Und er lächelte von Crevan ================================================================================ Kapitel 12: Erwachen -------------------- Es war dunkel. Stockfinster und trügerisch still. Die Luft war stickig hier. Wo war er? Eingeschlossen in einem Kerker? Waren ihm die Augen verbunden worden? Völlig orientierungslos wandelte Cullen umher und versuchte irgendein winziges Anzeichen anderen Lebens auszumachen... oder zumindest einen noch so kleinen Lichtstrahl, an dem er sich orientieren und festhalten konnte, wie ein Ertrinkender an einem Stück Treibholz. Doch da war nichts und niemand, an das oder den man sich klammern konnte. Nur unendliche, drückende Schwärze und Wände, die immer näher zu kommen schienen. Er war eingesperrt. Eingesperrt. Blanke Panik stieg in dem sonst so unerschütterlichen Templer auf, wühlte erbarmungslos in den Erinnerungen der düsteren Tiefen seines Unterbewusstseins und schnürte ihm die Kehle zu; seine Atmung ging schnell und stoßweise, sein Herz raste. Wo war er hier? WARUM war er hier? Plötzlich vernahm er ein kühles Lachen, Eines, das von überall her auf ihn einzudringen schien und ihm den Kopf zerreißen wollte. Cullen fasste sich an die Schläfen und kniff seine blinden Augen zu, einen Schrei unterdrückend wich er ein paar Schritte zurück – wovor wusste er selbst nicht so genau – und stieß mit dem Rücken an... jemanden. Kaum einen Moment später spürte der Mann, wie etwas Hartes dumpf auf seinen bereits so sehr schmerzenden Kopf niederging; Cullen strauchelte und fiel. Wieder suchten seine zittrigen Finger dabei nach Halt, doch sie schafften es nicht den viel zu schweren Körper des Mannes daran zu hindern auf den harten Erdboden zu fallen. Der Aufschlag raubte ihm den Atem. Der Knight-Captain hustete und rang zuerst nach Luft und dann nach Fassung, als er versuchte sich wieder aufzurichten; doch er scheiterte kläglich. Der finstere und unbekannte Angreifer hinter ihm kam – eingehüllt von nebelgleichem, bläulichem Licht – näher und beugte sich zu ihm hinab, packte den japsenden Templer am Kragen und zog ihn ein Stück weit daran hoch, um ihn anblicken zu können. Augen, gespeist von blauem Feuer und Wahnsinn, gafften ihm auf amüsierte Art finster entgegen. Das undeutbare, verzerrte Gesicht des Fremden war so nah, dass er dessen ruhigen Atem an seiner Wange spüren konnte. Der warme Hauch trug unwahrscheinlich viel Mana in sich... und Lyrium; davon eine dermaßen große Menge, dass sich Cullen's unerträglicher Schwindel zu verstärken drohte. Der Templer versuchte zu schreien; er schlug panisch um sich, als ihm eine Hand grob an das Gesicht gepresst wurde und er wand sich in einem vergebens geführten, so unwirklich erscheinenden Kampf gegen die übermächtige Kreatur, die ihn eisern zu Boden drängte. Er würde sterben. Sterben. Cullen schrie entsetzt auf, als er seine Augen abrupt aufriss und versuchte sich zur selben Zeit ruckartig aufzusetzen. Doch der Mann hielt in seiner reflexartigen Bewegung inne, denn ein stechender Schmerz zuckte dabei – ausgehend von seiner rechten Seite - durch seinen protestierenden Körper. Ein gequältes Aufstöhnen entfloh der Kehle des angeschlagenen Templers und er kniff seine glasigen Augen mit schmerzverzerrtem Gesicht und aufeinandergepressten Kiefern zusammen, als er sich an die Hüfte fasste und dabei wieder zurück auf den harten Grund sackte, auf dem er gelegen hatte. Unregelmäßig atmend wendete er seinen wirren Kopf, um ausmachen zu können wo er sich befand. Ein paar verirrte Locken klebten ihm nass an der Stirn, als sich der panische Templer erneut eilig aufrichten wollte. Doch dieses Mal hinderten ihn zwei Hände daran; sie drückten ihn sanft, doch bestimmend zurück auf den Boden... oder das Bett... oder worauf er auch immer liegen musste. Hände. Wieder diese Hände! Der verschwitzte Templer sträubte sich und schlug unkoordiniert nach der Person, die ihn im Zaum zu halten versuchte. Weit entfernt – oder vielleicht doch nahe – war das Klirren von Glas zu hören, das Scheppern von Metall auf Steinboden. Und irgendwo dazwischen fiel ein mahnend, doch besorgt ausgesprochener Name. Sein Name. Innehaltend, doch noch immer angespannt und mit verschwommener Sicht sah Cullen zu dem Mann auf, der ihn festhielt und noch immer zu ihm – oder vielleicht auch mit jemandem anderes – sprach. Er verstand die gemurmelten Worte kaum, drangen sie auch an seine Ohren, als befände sich der Sprecher weit, weit entfernt. Diese Finger... sie gehörten keinem blutrünstigen Monster. Sie waren die eines – beinahe gewöhnlichen - Mannes. Blonde, Haarsträhnen fielen dem Magier in das Gesicht und er ließ mit einer seiner warmen Hände von Cullen ab, um sich die losen Strähnen flüchtig zurück hinter die Ohren zu streichen. Wieder bewegten sich die Lippen Anders' und formten ein schwer verständliches „Ist ja gut.“. Die Ruhe, die der Heiler an den Tag legte – auch, wenn sie nur bedingt bis zu dem verletzten Templer durchdrang - beschwichtigte den aufgebrachten Cullen ein wenig. Er war zwar niemand, der einem Magiebegabten blind vertraute; nicht nach dem, was er damals in Ferelden hatte mitmachen müssen und nicht, nachdem er diese tief vergrabenen Erinnerungen im Traum gesehen hatte. Das hatte er doch? Zudem schenkte Cullen Abtrünnigen, die er für gewöhnlich zurück in ihre Zirkel brachte, anstatt sie frei herumlaufen zu lassen, absolut kein Vertrauen. Doch dieser Magier hier, der gerade irgendetwas mit ihm anstellte, von dem Cullen in seinem derzeitigen, verklärten Zustand nur hoffen konnte, das es ihm nicht schadete, war ihm bekannt. 'Bekannter' sogar, als es sich sein momentan so wirrer Verstand für gewöhnlich wünschte. Im Augenblick war ihm die Tatsache, dass Anders bei ihm war jedoch egal, ja, womöglich sogar recht. Und so gab der Templer aufseufzend auf; er ließ seinen fiebrigen Kopf wieder zurücksinken und schloss seine matten Augen schließlich. Ein erneuter, stechender Schmerz, der unbarmherzig an seinen Nervenenden zog, zuckte dabei erneut durch den zitternden Körper des Kriegers und entlockte ihm ein schmerzliches Keuchen. Eine raue Hand schob sich daraufhin vorsichtig an seine heiße Stirn, geschickte Finger suchten sich ihren Weg an seine Schläfe und magische Funken kitzelten seine Haut dort ein wenig. Cullen wehrte sich nicht gegen die angenehm kribbelnde Magie die sich ihren Weg in seinen Körper suchte und spürte – vielleicht gerade deswegen – wie ihn eine ganz plötzliche, tiefe Müdigkeit überkam. Der Mann wisperte im Wahn ein paar wirre, unbedeutende Worte hervor und seine Finger suchten fahrig nach einer der Hände des Abtrünnigen neben ihm, fanden aber keine davon. Nur wenige Herzschläge später sank Cullen's Kopf zur Seite und erneut glitt er in einen tiefen, doch dieses Mal traumlosen, Schlaf. Ein erschrockener Laut entkam dem Knight-Captain als er sich ruckartig aufrichtete und alarmiert um sich blickte. Beim Erbauer...! Hatte er geträumt? Was war passiert? Wo war er? Cullen versuchte seinen - noch immer schmerzenden und vernebelten - Kopf ein wenig zu drehen und starrte in den großen, hohen Raum mit dem gedämpften Licht, das von wenigen entzündeten und fast zur Gänze abgebrannten Kerzen ausging. Er brauchte ein paar lange Augenblicke, um zu realisieren, dass ihm der unebene Boden hier, die spartanischen, zum Teil besetzten Liegen, der alte, marode Tisch und die halb verbarrikadierte Ecke am einen Ende der weiten Räumlichkeit bekannt vorkamen. Das hier... war die Krankenstation, die er vor Kurzem erst verlassen hatte, um zur Galgenburg zurückzukehren. Der Mann fasste sich an sein Gesicht, als er die Augen leise und überfordert seufzend schloss, um sich auf das zu besinnen, was geschehen war – oder besser: was geschehen sein musste. Er war hier gewesen und der wütende Anders – ja, Anders, tatsächlich - hatte ihn fort geschickt. Er hatte zurück zu den Quartieren gehen wollen... und dann? Jemand hatte ihn verfolgt und ihn attackiert. Die Ohnmacht hatte ihn nach mehreren Schlägen auf den Kopf übermannt und- Und mehr wusste er nicht. War ihm jemand zur Hilfe gekommen und hatte ihn anschließend hierher gebracht? Schwer vorstellbar bei dem Gesindel, das sich in der Dunkelstadt herumtrieb und tagein, tagaus damit beschäftigt war sich selbst am Leben zu halten... Der entnervte Templer öffnete seine dunkel untermalten Augen wieder einen Spalt weit und sah nun mit etwas ruhigerem Blick als noch zuvor in den ausladenden Raum. Hatte Anders... hatte Anders ihn etwa gegen den unbekannten Angreifer verteidigt? Hatte er ihn 'nur' gefunden und mitgenommen? Ja, vielleicht. Jedenfalls eher, als irgendein Obdachloser, Söldner oder als... ein anderer Abtrünniger. Mit zusammengezogenen Augenbrauen und missmutigem Ausdruck in seinem blassen Gesicht blickte Cullen zögerlich an sich hinab – so, als würde er dort etwas erblicken, das ihm nicht so ganz gefallen könnte. Tatsächlich tat er das auch. Eine recht frische, lange Narbe, die sich - ausgehend von seinem Hüftknochen - seitlich bis zu seinem Schlüsselbein emporzog, verriet ihm, dass er schwer verwundet gewesen sein musste. Und es bedarf keines langen Nachdenkens und komplizierten Kombinierens, um zu dem Entschluss zu gelangen, wer sich um diese heikle Verletzung gekümmert haben musste. Mit vager, etwas unwohler Erkenntnis in seinem müden Blick hob Cullen seinen Kopf nun wieder an und setzte seine Beine vor die – mit dicken, zerschlissenen Wolldecken belegte - Liege, auf der er saß. Mit argwöhnischem Blick suchte er den nahen Umkreis flüchtig nach seinem Hab und Gut ab. Tatsächlich hing sein schwerer, dunkler Baumwollmantel nicht weit entfernt an einem alten, rostigen Haken. Darunter standen seine Lederstiefel und auch sein... blutverschmiertes Hemd hatte man über die Lehne eines wackligen Stuhls neben seiner Liege gebreitet. Sein Schwert, das er mit sich geführt hatte, fehlte jedoch. Der schwache Templer atmete – dieser ärgerlichen Erkenntnis wegen – murrend durch und erhob sich schließlich langsam und vorsichtig. Seine Knie fühlten sich weich an. Doch die Watte in seinen Gelenken hinderte ihn keineswegs daran ein paar kleine Schritte zu tun. Er hatte schon Schlimmeres hinter sich, wollte zudem wissen, was geschehen war. Und er vermutete, dass Anders die genaue Antwort darauf kannte. Ja, wer, wenn nicht er? Cullen's Augen wanderten erneut suchend umher, doch sie konnten den blonden Heiler nirgendwo ausmachen. War er etwa fort? Auf nackten Füßen wandelte Cullen etwas ziellos in der fahl beleuchteten Krankenstation umher. Der Boden war kalt und ein wenig steinig... hier unten in der Dunkelstadt gab es kein gefegtes Kopfsteinpflaster, keine sauberen Holzdielen und keine weichen Teppiche. Die Patienten in dieser Klinik lagen nicht auf gepolsterten Betten sondern auf nüchternen Holzliegen... lediglich ein paar kratzige Decken befanden sich unter ihren teils abgemagerten Körpern, um die Rückenschmerzen – verursacht durch die harten Untergründe – wenigstens ein klein wenig zu mindern. Auf Cullen's Gesicht schlich sich eine verbitterte Miene und er zwang sich dazu seine verengten Augen von den kranken, schlafenden Menschen und Elfen hier loszureißen. Rückenschmerzen waren wohl das kleinste Problem dieser verlorenen Seelen. Der Knight-Captain hielt nur wenige Schritte vor dem massiven Holztisch, der an einer der Klinikwände stand. Der Stab, der bei seinem letzten Besuch an der Wand neben diesem Einrichtungsstück gelehnt hatte, stand noch immer an seinem Platz. Er musste Anders gehören. Dass der Magier seine Waffe nicht bei sich trug zeugte wohl davon, dass er womöglich doch nicht fortgegangen war... oder? Kein Abtrünniger ging ohne seinen Stab nach draußen; meistens war diese Art von Magiebegabten eher bis an die Zähne bewaffnet, um sich mit allen Mitteln gegen Templer verteidigen zu können, wusste Cullen aus Erfahrung. Der musternde Blick des angeschlagenen Mannes wanderte an der sorgfältig gearbeiteten Waffe entlang – sie war eine Andere als die, die der blonde Magier damals im Zirkel bei sich getragen hatte. Ohne Klinge an einer ihrer Enden und so weniger offensiv, doch mit vielen, in das Holz eingeritzten Runenzeichen, die verhießen, dass dieser mannshohe Stab im Kampf dennoch gute Dienste leistete. Ob es wohl oft dazu kam, dass Anders kämpfen musste..? Zögerlich – und als befürchte er, der Stab vor ihm könne ihm ein schlimmes Leid antun - streckte Cullen eine seiner Hände nach der Magierwaffe aus und strich mit vorsichtigen Fingern über den gewickelten Griff des Stabs nach unten; über das dunkle, magiegeladene Holz, das auf das Lyrium in seinem Blut zu reagieren und unter seinen Fingerspitzen leicht zu vibrieren schien. Ein Geräusch hinter ihm brachte den Templer aberplötzlich dazu aufzuschrecken. Ruckartig fuhr er herum und ertappte sich dabei, wie er den Atem für wenige Sekunden lange anhielt und sich auf die Unterlippe biss, um kein Geräusch von sich zu geben. Seine kritischen Augen fielen kurz darauf auf einen der Patienten, der seinen Kopf im Halbschlaf angehoben hatte und sich seine fleckige, verrutschte Decke wieder murmelnd über den dürren Körper zog. Cullen's Kehle entfloh ein erleichtertes Aufatmen, als er den Elfen mit dem teils einbandagierten Haupt dabei beobachtete, wie er sich schon nach wenigen Momenten wieder gähnend zur Seite drehte, um weiterzuschlafen. Der – sich schon als ertappt befürchtete - Krieger schüttelte den brummenden Kopf ungläubig über sich selbst und musste sich gar ein schwaches Grinsen verkneifen, als er sich wieder umwendete und seine, noch etwas labile, Aufmerksamkeit nun dem Schreibtisch vor sich schenkte. Pergament, Tinte, ein paar alte Bücher und flüchtig verfasste Notizen lagen etwas unordentlich auf der breiten Tischfläche herum. Ein paar der größeren und schöneren Papiere waren beschrieben und erweckten die Neugierde des Templers. Zuvor noch einmal kurz prüfend um sich sehend, fasste Cullen schließlich eines dieser Schriftstücke, um einen genaueren, forschenden Blick darauf zu werfen. Was brachte Anders bloß dazu so viel zu schreiben? Waren es magische Formeln? Texte über die Leiden seiner Patienten? Führte er etwa Tagebuch? '… ich halte diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Lebewesen gleich erschaffen wurden, dass sie vom Erbauer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt wurden, worunter Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit sind...' Sorgsam angeordnet und mit schöner, geschwungener Schreibschrift zogen sich die dunklen Lettern über das alte, etwas zerknitterte Pergament. Die ersten paar Zeilen wirken durchaus ansehnlich, weich und schön für das Auge, doch wurde die Schrift von Wort zu Wort immer schlampiger. So, als hätte man zunächst ruhig und gewissenhaft angefangen zu schreiben und als wäre man dann in ganz plötzliche Hektik verfallen. Die letzten paar Worte, die einen unsauber hingeschmierten Satz ergaben, konnte Cullen kaum mehr lesen. 'Jeder ist frei und gleich an Würde und Rechten geboren.' Der Templer runzelte die Stirn und ein Schatten huschte über sein bleiches Gesicht mit den tiefen Augenringen, nachdem er diese anarchistisch klingende Zeile mit Mühe und Not entziffert hatte. ...Blasphemie! „Ihr solltet euch das durch den Kopf gehen lassen, nachdem er aufgehört hat zu schmerzen.“ ertönte es plötzlich recht trocken hinter Cullen. Die bekannte Stimme sprach leise - wohl, um die anderen Anwesenden nicht zu wecken - und sorgte trotzdem für einen erneuten und diesmal berechtigten Schrecken seitens des neugierigen Templers. Nach einem heftigen Zusammenzucken wendete Cullen seinen Kopf betroffen in die Richtung des schmalen Magiers, der mit einer kleinen, halbvollen Milchschale in den Händen hinter ihm stand und ihm kühlen Blickes entgegen starrte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)