Und er lächelte von Crevan ================================================================================ Kapitel 11: Rückweg ------------------- Der verdutzte, sprachlose Magier vor Cullen reagierte lange nicht, lediglich seine plötzlich so aufmerksamen Augen wanderten forschend über den Templer und suchten seinen Körper vermutlich nach einer der Insignien seines Ordens ab. Und genau wegen dieser Tatsache war Cullen froh, dass er sich heute Nacht gegen seine geliebte Uniform entschieden hatte; denn wer wusste denn schon, wie Anders, als vermeintlich gefährlicher Abtrünniger, auf sie reagiert hätte? Bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Andere zu sprechen begann, baute sich im Körper des Templers eine unangenehme, nervöse Anspannung auf, die es ihm nicht besonders leicht machte still zu stehen. Doch Anders brach das grauenvolle Schweigen bereits nach einiger Zeit; einer Zeit, die dem Knight-Captain quälend lange, zu lange, erschienen war. „Warum... - was macht ihr hier..?“ entkam es dem Blonden nach Momenten des perplexen Starrens abrupt und wohl etwas leiser, als er es an und für sich erdacht hatte. Hatte Anders Cullen gerade auf formale Art und Weise – mit einem 'Ihr' - angesprochen? Der Knight-Captain wusste nicht recht, ob er sich nun über dieses 'spontane' Wiedersehen freuen oder sich selbst einen Tor schimpfen sollte, der nicht die Klugheit besaß auf seinen Kopf zu hören. Doch dieses vertraute Braun in Anders' Augen und dessen Stimme, die ihm im Augenblick so verdattert über die Lippen schlich, klatschten dem verdammten Bauchgefühl des Templers Beifall und verdrängten dessen Vernunft, die ihm riet so schnell als möglich zu gehen; diesen düsteren Ort zu verlassen und sein irrsinniges Vorhaben zu vergessen. Doch dafür war es ohnehin zu spät. Die Jahre hatten den blonden Magier gezeichnet, sein Gesicht war kantiger geworden, die damals noch so weichen Hände, in denen er noch immer das blutige Tuch von vorhin hielt, vermutlich rau. Doch seine Augen, die waren noch immer die selben. „Ich habe gehört, ihr wärt in der Stadt.“ antwortete Cullen seinem baffen Gegenüber schließlich trocken und verbarg somit seine Aufregung hinter einer kühlen, sachlichen Fassade. So, als wäre es völlig normal von dem ominösen Heiler aus der Dunkelstadt zu wissen. So, als wären seit ihrem nächtlichen Abschied im Turm Fereldens nicht mehrere Jahre verstrichen. Eine Meldung und ein Verhalten, die eine von Anders' Augenbrauen dazu brachten augenblicklich in die Höhe zu schnellen. Ein misstrauischer Ausdruck legte sich sogleich über die Miene des abtrünnigen Heilers und er schien sich nicht entscheiden zu können, wo er Cullen's Äußerung einordnen sollte. Erneut suchten seine Augen den Templer unschlüssig ab; bis dieser sich seine breite Kapuze schließlich vom Kopf zog. Cullen versuchte die Situation auf irgendeine Art und Weise zu retten und so brach aus ihm das Erstbeste hervor, das ihm nun auf Anders' vorige Frage in den Sinn kam „Ich wollte euch sehen.“. Nun wanderte auch die Zweite der Augenbrauen des Magiers in die Höhe und kaum einen Atemzug später schlich sich ein kraftloses Lächeln auf sein viel zu blasses Gesicht mit den tiefen Augenringen. Ein Lächeln, das den Knight-Captain dazu brachte die Kiefer schwach aufeinander zu pressen und seine kalten Hände unter dem wärmenden, dunklen Wollmantel zu Fäusten zu ballen. Was auch immer diesem Menschen nach seiner letzten Flucht widerfahren sein musste... es hatte ihn gezeichnet. Der damals so gesprächige Anders mit der losen Klappe schien auf Cullen's offene, irgendwie unbeholfene, Bemerkung hin nicht so recht zu wissen, was er sagen sollte, ordnete seine aufgewühlten Gedanken wohl flüchtig und suchte nach passenden Worten, bevor er dazu ansetzte zu sprechen „Mhm. Im Zirkel musste ich immer euch hinterherlaufen. Ich nehme an, ich kann mich geehrt fühlen, was?“. Dieser Satz des Abtrünnigen wirkte mehr gezwungen als freundlich und doch blitzte irgendwo zwischen mattem Lächeln und angespannter Haltung ein Funken dieses alten, sarkastischen Chaoten durch. Einer, der Cullen dazu brachte die Stirn in leichte Falten zu legen und sich pikiert zu räuspern. Anders' Lächeln erstarb relativ schnell wieder, doch sein durchdringender Blick blieb – im Vergleich zu Cullen's hin und her Wanderndem – standhaft und auf eine forschende Art und Weise kritisch „Apropos...“ . Der Blonde zögerte nicht lange damit das Thema zu wechseln und der Templer wusste im nächsten Moment nicht so recht, ob er sich – seiner peinlich berührten Betroffenheit hinsichtlich der vorigen Aussage des Magiers wegen – darüber freuen sollte oder nicht. Denn Anders brachte direkt etwas ganz Bestimmtes auf den Punkt, eine heikle Angelegenheit, die Cullen eigentlich hatte umgehen wollen. Doch war es dem Heiler denn zu verdenken? „Schickt euch der Orden?“ Eine Frage, die Cullen stutzen und ihn vorschnell mit einem ertappten, tonlosen „Was?“ antworten ließ. Natürlich war diese Aussage nicht die Frage, nach der sie klang. Sondern eher eine stumme und vage Zustimmung, die einen Schatten über das blasse Gesicht Anders' huschen ließ. Der Templer meinte, zu erkennen, dass der Abtrünnige tief durchatmete bevor er ein, zwei hastige Schritte auf Cullen zukam. Seine fragende Miene wich währenddessen einer Grimmigen und auch der Tonfall des Abtrünnigen mutete plötzlich überraschend befehlshaberisch und eisig an, als er in die Richtung der maroden Eingangstüre gestikulierte und seinem Gegenüber aus schmalen Augen entgegensah „Geht! Sofort.“. Ein wenig überrumpelt von Anders' so plötzlichem Gemütswechsel, wich Cullen kaum merkbar zurück, als der Blonde dazu ansetzte mit einer wütenden Entschlossenheit in seinem Blick auf ihn zuzuhalten. Der Templer holte hastig Luft, um zu sprechen, doch er kam gar nicht erst dazu, denn der Heiler, der ihn mittlerweile schon beinahe erreicht hatte, schien so, als dulde er keine Widerrede oder Rechtfertigungen. Anders schnitt Cullen das Wort mit einer erneuten, drohenden Aufforderung, die er ihm entgegen zischte, ab „Verschwindet. Na los!“. Unschlüssig darüber, was er nun tun sollte, blieb Cullen - entgegen der drängenden Aufforderung zu gehen - stehen. Sein Stolz und sein starres Ehrgefühl mischten sich zwischen all seine aufgewühlten Gedanken und stellten sich gegen die Befehle des Abtrünnigen vor ihm. Er war ein Knight-Captain. Ein einzelner Magier – zudem auch noch einer, den er glaubte gut zu kennen – jagte ihm keinen Schrecken ein. Nicht nach alldem, das er damals in Kinloch Hold gesehen und miterlebt hatte. Nicht nach den schrecklichen Geschehnissen danach. Wo kamen diese plötzliche, unfassbare Aggression in Anders' Stimme und dessen fürchterlich finsterer Blick her? Beides passte nicht zu dem sensiblen Magier. Ganz und gar nicht. Oder hatte er sich während der letzten Jahre tatsächlich derart verändert? Nein, das konnte doch nicht sein. Ungläubig starrte Cullen dem Anderen entgegen und rührte sich nach wie vor nicht von der Stelle, bis ihm Anders schließlich unmittelbar und zähneknirschend gegenüberstand. Der Templer war nicht besonders bewandert, wenn es um das feinfühlige Erkennen von Emotionen ging – er war ein Soldat, kein Psychoanalytiker – doch nun, da ihm der wütende Anders so nahe stand, dass ihn dieser ungewohnt grob an einer Schulter packen konnte, glaubte Cullen noch etwas Anderes in den Augen des Heilers erkennen zu können. Zwischen all dem sturen Zorn und dieser wilden Ungehaltenheit, die er hier, im Bereich seiner Klinik, wohl zu unterdrücken versuchte, mischte sich Bitterkeit. Cullen wagte sogar zu behaupten, eine groteske Art der Enttäuschung in dem trügerischen Braun lesen zu können. Eine Erkenntnis, die ihn erneut stutzen ließ und ihn wenige Wimpernschläge lang daran hinderte zu handeln oder sich dagegen zu wehren, dass ihn der plötzlich so fremd erscheinende Magier rücklings zurück nach 'draußen' bugsierte. Ehe sich Cullen versah, war der Druck durch Anders' Hand an seiner Schulter forscher geworden und bevor er sich überhaupt dabei ertappte den Atem anzuhalten, standen sie vor der Klinik der Dunkelstadt; der Grauzone, in der der Abtrünnige wohl eher gegen sein Feindbild agieren würde als 'drinnen' vor seinen ganzen Patienten, befand Cullen. Doch wieder irrte der Knight-Captain. Denn nachdem ihn Anders so unsanft vor die Türe seiner Klinik 'befördert' hatte, wendete sich der zornige Magier einfach ab, ohne sich noch einmal zu seiner alten Bekanntschaft umzudrehen und verschwand schweigend hinter dem genagelten Holzverschlag seines 'Zuhauses'. Was, um des Erbauers Willen, sollte das? Vollkommen ratlos sah Cullen nun der morschen Türe entgegen, die Anders hörbar gewaltsam hinter sich geschlossen hatte und realisierte erst nach und nach, dass sein irrsinniger und selbstmörderischer Abstecher hierher, in die Dunkelstadt, wohl umsonst gewesen sein musste. Er hatte nach dem blonden Heiler aus seiner Vergangenheit gesucht, um sich dessen zu versichern, dass dieser keine Bedrohung für Kirkwall darstellte; und er hatte ihn gefunden. Er hatte mit ihm reden wollen, nicht mehr. Aber auch nicht weniger. Um sein schlechtes Gewissen dem Templerorden gegenüber und... irgendetwas anderes zu beschwichtigen, das er sich bisher noch nicht zu erklären vermochte. Nun war es die Miene des Templers, die sich verfinsterte, während seine Augen den Eingang zu der Einrichtung mit den Laternen noch immer fixierten. In einem fahlen Rot flackerten Letztere ruhig über seinem Kopf, unpassend zu der momentanen Situation und der verzweifelten Wut, die in dem Templer aufkeimte. Anders wollte also nicht reden und sich für das, was ihm vorgeworfen wurde, rechtfertigen? Nein, er hatte Cullen ja nicht einmal ausreden lassen! Nach vielen Momenten des Hin und Hers zog sich Cullen seine dunkle Kapuze wieder über den Kopf und drehte der Klinik der Dunkelstadt schließlich doch noch resigniert den Rücken zu. Denn sie noch einmal zu betreten erschien ihm im Endeffekt als sinnlos. Das war es doch? Er hatte sich erwartet auf einen freundschaftlich gesinnten Bekannten oder auf einen irren Maleficar zu stoßen. Doch beides war nicht eingetroffen und der Anders, den der Templer vorgefunden hatte, ließ ihn nun noch verwirrter zurück als er es zuvor noch gewesen war und warf viele, neue Fragen auf, die er dem aggressiven Magier am liebsten sofort gestellt hätte. … Ja, 'aggressiv'. Womöglich war Anders tatsächlich eine Gefahr. Vielleicht hatte er diesen Mann bloß unterschätzt, weil sie sich kannten und sich vor Jahren näher gekommen waren, als es Cullen noch heute lieb war. Seine – mehr oder weniger positiven - Erinnerungen an den chaotischen Geistheiler aus Anderfels hatten ihm die Sicht in dieser Angelegenheit vernebelt und ihn daran gehindert objektiv und rational zu denken. Ein Fehler, den ein Knight-Captain nicht machen durfte. Cullen hätte es bereits vor wenigen Tagen, am Marktplatz der Unterstadt, besser wissen und sofort handeln sollen. Und darum- Er würde wieder kommen. Und das nicht alleine. Ja. Er würde Anders höchstpersönlich aus seinem Drecksloch zerren und ihn abführen. Wenn nötig mit Gewalt. Er würde den Abtrünnigen, den gesuchten Verbrecher, Mörder und Deserteur 'Liam' seiner Vorgesetzten ausliefern; 'Freund' hin oder her. Es war seine Pflicht den Anordnungen des Knight-Commanders Folge zu leisten und im Sinne des Ordens, seines Ordens, zu handeln. Wo hatte er bloß hin gedacht, als er geglaubt hatte, er könne Anders laufen lassen? Eidbruch... Blasphemie! Der Rückweg durch die dunklen, klammen Katakomben unter Kirkwall erwies sich als länger als erhofft. Doch waren Cullen's Gedanken so sehr damit beschäftigt Anders' Verhalten auseinander zu nehmen und zu versuchen den mehrdeutig-zornigen Blick des Magiers zu deuten, dass der Templer dieses Mal nicht penibel in die Dunkelheit lauschte oder angewidert und fassungslos auf seine verdreckte Umgebung achtete. Und so entgingen ihm das trunkene Gemurmel, die verwesenden Kadaver der Ratten, die Verletzten und Kranken, die leise weinenden Kinder, der modrige Geruch nach Schimmel... und die Anwesenheit einer zwielichtigen Gestalt hinter ihm. Ein Knacken hinter Cullen, schnelle Schritte in der Düsternis, das scharfe, hörbare Einziehen von kalter Luft - und plötzlich ging alles ganz schnell. Der nachsichtige Templer zog in Sekundenbruchteilen sein Schwert und fuhr ruckartig herum. Seine Kapuze rutschte ihm, ob dieser hastigen Drehbewegung, in das Gesicht und raubte ihm dadurch für wenige, schnelle Herzschläge lange die Sicht. Ein Hauch eines Moments, der ausreichte, um dem Verfolger des erschrockenen Templers einen enormen Vorteil zu verschaffen. Ehe sich Cullen seinen Kapuzenstoff aus dem knappen Blickfeld ziehen konnte, traf ihn etwas gewaltsam und dumpf am Kopf. Dem strauchelnden Mann verschwamm die Sicht, als er daraufhin orientierungslos vor dem hinterhältigen Angreifer zurückwich und mit seinem scharfen Schwert in die schwarze Leere hob. Ein freudloses, leises Lachen ertönte wenige Sekunden später direkt hinter dem Knight-Captain und drang an seine Ohren, als befände sich dessen Besitzer mit der tiefen Stimme weit, weit weg. Magie schlug aus, schien mit gierigen Klauen nach Cullen greifen und ihn schütteln zu wollen, ein dreckig-bläulicher Schimmer streifte das Gesicht des Überrumpelten, als er sich erneut viel zu langsam umwendete. Den zweiten harten Schlag und das, was darauf folgte, nahm der Benommene kaum noch als Schmerz oder ernste Bedrohung wahr. Als die tanzenden Funken in seinem Sichtfeld einem undurchsichtigen Schwarz wichen, wurde Cullen grob am Kragen gepackt und mit unglaublicher Kraft gewaltsam zurückgeworfen. Vergeblich nach Fassung und nach Luft ringend stolperte der Templer zurück, bis er mit dem breiten Rücken an die harte Steinwand des unterirdischen Gewölbes stieß. Sein Schwert entglitt dabei seinen plötzlich so kraftlosen Händen und fiel mit einem schweren, metallenen Klirren auf den unebenen Untergrund. Cullen glaubte barsche Hände an seinen Schläfen zu spüren, bevor er das letzte Bisschen Kontrolle über seinen zitternden Leib verlor und stöhnend zur Seite kippte. Seine Finger suchten dabei noch fahrig nach Halt, fanden diesen jedoch nicht, sondern streiften lediglich weichen Pelz oder Federn, Stoff, warme Haut und grobes Leder. Der Knight-Captain verlor das Bewusstsein noch ehe sein ermatteter Körper ungebremst auf dem kalten, dreckigen Steinboden aufschlug. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)