Kaffee und Vanille 2 von Jeschi ================================================================================ Kapitel 1: Die Hiobsbotschaft ----------------------------- Ich weiß nicht recht, wie man sich gegenüber einem Jungen verhält. Bei Mädchen ist das leichter. Da gibt es gewisse Regeln, die man einhalten sollte. Das altbekannte 'Ladies first' oder das man ihre Tüten beim Shopping trägt. Mit Valentin ist das anders. Als ich ihm einmal anbot, seine Tüten zu tragen, hat er mich nur seltsam angesehen. Und würde ich ihm je die Türe mit den Worten 'Ladies first' aufhalten, würde er mich sicher erschlagen. Aber klar... er ist ja auch kein Mädchen. Auch, wenn ich mal behaupten würde, er hat den weiblichen Part in unserer Beziehung inne. Er ist es immerhin, der gerne shoppen geht. Der Stunden im Bad verbringt. Der mich zwei Stunden am Telefon vollquasseln kann. Auch beim Sex hat er meistens - und mein Po dankt ihm das wirklich - den passiven Part inne. Aber alles in allem ist er dennoch ein Junge. Und ich muss zugeben, dass das für mich ziemliches Neuland ist. Ich meine... bis vor ein paar Wochen dachte ich, ich sei hetero. Und auch jetzt weiß ich noch nicht wirklich, ob ich nun schwul bin oder ‚nur’ bi. Meine Gefühle für Teresa, damals, bevor ich Valentin kennenlernte, die waren echt. Aber verdammt... meine Gefühle für Valentin übersteigen alles je dagewesene. Dabei dachte ich immer, wenn ich jemals schwul werden würde, dann weil sich mir ein dominanter Kerl aufzwingen würde, bis es mir endlich gefällt. Nie hätte ich gedacht, ich könnte mich von selbst in einen Jungen verlieben, der den ganzen Tag mit einem Kaffee in der Hand herumrennt und mir mindestens dreimal am Tag den letzten Nerv raubt. Nie hätte ich gedacht, dass mich Valentin mit seiner unglaublich chaotischen, aufgedrehten Art so sehr in seinen Bann ziehen würde. Und jetzt… ja, jetzt liege ich hier mit ihm im Bett, den Arm fest um ihn geschlungen und schaue ihm zu, wie er schläft. Eigentlich überhaupt nicht spektakulär, aber ich könnte es dennoch den ganzen Tag tun. Da gibt es so viel zu entdecken. Die schwarze Strähne, die ihn an der Nase kitzelt. Seine leicht geöffneten, schmalen Lippen. Seine hübschen langen Wimpern. Ich grinse dümmlich vor mich hin und frage mich, was eigentlich los mit mir ist. Das ist immerhin ein Junge, den ich da gerade so anstarre. Wobei ich nicht jeden Kerl so anglotzen würde. Aber Valentin ist immerhin mein Freund. Mein Freund!!!! Kaum zu fassen… Ich vergrabe meine Nase an seiner Schulter und atme seinen Duft ein. Er riecht immer nach einer Mischung aus Kaffee und Valentin selbst. Dieser Duft ist so vertraut, so manches Mal so tröstlich… ich ziehe seinen Körper näher an mich heran. Wie ist es nur dazu gekommen, dass ich mich so Hals über Kopf in ihn verliebt habe? Wobei es ‚Hals über Kopf’ nicht wirklich trifft. Ich hab schon ziemlich lange gebraucht, es zu bemerken. Aber es war ja auch alles so neu für mich. Ich hab davor nie einen anderen Jungen süß gefunden. Ich habe davor nie daran gedacht, einen anderen Jungen vor allem Übel auf der Welt zu beschützen. Ich habe vor allem nie an Sex mit einem anderen Jungen gedacht. Und jetzt… Ach Gott, jetzt würde ich am liebsten über ihn herfallen und… „Josh?“ Ich stutze und blicke ihn an. Seit wann ist er wach? Hat er etwa gemerkt, dass ich ihn angestarrt habe? Oh nein… Ich wende den Blick ab, starre auf die Decke, kann das aber nicht lange durchhalten. „Morgen,“ murmle ich deshalb und sehe ihn doch wieder an. Er blickt aus großen braunen Augen zurück. „Alles klar bei dir?“ „Alles Bestens.“ Jetzt grinst er und haucht mir einen Kuss auf die Lippen und ich drücke ihn aufs Bett und intensiviere den Kuss um ein Vielfaches. „Dir ist bewusst, dass wir uns fertig machen müssen?“ Er löst den Kuss und sieht mich fragend an. Ich seufze und nicke und finde es unfair. Ich will jetzt nicht zur Uni. Ich will jetzt mit ihm hier liegen und jeden Millimeter seines Körpers mit Küssen bedecken. Plötzlich kichert er und nun ist es an mir, ihn fragend anzusehen. „Hast du etwa 'ne Latte?“ Ich werde rot. „Natürlich nicht!“ „Jetzt lüg doch nicht,“ lacht er und küsst mich. „Du bist so süß.“ Dann steht er auf und lässt mich im Bett zurück, geht ins Bad. Ich frage mich währenddessen, was daran süß ist, dass ich mit einer Latte im Bett liege… Aber das ist Valentin. Den muss man nicht verstehen. „Joshiiii,“ ruft er aus dem Bad, „Magst du Kaffee kochen?“ Und natürlich mag ich Kaffee kochen. Weil ich es mag, wenn ich ihm eine Tasse unter die Nase halten kann und seine Augen zu strahlen beginnen. Also springe ich – Latte oder nicht – aus dem Bett und setzte einen Kaffee für ihn auf. Mit meiner neuen Kaffeemaschine, die er mir – nicht ohne Eigennutz – zum Geburtstag geschenkt hat. Etwas später steht er dann frisch geduscht und top gestylt in der Küche, trinkt seinen ersten Kaffee und sieht mir nach, während ich mich auf ins Bad mache. Ich gehe immer als Zweites, weil er so lange braucht und ich besser damit zurecht komme, mich zu beeilen, wenn die Zeit mal knapp ist. Obwohl ich nicht weiß, was er immer so lange treibt, dass es so lange dauert. Okay. Er fummelt ewig an seinen Haaren herum, glättet sie, toupiert sie, glättet sie wieder… was weiß ich. Dabei sieht er schon so perfekt aus, wenn er noch gar nichts an ihnen gemacht hat. Ich hingegen kämme meine braune Mähne, wühle einmal mit den Fingern darin herum und fertig ist meine Frisur, die den ganzen Tag sitzt. Deshalb bin ich auch viel schneller wieder in der Küche und trinke nun auch meinen Kaffee, ehe wir uns gemeinsam auf den Weg zur Uni machen, zumindest das erste Stück. Denn wir sind nicht an der gleichen Hochschule. Valentin studiert nämlich Musik an der dafür vorgesehenen Uni, während ich auf der Sporthochschule bin. Wir haben uns nur kennengelernt, da wir zufällig die Zimmer nebeneinander im Wohnheim haben. Wobei wir uns diese mittlerweile mehr oder minder teilen. Ich glaube, seit wir zusammen sind, haben wir nicht eine Nacht getrennt voneinander verbracht. Und selbst wenn wir mal einen Tag für uns sind, so steht spätestens am Abend einer von uns vor des anderen Türe. Aber wie dem auch sei, unsere Wege trennen sich und es beginnt ein anstrengender Tag mit Vorlesungen und allerlei Aktivitäten. Ich habe im ersten Semester darum gekämpft, ein Teil des Basketballteams zu werden. Einfach, weil ich schon immer Basketball gespielt habe. Auf dem Gymnasium war ich sogar Vizekapitän. Jetzt, Mitte des dritten Semesters, bietet sich mir eine unglaubliche Chance, die es zu nutzen gilt. Der jetzige Kapitän hat sich nämlich verletzt und da wir nie einen Vizekapitän bestimmt haben, ist die Stelle nun neu zu vergeben. Da ist ja wohl klar, dass ich alles daran setzen werde, sie für mich zu erobern. Auch, wenn es genug Konkurrenz gibt. Und auch, wenn ich vielleicht nicht der beliebteste Spieler bin. Diese Tatsache beruht darauf, dass schon das Gerücht die Runde gemacht hat, ich sei schwul, als ich das noch gar nicht wirklich war. Es war bei einem Vorspiel für die Auswahl der neuen Teammitglieder gewesen. Irgendjemand war plötzlich der Meinung gewesen, Valentin und ich wären ein Paar und ich muss zugeben, dass ich das Gerücht angeheizt habe, statt es richtig zu stellen. Jetzt sind wir ja nun wirklich ein Paar und es stört mich ehrlich gesagt nicht, dass man mir des Öfteren etwas wie ‚Schwuchtel’ an den Kopf donnert. Denn beim Training und auch bei den Spielen behandelt man mich nicht anders und das ist das, was zählt. Eine Freundschaft möchte ich mit ihnen ja gar nicht aufbauen. Ich hab genug Freunde. Wenn auch nicht hier in Köln, sondern in Hamm, meiner Heimatstadt. Mein altes Team, um genau zu sein. Ein Team, in dem sich keiner an einem Homosexuellen gestört hat. Zwar gab es auch eine Zeit, in der dies ein Thema war, das man besser nicht ansprach, aber das hat sich relativ schnell gegeben. Damals, als Jona neu in unser Team kam. Seinerseits ein Emo, genau wie Valentin, und schon als Schwuchtel abgestempelt, ehe klar wurde, dass er tatsächlich schwul war, beziehungsweise natürlich immer noch ist. Doch Jonas unglaubliches Talent – und ich meine das sehr ernst, denn Jona ist wirklich wahnsinnig gut – hat ihn relativ schnell zu einem festen Mitglied gemacht. Und mit dieser Wendung wurde auch seine sexuelle Ausrichtung irgendwann ohne Murren akzeptiert. Und gab es noch einen stillen Skeptiker unter uns, so hat sich das spätestens geändert, als er mit Benni zusammen gekommen ist. Unserem damaligen Leader und meinem besten Freund. War damals ein ziemlicher Schock, dass Benni plötzlich in einen Jungen verknallt war. Immerhin war er davor ewig lange mit Amelie, der größten Tussi unserer Schule, zusammen. Und wir alle dachten immer, er wäre glücklich mit ihr. Aber das war er nicht; wer kann ihm das verdenken? Und irgendwann waren Jona und er dann ein Paar. Gut für mich, denn so hatte ich den optimalen Ansprechpartner, was Valentin betraf. Obwohl es eigentlich eher so war, dass Benni meine Gefühle durchschaut hat, während ich gar keine Ahnung von ihnen hatte. Und so hat es auch keinen der anderen Jungs allzu sehr geschockt, dass ich plötzlich mit einem Jungen zusammen war. Ich sinniere noch ein wenig über die damalige Zeit. Denn jetzt ist alles ganz anders. Mittlerweile sind wir alle mit der Schule fertig. Bis auf unser Küken, Chris, der erst dieses Jahr sein Abi macht. Der Rest von uns studiert. Benni Medienwissenschaften in Dortmund, Lukas und Victor Wirtschaft in Düsseldorf und ich eben Sport hier in Köln. Und Jona… ja, Jona… der hat das geschafft, von dem wir alle nur träumen. Einen Vertrag mit den Frankfurter Skyliners, einem der erfolgreichsten Teams der deutschen Basketballbundesliga. Und nicht nur das. Der Wichser hat sogar eine Anfrage von Alba Berlin bekommen und diese ausgeschlagen, weil… ja, weil er – romantisch und kitschig, wie er auf seine Weise nun mal ist – näher bei seinem Freund bleiben wollte. Lukas ist fast ausgerastet, als er erfahren hat, dass er das Angebot von Berlin nicht angenommen hat. Ich hingegen habe es verstanden. Würde mich irgendwer nach Berlin einladen, so würde ich wohl sicher auch absagen und lieber nach Frankfurt gehen oder einfach im popeligen Hochschulteam bleiben. Niemals würde ich es ertragen, so weit weg von Valentin zu sein. Mein Gott… ich bin schon wirklich weich geworden… Meine Lesung ist zu Ende und ich verlasse den Saal und gehe in die Cafeteria. Ich habe noch etwas Zeit, ehe es weiter geht und nutze diese, um eine Cola zu trinken und meine Notizen durchzugehen. Viele habe ich mir – wie ich zu meiner Schande gestehen muss – nicht gemacht, aber was soll’s. Wenig später eile ich zu der Sporthalle, um mich für das Training umzuziehen. Meistens bin ich alleine in der Umkleide. Keiner mag sich umziehen, wenn ich dabei stehe. Ich könnte sie ja anstarren. Eine ähnliche Diskussion gab es damals bei Jona. Allerdings hat sich keiner beim Umziehen daran gestört. Nur Duschen musste er nach uns. Nicht weiter schlimm. Es hat ihn nie gestört, nie verletzt. Ich hingegen nehme es schon persönlich, dass man mich sogar meidet, wenn es nur darum geht, ein T-Shirt aus- und ein Trikot anzuziehen. Abgesehen davon finde ich keines meiner Teammitglieder wirklich attraktiv. Oder sagen wir es anders. Ich finde keinen Jungen, außer Valentin attraktiv. Nicht mal Benni oder Jona, obwohl beide wirklich hübsche Kerle sind. Natürlich würde ich das nie jemandem so sagen. Nicht mal Valentin. Obwohl der sich darüber sicher freuen würde, wie ein Schnitzel. Wenig später stehe ich mit dem Rest des Teams in der Halle und wärme mich auf. Ich liebe Basketball und das ist der Grund, warum ich trotz einiger Idioten im Team, noch immer spiele. Basketball… Ich weiß nicht, was es ist, was mich an diesem Spiel fasziniert. Vielleicht die Tatsache, dass jede Sekunde ein Wendepunkt sein kann. Es ist ein sehr schnelles, actionreiches Spiel, in der von einer, auf die andere Sekunde das Spiel gedreht werden kann. Man kann zehn Sekunden vor Schluss hinten liegen, macht dann einen Korb von der Drei-Punkt-Linie und geht als Sieger vom Platz. Als kleines Kind habe ich einmal mit meinem Opa Fußball angesehen. Ich fand es langweilig, weil kaum etwas passiert ist. Am Ende hat eine Mannschaft mit drei Toren geführt und es waren noch fünf Minuten zu spielen. Klar, dass die andere Mannschaft dann ein kleines Wunder hätte vollbringen müssen, noch aufzuholen. Beim Basketball kann man sich auf drei Punkte mehr als die andere Mannschaft gar nichts einbilden. Wobei es natürlich auch hier langweilige Spiele gibt, bei dem eine Mannschaft mit zehn, zwanzig Punkten zurückliegt und keine Chance mehr auf den Sieg hat. Aber dennoch hat mich mein erstes Basketballspiel, das ich je gesehen habe, mehr gefesselt, als mein erstes Fußballspiel. Und auch heute ist es noch so… Wir beginnen und ich schalte ab. Man kann nicht wirklich gut trainieren, wenn man nicht mit voller Konzentration bei der Sache ist. Als ich zwei Stunden später die Halle verlasse, fühle ich mich erschöpft, aber glücklich. Ich habe ein gutes Training hingelegt und meine Chancen auf den Kapitänstitel weiter ausgebaut. Ich habe ja bereits erwähnt, dass ein neuer gesucht wird. Was ich noch nicht erwähnt habe ist, dass ich trotz aller Widrigkeiten mit dem Team ein heißer Kandidatin bin. Zum einen, weil ich fair spiele und alle auch immer fair und rational behandle, Entscheidungen zum Wohle des Teams treffe, statt aufgrund persönlicher Angelegenheiten. Und zum anderen, weil ich bereits Erfahrung als Vizekapitän gesammelt habe. Wenn auch nur in einer Schulmannschaft. Aber all das heißt nichts. Es kann dennoch an irgendetwas anderem scheitern. Der Tag heute war nicht wirklich anstrengend. Eine Lesung und ein paar Stunden Training… ich habe mich schon gestresster gefühlt. Deshalb bin ich auch noch ziemlich fit, als ich den Weg zum Wohnheim anschlage. Leider habe ich Valentins Plan nicht im Kopf, deshalb weiß ich nicht, ob er schon zu Hause ist, oder nicht. Aber ich schätze, dass erfahre ich spätestens, wenn ich angekommen bin. Ich verlasse gerade das Unigelände, als mein Handy klingelt. Ich muss gar nicht darauf blicken, um zu wissen, wer er ist. In letzter Zeit ruft Benni jeden Tag um diese Zeit an. „Was willst du schon wieder?,“ melde ich mich. „Darf ich meinen besten Freund nicht mal nach seinem Befinden fragen?“ Ich verdrehe die Augen. „So wie gestern, vorgestern, vorvorgestern… du mutierst zu einem Stalker, Benni!“ „So darfst du mich erst nennen, wenn ich Kameras in deiner Wohnung installiert habe.“ Ich muss lachen. Nicht, dass ich ihm das nicht auch noch zutrauen würde. „Hattest du heute Training?“ „Ja… und es war grausam wie immer.“ Ich verziehe den Mund. Er weiß natürlich um mein Problem mit dem Team. Für ihn ist das Ganze auch unverständlich, aber viel dagegen tun kann weder er noch ich. „Aber solange sie sich sportlich fair verhalten, ist es mir eigentlich egal,“ kläre ich ihn deshalb auf. „Wenn du erstmal Kapitän bist, ändert sich sicherlich einiges.“ Ich muss lachen. Im Gegensatz zu mir, der ich bange, glaubt Benni fest daran, dass ich diesen Posten übernehmen werde. Und ich bin dankbar für diese Unterstützung und Zuversicht. „Wo wir beim Thema sind: Wie läuft es denn so bei euch Beiden?“, fragt er und ich seufze nun doch wieder genervt auf. „Genau wie gestern, Benni.“ Das ist der Grund, warum er anruft. Um mir jeden Tag diese Frage zu stellen. Warum auch immer. „Musst du das jetzt eigentlich jeden Tag fragen?“, murre ich deshalb und öffne die Türe des Wohnheims, nehme in großen Schritten die Stufen und öffne dann umständlich meine Wohnungstüre, in der anderen Hand immer noch mein Handy. Benni labert derweil eine unehrlich klingende Entschuldigung und ich trete in meinen winzigen Flur. Sofort fällt mein Blick auf ein Paar ausgetretene Chucks, die unordentlich im Flur liegen. Unweigerlich muss ich grinsen. „Dass er nie etwas aufräumen kann,“ beschwere ich mich lächelnd und bringe Benni damit dazu, aufzuhorchen. „Schimpfst du gerade über ihn?“, will er wissen und ich schüttle den Kopf, was er natürlich nicht sehen kann. Deshalb meine ich: „Nein… Das ist ja eines der Details, die ihn so perfekt machen.“ Am anderen Ende seufzt Benni schmachtend auf und ich merke, wie kitschig das gerade klang. Ich weiß, dass er grinst, weil ich es an seiner Stimme höre, als er sagt: „Du klingst so verknallt, wie am ersten Tag.“ Damit hat er Recht. Könnte daran liegen, dass ich auch noch so verknallt bin, wie am ersten Tag. „Natürlich,“ erwidere ich deshalb, „Valentin ist ja auch das Beste, was mir je passiert ist. Klar, dass ich da noch wahnsinnig verrückt nach ihm bin.“ In der ganzen Wohnung riecht es nach frischem Kaffee und ich vermute Valentin in der Küche, aber als ich einen Blick in diese werfe, ist er da nicht. Benni jedenfalls lacht nun. „Ich weiß ja, Josh,“ lenkt Benni ein, „Es ist nur so, dass Jona sich Sorgen macht. Er sagt, ich soll ein Auge auf dich werfen, weil du manchmal einfach auf dem Schlauch stehst.“ Er lacht wieder auf und auch ich muss schmunzeln. Natürlich. War ja klar, dass dieses ständige Gefrage nicht auf Bennis, sondern auf Jonas Mist gewachsen ist. Ich hätte es mir denken können. Der Junge ist echt zu gut für diese Welt. Immer besorgt, um alles und jeden. „Er hat ja auch nicht ganz unrecht… du standest ja schon damals auf dem Schlauch, während jeder andere gesehen hat, wie verknallt du bist.“ Dass er darauf immer noch rum reiten muss! Ich trete ins Wohnzimmer und mein Blick fällt sofort auf den Coffee to go, der auf dem Couchtisch steht, und all meine Liebe und Zuneigung zu Valentin – und all seinen Eigenarten – überkommt mich mit einem Schlag. Es ist nur Bennis Schuld, dass ich jetzt so sentimental bin. Ich blicke jedenfalls zu meinem Freund, der völlig verrenkt auf dem Sofa liegt und schläft. Er ist auch der einzige Mensch, der mit gefühlten zwei Litern Kaffee intus noch schlafen kann. Sicher ist er bereits immun gegen Koffein, wenn das überhaupt möglich ist. Im Hintergrund läuft noch der Fernseher, der wohl sein eigentliches Vorhaben dargestellte hat. Aber dieser ist es nicht, der mich von dem ablenkt, was Benni da gerade erzählt. Es ist Valentin selbst, der nur mit einem Tanktop und den sündigsten, knappsten Shorts bedeckt ist, die ich je an ihm – oder überhaupt irgendwo – gesehen habe. Ich schlucke. „Joshua? Bist du noch dran? Hörst du mir zu?“ Ich reiße den Blick von Valentins langen nackten Beinen los und meine: „Ich ruf dich später zurück.“ Dann lege ich auf, ehe er auch nur die Chance hat, zu widersprechen. Ich werfe das Handy achtlos auf ein Sofakissen und trete an die Couch, lege meine Arme um Valentins Hüften und ziehe ihn zu mir. Mit geübtem Griff habe ich ihn dann auch schon auf meine Arme gehoben und er schreckt auf. „Josh!“, meint er dann empört und blickt mich teils erschrocken, teils vorwurfsvoll an. „Erschreck mich doch nicht so! Ich krieg noch einen Herzinfarkt. Willst du das? Dass ich…“ Ich grinse und küsse ihn, was seine Schimpftriade im Keim erstickt. Er versucht gar nicht erst, sich zu wehren, sondern schlingt nur die Arme um meinen Hals, während ich ihn ins Schlafzimmer trage. Ich werfe ihn aufs Bett, krabble auf ihn und küsse ihn erneut. Dann setzen wir fort, was wir heute Morgen leider beenden mussten. Eine ganze Zeit später streiche ich über Valentins nackten Rücken, während er – den Kopf auf meine Brust gebettet – vor sich hindöst. Ich bin ziemlich erschöpft, aber vor allem bin ich unglaublich glücklich. Sex mit Valentin ist einfach… woooow…. Er bewegt sich leicht und hebt den Kopf, blickt mich an. Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, ihm einen Kuss auf die Lippen zu hauchen. „Ich wollte da noch was mit dir besprechen, Josh.“ Er wendet den Blick ab, mustert unsicher die Decke. Etwas in mir verkrampft sich. Was, wenn er sein Studium abbricht und wegzieht? Was, wenn er mit Sven fremdgegangen ist? Was wenn er… wenn er Schluss macht!!! „Was ist denn?“, frage ich heiser und klinge dabei wie eine sterbende Katze. „Vorgestern war so ein Typ bei den Proben,“ beginnt er zu erzählen und ich keuche auf. Also ist er doch fremdgegangen? Oh Gott, wie reagiere ich darauf denn jetzt? Allein die Vorstellung ist so surreal und schrecklich, dass… whaaaa!!! Ich werde diesen Typen umbringen! „Offenbar ein echt guter Produzent, auch wenn ich seinen Namen noch nie gehört habe.“ Ich halte in meinen Gedankengängen inne. Offenbar läuft das ganze doch nicht auf Sex mit einem anderen hinaus. Außer, er hat mit dem Produzenten geschlafen, um seine Karriere zu puschen. Aber das würde Valentin niemals tun. Zwar träumt er davon, mit seiner Band mal groß rauszukommen, aber eigentlich genügt ihm sein Studium, mit dem er irgendwann einmal als Lehrer arbeiten kann, vollkommen. Überhaupt ist Valentin nicht der Typ, der fremdgeht. Dafür ist er eine viel zu treue Seele. „Er arbeitet wohl frei… Egal. Jedenfalls meinte der, wir sind ganz gut.“ Er malt mit seinem Finger Kreise auf meine Brust und ich entspanne mich. Also alles ganz harmlos, na wunderbar. Er sieht mich nun wieder direkt an und ich streiche über seine Wange. „Ist doch toll, wenn er so was sagt.“ Er nickt und schüttelt im nächsten Moment den Kopf. „Ja, aber…“ Er bricht ab, aber ich lasse nicht locker. „Aber was?“, hake ich nach. „Er fand uns wirklich richtig, richtig gut…“ Er fixiert einen Punkt neben meinem Gesicht. „Und er möchte, dass wir mit ihm nach München kommen, um ein Demotape aufzunehmen.“ Ich starre ihn an. „Ein… Demotape,“ wiederhole ich mit erstickter Stimme. „In München?“ Er nickt und sieht mich nun wieder ernst an. Ich kann seinen Blickkontakt kaum erwidern. Keine Ahnung, was ich mit dieser Hiobsbotschaft anfangen soll! „In den nächsten Semesterferien.“ „Aber du wolltest doch wieder mit mir nach Hamm und…“ Ich breche ab. Was rede ich da für Scheiße? Das ist seine Chance! Wie kann ich ihm wegen so etwas Lächerlichem, wie gemeinsam verbrachten Ferien, im Weg stehen? „Wir sind alle noch unsicher, ob wir es tun sollen. Aber es wäre nun mal eine richtig große Chance, die wir so schnell nicht wieder hätten.“ Er fängt an, auf seiner Unterlippe herumzukauen. „Schon gut,“ meine ich. „Natürlich ist das wichtig. Das verstehe ich.“ Er sieht mich unglücklich an. „Ich hab mich so auf Ferien mit dir gefreut, Josh.“ Ich drücke ihm einen Kuss auf die Stirn. „Ich mich auch. Aber so eine Chance darfst du dir nicht entgehen lassen.“ Er nickt, sieht aber nicht überzeugt aus. „Mal sehen, was die anderen sagen. Alleine fahre ich nicht.“ Ich nicke und blicke an die Decke. Und wie geht es dann weiter? Ein Demotape, vielleicht auch gleich ein Plattenvertrag…? Was ist, wenn er berühmt wird und sich von mir entfernt? „Ich liebe dich, Josh.“ Ich ziehe ihn fest in meine Arme. Das wird nicht passieren. Das lasse ich nicht zu. Niemals… Und er wird das sicher auch nicht zulassen. „Ich liebe dich auch, Valentin.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)