Wenn Etwas Zerbricht von -Krone- (Für minu-chan) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Er betrachtete den anderen stumm. Seine Augen blickten an ihm vorbei ins Nichts, der Gesichtsausdruck war hart, fast kalt. Er hatte seine Lippen so fest aufeinander gepresst, dass nur noch eine dünne, blutleere Linie zu sehen war. Manchmal hatte der Betrachter den Eindruck, dass die Augen des anderen zuckten, so als würden sie ihn seine Richtung sehen wollen, doch dann wurden sie wieder leer und starr. Die Arme waren vor der Brust verschränkt, die Muskeln angespannt und unbeweglich, sich gegen den Rest der Welt abgrenzend. Das Hemd darunter war ungebügelt, zerknittert, der oberste Knopf löste sich aus dem Knopfloch und gab fast den Blick auf die Haut darunter frei. Doch dies war nicht der einzige Zeuge der Unruhe, die doch in ihm schwelen musste. Immer wieder blitze ein weiteres Anzeichen unter der Härte auf. Er hatte seine Beine übereinander geschlagen, wie die verschränkten Arme ein Zeichen der Ablehnung, doch immer wieder begann er nervös mit dem Fuß zu wippen. Bis auf das gelegentliche Blinzeln war dies die einzige Bewegung, die er sich erlaubte und auch diese unterband er fast sofort wieder. Immer noch ruhten die Augen seines Gegenübers auf ihm, bittend, feucht glänzend. Immer noch wusste der Besitzer dieses unglücklichen Augenpaares nicht, wie er gut machen konnte, was passiert war, wie er dies alles wieder richten sollte. Nur für einen kurzen Moment erlaubte er es sich, seinen Blick von dem anderen zu lösen und durch das Zimmer schweifen zu lassen. Er blieb an dem zerbrochenen Glas auf dem Fußboden hängen, aus dem klare Flüssigkeit lief und in den Teppich einsickerte, einen dunklen Fleck hinterlassend. Es war in Wut geworfen worden und trotz des weichen Teppichs zerschellt, so viel Kraft hatte dahinter gesteckt. Seine Augen wanderten weiter. Die dünnen, weißen Vorhänge flatterten im leichten Windzug. Das Fenster stand weit offen und ließ die beißend kalte Abendluft hinein, die ihre Gemüter abkühlen sollte und sie doch nur frösteln ließ, den weißen Stoff mir sich tragend. Es war schön zu betrachten, wie er leichte Wellen schlug, in den Raum hineinzugreifen schien. Und dann gab es nichts mehr, dass seinen Blick ablenken konnte und er sah wieder den anderen an. Weder seine Haltung noch sein Gesichtsausdruck hatten sich geändert. „Seung-Hyun… können wir bitte noch einmal reden?“ Keine Antwort. Nicht einmal ein Zeichen, dass er ihn gehört hatte. Ji-Yong seufzte verbittert auf, ließ seinen Blick noch eine Weile auf dem anderen ruhen, während seine Gedanken ihn in ein schwarzes, bodenloses Loch stürzen ließen. Das hier würde niemals enden. Sie würden sich ewig so gegenüber sitzen und nichts würde passieren. Und es gab rein gar nichts, das er daran ändern konnte. „Bitte…“ wisperte er noch einmal. Er versuchte, den Älteren zu lesen, doch dessen Gesicht war so verschlossen, dass ihm weiter nur die Ablehnung entgegenschlug. Dann erhob er sich schließlich. Er konnte die Schwere auf seiner Brust nicht länger ertragen und er konnte es nicht zulassen, dass ihm vor dem anderen die Tränen in die Augen traten. Erst in der Tür blieb er noch einmal stehen und sah über die Schulter zurück. Für einen Moment wagte er zu hoffen, dass sich ihre Blicke treffen würden, dass auch Seung-Hyun sich nach ihm umsah, dass er vielleicht endlich mit ihm sprechen würde, doch es blieb ihm nur der weißblonde Hinterkopf, die Andeutung des verschlossenen Gesichts unter den ungeordneten Haarsträhnen. Hinter seinen Lidern brannte es heiß. Und als sich die Tür hinter ihm schloss – mit einem Knall, lauter als er es geplant hatte – konnte er nicht länger stark sein, konnte nicht länger so tun, als hätte er die Kraft die stumme Wut zu ertragen. Alles wäre einfacher gewesen, wenn Seung-Hyun geschrieen hätte, getobt, selbst eine Ohrfeige hätte er in Kauf genommen, doch das Schweigen zermürbte ihn. Seine Beine gaben unter ihm nach, er sank gegen die Wand und rutschte daran zu Boden, wo er das Gesicht in den Armen vergrub und dem Druck in ihm endlich nachgeben wollte. In seiner Kehle saß ein dicker Kloß, Tränen brannten in ihm, doch er konnte nicht weinen. Er wollte aufschluchzen und schaffte es nicht. Es war, als würde ein zentnerschweres Gewicht auf seiner Lunge liegen und ihm den Atem rauben. Er bekam keine Luft mehr, nur noch ein klägliches Krächzen entrang sich seiner Kehle. Stumm kullerte das salzige Wasser in großen Tropfen über seine Wangen, durchnässten seine Ärmel und er versuchte noch immer, zu Atem zu kommen. Es war erstaunlich, wie schnell die Welt aus ihren Angeln gehoben werden konnte. Eben noch war alles in Ordnung und dann, eine unbedachte Äußerung, ein Fehltritt und auf einmal zerbröckelte alles, was einen vorher aufrecht gehalten hatte. Man merkt erst, wie zerbrechlich etwas war, nachdem man es zerstört hat, das begriff Ji-Yong in diesem Moment, in dem er zusammengekauert auf dem Boden hockte und nach Luft schnappte, in dem sein Gesicht nass wurde von bitteren Tränen. Er begriff es in dem Moment, in dem der Mensch, den er liebte, sich hinter einer Wand befand, die aus mehr gebaut war als Zement und Stein. Es waren Wut und Zurückweisung, die sie aufgebaut hatten. Das wütende Gesicht Seung-Hyuns, seine in eiskaltem Feuer flackernden Augen blitzten auf einmal wieder vor ihm auf und erst jetzt löste sich der Druck in seiner Brust. Sein Atem ging in unregelmäßigen Stößen, noch immer war der Tränenfluss nicht gestoppt. Ji-Yong wusste, dass er sich auf seine Atemzüge konzentrieren musste, dass sie langsamer sein sollten, als sie es jetzt waren, doch stattdessen wurden sie nur immer schneller. Schon begann die Welt um ihn herum sich in schwarze Punkte aufzulösen und trotzdem konnte er sich nicht wieder unter Kontrolle bekommen. Wie sollte er das alles wieder richten, alles wieder hinbiegen, wenn Seung-Hyun nicht mit ihm redete? Wie konnte er erklären, was passiert war, wenn der andere ihm nicht zuhörte? Ji-Yong hatte es das Gefühl, alles zerstört zu haben, was ihm jemals wichtig gewesen war. Und es war so schnell gegangen. Er wünschte, er könnte sich einreden, dass es nur ein Missverständnis war, das er aufklären konnte, sobald Seung-Hyun sich beruhigt hatte, doch es war nicht so. Er war schuld daran, er hatte es zu verantworten und er würde es irgendwie ausbaden müssen. Nur wie? Nicht zum ersten Mal stellte er sich die Frage, wie es so weit hatte kommen können und nicht zum ersten Mal konnte er keine Antwort darauf finden. Es war einfach passiert. Schon in dem Moment, in dem er die fremden Lippen auf den Seinen gespürt hatte, wusste er, dass es ein Fehler war und er wusste, dass er es Seung-Hyun erzählen musste, das kein Weg daran vorbeiführte, auch wenn es ihm viel Schmerz erspart hätte. Ihnen beiden. Und trotz allem hatte er in diesem verdammten Moment nicht aufhören können, hatte sich tiefer ins Unglück gestürzt, bis der Schmerz auf seiner Seele unerträglich geworden war. Und nun saß er hier und musste mit den Konsequenzen leben und wollte es doch irgendwie wieder gut machen. Auf einmal hörte er Schritte hinter der Tür, neben der er an die Wand gelehnt war und sein Herz sprang aus dem Takt, sein Atem stockte. Vor der Tür stoppten die Schritte und Ji-Yong stellte sich vor, wie der andere zögerte, wie er hin- und hergerissen war zwischen Wut und einem anderen Gefühl, vielleicht der Verbundenheit mit ihm selbst. Doch dann hörte er, wie die Klinke heruntergedrückt wurde. Er wollte hochblicken, doch er traute sich nicht, also behielt er seinen Kopf zwischen den Armen und wartete nur darauf, was passieren würde. „Hier sitzt du also…“ Die Stimme des anderen klang rau und hohl, aber nicht so kalt, wie Ji-Yong es erwartet hatte, weswegen er endlich den Kopf heben konnte. Seung-Hyun hockte neben ihm und sah ihm ernst in die Augen. Einen langen, fast unendlichen Moment lang blickten sie sich nur an, dann endlich hob Seung-Hyun eine Hand und legte sie dem anderen an die Wange. Ji-Yong klopfte das Herz bis zum Hals. Dann beugte Seung-Hyun sich vor, Ji-Yong schloss die Augen, bis er schließlich die weichen Lippen des anderen spürte. Der Kuss dauerte nur sehr kurz und hatte nichts Leidenschaftliches an sich, doch für Ji-Yong war es der wunderbarste, den ihm der andere jemals gegeben hatte. Er traute sich noch nicht, die Augen zu öffnen, zu schwer wog seine Angst, ihm könnte wieder Wut entgegenschlagen. Doch die Worte, die darauf folgten waren leise und fast zart. „Ich liebe dich und deswegen werde ich versuchen, dir zu verzeihen. Nur versprich mir, dass du so etwas nie wieder tust.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)