Kaffee und Vanille 2 von Jeschi ================================================================================ Kapitel 21: Kampfemo -------------------- „JOSHUA! VERDAMMT!”, brüllt Tobias entsetzt, aber ich ignoriere ihn. Viel zu gut fühlt es sich an, meine Faust in Ricks hässliches Gesicht zu rammen. Ich spüre förmlich, wie unter meinem nächsten Schlag der Knochen bricht und hoffe, dass seine Nase ganz krumm und hässlich zusammenwächst. „HÖR AUF!“, blökt Tobias erneut und versucht, mich zu packen, aber ich stoße ihn unsanft weg und ramme mein Knie in Ricks Bauch. Dieser geht in die Knie, was ich dafür nutze, ihm das Knie auch noch gegen das Kinn zu rammen. Ich bin nun wirklich kein gewalttätiger Mensch, aber das hier… das ist einfach nur gut. Ich würde gerne noch viel länger und viel heftiger auf ihn einprügeln, aber im nächsten Moment packen mich zwei Hände unter den Achseln und zerren mich mit unglaublicher Kraft weg. Ich werde gegen einen Körper gepresst, in den ich zweimal gepasst hätte und mir wird klar, dass es Sascha sein muss, der mich gefasst hat. „Verdammt, was sollte das werden?“, schreit Tobias entsetzt und blickt auf Rick, der jammernd am Boden liegt und sich krümmt. Ich antworte nicht, sondern starre hasserfüllt auf Rick. Der Versuch, mich loszumachen, scheitert kläglich, was mir gleich hätte klar sein müssen. Sascha hält mich beharrlich fest und ich komme nicht gegen dieses Kraftpaket von Russen an. „Joshua!“, schreit Tobias erneut und ich wende mich ihm endlich zu. Er sieht mich fassungslos an: „Was zur Hölle sollte das werden?“, fragt er und ich seufze und bin nicht sicher, ob er es verstehen wird. Andererseits geht die Sache für mich sicher übel aus, da kann er wenigstens den Grund wissen: „Er hat Valentin angegriffen,“ erkläre ich ihm und er runzelt die Stirn. „Verdammt…!“, ich versuche, mich zu beherrschen, aber es gelingt mir nur minder: „Du solltest ihn sehen. Er hat ihn total zugerichtet. Er kann kaum laufen!“ Endlich dämmert Tobias, was es mit der Situation auf sich hat und er sieht Rick an: „Ist das wahr?“ Statt einer Antwort, ertönt nur ein Jammern. „Natürlich ist das wahr!“, schreie ich ungehalten. „Schon gut.“ Tobias winkt ab und blickt mich an. „Du kommst mit und ihr… tut was, dass er aufhört, zu jammern,“ meint er an mich und dann an den Rest gewandt. Er zerrt mich mit in die Umkleide und sieht mich erschöpft an. „Bist du irre?!“ „Er hat ihn verprügelt. Das zu tun, war das einzig Richtige,“ murmle ich. Seufzend massiert sich Tobias seine Nasenwurzel und sieht mich dann an: „Ich verstehe, wie wütend du bist und ich verstehe auch, wie nah dir das geht. Aber… ausgerechnet noch an der Uni. Denkst du, wir können das verheimlichen? Joshua… du gefährdest dein ganzes Studium!“ Betrübt blickte ich zu Boden. „Wenn Rick dich anzeigt, dann…“ „Zeigt Valentin ihn an!“, unterbreche ich ihn. „Und das ist dann die Lösung?“ Er sieht mich seufzend an. „Was willst du jetzt tun?“, frage ich, weil ich es langsam mit der Angst zu tun kriege. Du gefährdest dein ganzes Studium. Was, wenn sie mich wirklich rausschmeißen? „Nichts. Das heißt… ich hoffe, die anderen schweigen und ich werde auch schweigen. Wir sagen es keinem und hoffen darauf, dass Rick das auch nicht tut. Ich sage ihm, dass es ihm nur Ärger bringt, etwas zu sagen, weil er Valentin attackiert hat. Und dann ist er hoffentlich so vernünftig, ein paar Tage zu Hause zu bleiben und dann zu kommen und zu sagen, irgendjemand hätte ich verprügelt.“ Ich nicke. „Danke, Tobias.“ „So leicht ist es aber nicht, Joshua,“ meint er und ich fürchte schon, er verwirft den Plan wieder, aber was dann kommt, ist… nun ja… natürlich nicht zu schlimm, wie von der Uni zu fliegen, aber wesentlich schlimmer, als ich es zu Anfang geglaubt hätte: „In Anbetracht der Tatsache, dass du dich so vor dem Team hast gehen lassen, muss ich dir sagen, dass es besser ist, wenn du das Amt als Kapitän nieder legst.“ Ich will protestieren, aber er unterbricht mich: „Und das ist noch milde, denn nach der Aktion müsste ich dich eigentlich raus werfen.“ „Tobias,“ meine ich flehend, aber er schüttelt den Kopf: „Tut mir Leid, Joshua.“ Betrübt blicke ich zu Boden und kann es nicht fassen. Mein Rang… alles, wofür ich so lange gekämpft habe. „Außerdem ist es besser, wenn du die nächsten Spiele auf der Bank sitzt… Louis ist mittlerweile gut genug, dich zu ersetzen.“ „DAS KANSNT DU NICHT MACHEN!“, brülle ich und sehe plötzlich meine ganze Position bedroht. „Ich bin der bessere Spieler.“ Und im Basketball ist es nun mal so, dass ein paar Spiele auf der Bank bedeuten könnten, dass jemand anderes Erfahrungen macht, die ihn auf lange Sicht zum besseren Spieler machen… „Das hättest du dir vorher überlegen müssen,“ meint Tobias. „VERDAMMT ER HAT IHN WEH GETAN! WAS HÄTTEST DU DENN GEMACHT?“, kreische ich und Tobias seufzt und reibt sich erneut über die Nasenwurzel. „Ich versteh dich doch, Joshua. Besser, als du glaubst. Aber das reicht nicht. Als Kapitän muss ich handeln, nachdem es alle mitbekommen haben.“ „Vizekapitän,“ werfe ich ein, weil ich nicht glauben will, dass er mich gerade von meinem Amt gekickt hat. „Nicht mehr,“ wirft er nur ein und sieht mich traurig an. „Ich wünschte, es wäre anders gekommen.“ Dann lässt er mich stehen und packe wütend einen Rucksack und schleudere ihn gegen die Wand. „VERDAMMT!“ Ich habe keine Lust mehr, weiter am Training teilzunehmen. Also ziehe ich mich wieder um und will gerade gehen, als Rick in die Umkleide stürmt. Ich versteife mich. Sein Gesicht sieht aus, als wäre ein LKW drüber gefahren, aber sonst scheint er noch ganz gut in Schuss zu sein. Er blickt mich hasserfüllt an, sagt aber nichts. Auch ich schweige, weil ich nicht weiß, was ich sagen soll. Am liebsten würde ich mich wieder auf ihn stürzen, aber meine blinde Wut ist vor rüber, weshalb ich so viel Vernunft aufbringen kann, das nicht zu tun. Als ich gehen will, ergreift er das Wort: „Ich hab das nur gemacht, weil ich finde, dass ich besser zu dir passe, als er.“ „Sollte das romantisch sein, oder was? Er ist doch viel schwächer, als du. Er hatte doch gar keine Chance, sich zu wehren.“ Ich sehe ihn kopfschüttelnd an. „Wieso setzt du dich so sehr für ihn ein?“ Er sieht wirklich traurig aus, was mich verstört. „Weil ich ihn liebe,“ antworte ich und er nickt. „Verstehe schon…“ Ich will gehen, aber wieder sagt er etwas: „War schön, mit dir zu spielen, Joshua.“ Irritiert wende ich mich ihm zu. „Was?“ „Sie haben mich aus dem Team geworfen.“ Erschrocken sehe ich ihn an. „Weil alles von mir aus ging. Die Provokationen, mein Angriff auf Valentin… ihnen ist klar, dass du nur deshalb so ausgerastet bist… und deswegen haben sie mich geschmissen.“ Ich beiße mir auf die Lippen. Und was ist das? Ist da unter meiner Wut noch ein Funken Mitleid? „Als ich gemerkt hab, wie toll ich dich finde, war ich ziemlich wütend auf mich. Ich meine… ich und schwul? Aber dann war ich nur noch wütend auf deinen ach so perfekten Freund. Weil er alles verkörperte, was mir fehlte. Ich meine, er ist geoutet, erfolgreich… und dann noch mit dir zusammen.“ „Hör mal,“ meine ich leise, „Du findest schon wen.“ Selbst in meinen Ohren klingt das nach einem schwachen Trost. „Aber ich will dich.“ Das aus seinem Mund zu hören ist mehr als suspekt. „Joshua, ich…“ „Sag es nicht!“, unterbreche ich ihn panisch. „…liebe dich.“ Ich blicke an die Decke und schüttle den Kopf: „Gut… wen du mich wirklich liebst, dann lass mich mit Valentin glücklich werden,“ meine ich und wende mich ab. „War eine Ehre mit dir zu spielen, Rick,“ sage ich leise und meine es auch so. Er war ein guter Spieler. Dann stapfe ich davon und frage mich, was das gerade für eine bizarre Situation war. Alles, was ich mir nun wünsche ist, niemals wieder auf Rick zu treffen. Mein Leben scheint vorbei. Zumindest kommt es mir so vor, als ich heulend auf der Couch liege, den Kopf auf Valentins Schoß, und mir über das Haar streichen lasse. „Du hättest das nicht tun sollen,“ sagt er, aber er ich schüttle den Kopf. Ich würde es immer wieder tun. Das ist mir klar und das ist ihm klar. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass es eh egal ist. Und mein Gott… man hat mich meiner Position beraubt. Und meines Kapitänsamtes. „Wenigstens bist du noch im Team,“ flüstert Valentin leise und seine Finger streichen zärtlich eine Träne von meiner Wange. Ich glaube, ich habe das letzte Mal geweint, als Valentin und ich Schluss gemacht hatten. Und jetzt heule ich, wegen so was – im Vergleich dazu – Läppischen. „Was nützt mir das noch?“, frage ich und schließe die Augen. Louis hat meine Position eingenommen. Meine Stammposition, die ich ewig innehatte. Mein ganzes Leben habe ich nur als Point-Guard gespielt und nun wird Louis mich überholen und dann gibt es keinen Platz mehr im Team. Ich werde wieder Ersatz sein, wie damals für Chris. Nur, dass ich für Chris gerne Ersatz war. Ich schließe die Augen. Dennoch… ich war so stolz, nicht mehr die zweite Geige zu spielen, nachdem ich in meinem Alten Team schon immer nur für Chris oder Victor eingesprungen bin und- Ich richte mich abrupt auf, was Valentin erschrocken die Hand wegziehen lässt. „Was ist?“, fragt er und ich springe auf und hüpfe begeistert herum. „VIC!“ Entsetzt starrt er mich an und auch Merlin hebt den Kopf und denkt sich sicher: Dieser Mensch ist nicht ganz dicht! „Was ist mit Vic?“, fragt Valentin und ich könnte vor Begeisterung jubbeln, während mein Freund sicher denkt, nun ist es endgültig vorbei mit meiner Zurechnungsfähigkeit. „Ich war früher Ersatz für Vic,“ meine ich zu Valentin und er nickt: „Ich weiß.“ „Und Vic war…?“, frage ich und sehe Valentin erwartungsvoll an. Aber natürlich weiß er die Bezeichnung für Victors ehemalige Position nicht. „Power-Forward,“ kläre ich ihn auf. Valentin nickt und hat gar keine Ahnung, was ich ihm sagen will. „Und Rick war…?“ „Auch Power-Forward?“ „JA! Und das heißt, ich kann Ricks Position spielen, nachdem Louis unbedingt meine Position besetzen musste. Weil nämlich Ricks Ersatz ein kleiner schmächtiger Kerl ist, der nur theoretisch was auf dem Kasten hat, sich aber auf dem Spielfeld nie durchsetzen kann!“ Als Power-Forward muss man immerhin kräftig und durchsetzungsstark sein. Zwar bin ich nicht unbedingt kräftig genug, um gegen einen Center wie Sascha anzukommen, sollte unsere gegnerische Mannschaft so etwas besitzen… aber immerhin bin ich kräftiger, als Ricks Ersatz. „Du wirst schon sehen, Valentin,“ meine ich fest entschlossen und wäre ich eine Comicfigur würde nun das Feuer in meinen Augen auflodern, „Ich hole mir einen Stammplatz im Team schon zurück!“ Koste es, was es wolle… „Du hast es also wirklich geschafft, dass Tobias dich auf meiner Position spielen lässt.“ Drei Wochen sind vergangen und heute war mein erstes Spiel als Power-Forward. Ich habe mich beim Training wirklich reinhauen müssen, abgesehen davon, dass ich Tobias vorschlagen musste, mich mal als Power-Forward trainieren zu lassen. Aber all die Mühe in den letzten Wochen hat sich gelohnt. Ich bin wieder Stammspieler. Und diesmal wird mir keine die Position streitig machen. „Naja…“, ich zucke mit den Achseln und blicke ihn an, „Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel…“ Rick schüttelt den Kopf. „Freut mich, wenn es wenigstens ein was Gutes hatte…“ Er sieht mich an und die Liebe, die in seinem Blick liegt, macht mir Angst. Die Vorstellung, dass Rick in mich verliebt ist, ist immer noch mehr als gruselig. „Da ist dein Kleiner,“ meint er in dem Moment und nickt hinter mich. „Man sieht sich.“ Er klopft mir auf die Schulter und ich hebe die Hand zum Gruß. Dann zieht er von dannen und ich wende mich lächelnd Valentin zu. Er war natürlich als Zuschauer bei unserem Spiel anwesend und hat auf mich gewartet. „Hey,“ meine ich, aber als ich seinen harten Blick bemerke, erstirbt mein Lächeln. „Was ist?“ „Was ist?“, äfft er mich nach und deutet auf Rick, der schon außer Hörweite ist. „Was sollte das denn gerade?“ Ich blicke auf Rick, dann zu ihm: „Wir haben uns nur unterhalten…“ „Nur unterhalten? Joshua! Der Kerl hat mich verprügelt und du plauderst nett mit ihm!“, empört er sich. „Er hat seine Abreibung ja wohl bekommen,“ wehre ich mich und Valentin schüttelt den Kopf: „Das heißt doch nicht, dass du dich jetzt mit ihm anfreunden kannst!“ „Ich freunde mich doch nicht mit ihm an, ich… bin nur nett. Immerhin ist er in mich verliebt und…“ Valentin unterbricht mich. „Schön! Darf ich dich daran erinnern, was du für eine Szene gemacht hast, als du erfahren hast, dass Sven in mich verliebt ist?“ „Das war berechtigt, er hat dich geküsst.“ „Ja. Aber wenigstens hat er dich nicht verprügelt!“ Und dann dreht sich der Emo auf dem Absatz um und stapft davon. „Valentin,“ meine ich gequält. Ich hasse es, mit ihm zu streiten. „Du hast ja Recht. Aber Rick hat eingesehen, dass er keine Chance bei mir hat. Das ist was anderes.“ „Das ist gar nichts anderes!“ „Ist es wohl!“, beharre ich auf mein Recht. „Nein! Sicher macht er das nur, weil er sich noch immer Chancen reinräumt!“, eröffnet er mir dann trotzig. „Ich bitte dicht, dass ist paranoid!“ „Als du das von Sven behauptet hast, dachte ich auch, dass wäre nur deine Paranoia!“ „Du machst mich wahninnig!“, fauche ich, weil es mir zu blöd wird. „Rick ist nicht so intrigant wie Sven!“ „Bitte!“ Er verschränkt die Arme, für mich das Zeichen, dass er nicht mehr diskutieren wird. Also laufe ich schweigend neben ihm her, weil es mir ebenfalls zu blöd ist, zu diskutieren. Den Rest des Tages ignorieren wir uns. Ich meine, natürlich hat er Recht. Ich tue genau das, was ich ihm vorgehalten habe. Andererseits habe ich nur einmal mit Rick geredet, während Valentin jeden Tag mit Sven verbracht hat. Und Rick hat eingesehen, dass seine Aktion blöd war, wohingegen sich Sven nie bei mir entschuldigt hat, wenn er auch mittlerweile den nötigen Abstand zu Valentin hält. Ich denke also, dass wir die Situation gar nicht vergleichen können und deshalb finde ich Valentins Reaktion übertrieben. Er sieht das Ganze natürlich völlig anders und ich kann nachvollziehen, dass es ihm stinkt, dass ich mit Rick rede, nachdem er ihn verletzt hat. Andererseits hat Rick dafür auch genug eingesteckt. Eine gebrochene Nase, ein ausgeschlagener Zahn (da drauf bin ich irgendwie stolz, was echt jämmerlich ist) und einen Rauswurf. Also warum sollte ich auf ihn noch weiter herumtrampeln, wo er dass alles doch nur aus Liebe zu mir getan hat? Natürlich würde ich mich niemals mit Rick anfreunden, aber zumindest normal mit ihm umgehen kann ich ja wohl. Und wenn Valentin das nicht einsieht, ist das sein Pech! Drei Tage reden wir nicht miteinander und er schläft freiwillig auf der Couch. Erst nach diesen Tagen, nähern wir uns wieder an, was so aussieht, das Valentin nachts heulend ins Schlafzimmer kommt und zu mir unter die Decke krabbelt. Die Versöhnung ist ziemlich kitschig, dass muss ich zugeben. Er entschuldigt sich, ich entschuldige mich. Er räumt mir ein, normal mit Rick zu reden, ich räume ein, ihm aus dem Weg zu gehen. Dann beteuern wir uns gegenseitig hundert Mal, dass wir uns lieben und irgendwann haben wir hemmungslosen Sex und wälzen uns bis zum Morgengrauen in den Kissen. Was in all dem Chaos völlig untergegangen ist, ist der darauf folgende Samstagabend und was damit verbunden ist. Valentins Band hat es nämlich geschafft, einen Gig in einem kleinen, aber angesagten Club zu bekommen, worauf er mächtig stolz ist. Natürlich ist er das. Nach unserer Abmachung, er würde das Tape nicht an Plattenfirmen schicken, ist er froh, wenn er mal auf anderem Wege auf die Bühne kommt. Und ich bin natürlich auch sehr stolz auf meinen talentierten Freund. Zu dem freudigen Anlass reisen übers Wochenende auch Benni und Jona an, um Valentin Glück zu wünschen. Ich finde das echt rührend von ihnen und freue mich außerdem, sie mal wieder zu sehen. Von unserem letzten Streit wissen sie nichts und wir wollen sie damit auch nicht nerven. Was sie in letzter Zeit alles für uns getan haben, ist eh schon mehr als genug und außerdem ist ja alles wieder in Ordnung gekommen. An jenem besagten Abend stehen wir alle in unserer Wohnung und machen uns fertig. Valentin ist ziemlich hibbelig und geht auch schon vor uns los, um mit seinen Jungs aufzubauen. Wir anderen treffen eine Stunde später ein. Der Club ist gerammelt voll, was mich nervöser zu machen scheint, als Valentin. „Man denkt, du stehst auf der Bühne,“ lacht Benni und ich werde rot. „Ich bin eben aufgeregt,“ nuschle ich. „Ist er nicht süß?“, amüsiert sich Jona daraufhin und zeihe eine beleidigte Schnute, ehe die Band endlich anfängt, zu spielen. Stolz blicke ich zu Valentin empor und ich weiß nicht, woran es plötzlich liegt, aber auf einmal überfällt mich eine Welle aus Kitsch und ich werde sentimental. Der Streit wegen Rick hat all die Wunden wieder aufgerissen, die der Ärger mit Sven uns zugefügt hat. Und ich weiß, dass es nicht nur mir so geht. Dann noch der Unfall, bei dem ich glaubte, Valentin zu verlieren… Nicht zu letzt auch diese verkorkste Familienfeier oder mein Ausflug nach Dallas… Ich weiß, wie viele Beziehungen an so viel Ärger, wie wir ihn die letzten Wochen und Monaten hatten, kaputt gegangen sind. Ich weiß, dass ich dankbar sein sollte, dass es Valentin und mich zusammengeschweißt hat, statt uns zu trennen. Und eben weil ich das weiß, wird mir plötzlich klar, dass er der einzige Richtige für mich ist. Ansonsten wären wir nicht mehr zusammen. Und mit dieser Erkenntnis sind auf einmal all die Zweifel von mir abgefallen, die schon immer mit mir herum trage. Ob ich wirklich schwul bin. Ob ich wirklich für immer mit Valentin glücklich werden kann… Ich weiß auf einmal, dass es so ist. „Was ist los? Du bist so ruhig?“ Jona zupft mich am Arm und ich blicke ihn an. „Josh?“ „Ich liebe ihn,“ kläre ich ihn auf. „Ich weiß,“ meint dieser und ich schüttle den Kopf. „Nein, ich meine… Ich liebe ihn! Verstehst du?“ Jona sieht mich irritiert an, dann nickt er plötzlich. Offenbar erinnert er sich an das Gespräch, dass ich einmal mit ihm geführt habe, als Valentin seinen Unfall hatte. Nun grinst er: „Ja, ich glaube, ich verstehe.“ „Ich aber nicht,“ wirft Benni ein, der das Ganze verwirrt verfolgt hat. „Ach Schatz… du verstehst so Manches nicht,“ lacht Jona und küsst ihn sanft. Ich sehe zur Bühne und lächle. „Hey, Josh!“ Eine Hand landet auf meiner Schulter und ich drehe mich erschrocken um. Tatsächlich ist es nur Rick, der mich anlächelt. „Wusste ich doch, ich würde dich hier antreffe,“ grinst er und nickt zu Valentin auf die Bühne, „als ich hörte, dass er hier spielt!“ „Bist du nur wegen mir hergekommen?“, frage ich irritiert und Rick nickt. „Ich hol uns was zu trinken, ja?“, fragt er und wartet gar nicht auf eine Antwort, sondern zieht von dannen. „Wer ist das?“, fragt Benni und ich stelle ihn als ehemaligen Teamkollegen vor, dessen Position ich nun eingenommen habe. Davon habe ich ihm noch nichts erzählt, weil ich sonst alles hätte erklären müssen. Tatsächlich fragt Benni nun nach und ich winke ab und verspreche ihm, es irgendwann später zu erklären. Damit gibt er sich zum Glück zufrieden. Valentins Band darf nur eine gewisse Anzahl an Songs spielen, weil nach ihnen noch eine bekanntere Band spielt. Erst, als sie das letzte Lied beginnen, kommt Rick zurück. „Sorry, war viel los an der Bar,“ klärt er mich auf und reicht mir einen Gin Tonic. Ich nehme ihn dankend an und blicke zu Valentin. Auch er hört zu, bis sie geendet haben. „YEAY!“, ruft Jona neben mir und stürmt zur Bühne, um Valentin abzufangen und zu bejubbeln. Benni, Rick und ich bleiben zurück. „Hör mal,“ fängt Rick an, „Ich weiß, dass du Valentin liebst und alles…“ Ich sehe ihn an und auch Benni wendet sich nun verwirrt an uns Beide. „Aber… bevor ich dich in Ruhe lasse…“ Und dann beugt er sich vor und küsst mich. Und plötzlich weiß ich, was Valentin mir zu erklären versucht. Ich bin viel zu geschockt, ihn weg zu schieben, weil ich damit gar nicht gerechnet habe. Und ehe ich etwas tun, mich bewegen kann, ist es auch schon wieder vorbei und er löst sich von mir. „What the fuck,“ bricht es aus Benni heraus und er hat Recht! WHAT THE FUCK!!! Ich starre Rick ungläubig an, ehe mein nächster Blick zu Valentin schweift. Natürlich hat er es gesehen. Und er sieht wirklich, wirklich wütend aus. Panik ergreift mich. Er hat es vorhergesagt. Und ich habe ihn paranoid genannt. Nun ist genau das geschehen, was ich ihn damals bei Sven vorgehalten habe. Und wenn er nun so reagiert, wie ich reagiert habe… Die Situation ist bizarr. Das Ganze ist wie ein Déjà-vu, nur mit Rollentausch. Ich beobachte, wie Jona Valentin beruhigend eine Hand auf den Arm legt, dieser diese aber weg schlägt und zu uns stürmt. Oh Gott… wenn er jetzt Schuss macht, dann sterbe ich! Aber er macht nicht Schluss. Das einzige, was er macht, ist Rick unsanft wegzustoßen. Und verdammt… obwohl Rick drei Mal so breit und zwei Mal so groß ist, wie Valetnin, stolpert er nach hinten und donnert gegen einen der Tische. „Lass gefälligst deine Drecksfinger von meinem Freund!“, kreischt mein Hase ihn an und Rick sieht aus, als wüsste er gar nicht, was ihm geschieht. „Valentin?“, frage ich entsetzt, aber er ignoriert mich und stürzt sich allen Ernstes auf Rick. Das wird er nicht überleben! „VALENTIN!“ Ich will ihn wegziehen, aber ausgerechnet Benni hält mich auf. „Was?!“, ich sehe ungläubig zu ihm und er zuckt mit den Achseln. „Ich will das sehen!“ Ich schüttle den Kopf und blicke auf meinen Kampfemo, der auf Rick einschlägt. Letztlich passiert das, was klar war und ich schon befürchtet hatte. Rick packt ihn, wuchtete ihn zu Boden und kugelt sich auf ihn. Sicher ist er jetzt zerquetscht. Panisch starre ich auf das Geschehen und nun lässt mich auch Benni los, dass wir Valentin retten kann. Als hätten wir da jetzt noch eine Chance. Als ich gerade zu den Beiden stürze, kreischt Rick auf, was sich echt anhört, wie eine Kreissäge und löst sich von Valentin. Dieser nutzt die Chance und rollt sich wieder auf ihn, um weiter zu machen. Aber diesmal bin ich zur Stelle und reiße ihn von Rick runter. Der ganze Club glotzt uns an. Entsetzt blicke ich zu Valentin. „Bist du komplett bescheuert?“, frage ich entsetzt und er zuckt die Schultern. „Irgendjemand muss ihm ja klar machen, dass er dich in Ruhe lassen soll.“ Seine Lippen sind blutig und ich brauche eine Weile, bis ich checke, dass es nicht sein Blut ist. Und tatsächlich entdecke ich an Ricks Arm eine Fleischwunde, da, wo Valentin ihn offenbar ein Stück… na ja… abgebissen hat. Erklärt zumindest Ricks Rückzug. Obwohl das ziemlich eklig ist, finde ich, ist es das süßeste, was er je für mich getan hat. „Gehen wir, bevor man dich rausschmeißt,“ meine ich und zerre ihn mit nach draußen. „Du hattest Recht,“ sage ich, als und die kalte Abendluft entgegenschlägt und er blickt mich überrascht an. „Was?“ „Du hattest Recht. Es war wie bei Sven und dir… und ich wollte es nicht sehen.“ „Ich hab doch immer Recht, Joshi,“ grinst er und mir ist klar, dass wir das Ganze jetzt einfach vergessen können. Endlich. Ich nehme ihn in die Arme. „Eigentlich wollte ich mir mit dir einen ganz schönen Abend machen. Wir hätten uns nach dem Gig gefeiter, uns abgesetzt, ausgiebig gevögelt und ja…“ Valentin kichert. „Das können wir immer noch alles machen.“ Ich nicke. „Außerdem wollte ich dir noch was sagen,“ meine ich und er sieht mich an. „Ich liebe dich,“ meine ich und er lächelt. „Ich dich auch.“ „Und ich will mein Leben mit dir verbringen. Mein ganzes Leben.“ „Und das fällt dir erst jetzt auf?“ Ich lache und küsse ihn. „Versprich mir, dass du mich niemals mehr alleine lässt, Joshua,“ flüstert er dann und drückt seine Nase gegen meine Brust. Ich küsse sein Haar. „Ich verspreche es.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)