Addiction von Jeschi ================================================================================ Kapitel 7: Und es wird noch schlimmer ------------------------------------- Es ist wirklich nicht so, dass David schlecht ist. Aber ich bin dennoch besser als er. Und deshalb sind wir auch so angespannt, als das nächste Spiel näher rückt, treffen uns tags zuvor noch zum Training. Wahrscheinlich hätten wir alle besseres zu tun, aber wir müssen noch mal üben. David muss die Position als Small-Forward regelrecht leben, um mich so lange ersetzen zu können. Außerdem können wir uns nicht noch eine Niederlage leisten. An vorderer Hälfte der Tabelle zu stehen heißt auch, dass ein gewisser Leistungsdruck vorhanden ist. Man erwartet einfach, dass wir dem Ruf als ‚bestes Schulteam seit langem’ ordentlich verteidigen. Und was alles noch schlimmer macht: Es sind nicht mehr viele Spiele, ehe Pause ist und dann die Rückrunden beginnen. Und wir wollen an erster Stelle stehen, wenn die erste Runde vorbei ist. Jona tritt in die Umkleide, als die meisten anderen schon fertig angezogen sind. Er hatte eine Stunde länger Unterricht, weil sein Musik-Leistungskurs eine kleine Auswahl an Schülern versammelt hat, die am Tag der offenen Tür den Kurs vertreten und dafür proben müssen. Dummerweise genau zu der Zeit, in der das Training ansteht. Aber wir verstehen das und seien wir ehrlich… er braucht von uns allen doch am wenigsten Training. „Wir machen dich schon warm,“ erkläre ich ihm. „Stoß dann einfach dazu.“ Dann gehen wir und lassen ihn alleine zurück. Wir anderen joggen schon unsere Runde, als er zu uns stößt und sich uns anschließt. Ich lächle ihn an. „Du bist ja doch gekommen,“ stellt er fest und sieht mich an. Ehrlich gesagt habe ich überlegt, gar nicht zu kommen, weil ich eh nicht mittrainieren bräuchte, aber als Kapitän möchte ich mit gutem Beispiel voran gehen. Es geht ja auch um den Teamgeist. Und die Taktik, die ich ausgearbeitet habe, sollte ich vielleicht auch ihnen nahe legen, nicht Joshua. Also nicke ich und grinse Jona an, dann ruft Josh zum dehnen. Ich will gerade loslegen, als von der Bank aus mein Handy zu hören ist. Ich jogge zu diesem und verdrehe die Augen. „Amelie,“ stöhne ich. Die hatte ich ja komplett vergessen! „Hey, ich bins,“ ruft sie am anderen Ende und ihre – sicher perfekt lackierten – Nägel trommeln auf irgendetwas herum, so dass ich es genau hören kann. „Ich warte vor der Schule, auf der Steinmauer… wo wir uns treffen wollten, wie du dich vielleicht erinnerst. Also? Wo bist du?“ Ich beiße mir auf die Lippen. Oh scheiße. „Sorry, Süße. Ich bin noch beim Training.“ „Jetzt noch? Ich trainiert doch immer schon eher, ihr solltet längst fertig sein!“, mault sie misstrauisch. „Wo bist du wirklich? Hast du eine Andere?“ Ich stöhne auf. Diese Frau macht mich mal noch wahnsinnig. „Nein. Wir trainieren später, weil Jona jetzt immer länger Unterricht hat und wir ja nicht ohne ihn anfangen können.“ „Du spielst doch morgen eh nicht. Dann kannst du da auch weg.“ Ich höre, wie sie auf ihrem Kaugummi herumkaut. Ein ekliges, schmatzendes Geräusch. „Ich kann nicht. Ich muss mit analysieren. Wir können ja dann nächste Woche ins Kino.“ „Von mir aus,“ schnaubt sie wütend und fügt dann vorwurfsvoll hinzu: „Wenn dir dein Team wichtiger ist, als ich…“ „So ist es doch gar nicht,“ beteuere ich und seufze. „Komm doch vorbei,“ schlage ich dann vor. „Dann sind wir wenigstens zusammen.“ Daraufhin klingt sie nicht begeistert, willigt aber ein. Wenig später taucht sie tatsächlich auf. „Da bin ich,“ murrt sie und ich gebe ihr flüchtig einen Kuss. Im nächsten Moment spüre ich einen Blick auf uns und sehe suchend auf. Es ist Jona, der uns mit verengten Augen mustert, ehe er sich Chris zuwendet, mit dem er Pässe trainiert. Ich runzle die Stirn. Was geht denn bei ihm ab? Okay, er mag Amelie nicht. Ihm ist sie zu tussig und sie redet ihm vor allem auch zu viel mit Mike… aber… holla…. „Wo bist du mit deinen Gedanken?“, fragt Chris ihn nun und Jona antwortet nicht, macht nur weiter. Ich stelle mich neben die Beiden und trainiere weiter mit Josh, während Amelie sich neben uns stellt und mich zutextet. Ich merke, dass Jona ab und an zu uns schielt. Ihm scheint Amelies Anwesenheit echt ein Dorn im Auge zu sein. Ich grinse vergnügt, was Amelie als Reaktion auf ihr eben Gesagtes – was auch immer es war – aufnimmt und mir einen Kuss auf die Lippen haucht. Im nächsten Moment hören wir ein schmerzerfülltes Aufstöhnen auf der anderen Seite. „Man, Jona! Alles klar?“, fragt Chris und hilft ihm hoch. „Ist deine Nase okay?“, fragt er dabei. Offenbar hat da jemand den Ball abbekommen. „Nicht mein Tag,“ winkt Jona ab und ich spüre, wie er wieder zu uns sieht. Ich bin noch mit Amelie beschäftigt, aber als ich zu ihm schiele, sieht er irgendwie… enttäuscht (?) aus. Wir gewinnen das Spiel, wenn auch nur mit einem Punkt Vorsprung, 70:69. David hat sich wirklich gut geschlagen, aber das Intensivtraining muss sich ja auch einfach gelohnt haben. „Ihr wart spitze,“ lobe ich mein Team und nicke ihnen anerkennend zu. Dann gehen wir in die Kabine. Mike strahlt wie ein Honigkuchenpferd, weil ich ihm – unter Jonas Protest – das letzte Viertel geschenkt habe. Ehrlich gesagt ja nur ein Trostpflaster, weil ich heute erahnen konnte, wie furchtbar es ist, das Spiel über mehr auf der Bank zu sitzen, als etwas zu tun. Jedenfalls ist Mikes Laune mehr als nur gehoben. „Wer geht noch mit in die Kneipe, feiern?“ fragt er und Leon nickt sofort. Chris verdreht sofort die Augen. Für ihn ist es ein absolutes No-Go, als Sportler auch nur einen Tropfen Alkohol zu sich zu nehmen. Und wir Anderen sehen es ähnlich und trinken ebenfalls nur sehr selten. Mike hat sich ja aber noch nie um seine Gesundheit geschert und Leon ist ihm da ziemlich ähnlich. Zudem kommt noch hinzu, dass sich die beiden – und auch David und Felix – sehr gut verstehen. Könnte daran liegen, dass sie nun mehr miteinander zu tun haben, wo doch Mike jetzt als Ersatzspieler fungiert. Also finden sich auch David und Felix schnell in der Partyrunde ein. Josh ist der Einzige, der nicht in die Rollenverteilung ‚Erstes Team, zweites Team’ passt und eindeutig mehr mit uns abhängt. Deshalb schüttelt er auch den Kopf, so wie wir anderen und Mike und Co. verlassen den Raum alleine. „Kann sich Mike noch den Rest Hirn weg saufen,“ murrt Lukas, als sie weg sind und zieht sich einen Pulli über. Draußen wird es langsam kalt und wir müssen darauf achten, uns nicht zu erkälten. Josh grinst daraufhin und fragt dann: „Und was machen wir jetzt? Immerhin beginnt gerade unser Wochenende.“ „Ich weiß ja nicht, was du machst, aber ich treffe mich mit Sophia,“ klärt Lukas uns auf und sieht verheißungsvoll in die Runde. „Spar dir das Grinsen, sonst muss ich kotzen“ feixt Vic und klopft Lukas auf den Rücken. So ziemlich jeder weiß, dass die Beziehung von Lukas und seiner Freundin mehr auf Sex aufbaut, als auf etwas anderem. Dennoch… ich denke, dass Lukas sie wirklich liebt. „Ich werde auch gleich Amelie abholen und mir ihr ins Kino gehen.“ Ich seufze. Nachdem ich gestern nicht konnte, hat sie es auf heute verlegt. Manchmal nervt sie echt, weil sie klettet. Ich blicke zu Vic. „Kommt ihr mit?“ Ich weiß, dass er heute seine Freundin trifft. Er sagt zum Glück auch zu. Bei einem Doppeldate wird es vielleicht erträglicher. Dann ist Amelie auch entspannter, weil sie vor anderen einen guten Eindruck machen möchte. „Ja super,“ stöhnt Josh. „Und was ist nun mit mir?“ Er blickt hoffnungsvoll zu Chris und Jona. „Ich bin übers Wochenende bei meiner Oma,“ erläutert Chris uns und verdreht die Augen. Wir wissen alle, dass seine Familie viel wert auf solche Zusammentreffen legt und er sich da kaum widersetzen kann. „Arme Sau,“ bemitleidet Josh ihn nun und blickt dann zu Jona. „Aber du hast Zeit für mich! Oder hast du auch ein Date?“ „Nein, hab ich nicht,“ meint Jona gedehnt und schlüpft in seine Jacke. „Apropos Date… Hast du eigentlich einen Freund?“, wirft nun Lukas ein, ehe Josh ihn weiter zulabern kann. „Stimmt! Du erzählst nie was über dein Liebesleben!“, ruft nun auch Vic. Jona sieht zu den Beiden. „Ja. Weil es nichts zu erzählen gibt.“ Er winkt ab und wendet sich Josh zu. „Mein bester Freund ist dieses Wochenende bei mir. Ich kann nicht.“ Bisher habe ich nur mehr oder minder interessiert zugehört, aber langsam interessiert mich das Thema. Ich weiß kaum etwas von Jona. Ob er einen Freund hat oder einen in Aussicht. Jetzt weiß ich immerhin, dass es da einen besten Freund gibt. „Maaan,“ jammert Josh jedenfalls und wendet sich mir zu. „Ich gehe mit euch. Auch, wenn ich dann das fünfte Rad am Wagen bin,“ erklärt er mir bockig. Ich grinse. Er kann mir keinen größeren Gefallen tun! „Leute,“ treibe ich sie an. „Macht mal hinne! Wir wollen am Samstag doch gewinnen, oder?“ Ich klatsche auffordernd in die Hände und komme mir vor, wie ein irrer Fußballtrainer. Aber es ist nötig. Einige andere Mannschaften sind uns dicht auf den Fresen und die bisherige erste hat gerade ein Spiel verloren. Das heißt, wenn wir dieses Mal gewinnen, liegen wir wieder vorne, ob die andere dann auch gewinnt oder nicht. Außerdem ist es das letzte Spiel des Halbjahres. Danach sind Weihnachtsferien und dann erst Mal drei Monate Pause. Und wir wollen uns ja erfolgreich in die Pause verabschieden, stimmt’s? „Jetzt komm schon, Benni,“ mosert Lukas aber, als ich sie antreibe und kommt neben mir zum stehen. „Natürlich wollen wir gewinnen. Aber wir trainieren fast drei Stunden und sind einfach fertig. Lass uns aufhören.“ Er sieht mich abwartend an und ich nicke. „Ich weiß.“ „Wir sind in Topform. Wenn wir uns anstrengen, wuppen wir das Spiel schon. Außerdem haben wir Jona,“ grinst Josh und sieht mich nun ebenfalls fordernd an. „Lass uns aufhören.“ „Schon gut,“ murre ich und winke die Runde in die Duschen. Dann starre ich zu Josh nach oben, der vor mir steht, während ich mich auf die Bank fallen lasse und einen großen Schluck trinke. „Glaubst du, wir werden dieses Jahr mal richtig erfolgreich sein?“, will ich dann von ihm wissen. „Ganz sicher sogar!“, stimmt er mir zu. „Das sind wir doch schon,“ mischt sich Lukas ein und winkt uns mit sich. „Kommt ihr duschen?“ Also folgen wir ihm und ich fühle dieses aufgeregte Kribbeln in meinem Bauch, als ich daran denke, dass wir mit dem Sieg am Samstag gegen den Tabellendritten zwar einen starken Gegner haben, aber auch echte Chancen auf den Sieg. „Also, ich kann auch nicht verstehen, warum du dir solche Sorgen machst,“ meint Mike zu mir, als wir in der Dusche nebeneinander stehen. „Wo wir doch den Emo haben,“ zischt er wütend. Offenbar hat er die Bemerkung von Josh gehört. Mit einem giftigen Blick verlässt er die Dusche. Ich sehe ihm nach und kann nicht fassen, dass wir immer noch über dieses Drama diskutieren. „Hey,“ meint Vic aufmunternd zu mir und schlingt sich ein Handtuch um die Hüften. „Wir sind die letzten. Ignoriert ihn einfach. Es zwingt ihn keiner, bei uns zu spielen. Er kann sich auch woanders als Shooter bewerben.“ Damit hat der Russe recht und ich nicke und verlasse mit ihm die Dusche. Obwohl er damit Recht hat, ist uns klar, dass Mike das nicht tun wird. „Ich möchte nur mal wieder Harmonie im Team,“ gebe ich zu. „Aber es hat sich doch alles geregelt. Bis auf das bisschen Stress mit Mike, ist doch alles gut und wir sind sogar dabei, Halbjahresmeister zu werden. Wo siehst du also Probleme?“ Da hat er allerdings Recht und ich weiß auch nicht, wo ich eigentlich Probleme sehe. Aber irgendwie kommt es mir einfach so vor, als würde alles immer schlimmer werden. Wir gehen ins erste Viertel dieser alles entscheidenden Partie. Wir sind alle wieder komplett fit und so baut Chris auch bald unseren Vorsprung aus. Aber die Gegner sind natürlich nicht zu unterschätzen. Immerhin sind sie an Platz drei der Tabelle und so spielen sie auch. Zwar können sie es nicht mehr schaffen, auf Platz eins zu rutschen. Aber sie würden sich natürlich gerne an Platz zwei sehen. Aber diesen Gefallen tun wir ihnen nicht. Nachdem Chris den ersten Korb geworfen hat, stiehlt Jona einen Ball und wirft zu mir. Ich presche vor und mach ihn rein. Es läuft echt gut. Als die Gegner den Ball in unsere Richtung spielen, kann Lukas ihn abfangen und Jona zuspielen, der als einziger freisteht. Weil auch er keine Möglichkeit sieht, abzuspielen, versucht er es aus der Entfernung und hat Glück. Der Ball geht rein. Es geht weiter. Die Gegner greifen an, machen einen Korb, kommen jetzt in Fahrt. So geht es eine ganze Zeit hin und her. Dann erobert Lukas den Ball, Jona rennt los und er schlängelt sich an ihm vorbei, bekommt den Ball und macht noch einen Korb. Noch eine Minute und wir sind wieder in Führung. Jona schnappt sich einen weiteren Ball, gibt zu Chris ab, der zu Vic. Der macht ihn rein. Wir bauen die Führung aus. Kurz darauf mache ich noch einen Treffer. Dann ist das erste Viertel vorbei und es steht 22:19. Eine verdiente Führung in einem wirklich niveauvollen Spiel. Nach einer kurzen Pause gehen wir ins nächste Viertel. Für Vic ist jetzt Felix drin und für Lukas Leon. Ich habe nämlich bemerkt, dass Felix und Leon gut harmonieren. Ich bekomme den Ball und werfe ihn Jona zu, der nahe dem Korb steht. Vor ihm steht nur ein Kerl, den er ausspielt. Als er werfen will, packt der Typ ihn am Trikot und der Ball landet im Aus. Aber immerhin ist der Schiedsrichter diesmal fair und gibt uns zwei Freiwürfe. Somit steigt unsere Führung nun doch, da Jona beide reinhaut. Dann geht es weiter und Leon hat den Ball, gibt ihn an Felix ab und der macht einen Korb. Kurz darauf bekommt Chris einen Ball und wirft ihn zu Jona. Das Traumteam unserer Mannschaft. Was die Beiden anpacken, wird zu Gold – oder eher zu Punkten. So auch jetzt. Jona versenkt den Ball und es geht weiter. Ich gehe raus und lasse David spielen. Dieser bekommt den Ball und macht ihn rein. Dann geht es weiter. Lukas spielt Chris an, Chris Jona und als dieser den Ball werfen will, versucht ein Gegner, ihm diesen abzunehmen. Sie rennen ineinander und stürzen zu Boden. Wir bekommen einen Einwurf, aber als Jona nach dem Ball greifen will, tritt der andere ihm mit ganzer Kraft auf die Hand. Ich höre Jona aufschreien und Vic – der wieder drin ist und nahe Jona steht – brüllt den anderen Kerl an, so dass dieser immer kleiner zu werden scheint. „Vic, beruhig dich,“ meint Lukas von der Seitenlinie aus und kann seinen besten Freund tatsächlich beruhigen. Wir bekommen noch einen Freiwurf, den Jona rein macht. Ich beiße die Zähne zusammen und wechsle mich wieder ein. Am liebsten wäre es mir gewesen, wenn Lukas Vic nicht zurück gehalten hätte, sondern ihm erlaubt hätte, dem Kerl die Fresse zu polieren. Aber das hätte nur Ärger für Victor gegeben. Bevor ich mich weiter aufregen kann, bekomme ich den Ball und mache ihn rein. Kurz darauf ist das zweite Viertel zu Ende. „Wie geht es deinen Fingern?“, will Chris wissen. Er ist auf der Bank, weil ich ihn kurz vor Schluss ausgewechselt habe. Nun hat er schon ein Kühlkissen parat und reicht es Jona, als er zur Bank kommt. „Geht schon. Nicht so schlimm,“ versichert der uns und drückt das Kühlpad auf seine Hand. „Was für ein Idiot,“ schüttelt er dann den Kopf. „Ich glaube, wir sollten den mehr decken, damit er Jona nicht mehr zu nahe kommt,“ überlegt Lukas und wir stimmen zu. „Lass mich wieder rein, ich mach das,“ bittet mich der Center und ich nicke und gebe Leon bescheid, dass Lukas wieder übernimmt. Wenn es darum geht, jemanden zu decken, ist Lukas Meister. „Solche Typen sind das letzte,“ schimpft Vic und ich kann ihm nur zustimmen: „Sie glauben wohl, sie gewinnen, wenn sie unsportlich spielen.“ „Reg dich nicht so auf, Benni,“ bittet Josh mich und legt mir die Hände auf die Schultern. „Wir wollen ja nicht, dass es endet, wie letztes Mal.“ Da hat er allerdings Recht. „Genau das wollen die doch. Dass einer von uns die Beherrschung verliert,“ gibt Jona uns zu überlegen. Er lässt das Kühlakku fallen und bewegt seine Hand probeweise. „Alles gut. Weiter geht’s!“ Und es geht auch weiter. Das dritte Viertel beginnt. Zu meiner großen Überraschung verläuft das dritte Viertel angenehm ruhig. Vielleicht hat der Trainer der anderen Mannschaft ja seinen Schützlingen ins Gewissen geredet. Wir liegen zwar schon eine ganze Zeit hinten, aber dann holen wir wieder auf. Wir spielen wieder in der Startmannschaft, nur Josh ist für Chris drin. Vic bekommt einen Ball und macht einen Korb, die Distanz zum Ausgleich wird wieder geringer. Und es geht weiter bergauf. Wir machen Körbe und die anderen kommen nicht mehr dazu, ihre Führung auszubauen. Mit einem Korb von Jona, der drei Punkte bringt, führen wir dann endlich mit einem Punkt. Lukas hat auch nicht zu viel versprochen. Er hält Jona den Rowdie so gut es geht vom Leib und deshalb hat Jona mehr Freiraum, um zu agieren. Chris kommt wieder für Josh und macht auch gleich einen Korb. Als abgepfiffen wird, steht es 69:65 für uns. Mike begrüßt uns mit einer Mischung aus Freude und Hass, als wir in der kurzen Pause zur Bank gehen und etwas trinken. Wahrscheinlich ist er mit seinen Gefühlen auch hin und hergerissen. Einerseits freut es ihn, dass wir wirkliche Chancen auf den Titel haben, andererseits würde er gerne selbst spielen. Dabei hat er heute schon zwei kurze Einsätze gehabt, wenn auch Jona die meiste Zeit drin war. „Noch ein Viertel und wir haben es geschafft,“ jubelt Chris siegessicher und strahlt uns an. Er ist echt ein Energiebündel. „Freu dich nicht zu früh. Es sind noch zehn Minuten, in denen viel passieren kann, Kleiner,“ trübt Lukas dessen Freude aber gleich wieder. „Man, du alter Miesepeter. Schneid dir mal was von Chris' Euphorie ab,“ lacht Vic daraufhin. Ich muss auch lachen, meine dann aber: „Lukas hat Recht. Ich verlange noch mal höchste Konzentration von euch!“ „Immer doch!“, stimmt Jona zu und die anderen allen ein. Dann auf ins letzte Viertel. Holen wir uns diesen verdammten Titel! Es läuft in der Tat gut. Chris macht geniale Vorlagen, Lukas macht seinen Job, Jona abzuschirmen, damit der fleißig Bälle erobern kann und Vic und ich erledigen den Rest. So machen wir auch kräftig Körbe und alles läuft gut. Ich würde fast sagen, dass wir heute als eingespieltes Team auftreten, wie schon lange nicht mehr. Jeder hat seinen Job und jeder führt diesen bis zur Perfektion aus. Doch dann geht etwas schief. Lukas klagt über Schmerzen in seinem Knie und ich bin gezwungen, Leon reinzuholen. Zwar gibt es bald Entwarnung von der Bank, dass Lukas wohl nur eine blöde Bewegung gemacht hat, aber trotzdem ist es besser, er bleibt den Rest des Spiels auf der Bank. Mit ihm verlieren wir aber eine effektive Waffe gegen den Kerl, der es auf Jona abgesehen hat und das nutzt dieser aus. Als Jona den Ball hat, gelingt Leon es nicht, den Typen aufzuhalten und der stürmt zu Jona. Dieser wirft, wirft den Ball in den Korb und alles ist gut, bis der andere in ihn hinein kracht und ihn zu Boden stößt. Ich blicke zu Jona, der am Boden liegt und laufe hastig zu ihm. Das Spiel wird unterbrochen. Ich bin bei ihm und er stöhnt schmerzerfüllt auf. Doch dann will er sich aufrichten, sinkt aber gleich wieder zurück, rollt sich auf den Rücken. Er blinzelt gegen das Licht der Deckenlampe und ich schiebe meinen Kopf in sein Blickfeld. „Alles okay?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, winke ich nach den Sanitätern. Jona rollt sich wieder auf die Seite, bemerkt die Sanitäter und ist einem Sprung auf den Beinen. Ich kann ihm ansehen, wie er das Gesicht verzieht. Ich sehe, wie sich Tränen in seinen Augen sammeln. Aber trotzdem blickt er mich an und meint mit voller Überzeugung: „Alles okay, weiter geht’s.“ Ich starre ihn an und will ihn am liebsten ohrfeigen. Tatsächlich scheint er sich aber zu fangen und ich sehe ihn irritiert an. Der Schiri lässt das Spiel weiterlaufen. Es geht weiter und man merkt, dass Jona nicht so ganz fit auf den Beinen ist, wie er tut. Dennoch schnappt er sich einen Ball und macht sogar einen Korb. Zwar steht in seinem Gesicht das pure Leid geschrieben, wenn er sich bewegt, aber er reißt sich zusammen und als er nach einem Sprung hart auf den Boden aufkommt, verzieht er keine Miene. Noch eine Minute. Ich hoffe, sie geht endlich um. Auch, weil wir im Moment führen. Leon bekommt den Ball, gibt an Chris ab, der an mich. Ich baue die Führung weiter aus. Noch dreißig Sekunden. Ich blicke zur Anzeigetafel und traue meinen Augen kaum. 87:78. Mein Gott. Wir werden gewinnen! Chris wirft ein letztes Mal zu Jona, der versenkt einen letzten Korb. 89:78. Die Gegner kriegen noch mal den Ball, kommen nicht durch, dann wird abgepfiffen. Wir haben gewonnen! Und wir sind an der Tabellenspitze. Wir sind… „HALBJAHRESSIEGER!!!!“, brüllt der Rest der Bande laut auf und sie schmeißen sich alle freudig aufeinander. Ich grinse und wende mich dann ab. Aus den Augenwinkel sehe ich, wie sich auch an der Bank alle in den Armen liegen, aber das interessiert mich nicht. Ich jogge zu Jona, der sich mitten auf dem Spielfeld hingesetzt hat und seinen Fuß anstarrt. „Doch nicht alles so klar, was?“, meine ich. „Doch man. Wir haben gewonnen,“ grinst er mich an. Ich muss unweigerlich lachen, ehe ich mich neben ihm niederlasse. „Zeig her,“ bitte ich ihn dann. Bisher hatte er die Hand auf seinem schmerzenden Knöchel, aber nun, da er sie wegzieht, habe ich einen tollen Ausblick auf einen großen blauen, angeschwollenen Fleck. „Ach du scheiße!“ „Ist nichts weiter. Nur angeknackst,“ winkt er ab. „Vielleicht gezerrt. Das hatte ich schon mal. Sieht schlimmer aus, als es ist.“ Er klingt wie eine piepsende Maus, weil er wohl ziemliche Schmerzen hat. „Ich hätte dich auswechseln müssen,“ gebe ich mir die Schuld. „Nein. Ich hätte das eh nicht zugelassen,“ meint er und grinst: „Ist ja jetzt erstmal Spielpause.“ „Zum Glück,“ seufze ich und sehe ihn tadelnd an: „Wie konntest du so nur weiterspielen?“ Er zuckt mit den Schultern. „Das zeichnet einen guten Spieler eben aus.“ „Ja, einen guten, aber sehr dummen Spieler,“ halte ich nur dagegen. „Ich wusste einfach, Mike schafft es nicht, mein Niveau zu halten. Also bin ich geblieben,“ erklärt er mir. Ich stehe auf und reiche ihm die Hand. „Na schön, komm. Wir gehen an den Rand, damit der Arzt es sich ansehen kann.“ Er ergreift meine Hand und lässt sich hochziehen. Doch kaum belastet er den Fuß, knickt er vor Schmerz ein. Ich sehe ihn besorgt an und runzle die Stirn. Ehe ich mir selbst erklären kann, was ich da tue, habe ich ihn schon auf meine Arme gehoben und trage ihn vom Spielfeld. Er reißt die Augen auf, sieht mich fragend an. „Das kann man sich ja nicht mit ansehen,“ erwidere ich nur. Ein wenig hilflos klammert er sich an meinen Schultern fest, bis ich ihn auf der Bank absetze. Dabei bemerke ich, dass er ein wenig rot um die Nasenspitze ist. Ich grinse, halte mich damit aber nicht auf. Stattdessen winke ich einen Arzt heran, der Jonas selbst gestellte Diagnose bestätigt. Er hat sich was gezerrt. „Wenn er sich schont, ist es bald wieder vorbei,“ klärt der Arzt mich auf und ich lobe noch einmal die Spielpause. Wäre diese nicht, hätten wir jetzt ein Problem. „Du machst Sachen,“ stöhne ich und setze mich neben ihn. Dann falle ich ihm um den Hals, was ihn erschrocken zusammenfahren lässt, ehe er lacht, weil ich rufe: „WIR HABEN GEWONNEN!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)