Und er lächelte von Crevan ================================================================================ Kapitel 3: Damals II -------------------- Cullen's Nachtschichten in den folgenden Wochen und Monaten waren geprägt von Besuchen des Magiers aus Anderfels. Der Blonde schien sich – weiß der Erbauer warum – überaus gerne im Turm herumzutreiben, sobald es finster wurde. Und immer öfter war er dabei Cullen, seiner 'Lieblingsblechbüchse', wie er ihn eines Abends getauft hatte, über den Weg gelaufen. Im Laufe der Zeit hatte sich der lästige Magier so die immer wieder kehrenden Muster in Cullen's Dienstplänen gemerkt und wusste sehr bald und in den meisten Fällen darüber Bescheid, wo sich der Templer aufhielt, wenn er nachts zu arbeiten hatte. Vorbei war es mit der Ruhe während den Diensten zu später Stunde, denn Anders tauchte jedes Mal - früher oder später - auf, um Cullen mit irgendwelchen Belanglosigkeiten und Banalitäten zu behelligen oder den Templer spöttelnd auf seinen Schwarm, Solona, anzusprechen. Punkt und Komma schien der Blonde dabei ebenso wenig zu kennen wie Anstand oder moralische Grenzen und seit wenigen Tagen hatte es sich Anders zudem zur Aufgabe gemacht Cullen anrüchige, überflüssige Tipps und Ratschläge hinsichtlich zwischenmenschlicher Beziehungen zu geben. Er kenne sich aus, wechsle seine 'Lebensabschnittspartner' und -innen auch jeden dritten, vierten Tag – und das ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass der Templerorden solche 'Zusammenkünfte' zu verhindern versuchte. Widerlich. Aus den Augenwinkeln sank Cullen's missmutiger Blick neben sich gen Boden. Kaum hatte sich der Templer heute, wenige Stunden nach Sonnenuntergang, auf seinem derzeit zugewiesenen Posten nahe der Gemächer der Magielehrlinge eingefunden, war auch – welch Überraschung - Anders aufgetaucht. Wie aus dem Nichts hatte er ihn plötzlich von der Seite aus angesprochen, sich nach Cullen's 'hoffentlich vorhandenem' Hungergefühl erkundigt und ihm, ohne eine Reaktion darauf abzuwarten, einen dicken Apfel zugeworfen. Der Magier saß nun neben ihm, mit dem Rücken an die Wand gelehnt und seine Beine zu einem Schneidersitz verschränkt, auf dem harten Steinboden des Flurs und aß gerade sein 'zweites Abendessen', wie er es so schön tituliert hatte. Cullen wollte gar nicht erst wissen, WIE der Blonde an das Käsebrot, das er im Moment genüsslich verspeiste, gekommen war. So wie er ihn kannte, war er wohl in einen der großen, gefüllten Vorratsräume oder in die Küche des Zirkels eingebrochen; darin, so wusste der Templer mittlerweile, war der aufmüpfige Anders ja recht bewandert. Doch dessen heldenhafte Geschichten über fünf spektakuläre Fluchtversuche wollte Cullen nach wie vor noch nicht so richtig glauben. Der Blonde sei, nach eigenen Aussagen, sogar einmal in voller Montur in den kalten, tiefen Calenhad-See gesprungen, in der Hoffnung, er könne dem Templerorden entkommen. Angeblich hatte er es, mit Mühe und Not, auch tatsächlich an das andere Ufer geschafft, wo eine ganze Woche Freiheit auf ihn gewartet hatte. Danach, so hatte der Blonde wild gestikulierend berichtet, hatten ihn die Templer erwischt und zurück in den verhassten Turm des Zirkels gebracht. Schwachsinn. „Ich versteh' schon, warum man sich sagt, dass Fereldener auf Käse stehen.“ fing Anders an, mit halbvollem Mund, vor sich hin zu sprechen und wedelte mit seinem belegten Brotstück in die ungefähre Richtung des Templers neben sich, blickte mit zufriedener Miene zu Cullen auf. Der wiederum musste es sich verkneifen mit den müden Augen zu rollen und wand seinen genervten Blick von dem Essenden fort. Der Magier wollte nun doch nicht etwa damit anfangen über Käse zu diskutieren? Cullen mochte keinen Käse. „Fereldener Käse ist wirklich großartig! Ich mag ihn.“ augenscheinlich hatte sich Anders von dem Templer keine Antwort bezüglich des Käsethemas erwartet und mehr zu sich selbst, als zu ihm, gesprochen. Denn er zuckte auf seine kurze Ansprache hin nur, den Kopf etwas nachdenklich hin und her wiegend, mit den Schultern und wand sich wieder seiner nächtlichen Mahlzeit zu. Ab und an konnte der blonde Exzentriker ja recht unterhaltsam sein, doch die meiste Zeit fragte sich Cullen in dessen Gegenwart nur, was bloß die ganze Zeit über in Anders' Kopf vorgehen mochte. Außer Flausen, wilde Fantasien, Träumereien über Dieses und Jenes, Katzen und blöde, unangebrachte Witze über Templer und die Kirche, verstand sich. Womöglich nicht besonders viel. Während der gut gelaunte Anders fertig aß – und er aß langsam – legte sich eine zähe Stille zwischen ihn und Cullen. Eine Unangenehme auch noch dazu, befand der Templer schon nach einer nicht besonders langen Zeit. Dieses Schweigen war ein Anderes, als das, das sich immer zwischen ihm und Solona aufbaute und ihm dabei so harmonisch und beruhigend erschien. Die Stille zwischen ihm und Anders war bedrückend, drängend. Der Templer bekam bereits nach wenigen Momenten eine Art schlechtes Gewissen, das Gefühl, als wäre er schuld daran, dass es zwischen ihm und Anders, für ein paar Minuten lang, kein Gesprächsthema gab. Dabei wünschte er sich doch stets, dass der Magier Ruhe gab, hatte er sein plapperndes Mundwerk erst einmal geöffnet. Dass er sich nun, da Anders damit beschäftigt war zu essen und daher schwieg, die Schuld für dieses Schweigen zusprach... nun, es war falsch; eine groteske, fantasierte Tragikomik, gegen die er seltsamerweise nichts ausrichten konnte. Genau so wie diese ungewöhnliche, beinah schon freundschaftliche, Beziehung, die er mittlerweile zu Anders aufgebaut hatte. Oder eher: Die der anhängliche Blonde ungefragt zu IHM aufgebaut hatte. Nach einer gefühlten Ewigkeit, endlich, hatte der Magier am Boden zu Ende gegessen. Und dem Erbauer sei Dank brach er die aufgekommene, beißende Stille sofort, ohne sich dabei zu erheben. Stattdessen streckte er seine Beine wohlig seufzend von sich und lenkte seinen Blick wieder an dem gerüsteten Mann, der neben ihm stand, empor „Jaja, Käse. Und was magst DU?“. Cullen zog seine Augenbrauen zusammen, als ihn Anders' neugierige Worte erreichten. Er verstand nicht, was der Magier mit der soeben gestellten Frage bezwecken wollte und reagierte zunächst nicht darauf. Er linste lediglich zu dem Blonden, der es sich auf dem - an und für sich richtig unbequem anmutenden und kalten - Steinboden zu den Füßen des Templers bequem gemacht hatte. „Na komm, Cullen...“ um den Angesprochenen wohl zu irgendeiner Reaktion an zu sticheln, um ihn zum Reden zu motivieren, klopfte er dem Templer ein paar mal, unter metallisch klackenden Geräuschen, an eine der Platten an dessen gepanzerten Stiefeln „Wir spielen ein Spiel. Ich frag dich nach was, das du magst oder nicht ausstehen kannst und bekomm' ich 'ne Antwort von dir, dann darfst du mich auch nach so etwas fragen.“. Ein gewohnt kokettes Grinsen schlich sich auf das Gesicht des Magiers, der sich einmal wieder gab wie ein kleines, nervtötendes Kind. Anders gab sich viel zu oft recht kindisch. Lag es daran, dass man ihn wohl sehr früh von seiner Familie getrennt und in den Zirkel geholt hatte? Musste seine Kindheit nachholen, wie es schien. „Verstanden?“ nun fing der Blonde damit an mit fordernden Fingern an der knöchellangen Unterrobe Cullen's zu ziehen und erntete dafür auch sogleich einen genervt-überforderten Blick „Setz dich doch auch.“. Womit hatte Cullen DAS verdient? „Ich werde mich nicht setzen, Anders. Habt ihr schon einmal von einer Wache gehört, die während ihrem Dienst sitzt?“ fragte der Gerüstete trocken und in einer gewohnt förmlich-distanzierten Art. Der Magier schien daraufhin kurz angestrengt zu überlegen und gab schlussendlich ein bedauerndes, knappes „Nein.“ von sich, ehe er seine braunen Augen wieder abwendete und ein gespielt überzogenes Seufzen ausstieß. Cullen meinte einen von Anders' Mundwinkeln kurz belustigt nach oben zucken zu sehen, bevor dieser, in einem unbeschwert klingenden Ton, weiter säuselte „Dann halt kein Spiel. Reden wir eben über Solona. Welche Farbe haben ihre Unterkleider wohl, hm? Weiß? Rosa?“. Der blonde Magier war vielleicht kindisch und vollkommen verrückt, doch dumm war er keineswegs. Und diese Tatsache gab er Cullen in diesem Moment wieder einmal richtig zu spüren, indem er ein äußerst sensibles Thema anschnitt, über das der Templer NICHT sprechen wollte. Ohne Umschweife gab sich der peinlich berührte Cullen also geschlagen, seufzte ein „Gut. Dann spielen wir euer Spiel eben.“ hervor und bereute diese Entscheidung in dem Moment, in dem er sie aussprach, bereits zutiefst. Anders' Augen schienen, ob seines geglückten Durchsetzungsversuches, triumphierend aufzublitzen und leise in sich hinein lachend lehnte er seinen Kopf an das Mauerwerk hinter sich. Leicht war sein blondes Haupt dem Gesicht des Templers zugewandt. Anders suchte vergeblich Blickkontakt, während er Luft holte, um zu sprechen „Also: Was magst du? Was bringt dich frühmorgens aus dem Bett? Und sag' jetzt nicht, deine Pflichten oder der Kerl, der 'Tagwache!' schreit.“. Cullen atmete tief durch, als er seinen angestrengten Blick erst nach vielen Wimpernschlägen wieder zu dem Mann am Boden wand, der auffordernd zu ihm aufsah und seine, als 'Spiel' getarnte, Frage vielleicht ernster zu nehmen schien, als es der Templer zunächst befürchtet hatte. WAS, im Namen des Erbauers, wollte Anders bezwecken? Mit zunehmend nachdenklicher Miene betrachtete Cullen den Magier mit den durchdringenden, braunen Augen, als ihm allmählich bewusst wurde, dass ihm der hoffnungslose Chaot - der das Aufrollen sämtlicher staubiger Teppiche im Turm des Zirkels, um Andere zu ärgern, zu seinen Leidenschaften zählte – gerade eine so oberflächlich anmutende Frage gestellt hatte, die, wenn man länger über sie nachdachte, verdammt tief ging. Zu tief. Anders wollte nicht wissen, was Cullen regelmäßig aus dem Schlaf riss. Keine Geschichten von Wachrufen lauter Kameraden oder Pflichten, die einen ungnädigst dazu zwangen die Augen in der Früh zu öffnen. Er wollte wissen, welche Motivation hinter ihm stand, wenn er sich morgens aus seinem Bett schälte, um aufzustehen. Worauf sich Cullen jeden Morgen freute. Wohl diese 'kleinen Dinge im Leben', über die Anders so oft laut sinnierte: Ein gutes Frühstück, irgendwelche aufregenden Pläne, ein offenes, vergittertes Fenster, durch das sich hin und wieder ein frischer Luftzug oder ein leises Vogelgezwitscher herein stahl. Waren das Dinge, über die man sich wirklich richtig freuen konnte? Cullen hatte ehrlich gesagt noch nie darüber nachgedacht. Der überrumpelte Templer ertappte sich dabei keine Antwort zu finden. Weder für sich selbst noch für den Magier, der im Moment ungeduldig an seiner Seite verweilte. Was, abgesehen von seinen Pflichten als Ordensbruder und Wache des Zirkels, motivierte ihn dazu seine Beine frühmorgens vor sein Bett zu stellen? Er wusste es nicht. Vollkommen in Gedanken versunken und sich mit einer Hand nachdenklich und ein wenig nervös, über den Nacken fahrend, schenkte Cullen Anders keine Aufmerksamkeit, als sich dieser langsam vom kalten Steinboden erhob. Ja, er schien es wenige Momente lang gar nicht zu bemerken, dass sich der Magier neben ihm wieder auf die Beine gestellt hatte und sich dem Templer nun mit ungewöhnlich ernster Miene und forschend-verengten Augen zu wand. Erst, als Anders' gesenkte Stimme erneut an seine Ohren drang, blickte Cullen wieder aus seinen, beinah schon bedrückenden, Gedanken auf und versuchte die, ihm so banal erscheinenden, Bilder über offene Fenster, den Speisesaal oder ungezwungene Plaudereien mit anderen Ordensmitgliedern und Anders vor seinem geistigen Auge fort zu wischen. Der blonde Magier haschte bestimmend nach einer der behandschuhten Hände seines Gegenübers, als wolle er den Templer davon abhalten zu gehen, um seiner emotional tiefen Frage somit auszuweichen. Er drückte sie leicht, als er mit gedämpfter, doch fester Stimme weitersprach. „Bist du glücklich, Cullen?“. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)