Blutschuld von abgemeldet (Seine Bestimmung war es Vampire zu jagen, nicht sie zu lieben) ================================================================================ Kapitel 5: Neue Chance ---------------------- 5. Neue Chance Er hatte eine unruhige Nacht. Stundenlang wälzte er sich von einer Seite zur anderen. Seine Gedanken wollten einfach nicht schweigen. Immer wieder bauten sie Bilder, die nichts in seinem Kopf zu suchen hatten. Erst bei Morgengrauen fiel er erschöpft in einen tiefen, traumlosen Schlaf, aus dem er jäh geweckt wurde. „Luc! Steh bitte auf, ich muss mit dir reden!“ Mürrisch wand sich Luc aus seinem Bett. „Phil bitte, ich hatte eine wirklich kurze Nacht.“ „Glaubst du, meine war länger oder erholsamer? Ich mache mir ernsthafte Sorgen um dich.“ Verschlafen ging der Dunkelblonde zur Waschschüssel. Das kühle Nass belebte sein Gesicht etwas. „Du willst also reden, als Vorgesetzter?“ „Deinen dienstlichen Bericht hast du bereits gestern abgelegt. Ich möchte die ungeschönte Version hören. Als dein Ziehvater, der dir Beistand leistet.“ Luc ging nicht darauf ein. Selbst Phil würde nie begreifen können, was ihm widerfahren war. „Ich habe nichts weiter vorzutragen und bei aller Liebe und Dankbarkeit, ich brauche deinen Beistand nicht.“ „Doch den brauchst du, Luc. Vielleicht mehr als du dir vorstellen kannst.“ Ruhig durchquerte der Grauhaarige das kleine Zimmer und ließ sich erschöpft in den Sessel vor dem Kamin sinken. Luc stellte mit Erschrecken fest, dass sein Mentor in den letzten Jahren merklich gealtert war. Immer noch sprühte sein Lehrmeister vor Kraft, aber die Müdigkeit in dessen Körper begann langsam die Oberhand zu gewinnen. „Alles in Ordnung?“ Luc konnte die Sorge in seiner Stimme nicht verbergen. „Ja, Luc. Mit deinem alten Lehrer ist alles in Ordnung. Nur mit seinem Schüler nicht. Bitte setze dich zu mir.“ Luc folgte der Aufforderung und nahm auf dem Bärenfell vor dem Kamin platz. „Ich sagte dir schon, dass ich nichts weiter hinzuzufügen habe, also sprich aus was du zu sagen hast.“ Phils Blick ruhte noch eine Weile in dem warmen Feuer des Kamins, bevor er das Wort an seinen Zögling richtete. „Ich kenne dich Luc. Du kannst vielleicht dem General etwas vormachen, aber nicht mir. Ich habe dich gefördert. Zum besten Elitejäger der Garde gemacht. Du kannst mir nicht erzählen, dass du in einem Kampf davon gelaufen bist. Der Luc, den ich kenne, den ich ausgebildet habe, hätte nichts unversucht gelassen, um den Prinzen zu töten. Auch wenn es ihm das Leben gekostet hätte. Er hätte gekämpft, bis zum Ende. Demnach gibt es für mich nur eine Erklärung.“ Angespannt krallten sich Phils knorpelige Finger fest in das braune Leder der Sessellehnen. “Du standest nie vor der Wahl Flucht und Leben oder Kampf und Tod. Also was ist passiert? Raus mit der Sprache Luc!“ Phil hatte so Recht. Ja, hätte es einen Kampf auf Leben und Tod gegeben, er wäre geblieben, bis zum letzten Atemzug. Aber es ging nicht um sein Leben, sondern um seine Seele. Beschämt blickte er in die wütenden Augen seines Mentors. Er konnte darauf einfach nichts erwidern. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Der Härte in Phils Gesicht, wich Milde. „Er hat dich verzaubert. Unter Hypnose gesetzt und deinen Willen gelenkt, nicht wahr? Bei Gott, ich hatte gehofft, dass dein tiefer Hass stark genug sein würde, um ihm zu widerstehen.“ Ungläubig musterte der Schüler seinen Mentor. „Dann wusstest du von seiner Macht? Kannst sie begreifen und erklären?“ Die blaugrauen Augen schweiften zurück in die Flammen. „Cecilia. Du erinnerst sich an sie? Die Frau, der ich einst mein Herz schenkte und die meine Liebe mit Füßen trat?“ „Ja. Einige Zeit lang konntest du von fast nichts anderem mehr sprechen, als von ihr. Ich erinnere mich noch mit Schrecken daran, dass du einmal sagtest, für sie würdest du die Gilde aufgegeben.“ „Nein Luc, nicht nur aufgegeben. Ich hätte die Gilde und all ihre treuen Diener für sie geopfert. Selbst dich. Ja, so verfallen war ich ihr. Cecilia, mein Ein und Alles. Sie war die Schwester des Prinzen.“ „Cecilia war Ivens Schwester?“ Ein Schauer lief über Lucs Rücken. Alleine seinen Namen auszusprechen, weckte Erinnerungen, Empfindungen. „Dann kennst du also seinen Namen“, stellte der Ältere nüchtern fest. „Ja, ich kenne seinen Namen und es hätte geholfen, ihn vorher zu erfahren. Aber aus jedem hohen Vampir, macht die Gilde ja ein unantastbares Geheimnis.“ „Ich bitte dich, Luc. Diese Diskussionen hatten wir schon zu genüge. Es ist zu riskant und würde falsche Ambitionen fördern. Das Gleichgewicht aus den Fugen reißen, wenn es jemand wagen sollte, aus eigenem Antrieb zu handeln. Wir bekämpfen Vampire, aber ihre Reihen sind mit denen der Menschen verflochten und dürfen nicht offengelegt und wahllos zerschlagen werden.“ „Danke, dass du mich eben daran erinnert hast, weshalb ich es tausendfach vorziehe in den Kampf zu ziehen, als an einem fadenscheinigen Verhandlungstisch beizuwohnen.“ Den Rest seines Ärgers unterdrückte der Dunkelblonde. Außer, dass er Phil mit seinen Ansichten kränkte, käme wie immer nichts dabei heraus. „Ich nehme nicht an, dass sein Name beiläufig im Kampf gefallen ist. Wie nah seid ihr euch gekommen?“ Bewusst wich Luc der Frage aus. „Ich wusste nicht, dass Cecilia ein Vampir war.“ Luc war von dieser Tatsache ehrlich betroffen. Erst jetzt wurde ihm klar, welche Qual sein Mentor einst wirklich litt. Er hätte sich dafür Ohrfeigen können, dass er das Ausmaß seiner Verzweiflung damals nicht begriff. Er hätte mehr für ihn da sein sollen. Eine größere Stütze bieten müssen. „Es war ein unglücklicher oder nach heutigem Standpunkt, wohl eher ein glücklicher Zufall, dass sie vor fast zwei Jahren bei einer Routinesäuberung starb. Sie hätte gar nicht dort sein sollen. Ich selbst war nicht dabei, sonst hätte ich ihr Leben schützen können. Sie durch das Blut meiner eigenen Gefährten vor dem Tod bewahren können. Ich war Blind. Für alles. Obgleich ich wusste, dass ich ihr gleich war. Nie machte sie mir Illusionen und doch war ich in einer gefangen. Erst als sie starb, gab sie meine Seele wieder frei. Es war wie ein Neuanfang. Du siehst also, ich kenne die ängstigende Einflussnahme auf unsere Gefühle der hohen Vampire, nur zu gut. Ich hatte mich ganz und gar der Liebe zu ihr verschrieben. Einzig ihr Tod, durch die Hand eines unwissenden Jägers hat mich und die gesamte Gilde vor mehr Schaden bewahrt.“ Luc verlor seine Hemmungen. Gerade vor Phils anklagendem Wesen hatte er Angst gehabt. Ihn zu beschämen, war schlimmer, als vor dem General in Ungnade zu fallen. Zu wissen, dass es nunmehr nicht viele Worte benötigte um sich zu erklären, nahm eine Last von seinen Schultern, deren Gewicht sich nicht ermessbar war. „Ich begreife nicht, wie es geschehen konnte. Ich dachte immer, ich hätte einen unbeugsamen Willen und einen starken Geist. Er gab mir sein Versprechen, gegen mich keinerlei Macht einzusetzen und ich glaubte ihm. Aber auch ohne sein Zutun, wurde ich unweigerlich in seinen Bann gezogen. Wir tranken, sprachen, lachten. Es war erschreckend festzustellen, wie leicht es ihm gelang, mich zu bezaubern. Ich redete mir ein, dass er gelogen hatte. Dass ich seiner Hypnose nicht gewachsen war. Jede Minute versuche ich noch immer eisern an diese Erklärung zu glauben. Aber es hilft nichts. Ändert nichts. Iven sprach die Wahrheit und hielt sich zurück. Mein kläglicher Versuch eine Rechtfertigung zu finden ist nichts als Lüge. Und ich verachte mich für diese Schwäche. Als ich vor ihm stand und den geweihten Dolch auf seine schlafende Gestalt gerichtet hatte, fühlte ich mich verloren. In diesem Moment, als ich zögerte, verkaufte ich meine Seele an den Teufel.“ Phils kühle Hand legte sich sanft auf seine Schulter. „Sei nicht so hart mit dir, Luc. Wenn jemand Schuld daran hat, dann ich. Ich wusste welcher Gefahr ich dich aussetzte. Es war arrogant zu glauben, dass du immun gegen seine Aura wärst, nur weil du mein Zögling bist. Ich hätte es besser wissen sollen. Sie zu töten ist irrsinniger Weise, wie wider die Natur zu handeln.“ Lucs fragendes Gesicht verlangte eine Erklärung. Sein Mentor verwirrte ihn mit seinen Worten nur noch mehr. Mit einem leichten Nicken fuhr sein Meister fort. „Es gibt nur noch wenige von ihnen. Vampire die dem höchsten Adel angehören. In ihnen fließt das mächtigste Blut der Ahnen. Sie besitzen die Gabe unseren Verstand in Wahnsinn und unsere Gefühle ins Chaos zu stürzen. Sie ziehen uns Menschen an, wie das Feuer die Motten. Und erst wenn wir brennen, merken wir, dass es zu spät ist. Sieh es als eine Art von Schutzmechanismus an. Ihre Macht, die in uns den widersinnigen Wunsch wachruft, sie zu schützen, anstatt zu töten, ist naturgegeben. Nur so, konnten sie über Jahrhunderte hinweg überdauern.“ Der junge Jäger weigerte sich den Worten glauben zu schenken. Alles in ihm versuchte aufzubegehren. Nein, so einfach konnte sein Wille doch nicht gebrochen werden. Naturgegeben. Luc schauderte. Was immer es war, es hatte nichts mit der Natur zu tun. Es war dämonisch, unheilvoll und erschreckend. „Aber es ist möglich. Du sagtest, Cecilia wurde von einem Jäger getötet. Also stehen wir nicht automatisch unter ihrem Bann.“ „Nein, nicht vollends. Es kommt auf die Stärke in uns an. Unser Gefühlsleben beeinflusst die Wirkung. Deshalb hatte ich gehofft, dass der Prinz dich nicht berührt. Ich hatte geglaubt, dass dein Hass auf diese Wesen tiefer geht, als jede andere Emotion. Ich habe mich geirrt und es tut mir leid. Irgendetwas an ihm, muss in dir verschlossene Empfindungen wachgerufen haben. Jetzt ist es an dir, in dich zu blicken, deine Schwachstelle zu erkennen und sie auszumerzen.“ Traurig schweiften grüne Augen über die züngelnden Flammen. „Wozu, ich hatte meine Chance und habe sie vertan.“ „Es wird eine neue Gelegenheit geben. Ein Treffen des Prinzen mit dem Grafen von Merloch. Wir werden den Prinzen aus der Ferne liquidieren können. Das Arrangement ist aber nicht ganz koscher. Graf Merloch hat gewisse Schwierigkeiten, sich dem Regime des Prinzen zu beugen. Ein Unfall in seinem Territorium, ohne sich selbst dabei die Hände schmutzig machen zu müssen, käme ihm sehr gelegen.“ „Verstehe, die Gilde wird diesmal also einem Vampir wissentlich einen Gefallen erweisen, um selbst an ihr Ziel zu kommen. Ganz der Maxime folgend 'der Zweck heiligt die Mittel'.“ Luc sprach die Worte voller Verachtung aus. Einen Herrscher auszurotten und damit dem nächsten den Weg zur Spitze zu ebnen, war für ihn blanker Hohn. „Wir schaffen damit das Fundament für einen anderen Vampir. Einen den wir nicht kennen. Der in seiner Herrschaft vielleicht unberechenbarer und grausamer werden kann, als der jetzige. Ich finde nicht, dass wir derart auf die Clans einwirken sollten.“ Ruhig erklärte sich der Oberstleutnant. „Ich verstehe deine Einwände. Aber es wird dauern, bis der Graf die gesamte Gefolgschaft geschlossen unter sich vereinigen kann. Wenn es uns gelingt, dann sind die Clans in erster Linie führerlos und desorientiert. Sie werden sich gegenseitig das Leben schwer machen und die Garde kann ungehindert zuschlagen. Bitte Luc, erkenne die Chance die uns dieses Arrangement liefert.“ Kopfschüttelnd ballte der Jäger seine Fäuste. „Es verstößt gegen meine Moral. Mit einem Vampir Geschäfte zu machen ist entwürdigend. Manchmal frage ich mich, ob der General noch weiß was er tut.“ „Luc!“, rief ihn sein Vorgesetzter zur Ordnung. „Es liegt nicht an dir, die Geschicke der Gilde zu lenken oder die Garde zu befehligen. Anstatt dir den Kopf darüber zu zerbrechen, ob es akzeptabel ist, solltest du dir lieber die einzig wichtige Frage stellen.“ „Die da wäre?“ „Dein Auftrag lautet, das Zielobjekt zu erschießen und danach zu verschwinden, bevor die Häscher des Prinzen dich entdecken und Vergeltung üben können. Du wirst freie Bahn haben, aber nur einen Schuss. Der heilige Pfeil muss sein Ziel treffen. Nun, was ist Luc. Stellst du dich der Herausforderung? Willst du die neue Chance ergreifen?“ Sein Blut pulsierte schneller, schürte die Leidenschaft des Jägers. Ungestümer Tatendrang verlangte nach Handlung. Luc musste nicht überlegen. Er konnte alles wieder in Ordnung bringen. Sein Versagen, seine Gefühle, sein Leben. „Ja, ich nehme an.“ „Und wirst du den heiligen Pfeil abschießen können. Treffsicher in sein Herz?“ „Ja, ich werde.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)