Medicate von Mismar (Hijikata Toshizo x Okita Soji) ================================================================================ Kapitel 7: sieben ----------------- Mehrmals hatte Soji ein Gespräch mit dem Vize aufgesucht, aber dieser war auf keinen seiner Versuche eingegangen. Hijikata zog sogar einen Auftrag in Erwägung, für den er das Hauptquartier der Shinsengumi hätte verlassen müssen. Tag für Tag stieg der Drang, all das für Wochen hinter sich zu lassen, aber er wollte seinem selbsternannten Feind Ito nicht in die Hände spielen. Außerdem brauchte Okita einen Aufpasser, in letzter Zeit ging er ständig und stundenlang auf Patrouille, obwohl der Arzt ihm Bettruhe verschrieben hatte. Wenigstens hatten sich jene Ereignisse nicht wiederholt. Sein Magen knurrte, obwohl er nicht erpicht darauf war, das von Shinpachi zubereitete Essen zu vertilgen. Seit Ayumus Tod waren es die Jungs selbst, die zu kochen hatten und das Küchenmädchen Hotaru, das heimlich in Soji verliebt zu sein schien, war keine besonders große Hilfe. Hijikata und Kondo nahmen das Essen gemeinsam ein, daher machte er sich auf den Weg zu dessen Zimmer. Er blieb abrupt stehen, schmunzelnd warf er einen Blick auf die Tür, wohinter schallendes Gelächter, aber dann ein kleiner Wutausbruch zu hören war. Vorsichtig trat er einen Schritt zurück. Jemand riss die Tür auf und ein vor Wut bebender Soji kam aus dem Gemeinschaftszimmer. „Idiot!“, fluchte er und ging, ohne den anderen überhaupt bemerkt zu haben, in die Richtung seines Zimmers. „Was ist hier los?“, fragte Hijikata erbost und trat ins Innere. Die Gesichter der Männer waren auf den Boden gesenkt, nur ein kleiner Teil tauschte fragende Blicke aus. „Also ehrlich gesagt…“, fing Tatsunosuke an, aber der finsterschauende Takeda ließ ihn inne halten. Der Anführer der fünften Einheit richtete sich auf und verbeugte sich vor dem anderen. „Okita-san scheint wohl einen schlechten Tag zu haben.“ Er eilte aus dem Zimmer, wenn Hijikata erst erfahren sollte, dass er den Streit angezettelt hatte, würde dieser sicherlich aus der Haut fahren. Und man nannte ihn nicht umsonst „Teufel“, allein nach den Gerüchten vor dem Ikedaya-Zwischenfall, wo er einen Mann namens Furutaka auf bestialische Weise gefoltert hatte, ging er diesem unberechenbaren Samurai lieber aus dem Weg. „So Ichimura, was hat Takeda zu ihm gesagt?“ Jetzt wo dieser unterwürfige Mistkerl das Weite gesucht hatte, würde dieser Ichimura nicht länger einschüchtern können. „Ehrlich gesagt… fragte er Okita-san nur, ob es Ärger im Paradies gäbe.“ Der Buchhalter senkte sein Haupt, da die anderen seiner Geste schon längst gefolgt waren, vermutete Hijikata, dass sie bereits das widerwärtige Gerücht zur Kenntnis genommen hatten. Dieser Takeda… eines Tages würde er für alles büßen. „Gut, aber macht euch darüber keine Gedanken, Soji ist einfach überarbeitet.“ Zumindest wusste der Großteil nicht, dass der Truppenanführer der ersten Einheit weggeschickt werden sollte, außer Kondo, Saito und ihm. Okita war so unnatürlich wütend. Wieso musste Takeda ihm auch so einen bescheuerten Spruch gegen den Kopf werfen? Sollte er sich doch um sein eigenes Leben kümmern! Hektisch legte er sich die Uniform der Shinsengumi an, band sein langes, natürliches Haar zusammen und gürtete das Katana, das er so oft und unkontrolliert gegen seine Feinde einsetzte. Er war so in Rage, dass er am liebsten ein Dutzend Ronin ins Jenseits geschickt hätte, aber Soji würde nicht wütend das Leben von Menschen zerstören, die noch nicht gegen das Gesetz verstoßen hatten. Er verließ das Gebäude, alleine. Da er nicht an der Reihe war, musste er nicht seine Einheit im Schlepptau hinterher trotten lassen. Außerdem brauchte er Zeit zum Nachdenken und dafür war ein Ort besonders gut geeignet: Die Sanjo Ohashi-Brücke. An dieser Stelle hatten sich sein Erzrivale und er geschworen, sich hier ein letztes, blutiges Duell zu liefern. „Und du lebst immer noch… und es ist meine Aufgabe, dich in die Hölle zu schicken, Hitokiri…“ Soji stützte sich am Geländer ab. Ja, es war ein Versprechen, was er unbedingt einlösen wollte, als Shinsengumi-Mitglied. Wenn er den Polizeitrupp erst einmal verlassen hatte, dann hätte er keinen Grund mehr gehabt, einen Tosa-Ronin zu töten. Enttäuscht ließ er den Kopf hängen, sein Schwager Rintaro würde demnächst Kyoto erreichen, vielleicht noch in dieser Nacht. Während er seinen Gedanken nachhing, bemerkte er nur am Rande die ihm ähnlich aussehende Person, die seelenruhig an ihm vorbei ging. „Wer war das…?“ Nachdenklich betrachtete er die Kehrseite des anderen, die Farbe des Haars und die Frisur waren identisch. Aber die Menschen aus dem Westen behaupteten ohnehin, dass die Japaner alle gleich aussehen würden… aber aus einem Impuls heraus musste er diesem Mann folgen, der wohlgemerkt auch die gleiche Größe hatte. Der Unbekannte betrat ein zwielichtiges Viertel, das von vielen Prostituierten und Bettlern als ihr Heim bezeichnet wurde. Es war schon dunkel und irgendwie kam sich Okita selbst wie ein Perverser vor, der in so einer Gegend einen Doppelgänger verfolgte. „Warte doch!“, rutschte es ihm raus und der Unbekannte drehte sich tatsächlich um. Soji wurde bleich, der andere schien sein genaues Ebenbild zu sein – nur dass er wesentlich arroganter und vor allem kaltherziger wirkte. „Soso, du musst also Okita Soji sein. Nett dich aus der Nähe betrachten zu können.“, spottete sein Doppelgänger. „Aber ich bin eindeutig der Schönere.“ Erschrocken wich er einen Schritt zurück, mit weit aufgerissenen Augen betrachtete er sein Gegenüber, wusste nichts auf seine unverschämte Bemerkung zu sagen. „Und wer bist du…? Was willst du von mir?“ „Mir bist du egal.“ Ruckartig ergriff er das Schwert und kam mit einem Sprint auf ihn zu. „Obwohl es mich langsam nervt, diese ach-so-tollen-Geschichten über dich zu hören!“ Mit einem senkrechten Hieb attackierte er und ihm entglitt ein leiser Fluch, als Okita erfolgreich zurückgewichen war. Kichisaburo hielt inne. Er konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. „Sobald du tot bist, werde ich gerne deinen Platz einnehmen und deinen heißgeliebten Hijikata trösten.“ „Mistkerl!“ Ruckartig zückte auch Soji das Schwert und parierte den nächsten Angriff mit Leichtigkeit. „Du bist also an allem Schuld!“ Der Shinsengumi wollte keine Bestätigung, sondern sich selbst zur Höchstform bringen, damit er spielerisch seinen Doppelgänger zur Strecke bringen konnte. Aber sein Körper schien anderer Meinung zu sein… ein Hustenanfall überkam ihn und er spürte, wie sein Hals sich mit Blut füllte. „Wie tragisch. Aber ich werde dich von deinem Leid erlösen.“, kicherte der Killer vergnügt und schlug ihm die Waffe aus der Hand, die in einem hohen Bogen durch die Luft sauste. Soji ging hustend in die Knie, mit einem Arm stützte er sich ab, während er mit dem anderen das aus dem Mund tretende Blut abfing. Er spürte einen Fuß am Rücken, der ihn gewaltsam auf den Boden drückte. Kichisaburo drehte seinen geschwächten Feind um und sah in das schmerzverzerrte Gesicht. „Leidest du? Oh, ich habe solch ein Mitleid mit dir, aber keine Sorge, ich befreie dich davon.“ „Toshi? Kommst du? Okita Rintaro ist hier.“, sagte die Stimme Kondos, die gedämpft hinter der Tür zu sprechen begonnen hatte. Hijikata wandte sich vom Fenster ab und trat an die Zimmertür. „Ja, ich werde Soji holen, ich werde ihm beim Packen helfen.“ Da dieser vorhin in das Zimmer gegangen war – und sich nicht zum Dienst gemeldet hatte – ging er felsenfest davon aus, diesen auch dort zu finden. Jedoch hieß ihn gähnende Leere willkommen. Saizo lag im Bett, vielleicht suchte Soji etwas zum Naschen und würde gleich wiederkommen. Daher entschloss er sich, zu warten. Nach nur wenigen Sekunden forderte aber etwas anderes seine Aufmerksamkeit, endlich hatte er sein Eigentum auf Sojis Schreibtisch entdeckt! Sein Haiku-Buch, das der Samurai so oft an sich gerissen und ihn damit durch halb Kyoto gehetzt hatte! Er nahm das Buch in beide Hände und fing während des Wartens zu lesen an. Das letzte Haiku, das nicht von ihm geschrieben wurde, bemerkte er sofort. „Lange, tiefe Qual... Langsam dem Tode neigend... Blut an meiner Hand.“ Soji hatte es geschrieben! Zuerst entfachte die Tatsache, dass der andere in seinem Buch gekritzelt hatte, in ihm eine immer größer werdende Wut. Aber dann, als er es ein zweites und dann drittes Mal gelesen hatte, überschlug ihn ein emotionaler Ausbruch. Sojis Gefühle und sein Leid waren so perfekt in diesen drei Zeilen dargestellt, dass Hijikata für einen Augenblick glaubte, selbst diese Pein zu spüren. Was hatte er sich nur dabei gedacht? War er so ein Schwächling und schaffte es nicht, Soji beizustehen? Hijikata empfand Hass und Abneigung. „Wo ist Soji, Hijikata-san?“ Rintaro stand an der Tür und nahm die Umgebung genauer in Augenschein. Er wollte schnell abreisen, daher wollte auch er beim Packen behilflich sein. Aber von dem Bruder seiner Frau fehlte jegliche Spur. Langsam machte sich Sorge in Toshizo breit, besonders als er das Fehlen von Sojis Schwert und Haori bemerkte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)