Die innere Stärke von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: ----------- „Mein Gott, wieso nur?“ Zitternd strich sich Minerva McGonagall eine lose Strähne aus den Augen. Ihr Haarknoten saß locker und in sich zusammengefallen in ihrem Nacken. Minerva verwehrte sich mit einer Hand den Blick. Doch auch das konnte das Ausmaß des Leides und der Trauer in den Gesichtern von Schülern, Lehrern und Eltern nicht vergessen oder gar ungeschehen machen. Sich schmerzlich dessen bewusst werdend ließ sie langsam die Hand sinken und suchte stattdessen nach einer der wenigen glücklichen Szenen von Verwandten, die ihre Liebsten lebend gefunden hatten. Doch gerade jetzt wollte sich ihr keine zeigen. „Professor McGonagall?“ Erschrocken fuhr Minerva herum und sah Neville Longbottom einige Meter hinter ihr stehen. „Ja, Mr Longbottom?“ Ihre Erschöpfung war nicht zu überhören. „Professor, die unverletzten Schüler sind bereits auf dem Weg nach Hause. Professor Sprout hat dafür gesorgt, dass der Hogwartsexpress sie so schnell wie möglich heimbringt.“ Minerva nickte zum Zeichen, dass sie verstanden hatte. „Die Verletzten haben wir unterdessen nach Schwere der Verwundungen unterteilt und Lehrer, die heilende Zauber wirken können, sind dabei, sie zu verarzten. Trotzdem...“ Neville hielt kurz inne und ein dunkler Schatten huschte über sein Gesicht. „Wir brauchen Heiler, ausgebildete. Madame Pomfrey kann sich nicht um alle gleichzeitig kümmern, und es sind viele mit Fluchschäden dabei.“ Trotz der Situation kam Minerva nicht umhin zu bemerken, wie Neville Longbottom sich doch gemacht hatte. Trotz der Tatsache, dass der Sprechende Hut bisher immer die beste Wahl für die Schüler getroffen hatte, so war sie sich doch so manches Mal nicht sicher gewesen, ob Longbottom wirklich alles mitbrachte, was das Haus Gryffindor bevorzugte. Aber nach den letzten Monaten, vor allem nach der letzten Nacht, stellte sie fest, dass der Hut mit seiner Entscheidung vollkommen richtig gelegen hatte. Nie wäre sie auf den Gedanken gekommen, dass Neville Longbottom je ein derartiges Potenzial aufweisen würde. „Gut, Mr Longbottom, ich werde dafür sorgen, dass sofort eine Eule an das St. Mungo geschickt wird.“ Etwas zurückhaltend erwiderte Neville: „Wenn... wenn es in Ordnung wäre, dann... dann schicke ich in Ihrem Namen eine Eule los. Ich kann gerade ohnehin nicht mehr tun.“ Minerva nickte zustimmend und Neville beeilte sich, in die Eulerei zu gelangen. „Minerva?!“ Wieder drehte Professor McGonagall sich herum und sah sich dieses Mal Professor Flitwick gegenüber. „Minerva, wir haben Severus gefunden.“ Er unterbrach kurz, bevor er nervös weitersprach. „Minerva, er... Severus, er ist tot.“ Trotz der Vermutung, dass Professor Snape nicht mehr lebte, verschwamm Minerva für einen Bruchteil die Sicht und sie griff sich geschockt an die Stirn. „Minerva!“, quiekte der kleine Professor, nun in einem höheren Ton. „Keine Sorge! Es, es geht schon.“ Wieder gefasst fuhr sie fort: „Weiß man schon Genaueres über die Umstände?“ „Bisher noch nicht“, antwortete Professor Flitwick besorgt. „Es ist sehr undurchsichtig. Glaubt man Gerüchten, dann starb Severus in Diensten Dumbledores...“ „Wie bitte?!“ Minervas Stimme überschlug sich fast. Das konnte doch nicht wahr sein. „Wer sagt das?“ „Wie gesagt, bisher ist es ein Gerücht.“ Flitwick war unsicher, ob er fortfahren sollte, doch er wusste, dass seine Kollegin sich niemals mit halben Sachen zufrieden gab. „Es soll Mr Potter gewesen sein, der das behauptete.“ Bevor Minerva ihn unterbrechen konnte, sprach er schnell weiter. „Jedoch war er wohl sehr erschöpft und redete mehr wie im Fieber. Ob dieses Gerücht nun der Wahrheit entspricht, werden wir wohl erst im Laufe der nächsten Zeit erfahren.“ Forschend sah der Professor an McGonagall hoch. Es dauerte, bis Minerva das Gehörte verarbeitet hatte. „Gut. Ich denke, dann sollten wir uns erst einmal auf die Verletzten konzentrieren und die Evakuierung derer, die wieder reisefähig sind.“ „Wird gemacht“, hörte Minerva noch, bevor Professor Flitwick zwischen den Trümmern, Hexen und Zauberern verschwand. Seufzend rieb sich Minerva die Augen. Ihr Kopf schmerzte, die Glieder taten ihr weh und sie wünschte sich, wie vermutlich alle hier, dass sie doch bitte aufwachen möge. Doch Professor McGonagall war ein realistischer Mensch, deshalb warf sie den Gedanken schneller weg, als er gekommen war. Von allen Seiten her war Gejammer zu vernehmen. Verletzte taten ihre Schmerzen durch alle Arten von verzerrten Klagelauten kund. Schüler, Eltern und Freunde standen oder knieten an den Leichen ihrer Verwandten und Bekannten. Wimmern durchzog die lädierten Mauern des Schlosses. In allen Ecken und Winkeln wurde getrauert. Egal, wo man hinsah. „Ach, du...“ Minerva hatte die Familie Weasley gesichtet. Zur ihren Füßen lag einer der Zwillinge. Sie vermochte nicht zu sagen, welcher der beiden dort beweint wurde. Erschauernd wandte sie sich ab und ging einige Schritte in die andere Richtung. Doch auch hier traf es sie. „Nein...!“ Mehr konnte Minerva nicht hervorbringen. Wie konnte es noch mehr Opfer geben? Es waren doch schon so viele. Aber das innerliche Bitten und Flehen erreichte niemanden, der es zu verhindern mochte. Zwei der gerade hereinschwebenden Toten wurden direkt vor ihr aufgebahrt. Woanders war kein Platz mehr. Es waren Tonks und Remus Lupin. Schluchzend drückte McGonagall sich den Ärmel an den Mund. Nur so konnte sie den aufkommenden Schrei unterdrücken. So jung, so glücklich waren sie gewesen. Und der kleine Teddy... Wann hörte das alles auf? Die ganze Nacht und den ganzen Tag, die auf die Schlacht folgten, wurden immer wieder Leichen geborgen. Viele waren unter Teilen der Mauern verschüttet. Man erzählte Minerva, dass ein Slytherin im Raum der Wünsche in verzauberten Flammen umgekommen sei. Die Riesen waren bis zuletzt auf den Schlossgründen anzutreffen und auch einzelne Dementoren wurden gesichtet. Keiner achtete groß auf die Zeit, sie war bedeutungslos für jene, die noch hier waren; Angehörige der Toten, die ihre Liebsten nicht verlassen wollten. Als Madame Hooch jedoch energisch auf Minerva einredete, sie solle sich doch endlich ausruhen, und sie unter leisem Fluchen zum Büro des Direktors brachte, wurde McGonagall bewusst, dass der Tag sich bereits dem Ende neigte. Der Tag danach. So schnell war er vorbei, und doch hatten sie nichts geschafft. Der Krieg hatte seine Spuren so tief eingeritzt, dass es Jahre dauern würde, bis alles auf ein erträgliches Maß verheilt war. Erschrocken über diese lange unter der Oberfläche verborgene Erkenntnis bemerkte sie nicht, dass der Wasserspeier, ohne Passwort, den Weg frei machte und sie alleine die Treppe erklomm. Es schüttelte sie innerlich, als sie die Tür zum Büro öffnete, wankend durch den Raum schritt und sich wie in Zeitlupe auf den Stuhl hinter dem Schreibtisch setzte. Das Beben erreichte mit einem Mal seinen Höhepunkt. Wie von fremden Händen gepackt erzitterte ihr Körper. Stumme Schreie entwichen ihr, ließen sie die Hände auf den Mund pressen. Die Gläser der Brille beschlugen und vereinzelte Tränen bahnten sich ihren Weg. Es dauerte, und dauerte, doch die Pein ließ nicht von ihr ab. Als die seltsame Uhr auf dem Schreibtisch auf die Elf zuging, hatte sie keine Kraft mehr, sich von dem Schmerz leiten zu lassen und ein tiefer, unruhiger Schlaf übermannte sie. Dong. Dong. Dong. Minerva schreckte auf. Es dauerte, bis die Erinnerung sie einholte. Mit bitterer Miene erfasste Minervas Blick das Bild von Professor Dumbledore, der ein feines Rascheln vernehmen ließ. „Ich bin nicht in der Lage, die Schule aus dieser Krise zu führen.“ Rau klangen diese Worte, doch ein Räuspern würde ihr keine Linderung verschaffen. Dumbledore, der die ganze Zeit ruhig in seinem Gemälde gesessen und gewartet hatte, lächelte herzlich, ein bisschen geheimnisvoll. „Sind Sie sicher, Minerva?“ Ein schwerer Seufzer ließ Minervas Körper erbeben. „All die Zerstörung und das Leid! Ich habe nicht die Kraft, ich bin es nicht würdig, jemals wieder das Amt des Schulleiters zu bekleiden.“ Ein Glucksen entfuhr dem alten Zauberer, bevor er erwiderte: „Ich denke, dafür ist es bereits zu spät, meine Liebe.“ Verwirrt blickte McGonagall das sprechende Portrait an. „Wie... ?“ „Nun, Sie wissen, wo Sie sich gerade befinden?“ In kindlichem Vergnügen beobachtete er seine alte Kollegin. „Im Büro des Direktors“, antwortete sie entrüstet. „Genau,“ sagte Dumbledore mit einem Funkeln in den Augen, „aber war das Büro nicht verschlossen? Verschlossen für alle, außer dem nächsten Schulleiter?“ Unglaube stand Minerva ins Gesicht geschrieben. Das Büro hatte sie ohne ein Wort eingelassen. Und, es wurde ihr erst jetzt bewusst, sie saß auf dem Stuhl des Direktors. „Minerva, das Büro hat seinen eigenen Willen. Das sollten Sie eigentlich wissen.“ „Umbridge“, stieß sie tonlos hervor. Zwei Jahre zuvor, da hatte sich das Büro geweigert, ihr Einlass zu gewähren; sie war das beste Beispiel. Dumbledore nickte zustimmend. „Und nun sagen Sie mir, dass Sie nicht würdig sind.“ Minervas Augen verengten sich, mit fest aneinander gepressten Lippen straffte sie die Schultern. Sie rückte die Brille zurecht, ordnete den Knoten, die Kleidung und sah dem Bewohner des Gemäldes in die blauen Augen. „Sie haben Recht, Professor.“ Minerva wusste selbst nicht, woher die ungeheure Kraft kam, die sie in diesem Moment durchströmte, aber sie wollte sie nie wieder verlieren. „Wir werden es durchstehen!“ Aufrecht, mit erhobenem Kopf und festen Schritten verließ McGonagall das Büro. Es gab noch so viel zu tun... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)