On Life's Edge von Votani (Whitebeards Söhne) ================================================================================ Kapitel 3: Fighter Heart [1] ---------------------------- I „…went out last night, one thing started leading to another, out last night, hitting on everybody and…”, sang Kenny Chesney über die schwarzen Lautsprecher an der Decke und vermischte sich mit dem allgemeinen Stimmengewirr, das in dem kleinen Diner herrschte. Es stand auf einem ländlichen Streifen des Highway 1. Diesem folgten sie nun schon seit einigen Tagen und hatten gestern erst die Grenze nach Georgia hinter sich zurück gelassen. Von hier war es praktisch nur ein Katzensprung zu ihrem Versteck, fasste Marco zusammen, als er die Karte studierte, die neben seinem kaum angerührten Teller auf dem Tisch ruhte. „Wenn du deinen Schinken nicht mehr willst-“ „Nimm ihn, wenn du so scharf drauf bist, Ace“, unterbrach der Blonde, woraufhin sich eine Gabel von der anderen Tischseite in sein Blickfeld schob und sich das Stück Fleisch von seinem Teller angelte. „Du haust ja ganz schön rein“, bemerkte Thatch neben ihm und schlürfte an seinem Kaffee. Ohne diesen wurde er nie richtig wach. „Ist ja fast so, als sei nie was gewesen.“ „Wenn Ace so weitermacht, wird er garantiert einen Rückfall erleiden“, räumte Marco genervt ein. Zwar ließen seine Worte nicht darauf schließen, aber er war durchaus froh, dass Ace seinen Appetit wieder gefunden hatte. Immerhin verschlug dem Jungen sonst nie etwas den Hunger, weshalb Marco das mehr zu denken gegeben hatte, als das Fieber oder der Schüttelfrost. Nur gut, dass er noch einen alten Bekannten in der Gegend gehabt hatte, der ihm einen Gefallen schuldig war und an starke Antibiotika herankam. Ansonsten hätte Ace wohl die Radieschen von unten gesehen, wie das Sprichwort doch ging. Sollte er also all den Schinken der Welt haben, Marco war zufrieden. „Wenn uns nichts dazwischen kommt, sollten wir Bufford spätestens heute Abend erreichen“, erklärte er schließlich und warf seinen beiden Kameraden einen Blick zu. Nebenbei zog auch er seine Kaffeetasse näher an sich heran. „Meint ihr, wir sind die Ersten?“, fragte Thatch. Marco meinte so etwas wie Bedenken aus seiner Stimme heraushören zu können, woraufhin er die Augenbraue hob. „Durch die Verzögerung mit Ace? Vermutlich nicht“, stellte er klar, woraufhin ihn Ace über den Tisch hinweg angrinste. „Aber... was ist wenn“, begann Thatch, der die gute Laune des Schwarzhaarigen scheinbar nicht teilte, „was ist, wenn wir die einzigen Überlebenden sind?“ Daraufhin legte sich auch Ace’ Grinsen und er wandte den Blick aus der riesigen Fensterfront des Diners, die auf den sandigen Parkplatz heraus zeigte. Marco folgte seinem Blick, die Tasse auf halben Weg zu seinem Mund eingefroren. Den geklauten Toyota hatten sie noch auf Key Vacoma zurückgelassen, um ihn gegen einen gebrauchten Dodge einzutauschen, den Marco einem Mexikaner für schlappe sechshundert Dollar abgekauft hatte. Der Wagen sah aus, als würde er jeden Moment in seine Einzelteile auseinander fallen, doch was erwartete man für diesen Preis auch? Allerdings konnte er nicht das gesamte Geld, das in einem Geheimfach im Ford versteckt gewesen war, für einen Wagen heraus schmeißen, wenn auch noch Sachen wie Essen, Benzin und Motelzimmer bezahlt werden wollten. Bisher hatte der Wagen ihnen auch recht gute Dienste geleistet. Nun stand er zwischen einem weißen Truck und einem Mercedes geparkt. Von dem schwarzen Wagen, der sie verfolgt hatte, war keine Spur mehr gewesen. Allgemein waren die vergangenen Tage ruhig verlaufen. Etwas zu ruhig sogar. Mehrmals hatte Marco die Handys einiger der Jungs von Münztelefonen an den Motels angerufen, doch entweder hatte niemand abgenommen oder er war sofort auf der Mailbox gelandet. Das musste nichts heißen, das wusste Marco. Er selbst hatte sein Mobiltelefon bei der Explosion verloren, aber es vermochte das schlechte Gefühl in seiner Magengegend auch nicht verbessern. Sie konnten nichts anderes tun als abwarten und hoffen – und wer Marco kannte, wusste, dass das keine Stärke von ihm war. Nein, er hatte lieber alles in seiner Kontrolle, denn Hilflosigkeit nagte doch zu sehr an ihm. Als seine Gedanken zu Whitebeard zurückkehrten, wo sie in der letzten Zeit verflucht häufig gewesen waren, riss die Türglocke des Ladens ihn aus seinen Grübeleien. Er hob die Tasse, um einen Schluck der braunen Flüssigkeit zu nehmen und unauffällig die schwarzhaarige Frau zu mustern, die soeben eingetreten war. Sie begegnete ihm mit einem ruhigen Blick und einem Lächeln, das er nicht definieren konnte, als sie an ihnen vorbei schritt, um den Tisch in der linken Ecke zu nehmen. Sie trug nur knappe Klamotten und einen weißen Cowboyhut, der ihr etwas Freches verlieh. Auch Thatch sah ihr hinterher, so dass Marco kurz darauf nach der Kellnerin winkte. „Zeit zu gehen, bevor Thatch noch die Augen aus dem Kopf fallen.“ „Was denn?“, erwiderte dieser empört. „Darf man keiner heißen Braut hinterher sehen, nachdem man tagelang mit zwei Kerlen in einem stickigen Motelzimmer verbracht hat?“ Ace lachte leise auf, als die braunhaarige Kellnerin zu ihnen trat und Marco bezahlte. Dann erhob er sich und schlenderte zum Ausgang, wo gerade eine Familie mit zwei kleinen Kindern eintrat. Das kleine Mädchen grinste er an, woraufhin dieses rot anlief und sich hinter dem Bein ihrer Mutter versteckte. Marco beobachtete das Bild argwöhnisch. Er hatte Ace ein dunkelblaues T-Shirt aufgedrückt, das dieser zwar als uncool betitelt hatte, aber das wenigstens den Verband verdeckte. Den musste schließlich nicht jeder sehen, um dann unnötige Fragen zu stellen. „Komm’ endlich, Thatch!“, befahl er nebenbei. „Sonst lassen wir dich hier und du kannst sie nach einer Mitfahrgelegenheit anbetteln. Darauf steht sie sicher total...“ „Ach, Marco, du bist ein totaler Spießer“, murrte Thatch, als sie das kühle Innere des Ladens gegen eine brütende Hitze eintauschten und zu ihrem Wagen stapften. „Nur weil du ein aktives Sexualleben hast, heißt das nicht, dass es allen so geht. Nicht alle stehen auf Muskeln und Sommerspr – Argh!“ Thatch hielt sich den Kopf und Marcos Gesicht glühte, während Ace nur über den Wagen hinweg grinste. II Der Highway führte an weiten Wiesen und Feldern vorbei. Ein paar davon von ehemaligen Plantagen und andere von Häusern, die majestätisch inmitten der grünen Fläche saßen und von vereinzelten Bäumen umringt wurden. Die Luft flimmerte in der Ferne und einige Spatzen saßen auf den überirdischen Leitungen, die rechts am Rand der Straße entlang führten. Ace hatte das Seitenfenster herunter gelassen und den Sitz soweit nach hinten geschoben, dass er seine schwarzen Stiefel auf dem Armaturbrett hatte ablegen können. Sein roter Cowboyhut war tief ins Gesicht gezogen, als er zurück gelehnt dasaß. Leiser HipHop spielte aus das Radio, schnarrend, dass es Ace ein bisschen so vorkam, als steckten sie hier mitten in einem Funkloch. Schräg hinter sich konnte er Thatch in der gekauften Zeitung blättern hören, die sowieso unentwegt durch den eindringenden Wind raschelte. „Obwohl’s immer noch weit vorne in der Zeitung steht, haben die immer noch keine Ahnung, wer dahinter steckt“, kommentierte der Braunhaarige irgendwann. Ace hielt auch weiterhin die Augen geschlossen, obgleich er hellhörig geworden war. Neben sich am Steuer konnte er Marco abwertend schnauben hören. „Was hast du denn erwartet?“, fragte er dann. „Das Ganze war verdammt gut geplant. Wenn es jemanden gibt, der was weiß, dann ist’s garantiert nicht die Polizei.“ „Marco hat recht.“ „Huh? Und wir dachten schon, dass du wieder eingepennt bist, Ace“, gab Thatch heiter zurück. „Auch egal...“, lenkte Marco ein, ehe Ace antworten konnte. „Spekulieren können wir immer noch, wenn wir im Versteck sind. Wenn wir überlebt haben, werden wir auch nicht die Einzigsten sein.“ „Weil...?“ „Weil das mehr Glück wäre, als Marco hat, Thatch. Darauf kann man sich eben verlassen.“, erklärte Ace und schob seinen Hut nach hinten, um dem Blonden grinsend von der Seite ansehen zu können. Auch er konnte sich nicht vorstellen, dass sie die einzigen Überlebenden waren. Zumindest hoffte er das, obwohl sie sich wohl alle drei darüber im Klaren waren, dass es eine Menge Verluste gegeben hatte. Und ihr alter Herr durchaus einer davon sein konnte. Ace konnte sich nicht vorstellen, wie es ohne ihn wäre. Es ging einfach nicht ohne Whitebeard! Die Jungs und er waren seine Familie, sein Zuhause – und was sollte ohne sie werden? Wie würde Marco das wegstecken? Er war immerhin viel länger dabei als Thatch oder er. Abschätzend betrachtete der Schwarzhaarige seinen Freund von der Seite, doch dieser schaute auch weiterhin nur stur geradeaus auf die Straße, obwohl er Ace’ Blick für gewöhnlich sofort bemerkte. Vielleicht wollte er ihn auch einfach nicht bemerken. Manchmal kam es ihm so vor, als ob der Blonde sowieso seine Gedanken lesen konnte, obwohl er an anderen Tagen feststellte, dass es vollkommener Unsinn war. Denn wenn es so wäre, dann wären da nicht so viele Sachen, die sie nicht voneinander wussten, die Marco nicht wusste und so verdammt viele unausgesprochene Worte zwischen ihnen. „Wir werden verfolgt“, bemerkte Marco aus heiterem Himmel in einer Stimme, die genauso eben war als wenn er über das Wetter sprach. Thatch drehte sich sofort auf der Rückbank herum, um den grünen Audi zu studieren, der ungefähr eine halbe Meile entfernt auf dieser endlosen Straße hinter ihnen fuhr. „Das weißt du woher?“, fragte er und kratzte sich verwundert am Kinn. „Hier gibt’s doch nur eine Straße, Marco. Wo sollen die sonst fahren, wenn sie auch hier lang müssen?“ Auf die Erklärung war Ace nun auch gespannt, obwohl seine Hand instinktiv nach der Remington an seinem Gürtel tastete. „Weil er seit mindestens einer halben Stunde den gleichen Abstand hält, obwohl ich mittlerweile gerade mal vierzig fahre. Jeder andere hätte auf einem Highway längst überholt, anstatt ebenfalls die Geschwindigkeit zu reduzieren.“ Unwillkürlich warf der Schwarzhaarige einen Blick auf die Tachonadel, doch diese stand tatsächlich auf vierzig Meilen pro Stunde. Marco hatte recht. Auf Highways wie diesem waren maximal siebzig Meilen pro Stunde erlaubt, was die meisten nutzen, um gleich mit hundertachtzig Sachen über den Asphalt zu brettern, anstatt weit unter dem Limit zu fahren und die Geschwindigkeit an einen anderen Wagen anzupassen. Außer es gab dafür einen Grund, verstand sich. „Ich hab’ keinen Bock mehr wegzurennen“, entwich es Ace, als er über seinen Sitz zurück schaute. Die weißen Fahrbahnmarkierungen blieben hinter ihnen zurück, führten zu dem flimmernden, grünen Schemen am Horizont. Das Radio spielte 'Moment 4 Life' von Nicki Minaj und Drake und er sang irgendeinen Mist, dass jeder etwas tat, aber nicht jeder lebte. Und Ace hatte keine Bedenken und keine Angst, er war nicht einmal mehr wütend. Dabei pochte die Wunde in seiner Seite dumpf, als wollte sie ihn daran erinnern, dass das Leben kurz sein konnte. Es konnte verdammt kurz sein, aber das spielte keine Rolle. Nicht solange er wenigstens ein paar dieser Typen mit ins Grab nehmen konnte. „Ich bin ziemlich sicher, dass das eine bescheuerte Idee ist, Ace“, antwortete Marco, trat aber trotzdem auf die Bremse, um den Dodge langsam ausrollen und ihn schließlich am Rand des Highways mitten im Nirgendwo zum Stehen kommen zu lassen. Dann zog er seine Bodyguard38 hervor und checkte das Magazin. „Eine ganz miese Idee!“, gab Thatch zu bedenken, als er sowohl in der rechten als auch in der linken Hand eine Beretta hielt und Ace dabei zusah, wie er seine Remington aus dem Halfter zog und mit einem leisen Klicken entsicherte. III Der Audi hielt knappe zwanzig Meter hinter ihnen in der Mitte der Straße. Durch die Morgensonne geblendet, war es ihnen unmöglich mehr als nur die Umrisse zu erkennen. „Da sind mindestens zwei“, bemerkte Thatch von der Rückbank, den Kopf gerade so über die Lehne geschoben. „Aber vielleicht sitzt noch wer hinten. Schwer zu sagen.“ „Wollen die da ewig im Wagen sitzen bleiben?“, beschwerte sich Marco, der den Audi aus dem Rückspiegel heraus beobachtete. Weder vor ihnen, noch hinter ihnen zeigte sich ein weiteres Auto, was ihnen wenigstens unangenehme Schwierigkeiten ersparte. Zumindest für den Moment. „Wollen wir ewig hier sitzen?“, stellte Ace unterdessen die Gegenfrage. Marco hätte wissen sollen, dass das kommen würde. Der Bengel war ungeduldig wie ein kleines Kind, sowohl in einer Situation wie dieser als auch im Bett. Das würde sich wohl bis zu dem Tag, an dem er starb, nicht ändern. Das war jedoch nicht heute, entschied Marco. Nicht nachdem er an so einer beschissen Schusswunde beinahe verreckt wäre. Er drehte den Kopf zur Seite und öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen. Sobald sich ihre Blicke jedoch begegneten, schloss er ihn wieder, ehe ein Wort über seine Lippen kommen konnte. Stattdessen schüttelte er kaum merklich den Kopf und öffnete die Wagentür. Eine kleine Stimme in seinem Kopf fragte sich, warum er das eigentlich tat. Es war vollkommen unnütz. Sie wären die Typen schon auf eine andere Art und Weise losgeworden. Aber nein, Ace musste sich mal wieder mitten ins Gefecht stürzen, selbst eines entfachen, weil da dieser Drang in dem Jungen existierte, der ihn eher früher als später umbringen würde. Der sie alle vermutlich irgendwann umbringen würde. Ein Drang, den sie alle von ihm kannten, aber den keiner sich so richtig erklären konnte. Da war viel zu großer Mut und viel zu wenig Selbstwertgefühl. Und Marco wollte ihn am Hemdkragen packen und schütteln und anschnauzen, was zum Teufel nicht mit ihm stimmte. Ihn anschnauzen und fragen, ob sein Großvater oder wer auch immer ihn großgezogen hatte, ihn mit dem Kopf auf den Boden hatte knallen lassen. Aber alles was er tat, war aussteigen und den Audi ins Visier nehmen. Seine Hand, die seine Bodyguard hielt, hing an seiner Seite herunter, der Finger am Abzug. Als wäre sein Aussteigen ein stummes Stichwort gewesen, öffneten sich alle vier Türen des grünen Wagens. Im darauffolgenden Moment lagen Schüsse in der Luft, hallten über die weite Fläche davon. „Verdammt aber auch!“ Marco duckte sich, um es ihnen schwieriger zu machen, ihr Ziel zu treffen. Rasch suchte er Schutz hinter der offenstehenden Wagentür. Ihre Angreifer taten es ihm gleich. Kugeln schlugen in Blech und Asphalt ein, Vögel schreckten aus den Bäumen am Straßenrand. Marco schoss über den Rand der Tür zurück. Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte er Thatch, der auf der anderen Wagenseite hockte. Wie ein armer Irrer feuerte er seine Berettas, Ace neben sich, der- „Ace!“, entwich es Marco zwischen zusammengebissenen Zähnen, als dieser mitten im Kugelhagel zu den Bäumen herüber wetzte und den Schutz des Dodge somit hinter sich zurückließ. „Drehst du jetzt total am Rad?“, rief er hinter ihm her, doch Ace schien nicht zu hören. Bei dem Geballer nicht schwer vorstellbar. „Thatch, deck’ Ace!” „Ich bin dabei“, brüllte Thatch zurück. Das leere Magazin einer Beretta fiel zu Boden, ein weiteres steckte er hinein. Marcos Finger fand unterdessen den Knopf zum Laser. Der rote Punkt erfasste die Schädeldecke eines Typen, in der nächsten Sekunde klappte dieser stöhnend zusammen. Stimmen schrieen durcheinander, eine neue Welle an Schüssen fiel, bohrten sich in den Dogde. Thatch keuchte und sackte auf der anderen Seite auf die Knie. „Scheiße, mein Bein hat’s erwischt“, fluchte er. Marcos Blick blieb auch weiterhin auf den Audi gerichtet. Drei waren noch übrig. Ehe dieser Gedanke wirklich ins Marcos Kopf angekommen war, klappte ein weiterer zusammen, als er zu Ace herüber schaute. Der lehnte an dem Stamm einer breiten Eiche, die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Wahrscheinlich war es Zufall, statt geplant von ihm, doch der Blonde nutzte den Moment aus, um den Dritten anzuvisieren. Mit nur einer Patrone sackte auch er tot zu Boden. „Ich geb’ auf!“, kreischte der Vierte, nachdem er bemerkt hatte, dass seine Kameraden allesamt den Löffel abgegeben hatten und er somit alleine an der Front stand. Ein bisschen überrascht war Marco schon, obwohl er das schon oft erlebt hatte. Die meisten waren in der Menge mutig, aber wenn es auf einzelne Charakterstärke ankam, brachen sie wie Glas auf Stein. „Deine Waffe“, rief Marco, der zusammen mit Ace auf den schwarzhaarigen Kerl zielte. „Auf den Boden und kick' sie weg von dir! Weit weg, ansonsten wirst du nie wieder was kicken.“ Er tat wie ihm geheißen. Seine Desert Eagle ließ er auf den Boden fallen und trat sie von sich, die Hände hoch erhoben. IV „Du machst besser mal den Mund auf“, brummte Marco und wedelte mit seiner Bodyguard vor der Nase des Schwarzhaarigen herum. Dieser kniete am Rand der Straße auf dem Asphalt, umringt von Ace und ihm. „Ansonsten kann es sein, dass ich ganz aus Versehen an den Abzug rankomm’.“ „Das ist Marco schon oft passiert“, bestätigte Ace. „Dann kannst du dein Hirn von der Straße aufkratzen.“ Seine eigene Pistole saß inzwischen wieder in ihrem Halfter rechts an seiner Hüfte. Marco hatte immerhin alles unter Kontrolle und wenn nicht, dann hatte Ace immer noch zwei gesunde Fäuste, die nur zu gerne Bekanntschaft mit der vorderen Zahnreihe des Kerls machen wollten. An die eigene Waffe würde er nämlich so schnell nicht seine Finger bekommen, da diese auf dem Wagendach des Dodge lag. Auf dessen Motorhaube hatte es sich Thatch bequem gemacht. Er band sich gerade ein Stück Stoff um die Wunde an seinem Bein. Es war nur ein Streifschuss, nichts Ernstes also und doch musste sich Ace zurückhalten, um sich nicht gleich auf seinen Gegenüber zu stürzen. Die Wut, die vorhin noch so etwas wie resignierender Entschlossenheit Platz gemacht hatte, war zurückgekehrt und Ace konnte es deutlich unter der Oberfläche brodeln spüren. „Wer zum Teufel bist du und wer hat euch geschickt?“, forderte Marco unterdessen von dem Schwarzhaarigen zu wissen. Dessen Brille hing schief auf seiner Nase, die er mit zittriger Hand richtete, ehe er über seine Bartstoppeln kratzte. „Man nennt mich Mister 3“, stammelte er, als er verängstigt zu Marco aufsah. „Ich bin nur ein kleiner Fisch, ehrlich. Ich weiß von nichts. Man gibt mir und meinen Männern nur den Auftrag und den führen wir aus. Keine Fragen, keine Informationen, ich schwöre!“ „Sein Auftragsgeber ist Crocodile“, fasste Marco zusammen. Der Vorfall mit dem verpatzten Deal schoss Ace daraufhin unweigerlich wieder in den Kopf und er biss die Zähne fest aufeinander, als er auf Mister 3 herunter starrte. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Nur wegen ein paar Milligramm entwendeten Kokains? „Das hat nichts mit dem Job von damals zu tun“, fügte Marco mit ruhiger Stimme hinzu, als hätte er Ace’ Gedanken gelesen. Damals waren sie davon gekommen, obwohl es schlecht gestanden hatte. Doch mit Hängen und Würgen hatten sie es über die Grenze nach Florida geschafft, wo ihre Verfolger aufgegeben hatten. So leichtsinnig, um direkt in Whitebeards Gebiet einzudringen, waren sie nun auch wieder nicht gewesen. „Crocodile ist nichts weiter als ein Geier. Er hat nichts mit dem Schlag gegen Paps zu tun“, teilte Marco seine Gedanken, doch Ace wollte das nicht so recht glauben. Gewissheit gab es auch keine. „Und dass du kein kleiner Fisch bist, wissen wir beide. In eurer Organisation sind die niedrigen Zahlen die höheren Ränge“, wandte sich Marco derweil an Mister 3, dessen Augen bereits suchend umher gewandert waren, als er nach irgendetwas suchte, um sie beide zu überwältigen. Nun starrte er den Blonden wieder an. Im Gegensatz zu Marco besaß er kein Pokerface, dem Schock nach zu urteilen, hatte dieser sogar recht mit seinen Worten. „Denkst du etwa, dein Boss ist der Einzige, der Informationen sammelt?“ Marco schnaubte und richtete seine Bodyguard direkt auf die Stirn des Schwarzhaarigen. „Also, ich werde nur einmal fragen, verstanden? Wer steckt hinter dem Angriff in Key West, eh?“ „I-Ich hab’ keine Ahnung“, rief ihr Gefangener aus, seine Stimme heller als zuvor. Ace sah auf ihn herunter, jeder Muskel in seinem Körper angespannt. „Wirklich, das m-müsst ihr mir glauben!“ „Wir müssen gar nichts“, erwiderte Marco. „Glauben tun wir-“ „Wir kriegen Gesellschaft“, unterbrach Thatch vom Wagen aus und deutete auf den auftauchenden Schemen am Horizont. Alle Drei folgten seinem Blick, dann packte Marco Mister 3 bereits am Arm und zog ihn grob auf die Beine. Die andere Hand drückte den Lauf in seinen Rücken, als er ihn Richtung Dodge zerrte. Ace nickte er lediglich zu, woraufhin dieser auf den Audi zu joggte. Die Körper der Auftragskiller hatten sie längst ins Innere des Wagens verfrachtet, dass Ace sich nur auf den Fahrersitz schieben musste, um den Audi am Straßenrand direkt hinter den Dodge zu fahren. Anschließend schaltete er den Motor wieder ab und stieg aus, lehnte jedoch auch weiterhin an der offenen Wagentür. Sobald er diese schließen würde, würde man hübsche, kleine Löcher beim Vorbeifahren entdecken und sie wollten immerhin nicht, dass sich jemand sein Köpfchen darüber zerbrach. Thatch saß derweil auch weiterhin auf der Motorhaube, hatte lediglich die Beine übereinander geschlagen, trotz des Stechens, das von dem Streifschuss ausgehen musste. Inzwischen hatte der Wagen Form angenommen und mit einem Blick über seine Schulter identifizierte Ace ihn als einen schwarzen Mitsubishi. Dieser kam im rasanten Tempo auf sie zugerast, bremste zu ihrem Erstaunen jedoch ab. Die Hände von Ace und Thatch wanderten reflexartig zu ihren Waffen, als er neben ihnen zum Stehen kam. Die Scheiben waren getönt, doch nur wenige Sekunden später rollte das Fenster des Beifahrersitzes herunter und zeigte eine Frau am Steuer. Sie trug einen weißen Cowboyhut, unter dem schwarzes Haar hervor wallte, das ihr Kinn berührte. Auf ihren Lippen trug sie ein wissendes Lächeln, das Marco galt – und die Erinnerung schoss Ace in den Kopf. Es war die Frau aus dem Diner, die an ihnen vorbeigegangen war, um den Tisch in der Ecke zu nehmen. „Die Waffen braucht ihr bei mir nicht, Jungs“, entrann es ihr spöttisch, während ihr Mitsubishi schnurrte wie ein Kätzchen und die Mittagssonne sich auf dem Lack brach. „Ihr gehört zusammen, eh?“ Obwohl es als Frage gemeint war, klang es aus Marcos Mund viel eher als eine Feststellung. Die Schwarzhaarige lachte daraufhin leise auf, ehe sie die Autotür öffnete und ausstieg. Sie legte die Arme auf dem Wagendach ab und schaute sie darüber hinweg an, woraufhin sich Ace’ Griff um seine Remington lockerte. Solange er ihre Hände sehen konnte, brauchten sie ihre Pistolen wirklich nicht, auch wenn seine Sinne trotz allem auf die Frau vor ihnen fokussiert blieben. „Es scheint, als würden die Gerüchte über dich der Wahrheit entsprechen, Marco“, sagte sie, dass selbst der Gesichtsausdruck des Blonden kurzzeitig seine Überraschung wiederspiegelte. Scheinbar hatte nicht nur Ace nicht damit gerechnet, dass sie so gut Bescheid wusste. Anderseits war Marco im Untergrund durchaus bekannt. Kein Wunder, wenn er schon seit mindestens zwei Jahrzehnten dabei war. „Überrascht?“, stichelte sie mit einem Schmunzeln. „Das ist nicht das Einzige, was ich über die berühmtberüchtigten Söhne Whitebeards weiß.“ Dann wandte sich ihr Blick Mister 3 zu und ihr Blick wurde kühl. „Verschwinde, Mister 3! Dein Job hier ist zu Ende. Crocodile erwartet dich in Atlanta.“ Mit großen Augen blickte dieser zu ihr, und Marco ließ von ihm ab. Auch er hatte offensichtlich den Unterton in der Stimme der Schwarzhaarigen gehört, die gefallene Andeutung wahrgenommen. Sie wusste etwas über den Angriff auf ihren alten Herrn. So war es doch, nicht wahr? Als Mister 3 zu seinem Audi stolperte und Ace um Haaresbreite umfuhr, als er das Gaspedal durchdrückte, um zu verschwinden, erhob die Schwarzhaarige abermals das Wort. „Aber wisst ihr, ich unterhalte mich ungern mitten auf offener Straße. Zwei Meilen von hier befindet sich eine Quiktrip an der Ausfahrt des Highways.“ Damit schob sie sich wieder elegant in ihren Mitsubishi und fuhr ebenfalls davon. Tbc. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)