Blutschuld von abgemeldet (Seine Bestimmung war es Vampire zu jagen, nicht sie zu lieben) ================================================================================ Kapitel 10: Beschluss und Entschluss ------------------------------------ 10. Beschluss und Entschluss Keuchend stieg er ab und führte seinen Schimmel in die Scheune. Sonst kümmerte er sich gerne selbst um sein Pferd, doch heute war er froh, die Pflege einem Stalljungen anvertrauen zu können. Er war sich nicht sicher, ob er bereits mit Phil sprechen konnte. Wahrscheinlich wäre es besser, wenn er das Gespräch mied. Phil würde ihm auch nur sagen, was er schon wusste. Dass er sich in Acht nehmen musste. Dass Ivens Geständnis in Anbetracht seiner Taten wahr sein könnte, war eben so möglich, wie ein ausgetüftelter Plan, den er noch nicht zu durchschauen vermochte. Wie dem auch sei. Er konnte nicht leugnen bei dem Gedanken daran, dass Iven wahrhaft Liebe für ihn empfand, glücklich zu sein. Sein Herz wollte ohne Umschweife diesem Glück entgegen laufen. Viel zu lange war es im kalten Eis des Winters eingesperrt und der Frühling mit seiner Unbeschwertheit und Wärme verbannt gewesen. Allein fleischliche Gelüste gestatte er sich. Doch nie war sein Herz dabei. Es hinzugeben, der Gefahr der Enttäuschung auszusetzen, erschien ihm stets als zu groß. Nun festzustellen, dass es einem Vampir scheinbar mühelos gelang sich in sein Herz zu nisten, war wie ein Schlag in sein Gesicht. Jahrelang hatte er sich und der Welt Stärke und Unnahbarkeit vorgegaukelt. Er brauchte niemanden. Liebte seine Unabhängigkeit und kam auch bestens ohne Zweisamkeit zurecht. So war es einfacher seine Gefühle zu kontrollieren, sie unter Verschluss zu halten. Sein Leben der Jagd zu verschreiben. Alles war geordnet und Sinn gerichtet. Doch nun stand er vor einem Scherbenhaufen. Er musste ihn beseitigen. Scherbe für Scherbe. Aber zuerst musste er seinen Rausch ausschlafen. Sein Kopf würde ihm morgen sicher die Quittung für seine Maßlosigkeit präsentieren. Dabei hatte kein Becher seine Verwirrung beseitigen oder die Gefühle betäuben können. Im Gegenteil. Müde fiel er ins Bett. Morgen würde er zuerst nach Vernon sehen. Es war bereits später Mittag als er mit einem pochenden Kopf erwachte. „Oh je, da hast du ganze Arbeit geleistet“, tadelte er sich selbst. Er nahm keine Rücksicht auf die Gegenwehr seines Körpers, als das eisige Wasser an seiner Haut hinab perlte. Selbst schuld. Wärst du nicht so maßlos mit dem Wein gewesen, könntest du jetzt anstatt deinen Kreislauf in Schwung zu bringen, ein warmes Bad nehmen. Nach dem Ankleiden versteckte er den geweihten Dolch mit der verzierten Scheide in seinem Stiefel. Er war froh, dass Phil ihm trotz allem diese Waffe gestern wieder anvertraut hatte. Ohne Worte. Sein Mentor nahm damit einen großen Verstoß auf sich. Das Verschwinden des Dolchs würde sicher nicht lange unbemerkt bleiben. Luc nahm noch eine Kleinigkeit zu sich, um dann seinen Freund aufzusuchen. Vernon wurde das Privileg eines eigenen Krankenzimmers zugesprochen. Der Dunkelblonde war außerordentlich froh über den Umstand, seinen Freund im Vertrauen sprechen zu können. Er klopfte an die Tür. „Herein!“ Vernons Stimme klang bereits wieder kraftvoll. „Hallo, mein Freund. Wie geht es dir?“ „Luc, wie schön dich zu sehen. Mir ist bereits zu Ohren gekommen, dass man dich gefunden und wohlbehalten zurück gebracht hat. Mit geht es bereits ganz gut. Ich weiß nur nicht, wann ich bei all der Bettruhe durchdrehe“, lachte der Brünette. „Setze dich bitte.“ Luc ließ sich auf der Bettkante nieder. Vernon sah gut, wenn auch sehr mitgenommen aus. „Ich bin froh, dass du es geschafft hast. Ich hätte es mir nie verzeihen können, wenn du mit deinem Leben bezahlt hättest.“ „Ach, komm schon, Luc“, Vernon puffte ihn in die Seite, „es war meine Entscheidung dich zu begleiten. Ich wusste welches Risiko ich eingehe. Also bitte keine Schuldgefühle, in Ordnung?“ Luc nickte dankbar. „An was erinnerst du dich noch?“ Vernon überlegte bevor er antwortete. „Im Grunde wieder an alles. Da gibt es nur einiges was ich nicht verstehe.“ Ernst blickte der Brünette seinen Freund an, als er fortfuhr. „Du hättest einfach treffen müssen. Aber bereits beim Zielen haben deine Hände gezittert. Du bist ein verdammt guter Schütze und hattest freie Bahn. Dass dein Pfeil nicht getroffen hat, kann ich mir nur so erklären, dass du nicht sein Herz treffen wolltest.“ Luc fühlte sich ertappt und wagte nichts zu erwidern. „Dann das Einschreiten des Prinzen. Ich weiß nicht, was da zwischen euch ist, Luc. Aber ich habe ihn gesehen. Den Blick, den er dir zuwarf. Das Verlangen in seinen Augen. Er wollte dich.“ Luc schwieg weiter. „Was denn? Nicht eine Erklärung? Willst du wirklich, dass ich mir zusammen mit dem Schal um deinen Hals, mein eigenes Bild male?“ Vernons Augen wurden glasig. Vorsichtig griff er nach dem dünnen Tuch um Lucs Hals. Scharf zog er die Luft ein, als er die Male sah. „Bitte, sag mir, dass das nicht wahr ist! Du bist nicht zu einem der ihren geworden, oder?“ Lucs Worte waren ruhig, obwohl es in ihm brodelte. „Nein, Vernon. Ich gehöre immer noch mir selbst. Siehe es als Bezahlung für unser beider Leben an.“ „Dann hast du dich verkauft. Hättest du mich davor gefragt, dann hätte ich lieber den Tod gewählt, als zuzulassen, dass du dich in die Verdammnis begibst.“ Luc griff sanft nach Vernons Händen. „Du musst mir glauben, wenn ich dir sage, dass ich nicht vor die Wahl gestellt wurde. Ich hege auch keine Ambitionen ihm und seiner Macht nachzugeben. Im Gegenteil. Ich werde dem ein Ende setzen.“ „Korrigiere mich, wenn ich falsch liege, aber du hattest zweimal die Chance und den Auftrag den Prinzen zu töten. Das letzte Mal hast du ihn geschont. Was war davor auf dem Maskenball? Da hast du auch gezögert, nicht wahr? Warum?“ Luc wusste, dass es sinnlos war seine Gefühle zu erklären. Gefühle die er selbst nicht verstand und für die Vernon niemals Verständnis gehabt hätte. „Sagen wir einfach, ich habe ihn unterschätzt und ich werde meinen Fehler wieder gut machen.“ „Er hat dich gebissen! Dich zu seinem Eigentum gemacht. Wie könntest du dich da gegen ihn auflehnen?“ „So ist es nicht. Vertraue mir, Vernon. Bitte.“ Gerne hätte er mehr gesagt, seinem Freund die ganze Geschichte erzählt. Doch er wusste, dass er damit alles nur noch schlimmer machen würde. Kritisch musterte Vernon den Jäger. „Vertraust du dir denn selbst noch, Luc? Ich kann dieses Wissen nicht für mich behalten, das weißt du. Sobald ich genesen bin, werde ich beim General vorsprechen.“ Das war mehr, als Luc erwarten konnte. „Danke.“ Er stand auf und wandte sich zum Gehen. „Luc, ich will, dass du weißt, dass ich zutiefst von dir enttäuscht bin. Du warst immer mein Vorbild. Und nun fühle ich mich von dir verraten.“ Er musste mit sich kämpfen. Jeder wütende Gefühlsausbruch wäre Luc lieber gewesen, als diese schlichte offene Feststellung, die ihn unendlich schmerzte. „Es tut mir leid, Vernon. Bitte glaube mir. Ich werde nichts unversucht lassen, meinen Fehler wieder gut zu machen.“ „Bitte, belüge mich nicht. Und noch wichtiger, sei ehrlich zu dir selbst. Ich kenne deinen Hass auf die Vampire. Wenn der Prinz es geschafft hat, diesen unerschütterlichen tiefen Groll in dir zum Schweigen zu bringen, dann kämpfst du nicht gegen ihn, sondern in erster Linie gegen dich selbst. Du kannst es leugnen. Aber unsere Wege werden sich trennen. Ich werde für dein Seelenheil beten, Luc. Aber ich werde nie wieder an deiner Seite kämpfen können. Ich werde unsere Freundschaft nicht vergessen, sie aber tief in meinem Herzen verschließen. Wenn wir uns das nächste Mal begegnen, sind wir Feinde.“ Luc konnte nicht noch einmal in die traurigen Augen seines Freundes blicken. „Verstehe. Lebe wohl, Vernon.“ Er stürmte nach draußen. Die kalte Winterluft besänftigte sein erhitztes Gemüt nur geringfügig. Es tat weh, Vernon nun für immer aus seinem Leben zu wissen. Wenn sie je wieder aufeinander trafen, dann als Feinde. Vernons Genesung würde sicher noch einige Tage in Anspruch nehmen. Dennoch nahte der Tag der Offenbarung unaufhörlich. Seine Verbannung in Schande war nur eine Frage der Zeit. Nein, er konnte sich selbst noch nicht ins Aus setzen. Er würde versuchen, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen, bevor er als Verräter bezichtigt, verstoßen und gejagt wurde. Er hatte keine Wahl mehr. Nur einen Ausweg. Er musste Iven töten. Ihn und seine aufkeimenden Gefühle für dieses seelenlose Geschöpf. „Luciel Baldur?“ Luc drehte sich um. „Bitte verzeiht, aber der General verlangt nach euch. Ihr möchtet euch umgehend in seinem Büro einfinden.“ Darauf war Luc nicht vorbereitet. Was könnte er wollen? Noch bevor er den Soldaten fragen konnte, war dieser verschwunden. Es war ihm unbehaglich zumute, als er in das Büro eintrat. Neben dem General Babtiste van Dur, war Phil als Oberstleutnant, der Major Breskeville und Hauptmann Junkens anwesend. Die Zusammenkunft dieser Männer ließ nichts Gutes erahnen. „Bitte setzt euch, Luciel Baldur.“ Die Stimme des Generals klang ernst. „Mir ist es nicht recht, aber nach reichlicher Beratung, sind wir als Gremium der Garde zu dem Beschluss gekommen, euch zu beurlauben. Bitte versteht dies. Ihr habt zweimal versagt. Und um ehrlich zu sein, eure Berichte waren alles andere als nachvollziehbar oder zufrieden stellend. Ich habe große Stücke auf euch gesetzt. Nicht zuletzt, weil Philippe Constenz sich für euch verbürgt hat.“ „Was der General damit sagen möchte“, mischte sich der blonde Hauptmann Junkens ein, „ist, dass ihr der Aufgabe nicht gewachsen seid. Ihr habt das euch entgegengebrachte Vertrauen nicht mit Taten bestätigen können. Und Bemühungen allein reichen nun einmal nicht aus, wie ihr sicher verstehen werdet.“ Der Hauptmann machte sich nicht einmal die Mühe, den Hohn in seiner Stimme zu verbergen. Der General ergriff wieder das Wort. „Wir werden euren bisherigen Dienst in der Garde nicht abwerten, aber momentan sehen wir es für besser an, wenn ihr euch von den Strapazen erholt. In welchem Sinne ihr der Garde zukünftig dienen könnt, wird noch beschlossen werden.“ Am liebsten hätte Luc in die lachenden Gesichter gespuckt. Wie konnten Sie nur so über ihn urteilen? Sie hatten keine Ahnung. Diese hohen Esel dirigierten seit Jahren nur noch, ohne sich der tatsächlichen Gefahr stellen zu müssen. „Die Beurlaubung gilt bis auf weiteres für unbestimmte Zeit. Ihr dürft euch entfernen.“ Luc ging und schluckte den Ärger hinunter. Jedes Wort wäre zu viel gesprochen. Alleine mit Taten konnte er antworteten. Als er auf den Kasernenhof trat, musterten ihn neugierige Blicke. Seine Beurlaubung hatte also bereits die Runde gemacht. Es war fast albern, wie erwachsene Kerle tuschelnd in den Ecken standen. Wie Klatschweiber, die nichts Besseres zu tun hatten, als sich über das Unglück anderer lustig zu machen. Er ging Richtung Stall. Keine Sekunde länger wollte er hier verweilen. „Sieh an, ein Ausritt am frühen Abend. Du willst sicherlich zu deinem Liebsten, um gemeinsam die Sterne anzubeten. Zu etwas anderem bist du ja nicht im Stande. Ein Schandfleck für die Garde!“ Das war zu viel. Er holte aus und schlug den Lästerer zu Boden. Er war beinahe wie im Wahn und musste sich beherrschen innezuhalten, bevor der Andere ernsthaften Schaden davontragen würde. Unter der blutenden Nase und dem blau anschwellenden Augen erkannte er Siegbert, Sohn des Hauptmanns Junkens. „Sieh einer an. Da wittert doch wohl nicht einer seine Chance, meinen Platz einzunehmen? Hat dein Papi das alles arrangiert, um seinem unfähigen Sohn den Weg zu ebnen?“ Luc drückte seinen Ellenbogen schmerzhaft gegen die wohl nun zumindest angeknackste Rippe des Unterlegenen. „So war das doch nicht gemeint, es war nur ein Scherz“, presste der Blonde hervor. Luc wusste genau, wie es gemeint war. „Na, wenn das so ist, dann tut es mir leid, dass ich deine Art von Humor nicht verstehe.“ Angewidert spuckte er in das verzerrte Gesicht unter ihm und stand auf. „Hat mir noch jemand was zu sagen!“ Stille. Keiner rührte sich mehr. Einige drehten sich weg, als ob nie etwas gewesen wäre. Der Jäger zögerte nicht länger. Auf direktem Wege ritt er seinem Schicksal entgegen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)