Blutschuld von abgemeldet (Seine Bestimmung war es Vampire zu jagen, nicht sie zu lieben) ================================================================================ Kapitel 4: Schatten ------------------- 4. Schhatten Er hatte einen Stein im Magen. Bereits seit Minuten stand er vor dem Zimmer des Generals. Minuten die ihm wie eine Ewigkeit vorkamen. Am liebsten hätte er sich verkrochen, um mit sich ins Reine zu kommen. Stattdessen musste er Rechenschaft über seinen misslungenen Einsatz ablegen. Aber wie sollte er etwas erklären, was er selbst nicht verstand? Er konnte sein Scheitern schlecht darauf stützen, dass er durch die Aura des Prinzen so sehr bezaubert und einvernahmt wurde, dass er handlungsunfähig war. Dennoch war es die Wahrheit. Iven hatte ihn so vollkommen in seinen Bann gezogen, dass er zeitweise sogar vergaß, dass er mit einem Vampir sprach. Er hatte sich schwach und verletzlich gefühlt und gab diesem Gefühl der Unfähigkeit bereitwillig nach. Er verachtet sich selbst für seine Emotionen. Zu versagen war das eine. Auf welche Weise er scheiterte, schlicht indiskutabel. Er hatte seine Gefühle bisher immer unter Kontrolle gehabt. Selbstdisziplin war stets eine Gabe, die er bis zur Perfektion beherrschte. Er kannte kein Mitleid mit diesen Bestien. Nur kalten Hass. Bis jetzt. Die Tür öffnete sich. Luc fühlte wie sich sein Hals zuschnürte. Er betrat den spärlich beleuchteten Raum. Die rustikalen Mahagonimöbel und Holzvertäfelungen gestalten das Zimmer dunkel und erhaben. Angespannt blieb der Jäger vor dem großen runden Besprechungstisch stehen, über dem ein riesiger Kronleuchter herrschaftlich prangte. Der General Babtiste van Dur und Philippe Constenz, sein Mentor und Oberstleutnant der Garde, saßen ihm gegenüber. Luc war erleichtert sich nicht vor dem gesamten Gremium verantworten zu müssen. Phils sanfte Augen ermahnten ihn zur Haltung. „Bitte setzt euch Luciel Baldur.“ Der vitale Klang der Stimme des Generals, verriet nichts über dessen beachtliches Alter. Luc tat wie ihm geheißen. „Nun, ich möchte keinen Hehl daraus machen, dass ich persönlich sehr enttäuscht von euch bin. Wir hatten die einmalige Gelegenheit das Oberhaupt des hiesigen Vampirclans zur Strecke zu bringen. Gerade in politischer Hinsicht mehr als ärgerlich, dass dies misslungen ist. Die Einflussnahme des Prinzen auf die Geschicke des Landes nimmt mit besorgniserregender Geschwindigkeit zu.“ Politik. Diese alten machtgierigen Aristokraten. Politik war in Lucs Augen völlig überbewertet. Worum es ihm ging, war der stille Schutz von unschuldigen Menschenleben. Ihr Blut, das zur Lebenserhaltung dieser Ungeheuer diente, sollte die Gilde kümmern und nicht politische Ränke. Lucs Mitschuld an Ivens nächsten Opfern legte sich auf sein Gewissen, wie ein Mantel aus Eisen. Da war es wieder, dieses brennende Gefühl von Rache. Wie konnte er sich von Iven nur so einlullen lassen? „Bitte klärt uns über den Verlauf eurer Mission auf, Jäger Baldur. Und versteht mich nicht falsch. Ich mache euch nicht wirklich einen Vorwurf. Dass es schwer, beinahe unmöglich ist, den Prinzen zu liquidieren, ist uns durchaus bewusst. Umso mehr sind wir auf eine genaue Schilderung der Umstände angewiesen.“ Luc musste auf Angriff gehen. Unter keinen Umständen durfte er die wahren Gründe darlegen. Gefühle waren nichts, was sich ein Elitejäger leisten konnte. Erst recht nicht, wenn sie seine Fähigkeiten einschränkten. Er antwortete mit fester Stimme, der ein leicht aggressiver Unterton mitschwang. „Bei allem Respekt, was erwartet ihr? Was nützt es euch zu wissen, wie was genau geschah? Es wird uns nicht helfen. Wir hatten die Chance. Oder vielmehr ich hatte sie und habe sie vertan. Kein Mitglied der Garde, wird dem Prinzen je wieder so gefährlich nahe kommen können. Wie ihr bereits sagtet, es war eine einmalige Gelegenheit. Ich würde mir selbst das Herz durchstoßen, wenn ich daran irgendetwas ändern könnte, aber ich kann es nicht! Er war zu mächtig. Ich hatte keine Chance. Der Umstand, dass ich es in sein Gemach geschafft hatte, änderte nichts daran, dass er zu stark war. Ich konnte gerade einmal zum Schlag ausholen, als ich auch schon überwältigt wurde. Flucht war das einzige was blieb. Nicht aus Angst, einfach nur aus Instinkt.“ Er hatte nicht gelogen, gleichwohl die Wahrheit verschwiegen. „Keiner macht euch einen Vorwurf, dass ihr entkommen wolltet.“ „Nein, aber das ich entkommen bin.“ Luc verbarg seine Bitternis nicht. “Ich habe die Blicke gesehen, mit denen ich gemustert wurde. Die stummen Fragen und Anklagen meiner Kameraden in der Garde. Wieso hat er überlebt? Was hat er dafür getan oder nicht getan? Und in der Tat, bei der Vielzahl der Menschen die an diesem Abend ihr Leben lassen mussten, grenzt es an ein Wunder, dass ich noch unter den Lebenden wandle.“ Lucs Stimme bebte als er fortfuhr. „Wie konntet ihr dieses Massaker zulassen?!“ Dem scharfen Blick des Jägers entging nicht, dass sich der General ertappt fühlte. „Wir hatten keine Wahl. Einen Kampf in dieser Tragweite zu provozieren, käme einer Kriegserklärung gleich. Eine die sich die Gilde nicht leisten kann. Wir konnten unmöglich ein Regiment zur Zerschlagung des Festaktes abkommandieren. Nicht auf dem privaten Boden des Prinzen. Die Konsequenzen wären fatal gewesen. Eine derartige Herausforderung zu suchen, würde über kurz oder lang alle Clans vereinigen und das Ende er Gilde bedeuten. Daher war die stille Liquidierung des Prinzen so vehement von Bedeutung. Hätten wir eingegriffen dann“. „Dann würde ich mich jetzt nicht so schmutzig fühlen“, warf der Jäger ein. „Es tut mir leid Luc.“ Die vertraute Stimme seines Mentors klang beschwichtigend. „Aber wir wussten, dass du niemals einwilligen würdest, wenn wir dir alles offenbart hätten. Ich wünschte ich hätte dich vor diesem Schmerz bewahren können, aber du erschienst uns als die beste Wahl.“ Phils Worte fraßen sich grausam in sein Herz. Auch er hatte davon gewusst und ihn wissentlich in dieses Loch aus Schmerz gestoßen. Dabei war sein Mentor der einzige der verstand, wie sehr ihn diese Grausamkeit quälte. So viel Blut klebte nun an seinen Händen. Einzig aus Machtlosigkeit. Die Schuld schien ihn zu ersticken. Er konnte Iven letzte Nacht nicht töten. Keine Vergeltung für die vielen verlorene Seelen üben. Der Wusch zu schreien wurde übermächtig. Er wollte los lassen. Sich von seinem Schmerz und Zorn befreien. Seine Wut brauchte dringend ein Ventil. „Sind wir fertig?“ fragte Luc barsch. Das war mehr als anmaßend. Es war bekannt, das der dunkelblonde Jäger nie ein Blatt vor den Mund nahm. Aber offen zu sprechen, war doch etwas anderes, als eigenständig eine Anhörung aufzulösen. Die Verärgerung des Generals über diese Respektlosigkeit sprach in dem faltigen Gesicht Bände. „Dann habt ihr keine weiteren Erkenntnisse für die Gilde?“ „Nichts, was von Belang wäre.“ Der General nickte unzufrieden. „Ihr dürft euch entfernen.“ Ohne ein weiteres Wort verließ Luc den Raum. Eine Lüge. 'Ich verlasse mich darauf, dass du dieses Wissen nicht ausnutzt', die Worte brannten in seinem Kopf. Ein Geheimgang in das Schlafzimmer des Prinzen. Er hatte nichts gesagt. Schlimmer er hatte wissentlich gelogen. Und das, bei einem so schwerwiegenden Wissen. Luc hätte es nur zu gerne auf seine Ehre geschoben. Doch tief in sich wusste er, dass er Iven einfach nicht verraten und ausliefern wollte. Mit aller Wucht donnerte seine Faust an die Tür. „Vernon, bist du da?!“ Bevor sein Klopfen noch einmal durch den Gang hallen konnte, wurde die Tür geöffnet. „Luc! Ich habe gehört, dass du zurück bist.“ „Du meinst, dass ich versagt habe.“ „Hej, lass deine Wut über diese Angeber nicht an mir aus. Du weißt, dass ich hinter dir stehe. Und ehrlich, ich bin froh dich heil wieder zu sehen.“ Das breite Grinsen des Brünetten beschwichtigte Luc. „Ich muss mich abreagieren.“ „Geht klar. Fechten?“ Jetzt grinste Luc zurück „Fechten.“ Sie galoppierten zum Stadtrand. Luc konnte den Anblick von Menschen nicht ertragen. Er musste weg, raus in die freie Natur. Sehnsüchtig trieb er seinen Schimmel durch die dichten Wälder, der grünen Erhöhung entgegen. Hier oben hatte man bei klarer Sicht, einen atemberaubenden Blick über die umliegende Städte und Wälder. Noch ein kleines Stück. Der eisige Wind schnitt in das Gesicht des Dunkelblonden. Er wusste, dass Vernon seine Stute ganz schön antreiben musste, um mithalten zu können. Keuchend stieg er ab. Der Ausblick war heute nicht so gut wie sonst. Dicke grauweiße Wolken hingen am Himmel und warfen ihre Schatten bedrohlich auf die Erde. Die Luft roch nach Winter. Sicher würde bald der erste Schnee fallen. Luc legte den warmen Mantel ab. Er wollte beweglich sein. Die kühle Luft wurde von seinem erhitzten Körper freudig begrüßt. „Sicher, dass du noch einen Kampf brauchst um runter zu kommen. Der Ritt war anstrengend genug.“ Luc zog sein Rapier. „Etwa müde?“ Vernon nickte wissend. „Ok, hab schon verstanden. Es geht nicht um ein kleines Verausgaben, um zur Besinnung zu kommen. Du hast richtig viel Wut im Bauch, stimmt's?“ Luc ging in Angriffsstellung. Vernon zögerte nicht weiter und zog ebenfalls sein Rapier. „Bist du dir sicher, dass dir eine Aussprache nicht besser tun würde?“ Luc ging nicht darauf ein. Geschwind trugen ihn seine Füße nach vorne. Seine Muskeln spannten sich. „Wehr dich!“ schrie er seinem Freund noch entgegen, bevor die Klingen aufeinander prallten. Sein Adrenalin stieg. Das schrille Surren der Waffen war wie Musik in seinen Ohren. Sie schenkten sich nichts. Wie immer. Luc war wie im Wahn. Wenn Vernon oder er einen Fehler machen würden, dann würde einer von ihnen ernsthaften Schaden davon tragen. Er wusste es und nahm es in Kauf. Sie beide. Deshalb liebte er das gegenseitige Kräftemessen. Sie hatten beide keine Angst. Nie. Der dünne Stoff seines Hemdes klebte auf seiner Haut. Sein Herz schlug unerbittlich gegen seine Brust und verlangte eine Pause. Nein, er wollte dieses Gefühl weiter in sich spüren. Merken, dass er lebte. Sein rechter Unterarm brannte. Der weiße Stoff färbte sich rot. Vernon hatte ihm einen tiefen Schnitt versetzt. Es kümmerte Luc nicht. Noch war er nicht besiegt. Er holte aus. Wieder und wieder. Langsam, aber sicher trieb er seinen Gegner in die Enge. Nun war seine Schnelligkeit und Geschick gefragt. Zielsicher lockte er den Größeren in eine Finte und holte zum entscheidenden Schlag aus. Scheppernd prallte Vernons Rapier an den nahe stehenden Baumstamm und viel dumpf zu Boden. Seine Klinge hingegen ruhte ruhig auf der Brust des Anderen. „Ich habe gesiegt.“ „Ja, das hast du.“ Vernon zog sein Hemd einige Zentimeter in die Höhe. Eine klaffende Wunde über der rechten Hüfte, entstellte die sonst bronzen schimmernde Haut. Schuldbewusst sah Luc auf die Verletzung seines Freundes. Er hatte bei aller Aggressivität nicht gemerkt, dass er Vernon so schwer verletzt hatte. „Das tut mir leid. Mir ist nicht aufgefallen, dass“. „Lass gut sein, Luc. Ich weiß welches Risiko ich eingehe, wenn ich mit dir ein Duell mit blanken Waffen austrage. Außerdem hab ich dich diesmal auch ganz schön erwischt.“ Der Dunkelblonde begutachtet das Malheur an seinem rechten Unterarm. „Stimmt.“ Erschöpft ging Luc zu seiner Satteltasche um Verbände zu holen. „Ich kümmere mich erst um deine Wunde. Ich hoffe sie ist nicht zu tief.“ „Eine Schnittwunde, nichts weiter. Mach dir keinen Kopf, das heilt schon wieder. Und die Stelle wirst du nicht noch einmal erwischen, das verspreche ich dir, Freund.“ Ein Lächeln schien das trübsinnige Gesicht endgültig zu vertreiben. Gekonnt versorgte er Vernons Wunde, die ernsthafter war, als dieser zugeben wollte. Anschließend half ihm der Brünette dabei, eine Bandage um seinen Unterarm zu legen. „Lange her, dass ich dich so wütend gesehen habe. Was ist bei dem Maskenball passiert?“ Um Zeit zu gewinnen, holte Luc einen Wasserschlauch und zwei Äpfel aus der Satteltasche, bevor er sich wieder neben seinen Freund setzte. „Ich habe gepatzt. Eine Schwäche in mir entdeckt, die ich vorher nicht kannte. Und das macht mir Angst. Weiter möchte ich darüber nicht sprechen. In Ordnung?“ Luc würde Vernon sein Leben anvertrauen. Aber er kannte seinen Freund auch lange genug um zu wissen, dass seine Loyalität in erster Linie der Garde gehörte. Er war durch und durch ein folgsamer, kontrollierbarer Soldat. Ein ergebender Diener der Gilde. „Dann ist es also wahr was man sagt? Über die mentale Macht der höchsten Vampire meine ich.“ Er wusste schon zu viel. Vernon kannte ihn gut genug, um Gesagtes richtig zu interpretieren. Luc entschied sich für das einzig Richtige. Schweigen. „Apfel?“ „Danke.“ Der Rückritt war langsam. Schon alleine um Vernons Wunde zu schonen. Es dämmerte langsam. Die aufkriechende Nacht weckte Wehmut in Luc. Als sie sich den Stadttoren näherten, versanken auch die letzten Sonnenstrahlen hinter dem Horizont. „Ich habe einen Bärenhunger. Wie stet's mit dir?“ Vernon riss Luc aus seiner Melancholie. „Ja, schon.“ „Lass uns in eine Taverne gehen.“ „In eine Taverne, oder in die Taverne?“, stichelte Luc. Er wusste genau, dass Vernon nicht wegen des guten Essens in den 'Spielmann' gehen wollte, sondern wegen der rothaarigen Schönen, der er bereits seit geraumer Zeit den Hof machte. „Nun schau nicht so mürrisch. Wir können gerne dorthin gehen. Aber hältst du es nicht für besser, deine Wunde zunächst untersuchen zu lassen?“ „Ach was, ich bin nicht zimperlich und wenn ich umkippe, bringst du mich schon heim.“ Das schallende Lachen seines Freundes stimmte Luc fröhlicher. „Na dann, statten wir deiner holden Maid einen Besuch ab.“ Er fühlte sich beobachtet. Abermals schweifte sein Blick über die Gäste. Nichts. Niemand der ihn anstarrte oder gar beobachtete. Vernon stupste ihn von der Seite an. „Sie hat mich angelächelt.“ „Ich will dir ja nicht die Euphorie nehmen, aber sie lächelt jeden zahlenden Gast an. Und nachdem du bereits zum fünften Mal nachbestellt hast, kann es schon sein, dass ihr Lächeln etwas größer ausfällt.“ „Nein, das meine ich nicht. Schau in ihre Augen. Bei mir strahlen sie. Es ist wie Magie zwischen uns. Hast du so was noch nie erlebt?“ Lucs Brust verkrampfte sich. Ja, so sehr er sich auch sträubte, er kannte diese Magie. Das Strahlen anderer Augen, die einen anblicken, als sei dieser Moment das Schönste auf der Welt und alles andere unwichtig. Wieder fühlte er sich beobachtet. Diese mächtige Aura, er konnte sie beinahe greifen. Oder war es nur Einbildung? Wunschdenken? Die Hoffnung seiner Sehnsucht einen Moment Erfüllung verschaffen zu können? Luc ärgerte sich über sich selbst. Wieso bekam er Iven nicht aus seinem Kopf? Er hob den Becher an seine Lippen. Er hatte sicher zu viel getrunken. Dieser einer noch, dann war Schluss. „Sie kommt her.“ Luc war leicht genervt. Bereits den ganzen Abend brachte Vernon keinen vernünftigen Satz zustande. Der Brünette schweifte ständig ab und benahm sich zeitweilig wie ein Idiot. „Ja, weil dein Becher schon wieder leer ist und sie bestimmt nachfüllen möchte.“ „Warum kannst du mir nicht einfach Mut zusprechen und dich für mich freuen?“ Ja, warum konnte er es nicht? War er tatsächlich so eifersüchtig auf seinen Freund, dass er ihm diesen schönen Abend madig reden musste? Neidisch, dass Vernon bereits seine Liebe gefunden hatte. Eine, die sich erfüllen durfte. Nein Luc, so tief sind diese Gefühle in dir nicht! Es war schließlich nur eine Begegnung. Mach dich nicht verrückt. Nur Hirngespinste, weiter nichts. Vernon hatte recht. Er verhielt sich unfair. Seine schlechte Laune musste er wahrlich nicht auf seinem Freund abwälzen. Immerhin war der Brünette immer für ihn da, wenn er seine Hilfe brauchte. Luc nahm noch einen tiefen Schluck und ging zu der Rothaarigen, gerade rechtzeitig um sie abzufangen, bevor sie an ihren Tisch kam. Aus den Augenwinkeln sah er, dass Vernon protestieren wollte. „Darf ich euch höflich um einen Gefallen bitten, schöne Maid?“ Überrascht aber auch geschmeichelt musterten ihn die hellblauen schmalen Augen der jungen Frau. „Wie kann ich euch helfen, werter Herr?“ „Es geht eigentlich nicht um mich, sonder um meinen Freund dort drüben. Wisst ihr, er wurde heute in einem Kampf schwer verwundet, aber all meine Überredungskünste ihn zu einem Arztbesuch zu bewegen scheiterten.“ „Herr, ich weiß nicht recht wie ich da helfen könnte. Der Heilkunde bin ich nicht mächtig.“ „Nun ja, der Grund weshalb er sich weigert einen Arzt aufzusuchen, liegt an einer viel größeren Wunde. Die in seinem Herzen. Er wollte euch nahe sein, koste es was es wolle.“ Die Wangen der Frau erröteten leicht „Ihr treibt keine Späße mit mir oder? Nur ein Narr riskiert seine Gesundheit um meinetwillen.“ „Nein, ich mache keine Späße und ich würde euch gewiss nicht damit behelligen und meinen Freund in diese beschämende Situation bringen, wenn ich mir nicht sicher wäre, dass er schleunigst einen Verbandswechsel braucht.“ „Wenn ihr lügt, kommt euch das teuer zu stehen!“ Als Antwort legte Luc eine Silbermünze in ihre Hand. „Bitte kümmert euch gut um ihn. Er ist ein netter Kerl und ein guter Mensch. Er macht euch bestimmt keine Schwierigkeiten.“ Fassungslos nahm sie das wertvolle Geldstück und inspizierte es. „Würde es euch wundern, wenn ich sage, dass ich noch nicht oft in Besitz solch kostbarer Habe war?“ Sicher nicht, Luc wusste nur zu gut, von dem harten Leben der Mittelschicht, die sich als solche nur bezeichnen konnte, weil sie mehr zum Leben besaß, als die Bettler auf den Straßen. „Behaltet es, werter Herr. Ich bin nicht käuflich und euer Freund ist mir bereist früher sympathisch aufgefallen. Ich kümmere mich um ihn, weil ich denke, dass er es wert ist.“ Damit wandte sie sich ab. An Vernons Gesichtsausdruck, konnte er sehen, dass sie ihn wieder mit diesem Lächeln ansah, welches er so liebte. Ja, mein Freund, sie besitzt ein gutes Herz und scheint eine aufrichtige Frau zu sein. Den Rest musst du nun schon selbst erledigen. Er war sich sicher, dass Vernon seinen Gruß nicht mehr wahrgenommen hatte. Lächelnd verließ er die Taverne. Die Nacht tauchte die Umgebung in ein tiefes Schwarz. Schwarz und verlockend wie die Augen des Prinzen. Er konnte die stumme Aufforderung sich fallen zulassen gegenwärtig wieder spüren. Wie Puzzlestücke setzten sich die Bilder der letzten Nacht vor seinem geistigen Auge zusammen. Krampfhaft versuchte er sie abzuschütteln. Wachsam machte er seinen Weg aus. Einzig ein paar spärlich angebrachte Fackeln beleuchteten die Straßen. Langsam schritt er durch die engen Gassen, seinen Schimmel neben sich führend. Immer noch bildete er sich ein, Augen auf seinem Rücken zu spüren. Es war kalt und dennoch fühlte er eine gewisse Wärme in seiner Nähe. Bei jedem flatternden Schatten hielt er inne. Huschende Ratten, wehende Bettlaken im Wind. Die Vorahnung blieb. Suchend musterten seine grünen Augen die Umgebung. Nichts. Dabei war er sich so sicher. Er war hier. Oder machte er sich selbst verrückt? Und was wäre wenn? Wie würde er reagieren, wenn er Iven noch einmal Angesicht in Angesicht gegenüberstand? Konnte er das nächste Mal widerstehen? Würde er seine Emotionen beherrschen können oder würde wieder das Gefühl dominieren, ins Bodenlose zu fallen? Besaß er die Kraft, ihm mit der gleichen Verachtung, mit dem gleichen Hass entgegenzutreten, wie all den anderen Vampiren? Oder wäre er nur wieder berauscht von seinem einnehmenden Charisma? Sein Kopf pochte. So viele Gedanken die er nicht einordnen konnte. Fragen, deren Hall ihn Taub machte. Gefühle, die fremd und ängstigend waren. Sein Herz verkrampfte sich. Er fühlte innerlichen Schmerz, den er nicht zu beschreiben vermochte. Diesen und ein Hauch von Glück. Leere und gleichzeitig Erfüllung, die er bereits sein ganzes Leben lang gesucht hatte. Er wünschte sich, in Ivens starken Armen versinken zu können. Wollte die wohlige Stimme hören, die ihm sanft zuflüsterte, dass alles in Ordnung sei. Doch nichts war in Ordnung. Rein gar nichts. Wieder eilte ein Schatten an ihm vorbei. Intuitiv griff er nach seinem geweihten Dolch und warf ihn in die Schwärze. Ein Jauchzen gellte durch die Gasse. Luc eilte näher. Kopfschüttelnd bückte er sich und griff nach unten. „Herzlichen Glückwunsch Luc. Du hast soeben todesmutig eine streunende Katze zur Strecke gebracht.“ Leicht angeekelt wischte er das Blut von der Klinge mit einem Taschentuch ab, welches er achtlos zu Boden warf. Wach endlich auf! Hier ist niemand. Zumindest kein Vampir. Und der Prinz würde sich wohl kaum in so einer Gosse aufhalten. Wieso glaubst du überhaupt, dass du für ihn so interessant sein könntest, dass er dich verfolgt und beobachtet? Und wenn du ihn wiedersehen solltest, dann gibt es nichts zu überlegen. Nichts zu fühlen. Du hast ihn zu vernichten und du wirst deiner eigenen Maxime Treue beweisen und ihn töten, genau wie jeden anderen dieser verdammten Blutsauger. Eine einzelne Träne brannte wie Säure auf seiner Haut. Du hast geschworen sie alle auszulöschen. Keine Ausnahme. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)