On Life's Edge von Votani (Whitebeards Söhne) ================================================================================ Kapitel 1: Survival Heart [1] ----------------------------- Die Explosion erschütterte die gesamte Gegend. Sie ließ die Erde rütteln. Sie schallte von den Wänden dreckiger Gassen wieder. Sie machte die Nacht zum Tag. Sekundenlang. Für einen einzigen Herzschlag. Danach herrschte abrupte Stille, eine Totenstille. Jeder, ob nun Tourist oder Einheimischer, hielt den Atem an, setzte das Herz aus. Sekundenlang. Für einen einzigen Augenblick. I Ace brach aus dem Schutt heraus. Die Nacht war dunkel und Flammen, die hier und da an Trümmern leckten, boten das einzige Licht. Er sah sich um, während eine erdrückende Stille um ihn herum herrschte. Einen Moment glaubte er fast sein Gehör eingebüßt zu haben, doch dann hörte er sich selbst husten, als Staub und Rauch in seiner Kehle kratzten. Jeder Atemzug rasselte und stach. Eine seiner Rippen machte sich ebenfalls schmerzend bemerkbar. Trotz allem schleppte er sich einige Schritte vorwärts und stolperte über die Überbleibsel ihres Hauptsitzes. „Thatch?“, rief er aus, seine Stimme kratzend und eine Mischung aus Verzweiflung und Wut. Der Rauch brannte in seinen Augen, ließ sie tränen und dennoch meinte er eine Gestalt, wenige Meter von ihm entfernt, ausmachen zu können. Mit raschen Schritten, mehr strauchelnd als alles andere, überbrückte er den Abstand und hievte den Holzbalkon von ihr herunter. „Thatch!“ Ace sank auf die Knie und rüttelte an der Schulter seines Freundes. Eine Wunde klaffte an dessen Schläfe und Blut, im Dunkeln eher schwarz als rot, verklebte seine Haare. Wenn ihn die Explosion nicht umgebracht hatte, dann würde es wohl seine durcheinander geratene Frisur tun. „Thatch, hey, wach auf!“ Dieser begann sich zu regen, wobei Schmerz über sein Gesicht blitzte. „Was ist... passiert?“ „Später“, war alles, was Ace erwiderte, als er den Braunhaarigen umständlich auf die Beine zog. In der Ferne konnte man unterdessen Sirenen heulen hören. Um zu wissen, dass sie auf den Weg hierher waren, musste Ace nicht näher hinhören. „Wir müssen Paps und die anderen finden!“ Damit stolperte er bereits weiter, doch Thatch hielt ihm am Arm zurück. Diesmal war es nicht physischer Schmerz, den Ace auf seinem Gesicht ablesen konnte, als er angepisst über seine Schulter zurücksah. „Wir wissen gar nicht, wo wir anfangen sollen!“, gab Thatch zu bedenken. „Guck’ dich um, das hier ist das reine Schlachtfeld und-“ „Nein“, fuhr der Schwarzhaarige ihm zornig über dem Mund und riss sich los. „Paps lebt!“ Er musste leben! Zwar sagte sein Verstand ihm, dass das beinahe unmöglich war, da die Explosion eindeutig vom Zentrum des Hauses ausgegangen war und sie sich glücklich schätzen konnten, sich nahe des Eingangs befunden zu haben, doch das musste nichts heißen. Absolut nichts. „Ich mein’ ja nur...“, gab Thatch zurück, als beide den Schutthaufen herunter stolperten. Als sie gerade den ersten Fuß auf die Straße setzten, die ebenfalls von Teilen des Gebäudes getroffen worden war, zerschnitten Scheinwerfer mitsamt Blaulicht die Dunkelheit. Instinktiv duckten sich beide hinter einen Steinbrocken, der aussah als gehörte er einst zur Decke von Whitebeards Villa. Schweigend sahen sie zu wie der Polizeiwagen an ihnen vorbeifuhr. Er hatte die Geschwindigkeit verlangsamt und wich dem Schutt so gut es ging aus. Ab und an konnte man aber etwas unter den Reifen knirschen hören, ehe das Auto bereits wieder von der Dunkelheit verschluckt wurde. „Folgen wir ihm“, konnte Ace sich sagen hören. Es war viel mehr ein Instinkt, als ein einfacher Gedanke, der ihm durch den Kopf ging. „Was? Spinnst du?“, presste Thatch zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch, als er mit dem Ärmel seines Hemdes das Blut von seiner Schläfe tupfte. Doch Ace hörte ihn nicht mehr, sondern rannte bereits in die Richtung, in die der Polizeiwagen verschwunden war. Fluchend stolperte Thatch ihm hinterher. Abgesehen von den fernen Sirenen war es so still, dass jeder einzelne Schritt auf dem Asphalt hörbar war. Genauso verhielt es sich mit ihrem keuchenden Atem, als sie schließlich auf der anderen Seite der zerstörten Villa ankamen. Dort standen zwei Polizeiwagen. Ihr Blaulicht erleuchtete stumm die Umgebung und Stimmengewirr wurde an ihre Ohren getragen, als sie sich hinter einigen Büschen versteckten. „Hey, da ist Marco!“, flüsterte Thatch aufgeregt und stieß Ace den Ellenbogen in die Rippen, das dieser das Gesicht verzog. „Sie verhaften ihn! Was machen wir denn jetzt?“ Panik schwang in seiner Stimme mit, aber Ace konnte es ihm nicht verübeln. Nicht unter diesen Umständen. Suchend sah er über seine Schulter, als erwartete er, dass Whitebeard jeden Moment auftauchte, dass er am Leben war. Doch da war kein Whitebeard und auf etwas zu hoffen, was nicht eintrat, half ihnen jetzt auch nicht weiter. Nein, deswegen zwang er sich wieder zu Marco und den Polizisten herüber zu schauen. Einer der beiden legte dem Blonden Handschellen an und der andere hob Marcos Bodyguard38 vom Boden auf. „...und wird gegen sie verwendet werden“, konnte Ace den Einen sagen hören, als er Marco auf die Rückbank seines Wagens verfrachtete. Das übliche Geplänkel – und trotzdem spürte Ace Wut in sich hochkochen. Die Polizei dachte doch garantiert, dass ihr alter Herr tot war, dass sie es sich wirklich wagten gegen seine Söhne vorzugehen, obwohl sie einen Deal hatten. Verdammt noch mal! II Das Metall der Handschellen biss in Marcos Handgelenke, als er austestete, ob er sich nicht doch befreien konnte. Daran geglaubt hatte er jedoch nicht, weshalb ihn der Schmerz nicht überraschte. Gerade spielte er mit dem Gedanken einfach seine Gelenke soweit aufzuscheuern, dass er sein Blut benutzen konnte, um vielleicht doch seinen Fesseln zu entkommen, als ein Schuss ihn zusammenfahren ließ. Sein Kopf ruckte zur Seite und er sah aus der getönten Scheibe des Polizeiwagens hinaus auf die Straße. Auf dieser klappte einer der Polizisten zusammen. Der andere zog seine Pistole hervor, doch ein weiterer Schuss riss sie ihm aus der Hand, ließ ihn ebenfalls zu Boden stürzen. Marcos Nase berührte das Glas, als er sich anstrengte, um in der Dunkelheit den Schützen ausmachen zu können. Das war doch garantiert einer seiner Leute! Wer sollte es sonst sein? Als wollte ihm jemand seine Frage beantworten, trat Ace in sein Sichtfeld. Seine Gestalt war nur ein Schemen, doch Marco kannte jedes Detail an ihm, so dass er ihn auch unter Hunderten an Schatten heraus erkannt hätte. Zwar blieb ihm sein Gesichtsausdruck verwehrt, doch er konnte dessen Remington in seiner Hand erkennen. Ihr Lauf war auf den noch lebenden Polizisten gerichtet, der waffenlos in seiner Haltung eingefroren war und nun seinen Arm hielt. Inzwischen kam jemand auf den Wagen zugerannt und öffnete die Autotür. „Thatch“, entwich es Marco mit einem Hauch von Erleichterung. Zwar war er nach der Explosion ziemlich desorientiert gewesen, doch es war nicht an ihm vorbei gegangen, dass das ein Haufen Verluste für sie bedeuten würde. Ein Haufen guter Männer war dabei drauf gegangen. Vielleicht sogar Paps – obwohl er daran nicht denken wollte! Nein, Marco war gerade auf der Suche nach seinem alten Herrn gewesen, als diese zwei Witzbolde ihn überrumpelt hatten. „Halt still und ich muss dich nicht erschießen“, warnte Ace den Polizisten unterdessen. „Thatch, Ace, seit ihr okay?“, entrann es Marco mit kratziger Stimme. Er schob sich vom Sitz und damit aus dem Wagen. „Du solltest dir lieber um dich selbst Sorgen machen“, konterte Ace und zwang sich ein Grinsen auf. „Immerhin wurden wir nicht gerade verhaftet.“ „Ach, halt den Mund!“, murrte Marco. Der Polizist sah nur zwischen ihnen hin und her, schlau genug um keinen Ton von sich zu geben. Ausnahmesituation hin oder her, sie waren immer noch Whitebeards Söhne. Doch inzwischen waren in der Ferne weitere Sirenen zu hören, die Marco klar machten, dass sie nicht länger hier bleiben konnten. Nicht, wenn sie so nah waren und sie dermaßen unterlegen. Unter Umständen wäre er geblieben, doch hierbei stand mehr auf dem Spiel als nur sein eigenes Leben. „Die Schlüssel für die Handschellen“, wandte Marco sich an den Polizisten. „Und meine Pistole.“ Dieser schob zitternd eine Hand in die Hosentasche, zog seinen Schlüsselbund hervor und warf ihn Marco vor die Füße. Anschließend folgte seine schwarze Bodyguard38. Thatch bückte sich, um beides aufzuheben. Die Sirenen schwollen derweil an und blaues Licht flutete die Straße in der Ferne. „Ab ins Auto!“ Marco nickte in Richtung des Polizeiwagens. „Thatch, du fährst!“ Der Braunhaarige rannte um den Wagen herum, bevor Marco ihn daran erinnern konnte, dass er noch immer Handschellen trug. Auch gut, Marco nahm an, dass die nicht wegrennen würden. Sollten sie hier noch länger verweilen, hätte man ihm sowieso ein zweites Paar angelegt. „Ace!“, zischte er, als er mit einem Bein wieder im Auto war, aber bemerkte, dass der Schwarzhaarige sich kein Stück bewegt hatte. Sein Blick wandte sich den auftauchenden Polizeiwagen zu, dann kehrte er zu Ace zurück. „Ace, verdammt, komm’ jetzt!“ „Und was ist mit den Jungs? Paps?“ Marco konnte einen Hauch Hilflosigkeit aus der Stimme seines Freundes heraushören. Eine, die er kannte und teilte und... herunterschluckte. „Du weißt, was wir in solchen Fällen tun.“ Ace zögerte, doch rannte dann auf sie zu und stieg in den Wagen. Der Motor dröhnte, als Thatch das Gaspedal durchdrückte. Die Reifen quietschten, als sie wendeten und in die Nacht davon fuhren. Marco beobachtete die anderen Polizeiwagen durch die Rückscheibe, doch anstatt sie zu verfolgen, hielten sie an Ort und Stelle. Allerdings hieß das gar nichts. In nicht weniger als einer Minute würde bestimmt eine Warnung über ein entwendetes Polizeiauto über Funk herausgegeben werden. Dessen war sich Marco sicher. III Kurz nachdem die Meldung über den Polizeifunk kam, parkten sie den Wagen in einer engen Gasse im Zentrum von Key West. „Mach’ mich los, Thatch!“ Marco klirrte mit den Handschellen, als sie das Ende der Passage erreichten und auf die verlassene Hauptstraße hinaus sahen. „Klar.“ Der Braunhaarige zog die Schlüssel hervor, um sie aufzuschließen. „E-Es geht nicht.“ „Was meinst du mit ‚es geht nicht’?“, fauchte Marco. „Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit, Thatch. Ace, helf’ diesem Trottel!“ Der Schwarzhaarige schob sich hinter Marco, um Thatch den Bund aus der Hand zu nehmen. Doch Ace musste feststellen, dass Thatch es ziemlich genau auf den Punkt gebracht hatte. Er besah sich die Schlüssel näher, ehe er Marcos Hinterkopf musterte. „Ich würde sagen, der Typ hat uns verarscht“, bemerkte er dann. In einer anderen Situation hätte er das sogar ziemlich erheiternd gefunden, aber nicht unbedingt hier und jetzt. „Der Schlüssel passt nicht, Marco.“ „Was zum Teufel...?“ Doch Ace schnitt ihm das Wort ab, indem er seine Hand auf die Schulter seines Freundes legte. „Dann müssen wir eben einen anderen Weg finden. Lass uns erst mal zum Grandline weiter.“ Daraufhin schwieg Marco, doch Ace nahm an, dass es nur daran lag, dass er keine große Wahl hatte und nicht, weil seine Worte ihn in irgendeiner Weise beruhigten. Den Rest des Weges setzten sie zu Fuß fort. Sie hielten sich in den Schatten und tauchten in Türrahmen und um Häuserecken weg, sobald Wagen- oder Blaulichter das Dunkel zerschnitten. Es war rein instinktiv und bedurfte keiner Worte. Nein, das war nur ein simpler Reflex, der einer der Gründe darstellte, dass sie überhaupt noch unter den Lebenden weilten. Wer den nicht besaß, konnte sich auch selbst die Kugel geben. Und trotzdem verabscheute Ace den Gedanken an Flucht, an Rückzug, anstatt den Scheißkerlen mal zu zeigen, wo der Hammer hing. Dann hätten sie wenigstens nach den anderen, nach ihrem alten Herrn suchen können. Aber so...? Ace kam sich vor, als verriet er sie, als ließ er sie im Stich und zum Sterben zurück. Aber vielleicht waren sie auch bereits tot? „Du willst das echt durchziehen?“, unterbrach Thatch seine trüben Gedanken mit wispernder Stimme. Der Parkplatz des Grandline war inzwischen in Sicht gekommen und lag still vor ihnen. Es befand sich weit genug entfernt, so dass die Explosion in der Ville vermutlich in der lauten Musik und dem Partyleben im Inneren untergegangen war. Diesen Anschein hatte es auf Ace zumindest, als er das kastenförmige Gebäude mit der roten Leuchtreklame in Augenschein nahm. „Was sonst?“, murrte Marco neben ihm. Aus seiner Stimme konnte Ace heraushören, dass ihm das genauso wenig passte wie ihnen. „Solche Pläne wurden nicht gemacht, damit wir sie über Bord schmeißen, wenn solch eine Ausnahmesituation eintreten sollte.“ Ace betrachtete den Blonden stumm von der Seite, als sie am Rand des Platzes unter einigen Bäumen standen. Autos standen nur wenige dort, weil die meisten zu Fuß von den Hotels in der Nähe gekommen waren, um sich mal ordentlich unter den Tisch zu trinken. Das Grandline war nicht umsonst das bestbesuchteste Lokal des Ortes. Nein, die Getränke und das Ambiente waren ziemlich beliebt und einladend. „Wer, denkst du, steckt dahinter?“, warf Ace ein. In seinem Gesicht stand geschrieben, dass derjenige es bitter bereuen würde, Hand gegen sie erhoben zu haben. So etwas machte man nur ein Mal, weil man ein zweites Mal keine Hand zur Verfügung hatte. „Ich weiß es nicht“, gab Marco schließlich im nachdenklichen Ton zurück. „Die Bombe scheint irgendwo im Zentrum der Villa losgegangen zu sein. Entweder jemand war wirklich gewieft, dass er es ins Innere geschafft hat – und das trotz unserer Sicherheitsvorkehrungen – oder...“ Doch er beendete seinen Satz nicht. Das brauchte er auch nicht, Ace wusste auch so, was er hatte sagen wollen. Anhand von Thatchs geschocktem Gesichtsausdruck wurde ihm klar, dass es auch an diesem nicht vorbeigegangen war. „Aber spekulieren wir nicht. Lasst uns erst mal weiter, wir kriegen schon raus, wer dahinter steckt.“ Keiner sagte mehr etwas dazu, als sie alle drei mit raschen Schritten über den Platz gingen und sich durch die Tür ins Innere des Grandline schoben. Die Bar roch nach Alkohol und Rauch. Laute Musik spielte über Boxen in den Ecken und die Tische waren bis auf den letzten Stuhl besetzt. „Thatch, gib’ mir mal dein Hemd“, entrann es Marco, der diesem einen Ellenbogen in die Seite stieß. Ace sah zu, wie der Braunhaarige das weiße Hemd auszog und Marco es nahm, um die Handschellen zu bedecken. „Ich geh’ mal die Schlüssel holen“, bemerkte er dann und schob sich durch die feiernde Meute hindurch. Im Augenwinkel beobachtete er, wie Marco und Thatch sich den Weg zum Hinterausgang suchten. „Hey, Makino“, meinte er lächelnd an die Barkeeperin gewand, als er schließlich den Tresen erreichte und sich dagegen lehnte. „Den hinterlegten Schlüssel, könntest du mir den holen gehen?“ Sogleich zeigte sich ein besorgter Ausdruck auf ihrem Gesicht, das von kurzen, grünen Haaren umrahmt wurde. Sie musterte ihn, nahm den Schmutz in Augenschein, der an ihm klebte. „Keine Sorge, ist alles in Ordnung“, log er, ehe sie nachfragen konnte. Der Kerl, der neben ihm auf dem Barhocker saß, sah ihn neugierig von der Seite an, doch Ace ignorierte ihn. Seine Fahne konnte man bereits zehn Meilen gegen den Wind riechen, dass er sich lediglich etwas weg lehnte. Inzwischen verschwand Makino im Hinterzimmer. Ace warf einen Blick zur Tür und seine Finger tippten gegen das Holz des Tresens. Die anderen waren noch am Leben, nicht wahr? Sie mussten einfach! Sie konnten doch nicht die Einzigsten sein. So viel Glück konnte und wollte Ace nun auch nicht haben. Bei weitem nicht. Nein, wenn er die Wahl hätte, würde er sofort sein Leben gegen Whitebeards eintauschen. Oder gegen Vistas und jeden anderen der Jungs. Wut und Hilflosigkeit verknoteten seine Gedärme, dass er am liebsten wieder hinausgestürmt wäre, um zu Whitebeards Villa zurückzukehren. Doch Marco hatte recht, sie hatten für solche Situationen geplant und die Pläne waren nicht umsonst. Sie taten das Richtige, das versuchte er sich wenigstens krampfhaft einzureden. Dabei schrie alles in ihm, dass es falsch und falsch, absolut falsch war! „Hier“, riss ihn Makino wieder in die Realität zurück. Sie reichte ihm den Anhänger mit dem Autoschlüssel daran. „Danke, du bist eine Lebensretterin.“ Er grinste und schob sich ebenfalls zur Hintertür. IV Die Hintertür führte zu den Mülltonnen auf der Rückseite des Lokals. So sehr für Kunden auch der Zutritt verboten war, störte es doch weder Makino noch den anderen Barkeeper an diesem Abend, dass Marco, Thatch und Ace durch sie nach draußen verschwanden. Es war bei weitem nicht das erste Mal. „Da drüben steht er“, murmelte Thatch und deutete mit einer Handbewegung auf den alten Ford, der unter einigen Eichen und hinter einigen Pappkartons stand. Wer nicht wusste, dass er sich dort befand, würde auch nicht nach ihm suchen – so war es auch gedacht gewesen. Genauso verhielt es sich mit den anderen verbeulten und alten Wagen, die überall auf Key West verteilt standen und für Situationen wie diese gedacht waren. In diesem Business sollte man eben wissen, wann es Zeit war sich aus dem Staub zu machen, um mit heiler Haut davonzukommen. Wer diese Einsicht nicht hatte, wurde meistens über den Haufen geschossen, ehe er nur einen Gedanken an seine letzten Worte verschwenden konnte. „Lasst uns gehen“, murrte Marco, nachdem er den Blick über die Umgebung hatte wandern lassen, aber nichts Auffälliges entdeckt hatte. Da war nur Dunkelheit und Geräusche aus dem Grandline und Büsche und Bäume, welche die Sicht auf die Straße fast gänzlich einschränkten. Gefolgt von Thatch und Ace ging er auf den Ford zu. Der Schwarzhaarige schloss den Kofferraum auf, um die zwei Reisetaschen zu überprüfen. Die eine mit einem Haufen Waffen gefüllt, die andere mit anderem Kram, der nützlich sein könnte. Allerdings war da nichts dabei, womit man diese verdammten Handschellen loswerden konnte, stellte Marco zähneknirschend fest. Sah aus, als würde er noch eine Weile damit herumlaufen müssen. Inzwischen reichte Ace Thatch zwei weitere Magazine für seine Berettas, die links und rechts unter seinem Shirt in Halftern an seinem Gürtel hingen. Dann steckte er selbst ein Magazin ein, ehe er die Verkleidung des Wagens an der Seite öffnete und eine Karte hervorzog. Als Ace sie ausklappen wollte, umfasste Marco das Handgelenk des Schwarzhaarigen. „Wir müssen nach Buford, Georgia“, erklärte er, da er selbst es gewesen war, der auf Whitebeards Befehl hin, dort ihr Versteck ausgesucht hatte. Er war es, der den Vertrag mit falschen Namen unterschrieben hatte und der das Haus bar auf die Kralle bezahlt hatte, dass dem Makler beinahe die Augen aus dem Kopf gefallen waren. „Lasst uns erst mal Abstand zwischen Key West und uns bringen.“ „Hast recht“, erwiderte Thatch und schaute über seine Schulter. „Ich hab’ ein schlechtes Gefühl, Jungs.“ Sie waren noch immer alleine, aber Marco wusste, was er meinte. Auch ihm erging es nicht anders. „Du hast doch nur Schiss“, stichelte Ace, als er den Wagen umrundete, um sich ans Steuer setzen zu können. Thatch und Marco traten auf die andere Seite. Gerade als Marco die Autotür aufziehen wollte, zerrissen Schüsse die Nacht. Alle drei duckten sich hinter den Wagen hinweg, als ein Kugelhagel über sie hereinbrach. Im Grandline war unterdessen jedes Geräusch verstummt. „Was zum Teufel...?“, entwich es Marco, nur unterbrochen von eingeschalteten Autoscheinwerfern, die von der Straße her rührten. Wie lange hatte der Wagen dort gestanden? Und wie verflucht noch mal war es möglich, dass keiner von ihnen ihn bemerkt hatte? Umständlich zog Marco seine Bodyguard hervor, während eine Kugel links von ihm in den Wagen einschlug. Ace und Thatch schossen bereits zurück, nebenbei schob sich der Schwarzhaarige durch einen Spalt ins Auto. Der Motor ging an, doch die fallenden Schüsse überdröhnten ihn, jeder einzelne hallte durch die Gegend. „Thatch, gib’ uns Deckung!“, zischte Marco über den Krach. Er schoss einmal an der Seite des Wagens vorbei, ehe er mit seinen gefesselten Händen ins Auto kletterte. Mit Marco mehr auf der Rückbank liegend als sitzend, setzte Ace inzwischen den Rückwärtsgang ein. Langsam rollte der Wagen in die Richtung ihrer Angreifer, während eine Kugel die rechte Seite des Rückfensters heraus schlug. Thatch, noch immer geduckt, folgte ihnen. Er schoss über das Autodach hinweg und sprang ins Innere, als Ace den Ford gewendet und ihm die Tür geöffnet hatte. Dann drückte er das Gaspedal durch und Marco wurde tiefer in den Sitz gedrückt. Nur mit Mühe setzte er sich auf und ließ den Lauf seiner Bodyguard auf der Lehne der Rückbank ruhen. Auf Knopfdruck schaltete sich der rote Laser ein, der sich über der Trommel befand. Damit war es trotz gefesselter Hände für Marco ein Kinderspiel, den Wagen, der nun hinter ihnen die Straße herunterbretterte, anzuvisieren. Die rucklige Fahrt sowie das fehlende Licht trugen jedoch dazu bei, dass seine Schüsse trotz allem nichts weiter als vage blieben. Kugeln schlugen laut in den Wagen ein, so dass Marco den Eindruck bekam, dass er ihnen jeden Moment um die Ohren fliegen müsste. Vorne bei Ace zerschlug eine Patrone den Seitenspiegel. „Thatch, übernehm’ das Steuer!“, konnte er ihn schreien hören. Wut schwang in seiner Stimme mit. „Mach’ keinen Unsinn!“, schnauzte Marco zurück. Er sah zu wie Thatch seinen Waffenarm vom Fenster hineinzog und beide die Plätze tauschten. Schon das alleine war Selbstmord, da beide anstatt den Kopf unten zu lassen, gleich ihren gesamten Körper als Zielscheibe anboten. Nur gut, dass es dunkel war und ihre Angreifer vermutlich genauso wenig sahen wie sie selbst. Andererseits... hatten sie genug Sicht gehabt, um sie dort auf dem Hinterhof an ihrem Wagen zu entdecken, dort auf sie zu warten und auf sie trotz eingeschränkter Sicht auf sie zu schießen, Zentimeter von dem Ort, an dem sie gestanden hatten. „Runter, Ace!“, brüllte er, was Ace in seiner Haltung einfrieren ließ, als würde er nicht verstehen. „Runter, verdammt! Die Typen haben Nachtsichtgeräte! Du bist-“ Doch der Rest seiner Worte blieb ihm in der Kehle stecken, drohte ihm die Luft abzudrücken, als ein weiterer Schuss in seinen Ohren schallte und Ace sich keuchend die linke Seite hielt. Trotz der Dunkelheit konnte Marco das schwarze Blut zwischen seinen Fingern hervor quellen sehen. Der Junge trug immerhin nur ein loses Hemd um die Schultern, wie er selbst auch. „Verflucht“, entwich es diesem, als er auf den Beifahrersitz sank. Der Ford machte einen gefährlichen Schlenker, als Thatchs Blick auf Ace ruhte, anstatt auf der Straße. Gerade noch rechtzeitig und mit quietschenden Reifen meisterten sie die enge Kurve, die sie auf die US1 brachte. Es war der berühmte Overseas Highway, der von Key West direkt zurück nach Miami führte. Er wurde auch der Highway der Träume genannt. Sie fuhren an Palmen und Buchten entlang, bretterten über die erbaute Straße direkt über das Meer hinweg, das sich wie ein schwarzer Abgrund unter ihnen auftat. Sie brausten unter dem sich heller färbenden Himmel hinweg, der den Morgen ankündigte. Erst das ließ die Realität wieder über Marco hereinbrechen, ihn bemerken, dass man noch immer auf sie schoss, dass man sie noch immer verfolgte, dass es nichts brachte, sich um Ace zu kümmern, wenn sie alle draufgehen würden, sollten sie ihre Verfolger nicht loswerden. Marco wandte sich ab und begann blind über die Lehne der Rückbank zu schießen, wo zwei kegelförmige Lichter ihnen an der Stossstange klebten. Tbc. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)