Worum es geht von Elster (Torchwood) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Es geht nicht um Jack. Natürlich sieht es anders aus. Oberflächlich betrachtet. In Torchwood Drei dreht sich alles um Jack. Der Captain plant, der Captain entscheidet, der Captain rettet den Tag und wenn der Captain nicht da ist, wird über ihn geredet. Es ist beinahe lächerlich, wirklich. Ianto braucht an seinem ersten Arbeitstag exakt dreiundvierzig Minuten im Hub, um das herauszufinden. Beziehungsweise die Vermutung zu bestätigen; der Eindruck drängte sich schon nach dem ersten Treffen auf. Dreiundvierzig Minuten bis jeder seiner neuen Kollegen ihn mehr oder weniger direkt gefragt hat, ob er mit Jack geschlafen hat und was er über ihn weiß. Das heißt, Suzie war die einzige, die ihn direkt gefragt hat, während Tosh und Owen Anspielungen gemacht und offenbar auf eine Reaktion gewartet haben, Tosh um Welten subtiler als Owen. Ianto braucht zwei Tage im Hub, bis ihm auffällt, dass das absolut keinen Sinn ergibt. Toshiko, Owen und Suzie gehören für sich genommen zu den unabhängigsten Menschen, denen Ianto je begegnet ist. Sie sind Individualisten, Einzelkämpfer, jeder von ihnen, und würde Ianto die Situation nicht kennen, würde er nicht vermuten, dass sich diese Menschen jemals jemandem unterordnen. Und doch scheint sich alles um Jack zu drehen. Für Ianto geht es natürlich nicht um Jack, für ihn geht es um Lisa. Jack ist auch nur ein Mensch. Er ist nicht allwissend, er kann keine Gedanken lesen, so sehr er auch manchmal den Eindruck erweckt. Er handelt nach Mustern, die man verstehen und einplanen kann. Ianto hat den ersten Teil seines Plans ausgeführt, er ist in Torchwood Drei. Der zweite Teil seines Planes ist es, herauszufinden, wie das Lisa helfen kann. Zwei Tage lang macht er den Kaffee, räumt den Hub auf und bringt die Touristeninformation in einen Zustand, der potentielle Besucher zwar immer noch abstößt, aber nicht sofort die Frage heraufbeschwört, wie sich so ein Laden halten kann. Am dritten Tag entscheidet er, dass es Zeit für den nächsten Schritt ist und bietet Jack an, die Archive in Ordnung zu bringen. Jack lächelt ihn zerstreut an und fragt allen Ernstes, was mit den Archiven nicht in Ordnung sei. Oder auch nicht allen Ernstes. Jack mag es, Spiele zu spielen. „Ich wäre in Verlegenheit, etwas zu finden, das mit diesen Archiven in Ordnung ist, Sir“, antwortet Ianto und Jacks Lächeln wird breiter. „Und du bist genau der Mann für den Job.“ Jack lässt den Satz spöttisch und anzüglich klingen, aber vor allem amüsiert. Ianto vermutet inzwischen, dass Jack Misstrauen mit Amüsement überspielt, also zuckt er nur bescheiden die Schultern. Dass Jack misstrauisch ist, kann ihm in diesem Fall nur helfen, denn Jack ist auch ungeduldig. Der Captain kann auf einen falschen Schritt lauern, keine Frage, aber er würde sich nie die Gelegenheit entgehen lassen, das ganze durch eine Falle abzukürzen. „Du bräuchtest die internen Passwörter“, stellt Jack nüchtern fest. Ianto nickt. Es ist nicht nur das. Er muss etwas finden, womit er Lisa helfen kann, in den Archiven muss irgendetwas sein. Er steckt die Hände in die Hosentaschen. Wie erwartet schweift Jacks Blick nach unten ab und als er wieder nach oben wandert, sieht Ianto ihm in die Augen, als hätte er nichts zu verbergen. Jack grinst und zwinkert ihm zu. Ianto ist sich ehrlich gesagt nicht sicher, was hier passiert. Er manipuliert Jack. Und Jack manipuliert ihn, indem er sich manipulieren lässt. Es ist in erster Linie verwirrend und es ist ein weiterer Moment, in dem Ianto an sich zweifelt. Captain Jack Harkness ist sein Gegner und er ist mit allen Wassern gewaschen. Er bezeichnet den Hub als sein Zuhause und könnte Ianto vermutlich auf ein Dutzend verschiedene Arten töten und verschwinden lassen, ohne dass irgendjemand nachfragt. Ianto hat noch nie um etwas gekämpft, nicht wirklich, nicht so, wie er es jetzt tut, alles was er kannte und hatte wurde zerstört und er hat seitdem keine Nacht mehr durchgeschlafen. Ein klar denkender Mann bräuchte weniger Fakten, um sich einzugestehen, dass er wahnsinnig ist. Allerdings hat Ianto keine Wahl. Und ihm kommt zugute, dass es ihm herzlich egal wäre, wenn Jack ihn umbringt. Natürlich hieße das, dass er ein Versager ist, weil er Lisa nicht retten kann, aber er müsste zumindest nicht damit leben. Es beunruhigt ihn, dass ihn dieser Gedanke amüsiert. Jack sieht ihn lange an, während er sich entscheidet und Ianto fühlt sich seltsam losgelöst und ungeduldig, weil er weiß, wie Jack sich entscheiden wird. Schließlich steht Jack auf, geht um seinen Schreibtisch herum und bleibt dicht vor ihm stehen. Ianto hält sich davon ab, einen Schritt zurück zu machen. Seine Hände schwitzen in den Taschen und er stellt müßig fest, dass Jack und er ungefähr gleichgroß sind, als Jack sich vorbeugt und ihm die Passwörter ins Ohr flüstert. Es ist ein besonders nutzloser Gedanke, aber einer an den er noch wochenlang denken wird, jedes Mal, wenn er die Passwörter benutzt. Ihm fällt auf, dass er den Atem anhält und er zwingt sich, langsam auszuatmen. Jack tritt zurück, lehnt sich gegen seinen Schreibtisch und verschränkt die Arme vor der Brust. „Ich will dir trauen, Ianto Jones“, sagt er ohne Lächeln und ohne ihn aus den Augen zu lassen und Ianto ist sich fast sicher, dass es keine Lüge ist. Er mag es nicht, wenn Jack seinen Namen sagt. Er nickt einmal und verlässt das Büro. Die Erleichterung, die er fühlt, macht ihm klar, dass er sich nicht sicher war. Kein bisschen. Es ist nicht echt, diese traumwandlerische Gewissheit, die er sich vorgaukelt. Er ist ganz und gar nicht sicher. Es gibt keine Sicherheit mehr, nicht seit seine Welt untergegangen ist. Er geht zu den Toiletten, spritzt sich Wasser ins Gesicht. Sein Magen tut weh. Sein Magen und alles andere. Es fühlt sich an, als wolle irgendetwas aus ihm herausbrechen und er wäre froh, wirklich, er will das alles loswerden. Er weiß nur nicht, ob er schreien oder weinen soll oder um sich schlagen. Schließlich übergibt er sich und lacht seinen Körper aus, der alles wörtlich nimmt und fühlt sich kein Stück besser. Erleichterung macht ihn fertig, jedes Mal. Was auch immer Jack erwartet, es passiert nicht. Ianto versucht nicht, irgendetwas aus dem Hub herauszuschmuggeln. Innerhalb des Hubs allerdings findet vieles einen neuen Platz. Ianto macht Jack auf ein geheimes Lagerhaus von Torchwood Eins aufmerksam und viele Kisten wandern von A nach B. Er findet einen Raum, den niemand benutzt und verschwindet mit der Gewöhnung nach und nach vom Radar seiner Kollegen. Ianto träumt nicht mehr jede Nacht von der Schlacht, aber Lisa redet manchmal davon, wie es wäre, keine Emotionen zu haben und keine Schmerzen, und er weiß nicht, ob ihm das Angst machen sollte. Einmal träumt er, dass er Jack alles erzählt und dass Jack ihm sagt, wie dumm er ist, ihn nicht früher eingeweiht zu haben – dass er ein Wundermittel aus seinem Safe holt, verwegen grinst und Lisa heilt. Er wacht um halb zwei auf und läuft bis sechs Kreise in seiner Wohnung, während in seiner zitternden Hand Lisas Zigaretten abbrennen - eine nach der anderen. Als er im Hub ankommt, wirft Jack einen Blick auf ihn und sagt, dass er sich frei nehmen soll. Ianto ignoriert ihn und flüchtet in die Archive, wo er schließlich vor einem der Regale stehen bleibt. Er bleibt einfach stehen, ohne irgendetwas tun zu wollen oder zu können und er ist sich fast sicher, dass er gerade den Verstand verliert, aber der Gedanke erscheint nicht wichtig. Es ist diese plötzliche Gewissheit, dass von hier aus jede Entscheidung, die er treffen könnte, die falsche ist, und er fragt sich, ob es irgendwo in diesem ganzen Alptraum einen Punkt gab, an dem er hätte umkehren können. Irgendwann später kommt Jack runter, bringt ihn nach oben, zum SUV, in seine Wohnung. Wenn er jetzt fragen würde, würde ihm Ianto alles erzählen, aber das tut er nicht. Im Treppenhaus wird Ianto klar, dass es ihn auch erwischt hat. Alles dreht sich um den Captain. Es ist anders als er dachte, aber er hatte Recht. Er hatte nie Probleme sich unterzuordnen – oder zumindest den Anschein zu erwecken – aber er hat sich verändert. Er ist jetzt auch ein Einzelkämpfer. Und wie Tosh, Owen und Suzie weiß er, dass die Welt ein winziger unsicherer Punkt in einem schwarzen feindlichen Universum ist. Und wie Tosh, Owen und Suzie setzt er seine Hoffnung auf Jack. Nur dass es nicht wirklich um Jack geht. Um alles, was Jack zu sein vorgibt vielleicht, aber das ist nicht Jack. Vielleicht kann man es nur sehen, wenn man sein Gegner ist. Ianto macht ein kurzes Geräusch, als er seine Wohnung aufschließt, irgendwo zwischen hysterischem Lachen, Schluchzen und abfälligem Schnauben, und Jack sieht ihn fragend an. Jack ist auch nur ein Mensch. Einer, den jemand wie Ianto hinters Licht führen kann. Ianto mag den Mantel und vielleicht kann der Captain die Welt retten. Die Welt, aber nicht Lisa. Wenn es in Jacks Macht läge, Kaputtes zu heilen, sähe Torchwood anders aus. „Was ist lustig?“ ‚Du kannst uns nicht retten’, denkt Ianto und beschließt in diesem Moment, dass er Jack das nie verraten wird, weil es Dinge gibt, die ein Mensch nicht wissen sollte. Jack tut ihm Leid und er tut sich selbst Leid. Sie sind allein in einem schwarzen feindlichen Universum und es riecht nach Lisas Zigaretten. Es sind nicht die besten Gründe, jemanden zu küssen, aber gut genug für Ianto. Vielleicht sollte es seltsam sein oder furchterregend, aber es ist ganz einfach. Ein paar Zentimeter und ihre Lippen berühren sich, nur das, nur eine Berührung und nur kurz. Ianto hat seine Hand auf Jacks Schulter gelegt, er mag den Mantel, raue, kühle Wolle, widerstandsfähiger Stoff. Er spürt Jacks Zögern und sieht ihn an. Was er erwartet ist Misstrauen, aber das ist es nicht. „Dir geht es nicht gut“, sagt Jack und Ianto muss lachen, weil es so absurd ist. „Nein“, bestätigt er. Weil Jack ein bisschen Ehrlichkeit verdient hat. Weil Jack ihm trauen will. Seine Stimme klingt heiser und müde. „Nein, ganz und gar nicht.“ Er legt den Kopf auf Jacks Schulter und überlegt, wie er sich fühlt. Er könnte es wirklich nicht sagen, er hat das alles ausgesperrt, Erleichterung kommt unerwartet und macht ihn fertig, aber alles andere ist einfach nicht da. Er denkt, dass er verzweifelt ist. Er weiß, dass er einsam ist. Er ist verloren. Jack umarmt ihn. Keine vorsichtige Hand auf der Schulter, eher ein Griff mit dem man einen Mann von einem Abgrund wegzerrt. Und Ianto lässt sich an ihn ziehen. Jack riecht nicht nach Rauch, nur nach sich selbst und nach feuchter Wolle, und Ianto fühlt nichts als Jacks Umarmung und Jacks kantiges Kinn an seinem Hals. Er will das, er will Jack. Nicht die Versteckspiele, nicht das Pokern um Vertrauen und Kontrolle, nicht den verdammten Captain. Es geht nicht um den Captain oder um Torchwood. Und endlich, seit so langer Zeit, geht es auch einmal nicht um Lisa. Ianto will Jack und diese absurde Illusion von Sicherheit und Nähe. In diesem Moment sind sie gleich. Er befreit sich aus Jacks Umarmung und streift ihm den Mantel von den Schultern. Jacks Augen sind schwarz im Dämmerlicht des Flurs und sein Blick forschend. Ianto hält dem Blick mit derselben Intensität stand, während er den Mantel zu Boden gleiten lässt. Er küsst Jack und verbannt Lisa aus seinen Gedanken, konzentriert sich auf die breiten Schultern unter seinen Händen und das Kratzen von Bartstoppeln. „Ich will das“, sagt er trotzig und Jack packt ihn an der Hüfte und drückt ihn gegen die Wand, so als wäre das alles, worauf er gewartet hat. Eine Hand findet den Weg zu Iantos Nacken, eine große Hand, und hält seinen Kopf, als Jack den Kuss vertieft. Ianto lässt es geschehen, es ist gut sich fallen zu lassen und nicht über jedes Wort und jede Handlung nachdenken zu müssen, es ist gut loszulassen. Für ein paar brillante Momente geht es nur um Ianto und Jack. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)