Third Chance von Erlkoenig (Harry x Severus) ================================================================================ Kapitel 1: Der Stein rollt… --------------------------- „Bist du sicher, dass Er derjenige ist?“ „Ja. Das ist eine Katastrophe! Was sollen wir tun?“ „Haben wir überhaupt das Recht was zu tun?“ „Womöglich nicht. Aber jeder hat das Recht auf die Wahrheit, oder?“ „Aber nicht jeder will die Wahrheit wissen.“ „Würdest du es wissen wollen? An seiner Stelle?“ „Nein. Nicht mit dieser Sichtweise der Dinge.“ *** „Hast du alles?“ Vernon Dursley musterte seinen Neffen von oben bis unten ohne sich darum zu bemühen seine Abscheu für diesen Jungen zu verbergen. „Ja, habe ich. Und falls ich doch etwas vergessen habe, könnt ihr es gerne behalten“, antwortete Harry genervt. ‚Nur noch fünf Minuten, dann bin ich sie für immer los‘, dachte er sehnsüchtig und seufzte leise. „Pah, als ob deine Sachen auch nur einen Penny Wert wären, du Freak“, grollte Vernon mit zusammengekniffenen Augen. „Und nun verschwinde endlich!“ Ein Grinsen huschte über Harrys Gesicht während er nach seinem Koffer griff. „Auf nimmer Widersehen, Onkel. Und richte Duddykins und Tante Petunia schöne Grüße aus.“ Vernons Augen blitzten kurz vor Wut auf, bis dieser sich daran erinnerte, dass dies zum Glück das letzte Mal war, dass er sich mit diesem undankbaren Bengel herumschlagen musste. „Und wehe ich finde noch einmal so einen Freak wie dich vor meiner Haustür!“, schrie er Harry nach, der fröhlich rennend Richtung Winkelgasse noch ein letztes Mal die Hand zum Abschied hob, ohne sich jedoch nochmal umzudrehen. Schnaubend und mit dem Kopf schüttelnd setzte sich Vernon in sein Auto und steckte erleichtert den Schlüssel in die Startvorrichtung. „Normalität. Endlich wieder Normalität.“ Mit diesen Worten drehte er das Radio laut auf und lenkte seinen blauen BMW um die nächste Kurve. Harry schüttelte unterdes nur grinsend den Kopf. Er war sie los! Er war seine Verwandte endlich los! Jubelnd schwang er seinen Koffer hin und her. Niemals in seinem Leben war Harry so froh gewesen, Geburtstag zu haben. Aber nun war er in der Zaubererwelt volljährig und somit befugt, das Haus seiner Verwandten zu verlassen. Es war das erste Mal, dass Harrys Verwandten mit ihm vollkommen einer Meinung waren, als er ankündigte, dass er diese Sommerferien nur bis zum 31. Juli – seinem siebzehnten Geburtstag – bleiben würde. Dumbledore war mit Harrys Entscheidung ganz und gar nicht einverstanden gewesen, da der Ligusterweg aufgrund der Schutzbanne neben Hogwarts der sicherste Platz für Harry war. Dieser jedoch hatte seinem Schulleiter klar gemacht, dass er unter keinen Umständen weiter diesem Umfeld ausgesetzt sein wollte. Also blieb dem alten Mann nichts anderes übrig, als Harry die drittsicherste Unterkunft anzubieten: Der Grimmauldplatz. Kurz stoppte Harry wehmütig in seiner ausgelassenen Bewegung, als ihn die Erinnerungen an seinen Paten Sirius, dem der Grimauldplatz ursprünglich gehörte, überkamen. Er war noch immer nicht über seinen Tod hinweg und tief in seinem Inneren hatte er noch immer das Gefühl – eine Art Intuition – dass Sirius nicht tot sein konnte. Auch nach seiner Beerdigung fühlte sich dessen Tod noch immer wie eine Lüge an. Er und seine Freunde hatten deswegen intensive Nachforschungen angestellt, doch egal wie viele Bücher sie auch wälzten, das Ergebnis blieb immer dasselbe: Sirius war tot. Das Klingeln von Kirchenglocken riss Harry aus seinen Erinnerungen. Seinen Koffer fest in der Hand machte er sich auf den Weg in die Winkelgasse, wo er bereits von Albus Dumbledore erwartet wurde. „Hallo, Harry. Wie geht es dir?“ Der Schulleiter von Hogwarts sah Harry liebevoll durch seine Halbmondbrille an. Von der Missbilligung von Harrys Entscheidung war nichts mehr zu spüren. „Gut. Danke der Nachfrage, Professor“, antwortete Harry dem Schulleiter und gab ihm zur Begrüßung die Hand. „Und alles Gute zum Geburtstag, mein Junge“, fügte Dumledore seiner Begrüßung noch hinzu und zwinkerte dem Geburtstagskind zu. Noch während Harry ein „Danke, Sir“ entgegnete, spürte er ein leichtes Ziehen im Bauchnabel. Die Umgebung verschwamm plötzlich und wie aus dem nichts, tauchte auf einmal die Nachbarschaft des Hauptquartiers vor ihm auf. Harry blinzelte einige Male verwirrt, bis er verstand, dass sie appariert waren. „Beeil dich, Harry. Je schneller wir drin sind, desto sicherer bist du.“ Mit diesen Worten schritt Albus Dumbledore voran auf ein äußerlich etwas heruntergekommenes Gebäude zu. „Wir haben es heute aber gar nicht eilig“, murmelte Harry leise ironisch und folgte etwas missmutig seinem Schuldirektor. Eigentlich wollte er sich noch kurz in der Winkelgasse umsehen und Eulenfutter für Hedwig besorgen, aber anscheinend wurde daraus nichts mehr. „Was soll‘s.“ Als Harry das Hauptquartier schulterzuckend betrat, sah er sich in der Eingangshalle um. Nichts hatte sich verändert seitdem er das letzte Mal da war. Ein trauriger Gedanke machte sich in Harrys Gedanken breit, als ihm einfiel das sich sehr wohl eine Sache verändert hatte: Sirius – er war nicht mehr hier. Und dennoch hatte er das Gefühl, er konnte seine Präsenz noch immer spüren. Hermine würde ihn wahrscheinlich bei diesem Gedanken wieder rügen und sagen: ‚Natürlich ist Sirius noch da. Er wird immer in deinem Herzen weiterleben, Harry. Aber du musst dich damit abfinden, dass er die körperliche Welt hinter sich gelassen hat‘. Harry verscheuchte die düsteren Gedanken und versuchte ein glaubwürdiges Lächeln aufzusetzen, als ihm besagte Brünette – wenn man vom Teufel denkt – und ein sommersprössiger Rotschopf entgegengerannt kamen. Harry war überrascht, als er sah, dass noch eine dritte Person auf ihn zu kam. „Luna?“, entfuhr es Harry überrascht. Das blonde Mädchen lächelte ihm nur geheimnisvoll entgegen. „Harry!“, riefen Ron und Hermine erfreut aus einem Mund und begrüßten ihren gemeinsamen Freund herzlich. Harry erwiderte Hermines Umarmung und Rons freundschaftlichen Klapps auf die Schulter. „Schön, dass du hier bist“, lächelte Hermine ihm entgegen und Ron nickte bestätigend. „Als wir erfahren haben, dass du herkommst, haben wir unsere Eltern dazu überredet für die restliche Ferien auch hier bleiben zu können“, erklärte Ron. „Und Lunas Dad ist gestern dem Orden beigetreten. Willkommen zu Hause.“ Harry grinste. Nach Hogwarts war dies der einzige Platz, den er sein ‚zu Hause‘ nennen würde. „Freut mich dich zu sehen, Harry“, begrüßte ihn nun auch Luna und um armte ihn mit ihrem typischen geistesabwesenden Blick. Als sich Harry und Luna berührten, hatte Harry plötzlich ein seltsames Gefühl im Magen und ein sanftes Kribbeln fuhr durch seinen Körper. Als sie sich wieder lösten, hörte das Gefühl auf und Harry beschloss es keine Bedeutung zuzumessen. „Die Freude ist ganz meinerseits“, erwiderte Harry und erwiderte das Lächeln der Ravenclaw. Plötzlich zerrte Hermine Harry ungeduldig an der Hand und versuchte ihn in eine bestimmte Richtung zu zerren. „Komm mit, wir haben eine Überraschung für dich“, sagte sie geheimnistuerisch und zog Harry in Richtung Küche. Ohne Widerstand ließ sich Harry mitziehen und fragte sich, was nun kommen würde. Als Hermine vor der Küchentür stehenblieb, grinste sie über beide Ohren. „Ladys first“, sagte sie neckisch. Harry piekste seine beste Freundin gespielt beleidigt in die Seite, was Hermine mit einem Quietschen beantworte. Ihrem freudigen Grinsen jedoch tat dies keinen Abbruch. „Happy Birthday, Harry“, erklang es im Chor, als Harry vorsichtig die Tür aufmachte und die Küche betrat. Die Küche war herzlich geschmückt mit Happy-Birthday-Girlanden und massig rot-goldenen Luftballons, die kreuz und quer durch das Zimmer wirbelten und in unregelmäßigen Abständen kleine Luftschlangen ausspuckten. Und inmitten der schönsten Geburtstagsdekoration, die Harry jemals gesehen hatte, standen seine Freude: Fred, George, Arthur, Molly, Tonks, Remus, Kingsley und sogar Charlie und Bill waren da. Ein ihm unbekannter Mann grinste ihm entgegen, doch Harry erkannte an der Art seiner Kleidung schnell, dass dies wohl Lunas Vater sein musste. Welcher normaler Mensch trug auch eine neon-orangene Krawatte um die Hüften statt um den Hals? Während Harry weiter in die Runde blickte, spürte er einen intensiven Blick auf sich ruhen. Als er das dazugehörige schwarze Augenpaar gefunden hatte, war Harry mehr als überrascht. Etwas weiter hinten im Raum stand Severus Snape, sein Lehrer im Fach Zaubertränke, doch er sah ihn auf eine Weise an, die Harry noch nie bei ihm gesehen hatte: Ohne Hass, ohne Spott, ohne jede Wertung; er sah ihn einfach nur an. Und Harry starrte wie hypnotisiert auf dieselbe Weise zurück, ohne Zweifel dabei auf der Suche nach etwas, was eindeutig nicht mehr in diesen rabenschwarzen Augen zu finden war. Als sich plötzlich Molly Weasley samt riesiger schwebender Torte in Harrys Sichtfeld schob, unterbrach sie unbeabsichtigt den Blickkontakt. Harry war kurz verwirrt über sich selbst und lächelte dann erfreut in die freundschaftliche Runde. „Danke, Leute! Ihr habt mir gefehlt. Vielen Dank für die Torte, Mrs. Weasley.“ Molly lachte zufrieden. „Aber das ist doch selbstverständlich, mein Lieber. Und jetzt blase die Kerzen aus und wünsch dir was!“ Harry wollte gerade dazu ansetzen, als er plötzlich von Hermines Ausschrei „Fred! George!“ unterbrochen wurde. Verwirrt hielt Harry mitten in der Bewegung inne und sah zu den Zwillingen, die über beide Ohren grinsten. „Was ist los, Hermie?“ „Ihr habt die Kerzen verhext, sodass man sie nicht auspusten kann!“, beschuldigte Hermine die beiden und bereinigte das Problem zeitgleich mit einem Schwung ihres Zauberstabs. „Na sowas“, grinsten Fred und George nicht im Mindesten ertappt und Harry lachte. Er hatte sie alle wirklich sehr vermisst und es war schön, endlich wieder unter den Leuten zu sein, die ihn wirklich haben wollten und schätzten. Harry war mit seinen Gedanken ganz woanders während er die Geburtstagskerzen ausblies. Er dachte an die Dursleys, die er – Gott sei Dank – nie mehr wieder sehen würde, an seine Freunde, die hier waren und an ihn gedacht haben, während er weg war, und schließlich an Sirius, Harrys Versinnbildlichung einer glücklichen Familie, nach die er sich schon immer sehnte. Familie. So nah und doch so fern. Er hatte zwar Freunde, die ihn mochten, aber seit Sirius weg war, schien sein Wunsch nach einer richtigen Familie, an die er sich lehnen konnte und bei der er er selbst sein konnte, unerträglich weit in die Ferne gerückt. „Dein Wunsch geht bestimmt in Erfüllung“, sagte Luna mit glasigen Augen und holte Harry damit aus seinen Gedanken zurück. „Wunsch? Achso. Ja.“ Ein klägliches Lächeln machte sich in Harrys Innerem breit, doch nach außen hin zeigte er nichts. Nach und nach wurde er von allem umarmt oder auf die Schulter geklopft und noch einmal persönlich zum Geburtstag gratuliert. Als Harry gefühlte tausend Hände geschüttelt und Umarmungen hinter sich gehabt hatte, stand auf einmal Snape vor ihm. Harry spürte einen Schauer über seinen Rücken rinnen. Noch immer war etwas in Snapes Blick, das Harry nicht deuten konnte. War etwas passiert? Hatte er etwas verpasst? Er verstand es einfach nicht. Und es war ihm irgendwie nicht geheuer. Die Beziehung zwischen Snape und Harry war immer einfach gewesen: Snape hasste Harry und Harry hasste Snape. Daran hatte sich nie was geändert, auch wenn Harry noch in den ersten beiden Schuljahren gehofft hatte, Snape würde endlich aufhören, seinen Vater in ihm zu sehen. Doch ab dem dritten Schuljahr hatte er sich damit abgefunden, dass der gegenseitige Hass niemals verschwinden würde und dass dieser Hass womöglich gar nicht so sehr darauf basierte, dass er der Sohn von James Potter war, auch wenn Snape dies immer wieder abfällig deutlich machte. Doch jetzt war all dieser Hass aus Snapes Augen verschwunden. Als hätte es ihn nie gegeben. Als wäre Harry plötzlich nicht mehr Harry. „Alles Gute zum Geburtstag, Harry“ Severus Stimme klang rau und gleichzeitig seidig und die Worte, die aus dessen Mund kamen, klangen wahnsinnig vertraut und zugleich so fremd, dass kurz Harrys innerer Alarm losging. Doch es war ganz eindeutig Severus Snape, der vor ihm stand. Sein Aussehen, sein Geruch, Harry spürte einfach, dass es Snape war, so als würde er dessen Magie wahrnehmen, die er ohne jeden Zweifel Severus Snape zuordnete. Bevor Harry in der Lage war auf die Aussage zu reagieren, wandte sich Snape plötzlich ab und verließ den Raum. Ausnahmslos alle starrten ihm hinterher und keiner gab einen Ton von sich. Als Severus die Tür magisch hinter sich leise ins Schloss fallen ließ, waren die Weasley-Zwillinge die ersten, die ihre Sprache wiederfanden. „Was hast du in den Kuchen getan, Mum?“ „Was? Nichts! Es hat doch noch niemand was von dem Kuchen gegessen!“ Fred und George grinsten. „Wo auch immer du etwas rein gemischt hast, wir hätten auch gerne was davon“ Nun stimmten auch die anderen ins Lachen rein als Molly erschüttert versuchte die Anschuldigungen ihrer beiden Söhne abzuwehren. So schnell wie die Stille gekommen war, so schnell war sie auch schon wieder vergessen. Luna grinste den restlichen Abend geistesabwesend in die Luft und Harry hätte sich den Abend nicht schöner vorstellen können. Einige Stunden später lag Harry fix und fertig in seinem Bett. Es war noch ein sehr schöner Abend gewesen und Harry war seinen Freunden unbeschreiblich dankbar dafür. Bis jetzt hatte er seine Geburtstage immer im Ligusterweg bei den Dursleys verbracht und hatte nicht mal halb so viel Spaß wie heute. Gedanklich ging er noch mal den Tag durch. Als ihm wieder Snapes seltsames Verhalten einfiel, seufzte er leise. Er konnte sich darauf wirklich gar keinen Reim machen. Und irgendwie mochte er über dieses Thema auch nicht mit Hermine und Ron reden. Vor seinem geistigen Auge sah er nochmal die tiefschwarzen Augen, wie sie ihn durchdringend ansahen. Ohne jede Vorwarnung umhüllte Harry ein Gefühl von Unwirklichkeit. Alles kam ihm auf einmal nicht richtig vor, genauso wie ihm Sirius Tod nicht richtig vorkam. Harry starrte an die Decke und war kurze Zeit später wütend auf sich selbst. „Du spinnst doch. Die anderen haben Recht: Sirius ist tot, und du musst endlich lernen, damit klarzukommen!“, sagte er zu sich selbst, so als würde es sein Bauchgefühl nie gegeben haben, wenn er es laut aussprach. Mit diesen Worten drehte sich Harry auf die andere Seite und schlummerte kurze Zeit später in das Reich der Träume. *** Ein kleiner 10-jähriger Junge saß auf einer Schaukel eines Spielplatzes. Seine etwa schulterlangen rabenschwarzen Haare waren ordentlich zu einem Zopf am Hinterkopf zusammengebunden. Er sah zufrieden und glücklich aus, während er vor sich hin träumte und dabei auf der Schaukel rumwippte. Als der Junge plötzlich einen Apparations-Knall hörte, hielt er erschrocken inne und sah sich um. Etwas weiter weg hinter einer Hecke sah er einen erwachsenen Mann, der mit abfällig mit jemanden schimpfte, der anscheinend auf dem Boden lag, sodass die Hecke die Sicht auf die Person versperrte. „Du Abschaum! Du wohnst in unserem Haus unter unserem Dach, deine Mutter liegt seit deiner Geburt im Krankenbett und das ist dein Dank dafür?! Scher dich zum Teufel!“ Mit einem Plopp verschwand der Mann wieder. Schnell hüpfte der Junge von der Schaukel und näherte sich dem Gebüsch. Als herantrat hörte er ein gequältes Stöhnen und Schniefen. „Hey, alles in Ordnung mit dir?“ Ein weiterer kleiner Junge kam hinter dem Busch zum Vorschein. Seine kurzen Haare standen in alle Richtungen ab, während er kauernd auf dem Boden lag und weinte. Als der Schwarzhaarige ihn ansprach zuckte er automatisch zusammen. „Keine Angst. Ich tu dir nix. Mein Name ist Severus“, sprach der schwarzhaarige Junge beruhigend auf sein Gegenüber ein und kniete sich langsam neben ihn. „Ich bin James“, brachte der Andere leise hervor und wischte sich mit seinem Ärmel die Tränen weg. Er betrachtete Severus genauer und stellte fest, dass sie ungefähr in demselben Alter waren. „Tut mir leid, dass du das mit ansehen musstest“ Severus lächelte aufmunternd. „Kein Problem. Magst du darüber reden?“ Die beiden Jungen hatten sich schnell angefreundet und saßen kurze Zeit später lachend auf einer Wippe. James hatte Severus von seiner Familie erzählt: Bei seiner Geburt gab es damals Komplikationen, sodass seine Mutter bis heute auf Heiler angewiesen war und den ganzen Tag im Bett lag. Sein Vater liebte seine Mutter über alles und gab ihm, James, die Schuld für ihren Zustand. Allerdings wurde James jedes Mal, wenn sein Vater zur Flasche griff, was bedauerlicherweise immer häufiger vorkam, regelmäßig rausgeschmissen. Als Severus daraufhin James schockiert ansah, lachte dieser nur. „Keine Sorge, es ist immer dasselbe. Ich bin das gewöhnt. Für gewöhnlich taucht mein Vater nach einigen Stunden wieder auf und holt mich ab, weil er genau weiß, dass meine Mutter meinen Verlust nicht verkraften würde.“ Auf diese Aussage hin lächelte Severus mitleidig. „Das ist keine Ausrede für dieses Verhalten! Ich würde dir so gerne helfen…“ „Du könntest mir tatsächlich helfen“, sagte James und wurde gleichzeitig rot. Severus nahm dies kichernd zur Kenntnis und sah ihn aber gleichzeitig interessiert an. „Kannst du das nächste Mal wieder hier sein, wenn er mich rausschmeißt?“, fragte James kleinlaut. „Klar! Hier, nimm diesen Spiegel. Ich habe das Gegenstück dazu. Damit können wir immer in Kontakt bleiben oder uns verabreden. Du kannst mich jeder Zeit kontaktieren, wenn du nicht weißt, wohin. Oder einfach so.“ „Wirklich?“ James blaue Augen strahlten. „Danke, danke!! Ich habe keine Freunde, weißt du? Alle haben Angst vor meinem Dad… Und jeder hält mich für einen Freak.“ Severus lächelte James aufmunternd an. „Keine Sorge, ich bin da, wenn du mich brauchst! Und was das Letztere betrifft: Ich mag Freaks wie dich.“ *** „Hey, Sev“, begrüßte James seinen besten Freund, der ihm strahlend entgegenlief. Beide waren mittlerweile ein Jahr älter – 11 Jahre alt um genau zu sein. „Ich kann es kaum noch abwarten! Bald müssten doch unsere Briefe für Hogwarts kommen!“ Severus strahlte ihn an. „Ja, stimmt! Dann können wir den ganzen Tag zusammen rumhängen“, freute er sich. Dabei fiel ihm auf, dass sie bisher noch nie über die Zaubererschule oder Ähnliches gesprochen hatten. Zusammen liefen sie herumalbernd zu dem Spielplatz. Sie fühlten sich zwar mittlerweile zu alt für so etwas, aber dieser Ort hatte einfach einen emotionalen Wert für die beiden. Mittlerweile waren sie zusammengewachsen wie Pech und Schwefel und verbrachten sehr viel Zeit miteinander. Und für James hatte dies den angenehmen Nebeneffekt, dass er seinem Vater aus dem Weg gehen konnte. „Du kommst doch auch nach Slytherin, oder?“, fragte Severus unbekümmert. James jedoch verzog das Gesicht. „Mein Vater wird mich umbringen!“ „In welchem Haus würde er dich denn am liebsten sehen?“ James schwieg kurz. „Gryffindor.“ Severus sah ihn schockiert an. „Nein, das kannst du nicht machen! Ich habe schon immer davon geträumt nach Slytherin zu gehen! Und in der ganzen Geschichte von Hogwarts gibt es keine Freundschaft zwischen einem Gryffindor und Slytherin, die jemals gut geendet hat! Mal abgesehen davon stehen alle Gryffindors unmittelbar unter Kontrolle von Albus Dumbledore.“ James sah ihn mit großen Augen an. „Was willst du damit sagen? Ich kenne Dumbledore. Er ist nett.“ „Nett?! Bist du verrückt?! Er manipuliert jedem, der so dumm ist, ihm zu folgen. Und er will sowohl alle Schwarzmagier als auch schwarzen Kreaturen auslöschen!“ „Schwarze Magie gehört auch ausgelöscht! Sie ist böse, Severus! Sie bringt Menschen um und Schlimmeres! Und ohne Dumbledore würde meine Mutter nicht mehr leben! Er war derjenige, der verhindert hatte, dass sie bei meiner Geburt gestorben ist! Also hör auf ihn schlecht zu reden!“ „Ach, und du glaubst mit weißer Magie könnte man nicht töten?! Verdammt, ich wusste nicht, dass du auch zu Dumbledores Marionetten gehörst.“ „Marionette?! Ich bin keine Marionette, du Bastard! Weißt du was? Mir reichts! Geh doch nach Slytherin! Ich hätte nie gedacht, dass du so bist! Ich dachte immer, du bist der einzige Mensch, der mich wirklich versteht. Aber in Wahrheit wolltest du mich wohl für die dunkle Seite gewinnen, wie?! Niemals! Was bist du, ein Todesser?! Fahr zur Hölle!“ Mit diesen Worten stürmte James wütend wie noch nie in seinem Leben davon. Von weitem konnte er noch Severus Stimme hören, die ihm hinterher rief. „James, nun warte doch! Es tut mir leid! Lass mich es dir erklären!“ Aber James wartete nicht, sondern rannte nun was das Zeug hielt. Tränen liefen ihm dabei über die Wangen und zum ersten Mal seit einem Jahr fühlte sich James wieder vollkommen allein. *** Deprimiert nahm James in einem leeren Abteil des Hogwarts-Express Platz. Er hatte lange nicht mehr über Severus nachgedacht, weil er dessen Verrat einfach nicht verkraften konnte, doch jetzt, wo Hogwarts so nahe lag, konnte er die Gedanken an seinen ehemals besten Freund nicht mehr verdrängen. Er hatte sich damals wirklich sehr darauf gefreut mit ihm gemeinsam zur Schule gehen zu können. Aber dann hatte er herausgefunden, dass Severus anscheinend zur Kategorie Todesser-Familie zählte. Fluchend biss sich James auf die Lippe. Er fühlte sich so dumm, weil er Severus nie nach seiner Familie gefragt hatte und diese auch leider – oder zum Glück? – nie kennengelernt hatte. Wie konnten sie so eng befreundet sein und nie dieses Thema zur Sprache bringen? Die Bedrohung Voldemort war irgendwo da draußen und es sollte doch nur selbstverständlich sein, dass man sich die ‚richtigen‘ Freunde suchte. ‚Vielleicht wollte ich es auch einfach nicht wissen‘, überlegte James und biss sich zugleich wütend auf die Unterlippe. Wenn er ehrlich war, vermisste er Severus, und alles in ihm hoffte, dass es einfach nur ein Missverständnis war. Doch James wusste, dass die Chancen dafür ziemlich schlecht standen: Severus kam aus einer Slytherin-Familie und er hasste Dumbledore. Da gab es nichts falsch zu verstehen. Oder? James war so tief in Gedanken versunken, dass er heftig zusammenzuckte, als plötzlich jemand an die Abteiltür klopfte. „Hi, ich bin Sirius und das hier ist Remus. Können wir uns zu dir setzen?“ Ein schwarzhaariger Junge sah ihn freundlich an. „Ja, klar. Ich bin James“, lud James die beiden ein und lächelte höflich zurück. Hinter Sirius kam noch ein weiter Junge, scheinbar besagter Remus, zum Vorschein, der ihm freundlich zunickte, und beide setzten sich James gegenüber. „Bist du auch neu hier?“, fragte Sirius neugierig. „Ja. Ihr auch?“ Die beiden nickten. „Cool, dann sind wir in derselben Klasse! In welches Haus willst du gehen?“ James Blick verfinsterte sich kurzfristig, doch weder Sirius noch Remus, der bisher nur stillschweigend dasaß und anscheinend zu der etwas schüchternen Kategorie zählte, bemerkten etwas davon. „Gryffindor“, sagte James und presste die Lippen auf einander. „Cool, wir auch!“, strahlte Sirius und James Laune besserte sich daraufhin schlagartig. „Das beruhigt mich. Ich hatte schon befürchtet, ihr wärt Slytherins.“ Sirius grinste. „Nein nein, keine Sorge. Sehen wir etwa so hässlich aus?“ James lachte. „Weißt du“, fuhr Sirius fort, „meine ganze Familie war in Slytherin. Aber ich kann dieses Haus nicht ausstehen. Ich würde alles tun, um nach Gryffindor zu kommen. Und sei es nur, um damit meiner hochnäsigen Mutter eins auszuwischen!“ James Gedanken wanderten wieder kurz zu Severus. Auch seine Familie war in Slytherin. War es etwa verkehrt gewesen, Severus gleich in eine Schublade zu stecken, wenn man sich wie Sirius offensichtlich trotzdem für die andere Seite entscheiden konnte? Doch James kam nicht dazu den Gedankengang fortzuführen. Sirius erzählte ihm gerade von seinem Bruder, der zwar ein Slytherin war, aber von dem er zumindest einige Details von dem riesigen Schloss Hogwarts kannte. „Regulus hat mir erzählt, dass es da eine Statue gäbe, die einen Geheimgang versteckt, der direkt nach Hogsmead, dem Zaubererdorf, führt! Das müssen wir uns unbedingt mal zusammen ansehen!“ Zum ersten Mal meldete sich nun auch Remus zu Wort: „Sirius! Das ist verboten!“ Sirius und James grinsten sich daraufhin nur schelmisch an. James war zum ersten Mal, seit er sich mit Severus verstritten hatte, wieder ziemlich zufrieden mit sich und der Welt. Er hatte sowohl Sirius als auch Remus, der mit der Zeit warm geworden war und scheinbar der Vernünftigste von ihnen war, schnell zu schätzen gelernt und hoffte fest, dass sie alle drei auch wirklich in dasselbe Haus kommen würden. Die Zeit verging wie im Flug und als sie bald in Hogwarts ankommen müssten, hörten sie, wie eine kleinere Gruppe das Abteil betrat. James saß mit dem Rücken zu der Gruppe, sodass er nicht sehen konnte, aus wem sie bestand, doch da er sowieso niemanden in Hogwarts kannte, drehte er sich nicht um. „Sieh an, sieh an, der Köter!“, ertönte eine Stimme und James dachte einen Moment lang, sein Herz würde aussetzen. „Snivellus. Wie ich sehe, hast du noch immer keine Ahnung, was guter Geschmack bedeutet!“, schoss Sirius zurück mit einem Nicken auf seine Kleidung. Nur ganz langsam drehte sich nun James zu der Gruppe rum. Als sich sein Verdacht bestätigte und er Severus Snape in der Mitte der Gruppe sah, kam Übelkeit in ihm hoch. Severus hatte ihn anscheinend nicht von hinten erkannt, denn als sie sich in die Augen blickten, weiteten sich Severus Augen und ihm blieb leicht der Mund offen stehen. „Was ist, versuchst du Fliegen zu fangen?“, fragte Sirius abfällig, doch Severus reagierte nicht darauf, und sah unschlüssig James an. James jedoch war der erste von beiden, der reagierte. „Lass meine Freunde in Ruhe, Severus“, sagte er ruhig und langsam. Eine unglaubliche Wut brodelte auf einmal in seinem Bauch und er musste sich stark zusammenreißen, dass er nicht aufstand und Severus verprügelte. Es dauerte nicht lange, bis die Worte zu Severus durchdrangen. Wütend zog dieser die Augenbrauen zusammen. Eigentlich hatte Severus gehofft, in Hogwarts ein versöhnliches Wort mit James sprechen zu können, doch die Tatsache, dass er Sirius Black gegenübersaß und ihn auch noch als seinen ‚Freund‘ bezeichnete, machte Severus klar, dass ihre Freundschaft wohl für immer verloren war. Severus und Sirius kannten sich schon seit sie kleine Kinder waren; schließlich waren beide Familien im gleichen Gewerbe tätig. Es gab niemanden, den Severus mehr hasste als Sirius – und dies beruhte bisher immer auf Gegenseitigkeit. Allerdings war sich nun Severus nicht mehr so sicher, ob Sirius den Platz eins auf der Top-Hass-Liste behalten wurde. Denn dass James ihn dermaßen verraten hatte und ihrer – ehemals – tiefen Freundschaft willen nicht mal die Chance gab, sich zu erklären, machte Severus dermaßen wütend, dass er aufpassen musste, nicht ausversehen Magie fließen zu lassen. „Soso, Freunde also“, schnarrte er und seine Freunde, die sich bisher im Hintergrund gehalten hatten – ohne Zweifel alle Slytherin-Anwärter – kicherten schadenfroh. Dann beugte er sich zu James herunter, der noch immer auf seiner Bank saß, und erwiderte mit aller Leidenschaft den wütenden Blick. „Nenn mich nie wieder Severus, Potter!“ Mit diesen Worten drehte sich Severus um und bedeutete seinen Kollegen, dass sie ihm folgen sollten. Kaum waren sie verschwunden, klatschte Sirius begeistert in die Hände. „Wow! Das war… Kennt ihr euch?“ James kniff, noch immer stinksauer, die Augen zusammen. „Flüchtig“, log er. Sirius nickte grinsend. „Also normalerweise kann ich es gar nicht ausstehen, wenn man mich verteidigt, als könnte ich mich nicht selbst wehren. Aber eure Begegnung war wirklich mehr als interessant. Oh man, und ich dachte ich würde Snivellus hassen!“ „Woher kennt ihr euch?“ Sirius zuckte mit den Schultern. „Todesser-Familien halt.“ Es war wie ein Schlag in den Magen. „Seine Familie sind wirklich Todesser? Und deine auch? Ich verstehe nicht…“ Sirius unterbrach ihn. „Ich hasse meine Familie – bis auf Regulus. Und ich würde alles dafür tun, anders zu sein.“ *** „Hab ihn!“ Mit einem triumphierenden Grinsen, das breiter nicht hätte sein können, hielt James den goldenen Schnatz nach oben. „Wow, du bist wirklich ein wahnsinnig talentierter Flieger, James!“, entfuhr es Sirius begeistert und Remus klopfte James auf die Schulter. „Wenn du auch nur die Hälfte der Zeit, die du mit Fliegen verbringst, für die Schule nutzen würdest…“, seufzte Remus und lies den Rest des Satzes in der Luft hängen. James grinste daraufhin breit und legte Sirius kameradschaftlich den Arm um die Schulter. „Dann hätten wir nicht halb so viel Spaß“, beendete er Remus Satz und dieser lachte daraufhin. „Das Leben besteht aber nicht nur aus Spaß.“ „Jaja, geh doch lernen, du Streber“, ärgerte Sirius seinen Freund, der demonstrativ ein Lehrbuch aus der Tasche zog. „Ja, ich denke, ich werde das jetzt in der Tat tun. Ich muss noch den Aufsatz für Professor Mezini schreiben.“ Sirius und James rollten zeitgleich mit den Augen, aber ließen ihren Freund gewähren. Sie wussten, dass Lernen eine Leidenschaft von Remus war – aber verstehen würden sie das wohl nie. Herumalbernd torkelten die drei zurück in Richtung Schloss und als sie an der Bibliothek vorbeikamen trennte sich Remus von den beiden. „Ah, wen haben wir denn da. Wenn das nicht mal unser Lieblingsopfer ist“, flüsterte Sirius seinem besten Freund zu. James musste nicht hinsehen um zu wissen, wen Sirius meinte. Es gab nur einen Menschen im ganzen Schloss, den James wirklich hasste: Severus Snape. Sie waren nun schon fast ein ganzes Schuljahr in Hogwarts und James verstand von Tag zu Tag immer weniger, wie er mit ‚Snivellus‘ befreundet hatte sein können. Sie waren so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Mit einem hatte Severus damals scheinbar Recht gehabt: Slytherin und Gryffindor konnten niemals Freunde sein. James war damals wirklich unglaublich froh gewesen, dass Sirius wirklich nach Gryffindor gewählt wurde. Als Severus kurz davor war den Hut aufzusetzen, saß James bereits am Gryffindor-Tisch. Er wollte es zwar nicht zugeben, aber tief in seinem Inneren hatte etwas darauf gehofft, dass der Hut gleich „Gryffindor“ schreien würde, doch als nur ein „Slytherin“ von vorne zu hören war, hatte James das Gefühl, dass etwas in seinem Herzen zerbrochen war. James hasste sich dafür, dass Snape ihn damit überhaupt verletzen konnte und projizierte den Hass auf den Slytherin. Seit diesem Tag ließen Sirius und James keine Gelegenheit aus, Severus Snape eins reinzuwürgen. Tief in sich drin wusste James, dass es albern und vor allen Dingen falsch war, was er tat, doch der Hass schwoll in seinem Inneren so sehr an, dass einfach nicht anders konnte. Die Tatsache, die James dabei jedoch fast noch wütender machte, als alles andere, war, dass sich Severus niemals rächte. Wenn man ihn angriff, verteidigte er sich, gar nicht mal so schlecht, wie Remus mal behauptete, und wenn sie sich über den Weg liefen, lies Severus fast immer spöttische oder verletzende Worte fallen. Doch von sich aus angreifen tat Severus nie – und James machte das rasend. Als er seine Leidenschaft für den Flugsport entdeckte, dachte er, dass es besser werden würde, doch das Hochgefühl nach dem Fliegen hielt nie lange an, wenn er den Schwarzhaarigen zu Gesicht bekam. Die Gefühle waren immer sofort wieder da. James hatte niemandem erzählt, dass Severus und er mehr als eine flüchtige Vergangenheit hatten und scheinbar handhabte dieser das genauso. Allein bei dem Gedanken, dass Sirius das herausfinden könnte, drehte sich ihm der Magen rum. „Hey, wie wär‘s, wenn wir an ihm den neuen Zauberspruch ausprobieren, den wir letztens entdeckt haben?“ Sirius begeisterte Stimme riss James aus seinen Gedanken. „Klar“, erwiderte er gleichgültig, aber als sein Freund ihm einen fragenden Blick zuwarf, zwang sich James zu einem fiesen Grinsen, „pinke Haare sind doch farblich DIE perfekte Ergänzung zu den langweiligen silber-grünen Roben, findest du nicht?“ Sirius gluckste schadenfroh, während James unbemerkt seinen Zauberstab zog und einen kleinen Zauberspruch murmelte, der getarnt auf Snape zuflog. „Was zum?!“, schrie Severus erschrocken auf, als im plötzlich etwas Pinkes die Sicht versperrte. Waren das etwa seine Haare? Wütend zog er seinen Zauberstab und drehte sich nach dem Verantwortlichen herum, doch Sirius und James waren schon längst um die nächste Ecke verschwunden und rannten Richtung Gryffindor-Turm. Als sie dort angekommen waren, suchten sie sich ein freies Sofa im Gemeinschaftsraum und lachten, bis ihnen die Bäuche wehtaten. „Entschuldigung.“ Eine melodische, aber strenge Mädchenstimme riss die Beiden aus ihrem Lach-Flash. „Ja, was gibt’s?“, fragte James und betrachtete das Mädchen genauer. Sie war in ihrem Jahrgang, doch bisher hatte James noch nie mit ihr gesprochen. Er überlegte, wie ihr Name war, doch er fiel ihm nicht mehr ein. „Ich habe euch gesehen“, sagte sie scharf und warf James und Sirius einen wütenden Blick zu. „Äh, ja, dafür hast du schließlich Augen im Kopf“, bemerkte Sirius mitgespielt hochgezogener Augenbraue und erntete dafür einen amüsierten Lacher von James. Die Augen des Mädchens jedoch wurden gefährlich eng und James kam nicht umhin sich zu fragen, wie sie es schaffte dabei so verdammt hübsch auszusehen. „Ja, ich habe Augen im Kopf. Verdammt gute Augen! Und ich habe euch dabei gesehen, wie ihr Severus Snape verhext habt!“ „Ach das…“, erwiderte Sirius lässig und sah beton gelangweilt aus dem Fenster. James entschärfte jedoch die Situation, als er den Eindruck hatte, dass dieses Mädchen kurz davor war, seinen besten Freund zu erwürgen. „Hey, jetzt mal langsam“, versuchte er dazwischen zugehen, doch er wusste schlichtweg nicht, was er zu seiner Verteidigung sagen sollte. „Mal langsam?! Wieso macht ihr so was? Er hat euch nichts getan! Ich habe euch schon öfters dabei beobachtet, was ihr dem armen Jungen antut. Das ist einfach nicht richtig! Ihr habt den Bogen wirklich weit überspannt.“ Sirius lachte und zum ersten Mal wünschte sich James, dass sein Freund nicht immer alles so locker nehmen würde. Dieses Mädchen war verdammt sauer und irgendwie machte James das Angst – auch wenn er das natürlich niemals zugeben würde. Doch Sirius ließ sich nicht bremsen. „Was ist dein Problem, Mädchen? Was kann ich dafür, wenn…“ „Lily.“ „Bitte?“ „Ich bin nicht ‚Mädchen‘, mein Name ist Lily.“ „Wie auch immer. Ich lasse mir nicht von einem ‚Mädchen‘ sagen, was ich zu tun und zu lassen habe.“ Lily schnappte empört nach Luft und setzte zu einer weiteren Schimpftirade an, als James die beiden unterbrach. „Willst du mit mir essen gehen?“ Die beiden sahen James ungläubig an. „Wie bitte?“, kam es aus einem Mund. James grinste verlegen. „Ich finde dich hübsch. Also, willst du mit mir essen gehen?“, versuchte er es erneut und setzte ein schiefes Grinsen auf. Eine Ohrfeige später war Lily wutentbrannt davon gerauscht und James saß mit einer roten Wange griesgrämig allein mit Sirius auf dem Sofa. ‚Wenigstens ist sie jetzt weg‘, dachte James seufzend und hielt sich die Wange. Er konnte sich seine spontane Aktion selbst nicht erklären, doch die Art und Weise wie Lily aufgetreten war, hatte ihn tief beeindruckt. Eigentlich wollte er nur verhindern, dass der Streit zwischen Sirius und Lily eskalierte, doch das hatte er eigentlich nicht sagen wollten. Die Wirkung hatte es jedoch offensichtlich nicht verfehlt. James spürte plötzlich einen Stich Eifersucht und erst als er spät am Abend im Bett lag, erkannte er den Grund dafür: Lily ist für Severus eingetreten. In dem einen Jahr, wo Severus und James eng miteinander befreundet waren, war Severus immer für ihn dagewesen und er konnte ihm alle Probleme anvertrauen. Die Beziehung zwischen ihm und seinem Vater war immer schlimmer geworden und irgendwann konnte James die blauen Flecken nicht mehr vor Severus verstecken. Als er Severus gestand, was wirklich bei ihm zu Hause ablief, klaute Severus für ihn in regelmäßigen Abständen eine Heilsalbe aus dem Medizinschrank seiner Eltern und half ihm, sich damit einzureiben. James hatte Severus damals so viel zu verdanken gehabt und damals hatte er sich nichts mehr gewünscht, als Severus genauso viel zurückzugeben, wie er ihm gegeben hatte. James seufzte und starrte an die mondbeleuchtete Decke. Zum ersten Mal seit er in Hogwarts war wünschte er sich, es wäre alles anders gelaufen. *** Als Harry am nächsten Morgen erwachte, hatte er das Gefühl sein Schädel würde explodieren. Verwirrt sah er sich im Raum um und tastete dabei auf dem Nachttisch nach seiner Brille. Als er sie aufsetzte und seine Umgebung klare Konturen annahm, erinnerte er sich langsam wieder: Er war im Grimauldplatz und er war volljährig! So langsam es ging setzte sich Harry mit jammerndem „Au, mein Kopf“ im Bett auf und versuchte im Sitzen das Fenster hinter ihm zu öffnen. Geschlagene fünf wehleidige Minuten später wollte Harry schon frustriert aufgeben, als er sich mental gegen die Stirn haute. „Wie war das nochmal? Volljährig. Zauberer!“, brabbelte Harry scheinbar zusammenhangslos und griff wütend über seine eigene Dummheit zu seinem Zauberstab, der glücklicherweise neben seiner Brille auf dem Nachtschränkchen gelegen hatte. Mit einem Wink aus dem Handgelenk öffnete sich das Fenster und frische Luft umströmte Harry. „Besser!“, seufzte Harry erleichtert. Die Erinnerungen an seinen Traum überkamen Harry jedoch so schnell und ohne Vorwarnung, dass Harry mit Sicherheit getaumelt wäre, würde er nicht noch im Bett an der Wand gelehnt sitzen. Eine Welle von Gefühlen überkam ihn und Harry hatte das Gefühl, er würde von den unterschiedlichen Gefühlen entzweigerissen. Er fühlte so ziemlich alles, was er an Gefühlen kannte: Verzweiflung, Demütigung, Hass, Trauer, Freude, Eifersucht... Sein Schädel war kurz vorm Platzen und ihm war es als fehle ihm die Luft zum Atmen. Harrys Sicht verschwamm und er hatte das Gefühl, als würde sich alles um ihn drehen. Er wusste schon gar nicht mehr wo unten und oben war oder ob er noch saß oder wieder lag. Er bemerkte nicht, wie jemand die Tür öffnete und rasch auf ihn zuschritt. „Potter, was ist los?“ Eine kalte und schneidende Stimme schallte durch den Raum. Es dauerte eine Weile, bis sie zu Harrys Gehirnwindungen durchdrang, doch als sie das tat, hatte Harry nur noch den Gedanken: Snape! – Und wie in Trance riss er sich mit einem lauten Fauchen los. „Fass mich nicht an!“ Wo sich Harrys Herz zuvor noch von allen möglichen Gefühlen in verschiedene Richtungen gezogen fühlte, war auf einmal nur noch brodelnder Hass gemischt mit einer nicht zu knappen Prise bitterer Enttäuschung. Severus Snape trat stillschweigend zurück und versuchte keine Miene zu verziehen, doch wenn Harry genug bei Verstand gewesen wäre, hätte er gesehen, wie Snapes Mundwinkel gefährlich zuckten. Harry atmete heftig ein und aus als wär er einen Marathon gerannt. Sein Herz schmerzte, als würde es innerlich verbrennen. Es dauerte eine Weile bis Harry wahrnahm, dass Snape ihm mit ausgestreckter Hand und genügend Abstand ein kleines Fläschchen entgegenhielt. „Beruhigungstrank“, erklärte Snape sachlich, als Harry stumm und nachdenklich auf das Fläschchen starrte. Als Snapes Stimme wieder eine Lavine von vernichtenden Gefühlen in Harry auslöste, schnappte sich dieser schnell die Phiole ohne weiter darüber nachzudenken und schluckte den Inhalt in einem Rutsch runter. Die Wirkung trat schneller ein als Harry gedacht hatte: Kaum war der Inhalt heruntergeschluckt konnte Harry fühlen, wie sich sein Puls langsam beruhigte. Er fühlte sich plötzlich erstaunlich gefühlslos, alles schien wie gedämpft. Langsam sah er Snape an. Er konnte spüren, dass der Hass von eben noch deutlich da war, aber jetzt war er nur noch ein Bruchteil von dem, was er vorher gespürt hatte. Nur langsam konnte Harry seine Erinnerungen ordnen. Er war Harry, er war im Hauptquartier und hatte einen seltsamen Traum von Snape und seinem Vater. Erneut spürte er einen leichten Stich in der Brust, offensichtlich gedämpft von dem Beruhigungstrank. ‚Was war das für ein Traum? Wieso fühlt sich das alles so real an?‘ Harry hatte das Gefühl, er wäre James gewesen. Es war ganz eindeutig James Hass, den er in sich spürte. Wieso nahm in ein Traum gefühlsmäßig dermaßen mit? Und wieso erinnerte er sich an jedes Detail? „Tut… mir leid“, sagte Harry schließlich, als ihm klar wurde, dass er Snape Unrecht getan hatte, als er ihn angefaucht hatte. Alles in Harrys Inneren wehrte sich gegen die Entschuldigung, doch Harrys Verstand und Anstand sagte ihm, dass es das Richtige war. Snape nickte nur. „Ich habe Lärm gehört“, erklärte er sich knapp und deutete auf eine zerbrochene Nachttischlampe. Harry runzelte die Stirn. Er konnte sich gar nicht erinnern sie zerschlagen zu haben. „Danke, dass Sie gekommen sind“, sagte Harry zögerlich und versuchte die innere Abwehr zu ignorieren, die sofort erneut anschlug. Harry erinnerte sich wieder klar und deutlich an die Situation von gestern Abend, wo Snape ihm ohne Vorbehalte und ohne Hass begegnet war. Es war nur fair ihm genauso gegenüber zu treten. Snape nickte neutral und marschierte zu Harrys Tür. Im Türrahmen blieb er noch einmal kurz stehen und drehte sich um. „Poppy ist hier. Dritter Stock, zweites Zimmer. Du solltest hingehen.“ Mit diesen Worten verschwand Snape um die Ecke und lies einen ratlosen Harry zurück. Harry war total verwirrt. Seine Gefühle waren noch immer aus dem Gleichgewicht und auch wenn er nicht mehr das Gefühl hatte, sein Herz würde zerspringen, so wusste er dennoch nicht ob er vor Hass und Trauer weinen oder vor Freude lachen sollte. Um sich abzulenken dachte Harry darüber nach, woher die plötzlichen Stimmungsschwankungen kommen könnten. Im Grunde kann es nur dieser seltsamer Traum gewesen sein. ‚Wenn es denn ein Traum war‘, sagte Harrys innere Stimme und stimmte diesen somit zum weiteren Nachdenken an. Wenn dies wirklich die Wirklichkeit war – und Harry konnte nichts Unrealistisches an dem ‚Traum‘ finden, nach den wenigen Fakten, die er über seinen Vater wusste – was war es dann? Spontan fielen Harry drei Wege ein, wie man Vergangenes ansehen könnte: Denkinarium, Legilimentik oder ein Seher. Konnte eines davon für ihn in Frage kommen? Ihm erschien keine der drei Optionen besonders realistisch, doch er beschloss diesbezüglich Recherchen durchzuführen – später. Kurz überlegte Harry, ob er zu Poppy gehen sollte, aber da er nicht so genau wusste, was er ihr erzählen sollte außer „Ich hatte einen Traum über Snape und Dad. Und jetzt hasse ich Snape mehr denn je“, beschloss er, dass es besser war, sich nochmal hinzulegen. Er hoffte nur inständig, dass er diesmal von seltsamen Träumen verschont blieb. *** Fluchend schmiss Severus hinter sich die Tür zu, als er das Wohnzimmer eines alten Freundes betrat. Besagter alter Freund saß auf einem Sessel vor flackerndem Kamin und hielt ein Glas Whiskey in der Hand. Belustigt sah er ihm entgegen. „Was ist los, Severus? Du siehst so gut gelaunt aus.“ Severus funkelte ihn wütend an, nahm ihm gegenüber Platz und zauberte sich ebenfalls ein Glas Whiskey herbei. „Ich kann das nicht!“, zischte er leise und versuchte sich mit einem Schluck zu beruhigen. Es schien ein wenig zu funktionieren. Wesentlich ruhiger fügte er hinzu: „Dieser Bengel macht mich verrückt, Lucius!“ Der blonde Malfoy sah Severus plötzlich ernst an. „Du hast gesagt, du würdest versuchen neutral mit ihm umzugehen!“, schimpfte er angesäuert, worauf Severus entschuldigend die Hände hob. „Hab ich doch. Aber der Bengel ist so launenhaft wie Sonne und Mond.“ „Was ist passiert?“ „Keine Ahnung. Heute Morgen war er kurz vorm Ausflippen. Hat mich angesehen, als wäre ich Voldemort persönlich.“ Lucius Miene verfinsterte sich weiter und Severus erkannte den Fehler in seiner Formulierung. „Tut mir Leid, so meinte ich das nicht.“, versuchte er Lucius zu beschwichtigen. „Ja, ich weiß“, seufzte er. „Also meinst du damit, er hasst dich wirklich?“ Snape biss sich auf die Unterlippe. „Scheint so. Aber es war wirklich merkwürdig. Er hat mich noch nie so hasserfüllt angesehen. Scheinbar musste er aber noch mit anderen Sachen kämpfen, das Kind sah aus, als würde es bald ersticken. Ich habe ihm dann einen Beruhigungstrank gegeben.“ Lucius stand nun auf und lief beunruhigt vor dem Kaminfeuer auf und ab. Währenddessen berichtete Severus weiter: „Danach hat er sich wenigstens versucht zusammenzureißen. Hat sich wohl daran erinnert, was Höflichkeit ist. Na ja, zumindest der Ansatz davon.“ Ein lautes Klirren ertönte als Lucius sein Glas wütend gegen den Kamin warf und sich die Scherben quer auf den marmorierten Boden verteilten. „Hey“, begann Severus beruhigend und legte Lucius einen Arm auf die Schulter. „Du wusstest, dass es schwer wird – wenn nicht sogar unmöglich. Aber ich werde mein Bestes tun, um euch zu helfen.“ Dankbar blickte Lucius seinen Freund an. „Danke, Severus. Wir wissen das wirklich zu schätzen.“ *** To Be Continued... Ich hoffe euch hat die Geschichte soweit gefallen! Lasst mir doch bitte auch ein Kommentar da, wenn euch etwas missfallen hat, damit ich weiß, was ich das nächste Mal besser machen kann! Für Tippfehler hafte ich allerdings nicht ;P Liebe Grüße ^.^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)