Und er lächelte von Crevan ================================================================================ Kapitel 13: Verrat ------------------ Der Knight-Captain wusste – nach wie vor gelähmt von dem Schock über das plötzliche Erscheinen Anders' - in diesem Moment nicht so recht was er sagen sollte. Er war so vertieft in die paar Zeilen auf dem knittrigen Papier in seiner Hand gewesen, dass er den Blonden nicht einmal hatte kommen hören. Unachtsamkeit. Ein schlimmer Fehler für einen Krieger, für einen Templer. Und erst recht für Einen, der halbnackt und unbewaffnet im 'Revier' seines vermeintlichen Feindes stand. Fatal im Kampf. Cullen sah Anders abwartend und aus schmalen Augen entgegen; anstatt etwas zu entgegnen – eine lächerliche Rechtfertigung oder gar einen Vorwurf - schwieg er. Würde es denn überhaupt zu einer Auseinandersetzung kommen? Schwer einzuschätzen. Der erwischte Templer fühlte, wie Adrenalin stoßweise in seine Adern gepumpt wurde und sich eine große Anspannung in seinem Körper aufbaute. Sein Herz, das ihm nun anfing bis zum Hals zu klopfen, als wolle es ihm noch daraus hervorspringen, drängte ihn dazu das hübsche Blatt Papier in seiner Hand unbewusst fester zu halten, als er es vorgehabt hatte. Anders jedoch musterte den nervösen Cullen nur mit durchdringenden Argusaugen, bevor sich eine seiner Brauen langsam aber sicher etwas anhob und dem Gesicht des Abtrünnigen einen kritisch-amüsierten Ausdruck verlieh. Der Magier schien sich – anders als sein Gegenüber – keinerlei Sorgen um sein körperliches Wohl und die Kampfbereitschaft des Templers in seiner Nähe zu machen. Er nahm Cullen offenbar überhaupt nicht ernst – und sich selbst vielleicht auch nicht. Denn er wendete seinen Blick bereits nach wenigen Sekunden ab und schritt an dem Anderen vorbei, um die Tonschale, die er bei sich trug, auf seinem Holztisch neben den Büchern abzustellen. Der Mann mutete dabei absolut ruhig an... und - im Gegenzug zu ihrer ersten, heiklen Begegnung in dieser Krankenstation – durchaus gefasst. Die braunen Augen ein wenig abwesend und nach Worten suchend auf die Schale am Tisch gerichtet, holte Anders schließlich Luft, um weiterzusprechen und die unangenehm angespannte Stille im Raum zu brechen. Die unerwartet sarkastische Stimme des Magiers, in die sich ein Funken tiefer Bitterkeit geschlichen hatte, war nach wie vor eine Leise „Welche Strafe steht auf solche Schriftstücke? Der Galgen? Der Scheiterhaufen? Oder kommt man als Magiebegabter sogar mit einer Besänftigung davon, hm?“. Dem - vor den Kopf gestoßenen - Cullen entkam auf diese... dumme Frage hin ein empörtes „Wie bitte??“ und sein Blick verfinsterte sich zunehmend. Machte sich Anders etwa über ihn – über die Kirche – lustig ohne sich ein Blatt vor den Mund zu nehmen? So, wie er es in seinem schändlichen Aufsatz tat, den er verfasst hatte? Was glaubte er, wer... WAS er war? Er war ein Magier. Ein abtrünniger auch noch dazu! Er hatte kein Recht- Der Templer wollte, getrieben von einem plötzlichen Anfall von haltloser Cholerik, schon zupacken, um den vorlauten und etwas kleineren Heiler am Kragen auf die Zehenspitzen zu ziehen. Er wollte diesem Kerl dabei seine Meinung über dessen blasphemischen Aussagen entgegenbrüllen und ihn fragen, ob er denn von Sinnen sei kopflos Texte anzufertigen, die ihn tatsächlich das Leben kosten könnten. Doch der Abtrünnige hatte ihm seinen blonden Kopf schon wieder zugewendet und bedachte den zornigen Cullen mit einem ernsten, tiefgründigen Blick aus diesen... trügerisch ruhigen, braunen Augen. Eine stumme Aufforderung dazu still zu bleiben – und vielleicht auch mehr als das. Jedenfalls verstand der Knight-Captain sofort so viel als nötig, stockte und schluckte schwer. Ein wenig widerwillig versuchte sich Cullen wieder zu fassen und legte das beschriebene Pergament dabei zurück auf seinen Platz auf dem Schreibtisch. Bevor er dazu kam einen gezwungen-ruhigen Satz zu formulieren, kam ihm Anders wieder zuvor „Ich sehe, euch geht es wieder einigermaßen gut. Ihr solltet gehen.“. Der Blonde seufzte leise und zog seine Augenbrauen zusammen, als er Cullen's irritierte Fassungslosigkeit über diesen überstürzt wirkenden 'Rauswurf' zu bemerken schien und fügte seiner Aufforderung noch etwas hinzu „Ich begleite euch.“. Ein schwaches, freudloses Lächeln zog sich über die Lippen des Heilers. Cullen hatte Anders' Angebot ihn zu begleiten nicht abgeschlagen. Nicht, weil er unbewaffnet war und sich sein schlapper Körper anfühlte wie gerädert; doch weil er genaue Informationen wollte. Er wollte aus dem Mund des flüchtigen Magiers hören, was geschehen war, wer ihn überfallen und wie lange er geschlafen hatte. Er wollte wissen WER Anders nun, nach Jahren, tatsächlich war und warum er sich in Kirkwall befand. Dem verwirrten Templer brannten Fragen um Fragen auf der Seele, so viele, dass er nicht einmal wusste, wo er anfangen sollte, als er wieder voll bekleidet neben seiner alten Bekanntschaft vor der Klinik stand. Anders sperrte sein 'Zuhause' nicht ab. Seine Krankenstation sei ein Zufluchtsort und keine Stätte, an der er Wertvolles verbarg. Das wüssten die Menschen, Elfen und Zwerge dieses Viertels auch und sie wären ihm dankbar, merkte der zuversichtliche Abtrünnige nach eindringlich-skeptischen Blicken Cullen's an. Wie Cullen hatte sich auch Anders einen dicken Mantel übergeworfen. Die trostlosen Nächte waren kalt in dieser Jahreszeit und die eisigen Windzüge bliesen auch durch die schmalen Gänge der Dunkelstadt. Der blonde Heiler schritt, eine Öllampe vor sich haltend, neben dem Knight-Captain her; noch immer erstaunlich ruhig im Vergleich zu ihrem erstmaligen Aufeinandertreffen hier unten. Beinahe schon... unheimlich ruhig. Nur ab und an hustete er leise und hob sich dabei seine freie, behandschuhte Hand vor die Lippen. Aus den Augenwinkeln lugte der misstrauische Cullen zu seinem - irgendwie so fremd erscheinenden - Begleiter hin, der sich seine schwarze Kapuze sehr tief in das Gesicht gezogen hatte. Der Templer fragte sich, ob Anders so überhaupt noch etwas sehen konnte... hatte er Angst davor erkannt zu werden? Und warum wendete er nicht einfach Elementarmagie an, um für Licht zu sorgen? Hatte er die alte, schäbige Lampe seinen Fähigkeiten vorgezogen, um nicht noch Mitglieder des Templerordens auf sich aufmerksam zu machen? … der Chaot aus Kinloch Hold war vorsichtiger geworden, so schien es. „Ihr habt nicht allzu lange geschlafen. Eine Nacht und einen Tag. Womöglich sucht man trotzdem schon nach euch.“ Anders' Atem stieg in der kalten Luft als weißer Dunst auf und die Lampe in seinen Händen warf einen fahlen Schein auf den unteren Teil seines Gesichts, der nicht von dem dunklen Schatten seiner weiten Kapuze verdeckt wurde „Eine Abscheulichkeit hat euch angegriffen. Denke ich.“. Cullen drehte dem Magier nun den ganzen Kopf zu und verzog sein Gesicht zu einem ungläubig-fragenden Ausdruck. „Davon gibt’s hier... so manche.“ flüsterte der Blonde verschwörerisch hervor ehe er kurz zu überlegen schien und seine heisere Stimme wieder ein wenig erhob. War er erkältet? „Ihr hättet vorsichtiger sein sollen. DAS hier ist nicht die Oberstadt, Cullen.“ ein resigniertes Seufzen folgte und der Magier hob seine Öllampe etwas höher, um den düsteren und unebenen Weg besser auszuleuchten. Cullen schluckte trocken und spürte wie sich in seinem Magen ein flaues Gefühl breit machte, als er seinen Blick wieder mit Mühe von dem anderen Mann losriss. Abscheulichkeiten. Hier? Bei Andraste... womöglich sollte er mehr Patrouillen hier runter, in den finsteren Bauch der Stadt, schicken... gut ausgebildete Männer, die dieses dreckige Nest an abtrünnigen Blutmagiern aufspüren und- Ja, das war eine gute Idee. Diese Kreaturen waren eine Gefahr. Was, wenn sie nach 'oben' kommen würden? Nicht auszudenken! Skepsis huschte über das Gesicht des erschütterten Knight-Captain, als er seinen Blick wieder unauffällig zur Seite lenkte. Dorthin, wo Anders gerade über einen stinkenden Kadaver irgendeines Tiers – einer großen Ratte oder eines Hundes vielleicht – hinweg stieg, als wäre dieser ein völlig gewöhnliches Hindernis auf seinem zwielichtigen Weg durch die unterirdischen Gassen Kirkwalls. Cullen rümpfte verständnislos und zu einem Teil auch etwas angewidert die Nase. Der Heiler schien diesen Ausdruck zu bemerken und schmunzelte nur schwach im Schein seiner Lampe. Ein Schmunzeln, das dem Templer einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Anders hatte sich verändert... ob zum Guten oder zum Schlechten war wohl dahingestellt. „Wie seid ihr damals entkommen..?“ eine Frage, die Cullen nach einigen, quälenden Minuten des Schweigens keineswegs spontan in den Sinn, doch eher ungeplant über die trockenen Lippen kam. Genau genommen glaubte er auch nicht, dass der dünne Abtrünnige, der ihn begleitete, seinen Fluchtplan aus dem Zirkel Fereldens preisgeben würde – nicht ihm. Doch entgegen der Erwartungen des Kriegers setzte Anders nach einem kurzen Zögern – und sichtlich überrascht über Cullen's etwas losgelöste Frage - dazu an zu antworten. Das Schmunzeln von vorhin war schon lange wieder vollkommen verblasst und hatte einer kühlen Ernsthaftigkeit Platz gemacht, als er mehr zu sich selbst sprach als zu seinem vorübergehenden Gefährten „... ich bin nicht entkommen.“. Wieder lächelte Anders sein trauriges Lächeln, das das unerklärliche Potential dazu besaß die Brust des Knight-Captain ein wenig zuzuschnüren „Nur fast.“. Cullen legte die Stirn in Falten. Wie 'fast'? Anders war nach ihrem nächtlichen Abschied damals doch endgültig fort gewesen, selbst sein kleines Zimmer hatte man daraufhin ungewöhnlicherweise ausgeräumt, um Platz für einen anderen geläuterten Magier zu machen. Cullen war kein Mann großer Worte. Und er war niemand, der nachhakte, wenn es um bittere Lebensgeschichten und -erfahrungen ging... weil er es ebenso nicht wollte, dass ihn jemand nach seiner Vergangenheit fragte. Und weil es sich – des Anstands wegen - auch nicht gehörte. So nahm er Anders' kurze und vage Antwort hin ohne zu hinterfragen – auch, wenn er sich auf dieses 'Ich bin nicht entkommen.' keinen Reim machen konnte. Vermutlich wollte ihn der Magier – zur reinen Belustigung - nur verwirren und in die Irre führen... hätte zu ihm gepasst. Natürlich war Anders entkommen. Damals. Es gab auch noch Dinge, die Cullen – oder eher: den Knight-Captain in ihm - noch mehr interessierten als die waghalsige, letzte Flucht des idiotischen Heilers vor vielen Jahren. Nämlich die überaus belastenden, schweren Anschuldigungen gegen diesen, die in Briefform in der Galgenburg vorlagen. Der Vorwurf des blinden Mordes an dutzenden Unschuldigen eines Phantoms namens Liam. Ein Thema, das ihm ein schlechtes Gewissen seiner Vorgesetzten gegenüber bereitet und ihn schließlich in die Dunkelstadt getrieben hatte. Cullen war nicht besonders gewandt darin hinterrücks an ein heikles Gesprächsthema heranzuschleichen. Er war ein Frontalkämpfer in jeglicher Hinsicht, er versteckte sich nicht, denn das hatte er nicht nötig, er griff völlig offen an. Und so brachte er das, was ihn beschäftigte und das er unbedingt klären wollte auch sofort auf den Punkt „Seid ihr ein grauer Wächter, Anders?“. Eine weitere gefühlte Ewigkeit des nebeneinanderher Gehens verging, ehe der Abtrünnige antwortete. Doch das, was er sagte, entsprach nicht unbedingt den Vorstellungen des Templers. Wäre ja auch zu schön gewesen. „Wir sind da.“ ohne den unruhigen Cullen anzublicken wies der hagere Heiler auf eine Treppe, die sich nahe, doch halb verborgen zwischen ein paar Kistenstapeln und alten Säcken befand. Der Krieger wendete sein Haupt prüfend in die Richtung der abgetretenen Stufen, die vermutlich in die Unterstadt oder zum Hafen Kirkwalls führten. Doch plötzlich trat Anders kurzentschlossen vor ihn und versperrte ihm somit die Sicht und den Weg zu der Treppe, die ihn wieder nach 'oben' bringen sollte. Als wolle er ihn nun verhören, hielt der Magier Cullen seine alte Lampe vor das Gesicht, über das sich sogleich ein angespannt-aufmerksamer Blick legte. „Ihr werdet mich verraten. Nicht wahr?“ mit dieser Ansprache – die indirekt wohl auch eine Antwort auf Cullen's letzte Frage, eine verschleierte Zustimmung, darstellte - ließ der verunsicherte Abtrünnige das matte Feuer unter Cullen's Nase auch gleich wieder ein wenig sinken und legte somit den Blick auf sich selbst wieder frei. Den Kopf einen Deut zur Seite geneigt wartete der Magier nun auf eine Antwort oder eine Versicherung und der Templer fragte sich, ob diese denn Auswirkungen darauf haben würden, ob er kampflos aus diesen stickigen Katakomben entkommen würde oder nicht. Vermutlich schon. Es wäre simpel gewesen zu lügen, einfach zu sagen, er behalte Anders' jämmerliche Existenz in diesem Loch für sich. Doch Cullen war ein aufrichtiger Mann, ein Knight-Captain der Kirche, der absolut zu dem stand was er tat. Er mochte seine Arbeit und war prinzipientreu. Zu lügen war eine schlimme Sünde in den Augen des Erbauers – erst recht, wenn man damit einen vermeintlichen Freund und Verbrecher schützte. Der Templer ballte seine Hände leicht zu Fäusten und atmete tief durch, bevor er ein simples Wort von sich gab, das den nervösen Anders dazu brachte seine Öllampe fallen zu lassen. Entgegen aller objektiven Erwartungen und zugunsten seiner schlimmsten Befürchtungen versetzte ihm diese Antwort selbst einen leichten Stich. „Ja.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)