zu behaupten. Sie konnte es sich nicht leisten, den Respekt nicht einzufordern, den man ihr schuldete. Es gab zu viele, die sich den leisesten Hauch von Schwäche sofort zu Nutze machen würden. „Uriel-sama, es ist Jibril-sama, höchster Engel der Herrschaften und Hüter des Wasser“, kündigte ein Engel an, der gleich rechts neben der Tür platziert war. Vermutlich war ein hoher Justiziar und rundherum im Kampf ausgebildet seinen Herrn gegen jede Gefahr zu beschützen, doch in Uriels Gegenwart wirkte er nicht mehr als ein einfacher Schreiber. Mehr würde er in ihren Augen auch nie sein, wenn er es nicht fertig brachte, ihre Titel auf ihr Geschlecht hin angepasst zu verkündigen, doch auch dies schien nie jemanden zu kümmern. Es war und blieb bei der männlichen Anrede. „Ich weiß“, antwortete Uriel mit tiefer Stimme und blickte von seinem Schreibtisch auf. Seine dunklen Augen trafen ihre und wie immer musste Jibril einen Fluchtreflex unterdrücken. Seit jeher wirkte er auf sie wie eine kalte dunkle Felswand, deren scharfe Kanten nur durch ständige Bearbeitung und mit viel Geduld beizukommen waren. In ihrer Erinnerung kam es keinen Moment wo dem Uriel auf sie je weich oder freundlich gewirkt hatte. An Uriel gab es nichts freundliches, selbst sein Gesicht wirkte wie eine Maske. Starr und unnachgiebig. „Womit kann ich dir behilflich sein Jibril?“, fragte Uriel und schob die Papiere zusammen, die er gerade bearbeitet hatte. Mit einer Handbewegung schickte er seine Helfer und Berater hinaus, damit sie ungestört reden konnten, aber sie bekam den Eindruck, dass dies mehr als für eine Chance auf Ruhe und nicht wegen ihr beider Privatsphäre tat. „Ich wollte mich wegen Alexiels Schicksal erkundigen“, sagte Jibril fest und schob die Gedanken beiseite, das vielleicht auch hier Mithörer in der Wand waren, die sie aushorchten und beobachteten. „Das wird bei ihrer Verhandlung bekannt gegeben“, brummte Uriel dunkel und einsilbig. Jibril allerdings konnte die Botschaft ‚das geht dich nichts an’ dennoch sehr gut heraus hören. Aber mehr als die unhöfliche Abfuhr ließ sie die Wortwahl aufhorchen. „Steht das Urteil denn bereits fest?“, fragte sie entsetzt. „Selbst die öffentliche Anhörung hat noch nicht einmal begonnen.“ Uriel sah sie ungewohnt mit offener Feindseligkeit an. Wieder einmal fragte Jibril sich, was der Grund für Uriels kalte und forsche Art. Mit jedem Jahrzehnt das verging, wurden seine Wutausbrüche offener, gewalttätiger und häufiger. Selbst Raphael redete nicht mehr mit ihm und dabei waren der Erd- und der Windengel wohl einmal sehr enge Freunde gewesen. Nur noch Michael konnte man regelmäßig in Uriels Gegenwart antreffen, ganz gleich welcher Stimmung beide waren. Doch da Michael ein Sonderfall war, den sie schon aus Prinzip nicht verstand und er sie mied seitdem sie sich erinnern konnte, half ihr das auch nicht weiter, um den Rätsel für Uriels grobes Verhalten auf den Grund zu kommen. „Alexiel wird sterben“, antwortete Uriel nun auf ihre Frage und riss sie aus ihrer Überlegung, warum sie sich mit den anderen Elementaren nicht verstand. „Ihre Anklagepunkte sind schwerwiegend. Als Organischer Engel hätte sie Aufgaben wahrzunehmen gehabt, die für den fortbestehende Existenz Assiahs essentiell sind. Doch anstatt sie wenigstens fernab des Himmels auszuüben, nachdem sie geflohen war, verband sie sich mit Dämonen, stachelte sie zum Krieg an, ebnete ihnen den Weg vorbei an unseren Verteidigungen vorbei und brachte damit tausenden Engeln den Tod.“ „Aber...“, wollte Jibril einwenden. „Kann sie denn als Organischer Engel überhaupt getötet werden?“ Sie wollte nicht, dass Alexiel starb. Denn sie war neben ihr der einzig weibliche Hohe Engel, der mit ihr auf einer Rangstufe stand. Außerdem hatte sie den kalten Tod nicht verdient, dafür dass sie den Großteil ihres Lebens eingesperrt gewesen war. Vielleicht konnte sie Alexiels Schicksal abwenden, in dem sie Uriel an ihre Nützlichkeit erinnerte. Doch dessen grimmiger Gesichtsausdruck machte ihre Hoffnungen zunichte. „Jedes Lebewesen kann getötet werden“, sprach er verheißungsvoll und starrte Jibril unverhohlen an. „Selbst Hohe Engel und ihr Status schützt sie nicht vor den Konsequenzen ihrer Taten. Ich werde ihre Seele notfalls selbst in den Hades überführen, wenn es nötig ist, aber sie wird ihre Strafe erhalten.“ Jibril erzitterte wegen der Macht hinter dieser grausamen Stimme des Mannes, der Alexiel sterben und leiden sehen lassen wollte. Es war nicht das erste Mal, dass sie befürchtete, dass sie mit den anderen Elementaren nicht ebenbürtig war, aber nie zuvor hatte sie auch nur einen von ihnen gefürchtet. Bis heute. Bis sie in Uriels Gesicht gesehen hatte und erkennen musste, dass er nicht nur Alexiel aus irgendeinem Grund hasste, sondern sie ebenfalls. Es lag in seinen Augen, dass er sie am liebsten verfluchen wollte, genauso wie er es bei Alexiel tun würde. Jibril wich nun zurück und ließ Uriel nicht aus den Augen bis sie die Tür an ihrem Rücken fühlte. Uriel hatte sich seit seinem letzten Satz nicht bewegt, aber er erinnerte sie ein Raubtier auf der Lauer, bereit sie zu töten, wenn sie eine falsche Bewegung machte. So schnell wie möglich sie konnte, schob sie sich durch die Tür und war froh, als sie endlich das Gebäude verlassen hatte. Eigentlich hatte sie Uriel bitten wollen, dass er weibliche Soldaten zur Aufsicht neben Alexiels Zelle postierte, damit sich niemand deren Status aus Kriegsgefangene zu Nutze machte, aber sie würde es nicht wagen jetzt oder gar jemals wieder zurück zu gehen. So weit weg sie von Uriel war, desto gesünder war es vermutlich für sie. Auch wenn sie gerne gewusst hätte, warum er sie so hasste, Michael ihre Existenz komplett ignorierte und Raphael sie hin und wieder so ansah, als sie der größte Fehler seines Lebens. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)